TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/22 2002/17/0190

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Veröffentlicht am 22.10.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E03606500;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art12 idF 31998R2814;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs1;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs1a idF 31998R2814;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs3 idF 31997R0624;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs3 idF 31997R2289;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs3 idF 31998R2814;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf Art8 Abs3;
31989R1164 Beihilferegelung DV Faserflachs Hanf;
31997R0624 Nov-31989R1164 Art1 Z7;
31997R2289 Nov-31989R1164 Art1 Z1;
31998R2814 Nov-31989R1164 Art1 Z10;
31998R2814 Nov-31989R1164 Art1 Z11;
AVG §61 Abs3;
AVG;
EURallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des KR in G, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 23. Mai 2002, Zl. 17.523/7-I/7/02, betreffend Flächenbeihilfe Hanf für das Wirtschaftsjahr 2000/01, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 11. Dezember 2000 suchte der Beschwerdeführer bei der Agrarmarkt Austria um die Gewährung von Flächenbeihilfe für Hanf der Ernte 2000 an. Hievon sei eine Fläche von 5,6 ha betroffen. Diese Fläche sei am 24. August 2000 gemäht und die Ernte am 20. September 2000 eingebracht worden.

Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria vom 13. Juli 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen, weil er gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 als Erzeuger von Hanfstroh bis spätestens 30. Juni 2001 einen Kaufvertrag und eine Verarbeitungsverpflichtung vorlegen hätte müssen. Bei Vorlage dieser Urkunden nach dem 30. Juni 2001 sei keine Beihilfe zu gewähren. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides weder einen Kaufvertrag noch eine Verarbeitungsverpflichtung vorgelegt habe, sei sein Antrag auf Beihilfengewährung abzulehnen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Juli 2001 Berufung und brachte vor, dass auf der Rückseite des Formulars C 4 (Antrag auf Gewährung einer Flächenbeihilfe für Hanf 2000) als Abgabetermin für den Kaufvertrag und die Verarbeitungsverpflichtung der 31. Juli 2001 angegeben gewesen sei. Auch bei der Kärntner Landwirtschaftskammer sei die Terminänderung von 31. Juli 2001 auf 30. Juni 2001 nicht bekannt gewesen, weshalb auch eine Veröffentlichung dieses Termins im "Kärntner Bauern" nicht habe erfolgen können. Über telefonische Nachfrage bei der erstinstanzlichen Behörde habe diese erklärt, sämtliche von der Terminveränderung betroffenen Betriebe von dieser Änderung mit einem im Februar 2001 ausgesandten Brief informiert zu haben. Bei Nachfrage bei den betroffenen Landwirten habe der Beschwerdeführer aber unisono die Auskunft erhalten, dass dieser Brief nie zugegangen sei; auch er habe einen solchen nie erhalten. Auch der Verein S. (der Abnehmer des Hanfes) sei von der Terminänderung niemals informiert worden. Die erstinstanzliche Behörde möge für die Klarstellung dieses Irrtums sorgen; der Beschwerdeführer würde selbstverständlich den ausstehenden Kaufvertrag und die Verarbeitungsverpflichtung bis zum 31. Juli 2001 einreichen.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 setzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer davon in Kenntnis, dass sie davon ausgehe, dass er mit der Firma S. am 6. Juni 2001 einen Kaufvertrag über das gegenständliche Hanfstroh abgeschlossen habe. Dieser Kaufvertrag sei bei der Agrarmarkt Austria am 20. Juli 2001 eingelangt. Das Wirtschaftsjahr 2000/01 ende jedoch gemäß Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1673/2000 über die gemeinsame Marktorganisation für Faserflachs und -hanf (im Folgenden: GMO Faserflachs und -hanf) am 30. Juni 2001. Darüber seien alle Landwirte mit persönlichem Brief der Agrarmarkt Austria vom 12. Februar 2001 informiert worden. Zudem habe sich der Beschwerdeführer selbst über die geltende Rechtslage zu informieren. Für die Gewährung der Beihilfe sei es unabdingbare Voraussetzung, dass der Kaufvertrag vor Gewährung der Beihilfe an die jeweilige Marktordnungsstelle übermittelt werde. Dies stelle eine objektiv formulierte Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Beihilfe dar, wobei das Eingangsdatum bei der Agrarmarkt Austria entscheidend sei. Die belangte Behörde gehe daher von der Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aus. Zur Stellungnahme räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen ein.

