TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/13 B2118/96

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Veröffentlicht am 13.10.1999
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Index

60 Arbeitsrecht
60/03 Kollektives Arbeitsrecht

Norm

AKG 1992 §10 Abs2 Z1 litb
ArsenalG §2, §3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung der Nichtzugehörigkeit eines Bediensteten des Bundesforschungs- und Prüfzentrums Arsenal zur Arbeiterkammer; Qualifikation des BFPZ Arsenal als wissenschaftliche Anstalt im Sinne des Arbeiterkammergesetzes

Spruch

Die beschwerdeführende Kammer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Behandlung der vorliegenden Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien gegen einen Bescheid des (damaligen) Bundesministers für Arbeit und Soziales, der auf Begehren eines Bediensteten des Bundesforschungs- und Prüfzentrums/Arsenal (BFPZ Arsenal) dessen Nichtzugehörigkeit zu dieser Kammer feststellt, wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Dezember 1997 unter Hinweis auf §10 Abs2 Z1 litb Arbeiterkammergesetz und VfSlg 3415/1958 als im Ergebnis aussichtslos abgelehnt. Dieser Beschluß wurde jedoch in Erledigung eines daraufhin entstandenen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Juni 1999 wieder aufgehoben. Es ist also nunmehr über die Beschwerde in der Sache zu erkennen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses KI-7/98 vom 10. Juni 1999 verwiesen.

II. Die belangte Behörde hat für die Nichtzugehörigkeit der Bediensteten des BFPZ Arsenal ausschlaggebend erachtet, daß das BFPZ Arsenal im Rahmen der von ihm zu führenden Dienstrechtsverfahren (über seine eigenen Bediensteten) auch selbst Bescheide zu erlassen habe und insofern in Vollziehung der Gesetze tätig sei, sodaß die Voraussetzungen der Ausnahme von der Arbeiterkammerzugehörigkeit nach §10 Abs2 Z1 lita AKG (die ein Überwiegen der hoheitlichen Tätigkeit nicht erfordere) erfüllt sei.

Indessen kann dahingestellt bleiben, ob die für das Vorliegen einer "in Vollziehung der Gesetze" tätigen Dienststelle jedenfalls mit zu berücksichtigende Zuständigkeit für dienstrechtliche Maßnahmen (VfSlg 14085/1995 Generalsekretariat des Bundestheaterverbandes) für sich allein und abgesehen von der eigentlichen Aufgabe der Dienststelle ohne weitere Elemente einer hoheitlichen Tätigkeit ausreicht, die Ausnahme von der Kammerzugehörigkeit nach lita der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung zu bewirken (womit die kraft Verfassungsbestimmung des §10 Abs1 Z2 AKG auch in öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen kammerzugehörigen Arbeitnehmer in Betrieben, Anstalten, Stiftungen und Fonds der Gebietskörperschaften durch bloße Zuweisung dienstrechtlicher Aufgaben in bezug auf die eigenen Dienstnehmer aus der Kammer herausgenommen werden könnten). Ohne Rücksicht auf die hoheitliche oder privatwirtschaftliche Einordnung der Tätigkeit nimmt nämlich die litb dieser Verfassungsbestimmung von der Kammerzugehörigkeit Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften aus, die (Fassung 1991, in Betracht zu ziehender Teil hervorgehoben)

"in Unterrichts- und Erziehungsanstalten, Archiven, Bibliotheken, Museen, wissenschaftlichen Anstalten oder bei der Österreichischen Postsparkasse beschäftigt sind."

Diese Ausnahmebestimmung kommt auch für das BFPZ Arsenal bis zu seiner Ausgliederung als Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch BGBl. I 15/1997 in Betracht.

1. Die §§2 und 3 des hier maßgeblichen Arsenalgesetzes BGBl. 802/1993 umschreiben den Wirkungskreis des in §1 als "betriebsähnliche Einrichtung des Bundes" bezeichneten BFPZ Arsenal wie folgt:

"§2. Dem Bundesforschungs- und Prüfzentrum Arsenal obliegt es, unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Gesellschaft Forschungs- und Entwicklungsaufgaben sowie andere wissenschaftliche Tätigkeiten in den Fachgebieten Elektrotechnik, Geotechnik, Maschinenbautechnik, Bautechnik, Energietechnik, Verkehrstechnik, Umwelttechnik und verwandten Techniken durchzuführen.

§3. Im Rahmen der in §2 angeführten Fachgebiete hat das Bundesforschungs- und Prüfzentrum Arsenal insbesondere folgende Aufgaben:

1. Gewinnung von Erkenntnissen nach wissenschaftlichen und technischen Methoden, als Grundlage für die Aufgaben gemäß Z2 und 4;

2. Durchführung von Forschungen und Entwicklungen gegen Entgelt;

3. Durchführung technischer Versuche und Prüfungen sowie anderer wissenschaftlicher Tätigkeiten, Erstellung von Befunden, Gutachten, Berichten, Zertifikaten und Zeugnissen gegen Entgelt;

4. Dokumentation, Informationsvermittlung und Beratung gegen Entgelt."

Sowohl die Bedachtnahme auf die Bedürfnisse der Wirtschaft wie auch die insbesondere übertragenen Aufgaben waren im wesentlichen schon im Arsenalgesetz BGBl. 139/1983 festgelegt (§§2, 3), das die Einrichtung als Bundesversuchs- und Forschungsanstalt bezeichnet und zu einer Anstalt des Bundes erklärt hatte.

Aufgabe des BFPZ Arsenal ist mithin die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben sowie anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten, insbesondere die Gewinnung von Erkenntnissen und Durchführung von Arbeiten nach wissenschaftlichen (und technischen) Methoden. Ungeachtet des Hinweises auf die Betriebsähnlichkeit der Einrichtung steht daher ihr wissenschaftlicher Charakter außer Zweifel.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat infolgedessen die - im Verwaltungsverfahren nicht erwogene - Anwendbarkeit der litb des §10 Abs2 Z1 AKG schon im ersten Rechtsgang mit den Verfahrensparteien erörtert.

a) Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales verweist zum Begriff der Anstalt auf die Materialien zum AKG 1954, wonach dieser Begriff im Sinne der bisherigen Übung weit auszulegen sei und demnach zum Beispiel die Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, die Versuchs- und Untersuchungsanstalten sowie die Impfstoffgewinnunganstalt dazu zählten (AB 260