In seiner Stellungnahme vom 24. Oktober 2001 führte der Beschwerdeführer aus, dass er den Kaufvertrag und die Verarbeitungsverpflichtung zwar nach dem 30. Juni 2001, jedenfalls aber vor dem 31. Juli 2001 der Agrarmarkt Austria vorgelegt habe. Dem erstinstanzlichen Bescheid sei nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Beweismittel oder Beweisergebnisse davon auszugehen sei, dass alle Landwirte mit persönlichem Brief vom 12. Februar 2001 über den neuen Abgabetermin informiert worden seien. Der Beschwerdeführer habe diese Information nicht erhalten. Der Ansicht der Behörde, dass sich der Beschwerdeführer selbst über die geltende Rechtslage zu informieren habe, sei entgegenzuhalten, dass sich die Behörde erster Instanz, die ihm in den Merkblättern und Antragsformularen offensichtlich unrichtige Rechtsbelehrungen über die Vorlagefrist erteilt habe, noch viel eher über die geltende Rechtslage zu informieren habe. Der durch die Behörde hervorgerufene Irrtum des Beschwerdeführers sei ihm nicht vorwerfbar. Wenn nicht einmal die Behörde in Kenntnis der geltenden Rechtsvorschriften sei, könne dies einem Landwirt umso weniger zugemutet werden. Auch sei es diesem nicht zumutbar, behördliche Angaben über Fristenläufe auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Im Gegenteil, es seien die Behörden verpflichtet, sich über die geltende Rechtslage zu informieren, um Fristen und Termine entsprechend den rechtlichen Bestimmungen bekannt zu geben und die betroffenen Landwirte von einer allfälligen Änderung der Abgabefrist rechtzeitig, unmissverständlich und vor allem nachweisbar in Kenntnis zu setzen. Dies sei nicht geschehen, weshalb die Verwaltungsbehörden die von ihnen dem Beschwerdeführer letzte nachweislich bekannt gegebene Vorlagefrist, nämlich den 31. Juli 2001, gegen sich gelten lassen müssten.

Dies ergebe sich analog aus den Bestimmungen des AVG, wonach die von der Behörde angegebene Frist unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen dem Normunterworfenen gegenüber gelte. So sehe auch § 61 Abs. 3 AVG vor, dass bei Angabe einer längeren als der gesetzlichen Frist in einem Bescheid das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtszeitig erhoben gelte. Auch knüpfe Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 an die Vorlage des Vertrages beziehungsweise der Verarbeitungsverpflichtung nach dem letzten Tag des jeweiligen Wirtschaftsjahres nicht die Konsequenz des Verlustes der Beihilfe. Der Nachsatz der Bestimmung, wonach diese (Vertrag/Verarbeitungsverpflichtung) auf jeden Fall vor Gewährung der Beihilfe vorzulegen seien, sei vielmehr dahingehend auszulegen, dass auch bei Vorlage des Vertrages und der Verarbeitungsverpflichtung nach dem letzten Tag nach Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres die Beihilfe zu gewähren sei, sofern diese noch vor Gewährung der Beihilfe vorgelegt worden sei. Für die Rechtzeitigkeit der Vorlage komme es aber auch darauf an, wann die entsprechende Verordnung beschlossen beziehungsweise in Kraft getreten sei, mit der das Ende des Wirtschaftsjahres 2000/01 für Faserflachs und Hanf mit dem 30. Juni 2001 festgelegt worden sei. Soferne die diesbezügliche Verordnung nach erfolgter Antragstellung erlassen worden sei, könne diese Bestimmung wohl nur für die nach Erlassung dieser gesetzliche Bestimmungen gestellten Beihilfenanträge anwendbar sein. Um für die zuvor gestellten Anträge Rechtswirkungen zu entfalten, bedürfe es entsprechender Vollzugsanordnungen, die die rückwirkende Geltung dieser gesetzlichen Bestimmungen anordnen würden. Auch diesbezüglich sei die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung unrichtig.

Zu diesem Beweisthema beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme des Landwirtschaftskammerpräsidenten als Zeugen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 13. Juli 2001 erhobene Berufung sowie dessen Antrag auf Einvernahme von Vertretern der Kärntner Landwirtschaftskammer als Zeugen ab. Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsverfahrens und der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde hiezu begründend aus, dass der gegenständliche Kaufvertrag für Hanfstroh für das Erntejahr 2000 am 6. Juni 2001 abgeschlossen worden und am 20. Juli 2001 bei der Agrarmarkt Austria eingelangt sei. Dies werde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Das Wirtschaftsjahr 2000/01 habe jedoch gemäß Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1673/2000 über die GMO Faserflachs und -hanf am 30. Juni 2001 geendet. Darüber seien alle Landwirte mit persönlichem Brief der Agrarmarkt Austria vom 12. Februar 2001 informiert worden. Der Beschwerdeführer habe sich selbst über die geltende Rechtslage zu informieren und sei auch bereits im Merkblatt explizit auf die laufende Reform hingewiesen worden. Für die Gewährung der Beihilfe sei es unabdingbare Voraussetzung, dass der Kaufvertrag vor Gewährung der Beihilfe an die jeweilige Marktordnungsstelle übermittelt werde. Dies stelle eine objektiv formulierte Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Beihilfe dar, wobei das Eingangsdatum bei der Agrarmarkt Austria entscheidend sei. Diese Rechtsansicht werde auch von der Europäischen Kommission vertreten, welche in ihrem Schreiben vom 1. März 2002 mitgeteilt habe, dass Vertrag und Verarbeitungsverpflichtung zwar nach dem 31. Dezember 2000 vorgelegt werden könnten, aber vor Ablauf des Wirtschaftsjahres vorgelegt werden müssten. Auch sei von der Europäischen Kommission darauf hingewiesen worden, dass die Verordnung (EG) Nr. 1673/2000 am 29. Juli 2000 veröffentlicht worden sei und somit die Marktteilnehmer rechtzeitig über diese Änderung informiert worden seien. Somit sei die Europäische Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die Beihilfe im Beschwerdefall nicht gewährt werden könne.

Darüber hinaus diene das Merkblatt "Hanf" als Service der Agrarmarkt Austria und sei daraus keinesfalls ein Rechtsanspruch abzuleiten. Zudem sei auf der Seite 1 dieses Merkblattes für die Ernte 2000 (Wirtschaftsjahr 2000/01) explizit darauf hingewiesen worden, dass (zum damaligen Zeitpunkt) die Beratungen über eine Reform der Marktordnung für Flachs und Hanf noch nicht abgeschlossen gewesen seien und dieses Merkblatt daher nur für den Fall und nur insoweit gelte, als es zu keiner Neugestaltung der Beihilfenregelungen komme. Die Änderung hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 2000/01 sei am 29. Juli 2000 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden. Diese Verordnung gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und sei für den Normunterworfenen rechtsverbindlich. Sie habe daher auch keiner nationalen Umsetzung bedurft. Weiters sei auch wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes und der darin enthaltenen klaren Regelung der Argumentation des Beschwerdeführers hinsichtlich einer analogen Anwendung des AVG keinesfalls zu folgen. Hinsichtlich des Argumentes, Vertrag und Verarbeitungsverpflichtung könnten nach dem letzten Tag nach Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres vorgelegt werden, sofern dies noch vor der Gewährung der Beihilfe geschehe, sei auf die eindeutige Antwort der Europäischen Kommission zu verweisen. Somit sei auch die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahme von Vertretern der Kärntner Landwirtschaftskammer hinsichtlich der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung im Beschwerdefall nicht erforderlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 zur Durchführung der Beihilferegelung für Flachs und Hanf lautet:

"Die Beihilfe gemäß Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1308/70 wird für in der Gemeinschaft erzeugten Faserflachs und für in der Gemeinschaft erzeugten Hanf unter folgenden Bedingungen gewährt."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 idF der Verordnungen (EG) Nr. 1517/98 der Kommission vom 15. Juli 1998 und (EG) Nr. 2814/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 zur Durchführung der Beihilferegelung für Flachs und Hanf stellt jeder Erzeuger von Faserlein oder Hanf jährlich bis spätestens 30. November für Flachs beziehungsweise bis spätestens 31. Dezember für Hanf einen Beihilfeantrag.

Für den Fall der Überschreitung der Antragsfrist enthielt ursprünglich Art. 8 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 (in mehrfach veränderter Fassung) und enthält seit der Verordnung (EG) Nr. 2814/98 der im Beschwerdefall anzuwendende Art. 8 Abs. 1a folgende Regelungen:

Art. 8 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 in der Stammfassung sah vor, dass bei einer Verspätung bis zu einem Monat 66 v.H., bei bis zu zwei Monaten Verspätung 33 v.H. der Beihilfe gewährt würden. Diese Regelung wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 3569/92 dahingehend modifiziert, dass bei Einreichung vor Ablauf des dem Monat, bis zu dem der Antrag einzureichen war, folgenden Monats zwei Drittel der Beihilfe gewährt wurden, gegebenenfalls vermindert gemäß Art. 5 Abs. 1, bei Einreichung vor Ende des zweiten Monats ein Drittel der Beihilfe; der erwähnte Art. 5 Abs. 1 sah als Termine für die Vorlage von Anbauflächenerklärungen den 30. Juni (Faserflachs) bzw. den 15. Juli (Hanf) und bei Vorlage bis zum 15. Juli bzw. 31. Juli eine Gewährung von zwei Dritteln der Beihilfe vor. Nach Art. 8 Abs. 1 zweiter Unterabsatz in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1517/98 galt sodann ab 1. August 1998 bis zur Aufhebung durch die Verordnung (EWG) Nr. 2814/98 zum 31. Dezember 1998, dass dann, wenn der Antrag innerhalb von 25 Tagen nach den jeweiligen Terminen eingereicht wird, die in Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1308/70 genannte Beihilfe je Arbeitstag der Verspätung um 1 % gekürzt wird. Betrug die Verspätung mehr als 25 Tage, wurde keine Beihilfe gewährt.

Mit der Verordnung (EG) Nr. 2814/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 wurde in Art. 8 Abs. 1 der zweite Unterabsatz gestrichen und ein Abs. 1a eingefügt; gemäß Art. 8 Abs. 1a der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 in der genannten Fassung gilt u.a. Art. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen "unbeschadet der Bestimmungen dieser Verordnung" auch für die Beihilfeanträge nach Abs. 1. Der verwiesene Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 1648/95 sieht den Entfall der Beihilfe bei einer Terminüberschreitung bei der Antragstellung von mehr als 25 Tagen vor. Dieser Bestimmung zufolge verringern sich bei verspäteter Einreichung eines Antrages die von dem Antrag betroffenen Beihilfebeträge des Betriebsinhabers pro Werktag Verspätung um 1 % der Beträge, auf die der Betriebsinhaber im Fall rechtzeitiger Einreichung Anspruch hätte. Beträgt die Terminüberschreitung 25 Tage, so wird der Antrag abgelehnt und entfällt jeder Zahlungsanspruch. Die Änderungsverordnung (EG) Nr. 2814/98 trat am 31. Dezember 1998 in Kraft und gilt ab dem Wirtschaftsjahr 1999/2000.

Art. 8 Abs. 3 der genannten Durchführungs-Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 idF der Verordnungen (EG) Nr. 624/97, (EG) Nr. 2289/97 und (EG) Nr. 2814/98 lautet:

"Dem Beihilfeantrag ist eine Abschrift der Verträge und/oder der Verarbeitungsverpflichtungen gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 619/71 beizufügen.

Wird der im ersten Unterabsatz genannte Vertrag nach den in Absatz 1 vorgesehenen Terminen vom 30. November für Faserlein und vom 31. Dezember für Hanf geschlossen, ist der Zahlstelle die Kopie des Vertrages sowie der Verarbeitungsverpflichtung spätestens am letzten Tag des jeweiligen Wirtschaftsjahres, auf jeden Fall vor Gewährung der Beihilfe vorzulegen."

Der wiedergegebene erste Unterabsatz des § 8 Abs. 3 der Verordnung erhielt diese Fassung durch die Verordnungen (EG) Nr. 624/97 und (EG) Nr. 2814/98. Der zweite Unterabsatz wurde dem Art. 8 Abs. 3 durch die Verordnung (EG) Nr. 2289/97 angefügt und durch die Verordnung (EG) Nr. 2814/98 dahingehend novelliert, dass für den Vertragsabschluss bei Hanf nunmehr der 31. Dezember maßgebend zu sein hat.

Gemäß Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1673/2000 des Rates vom 27. Juli 2000 über die GMO Faserflachs und -hanf endete das Wirtschaftsjahr 2000/01 am 30. Juni 2001.

2. Der Beschwerdeführer beruft sich insbesondere auf § 13a AVG, wonach die erstinstanzliche Behörde, da er nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten gewesen sei, verpflichtet gewesen wäre, ihm die zur Vornahme seiner Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben. Weiters hätte die Behörde den Beschwerdeführer über die mit seinen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen belehren müssen. Es habe also ex lege eine weitgehende verfahrensrechtliche Manuduktionspflicht der Behörde I. Instanz bestanden.

In Entsprechung dieses Verfahrensgrundsatzes hätte die erstinstanzliche Behörde den Beschwerdeführer im Verfahren rechtlich dahingehend belehrt, dass eine Verarbeitungsverpflichtung für Hanfstroh der Ernte 2000 und ein diesbezüglicher Kaufvertrag bis spätestens 31. Juli 2001 der Behörde erster Instanz zu übermitteln seien. Diese Rechtsmittelbelehrung habe ihm die Behörde erster Instanz durch "wichtige Hinweise" auf dem Beihilfenantragsformular selbst und durch ein von der Behörde aufgelegtes Merkblatt erteilt. Der Beschwerdeführer habe nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die Rechtsbelehrung der zur Entscheidung der gegenständlichen Verwaltungssache zuständigen Behörde vertrauen dürfen. Als rechtsunkundige und nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretene Partei sei er entgegen der Auffassung der belangten Behörde im laufenden Verwaltungsverfahren nicht dazu verpflichtet gewesen, sich über die geltende Rechtslage durch Lektüre des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaft zu informieren und die Richtigkeit der ihm von der zuständigen Behörde erteilten Rechtsbelehrung zu überprüfen. Die auf den von der Behörde aufgelegten Antragsformularen und Merkblättern enthaltene Rechtsbelehrung sei bereits im Zeitpunkt der Antragstellung des Beschwerdeführers schlicht unrichtig gewesen. Insbesondere sei der Beschwerdeführer auch nicht durch ein an "alle" Landwirte gerichtetes Schreiben darauf hingewiesen worden, dass das Wirtschaftsjahr 2000/01 nicht mit 31. Juli 2001, sondern mit 30. Juni 2001 ende. Die belangte Behörde sei in unrichtiger rechtlicher Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer sich selbst über die im Widerspruch zu der ihm im laufenden Verwaltungsverfahren von der zuständigen Behörde erteilten Rechtsbelehrung stehende Rechtslage hätte informieren müssen. Diese Rechtsauffassung sei mit § 13a AVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht vereinbar.

Zudem sei der maßgebliche Sachverhalt ergänzungsbedürftig und von der belangten Behörde nicht ausreichend festgestellt worden. Das Schreiben vom 12. Februar 2001 sei dem Beschwerdeführer nie zugegangen. Weder sei er, noch sei die Interessenvertretung der Landwirte von der Änderung des Einreichtermins informiert worden. Der Frage, ob die Behörde erster Instanz ihrer Manuduktionspflicht nachgekommen sei, komme entscheidende Bedeutung zu. Jedoch sei diese von der belangten Behörde nicht in ausreichender Weise geklärt worden. Da die belangte Behörde aber auch sein diesbezügliches Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 24. Oktober 2001 ohne Begründung ignoriert habe, sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

3. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrags insbesondere darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften erforderliche Vorlage des Vertrages bis zum 30. Juni 2001 nicht bzw. verspätet vorgenommen hätte. Dies ungeachtet des Umstandes, dass der Vertrag nach den Feststellungen der belangten Behörde am 6. Juni 2001 tatsächlich geschlossen worden war.

Bei dieser Sachlage wäre die in der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 im Zusammenhalt mit der in Art. 8 Abs. 1a verwiesenen Bestimmung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilfenregelungen vorgesehene Regelung für die Überschreitung der Frist für die Antragstellung auch auf den Fall der verspäteten Vorlage des Vertrages anzuwenden gewesen.

Art. 8 Abs. 3 erster Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 idF der Verordnungen (EG) Nr. 624/97 und (EG) 2814/98 ordnet nämlich an, dass dem Beihilfenantrag eine Abschrift der Verträge und/oder der Verarbeitungsverpflichtungen gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 619/71 beizufügen sind. Damit lässt der Verordnungsgeber erkennen, dass diese Verträge ein integrierender Bestandteil des Beihilfenantrages sind und dass für ihre Vorlage insofern dieselbe Anforderung wie für den Beihilfenantrag gilt, nämlich die, dass sie bis zu den in der Verordnung bestimmten Terminen der Behörde vorgelegt sein müssen, um den Anspruch zu wahren. Wird der im Art. 8 Abs. 3 erster Unterabsatz genannte (vor dem 30. November bzw. 31. Dezember geschlossene) Vertrag nach Ablauf der in Abs. 1 festgelegten Termine eingereicht - sei es mit dem verspäteten Beihilfenantrag vorgelegt, sei es nachgereicht, wodurch der schon eingelangte Beihilfenantrag erst Vollständigkeit erlangt -, so löst dies die Kürzungsregel des Art. 8 Abs. 1a der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 idF der Verordnung (EG) Nr. 2814/98 aus. Werden auch diese, die bloße Kürzung auslösenden Fristen überschritten, besteht kein Beihilfenanspruch.

Durch die Einfügung des zweiten Unterabsatzes in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 2289/97 wurde nun der Termin für die Beifügung der in Rede stehenden Verträge unter bestimmten Voraussetzungen (nämlich dann, wenn diese nach dem 30. November bzw. 31. Dezember geschlossen werden) bis zum Ende des Wirtschaftsjahres (im Beschwerdefall: bis zum 30. Juni) hinausgeschoben. Ungeachtet dessen bleiben sie für den Fall der Gebrauchnahme von dieser Möglichkeit integrierender Bestandteil des Beihilfenantrages. Schließt der Beihilfenwerber einen Vertrag erst nach dem 30. November bzw. 31. Dezember ab, dann ist sein Beihilfenantrag erst vollständig eingebracht, wenn die Vorlagefrist zum 30. Juni gewahrt wird. Die verspätete Erfüllung dieser erst durch die Novelle aus 1997, was den Endtermin anlangt, verselbständigte Antragsvoraussetzung der Beibringung der Vertragsabschriften löst sohin dieselben Rechtsfolgen wie die verspätete Vorlage des Beihilfenantrages und seiner Beilagen nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung aus. Da es sich begrifflich um eine verspätete Einreichung des (vollständigen) Beihilfenantrages handelt, ist der Tatbestand des Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1164/89 idF der Verordnung (EG) Nr. 2814/98 erfüllt, der zunächst zur Verringerung des Beihilfenanspruches nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 1a der Verordnung und erst bei einer darüber hinausgehenden Fristüberschreitung zur Abweisung des Antrages führt.

Die vorgesehene Kürzung des Anspruches wäre sohin auf den vorliegenden Fall der bloßen Überschreitung der Vorlagefrist, wobei der Vertrag aber tatsächlich abgeschlossen worden war, anwendbar gewesen. Da der Vertrag am 20. Juli 2001 bei der AMA einlangte, wäre der Antrag des Beschwerdeführer nicht zur Gänze abzuweisen gewesen, sondern es wäre ihm - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - im gekürzten Umfang stattzugeben gewesen.

Auf die Bedeutung des letzten Halbsatzes der Bestimmung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 kommt es daher im Beschwerdefall nicht an.

4. Im Hinblick darauf, dass die im Beschwerdefall anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unmittelbar anwendbar sind, erübrigt es sich, der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen eine allfällige Fehlinformation über das Ende des Wirtschaftsjahres 2000/2001 in einem Merkblatt der Agrarmarkt Austria (gegebenenfalls auch nach der Kundmachung der Verordnung der EG am 29. Juni 2000) bzw. ein allfälliges Unterlassen der von der Behörde behaupteten Benachrichtigung des Beschwerdeführers in einem Verfahren betreffend innerstaatlich geregelte Ansprüche hätte. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass eine Frage des Verfahrensrechts vorläge und § 13a AVG eingriffe, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil die dargestellten Regelungen der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 1164/89 als unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht Vorrang vor der nationalen Rechtsordnung genießen. Die Folge von Verfahrensmängeln nach den anwendbaren nationalen Verfahrensbestimmungen kann mangels entsprechender Anerkennung einer solchen Rechtsfolge auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts nicht sein, dass ein nach Gemeinschaftsrecht nicht (oder: nicht mehr, oder nicht in voller Höhe) zustehender Anspruch zuzuerkennen wäre.

Zu dem Hinweis auf § 61 Abs. 3 AVG ist auszuführen, dass es sich bei der Vorlagefrist für die gegenständlichen Urkunden um keine Rechtsmittelfrist handelt, und daher die auf § 61 Abs. 3 AVG gestützten Überlegungen - abgesehen von der dargestellten Unmaßgeblichkeit innerstaatlichen Verfahrensrechts, soweit damit dem Gemeinschaftsrecht nicht Rechnung getragen werden könnte - verfehlt sind.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten verfahrensrechtlichen Mängel des verwaltungsbehördlichen Verfahrens (geltend gemacht ist, wie dargestellt, auch eine Verletzung des Parteiengehörs betreffend die Frage, ob das Schreiben vom 12. Februar 2001 die Sphäre der Behörde verlassen hat) sind daher nicht gegeben.

5. Da die belangte Behörde jedoch ihren Bescheid mit der unter Punkt 3. dargelegten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Oktober 2002

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002170190.X00

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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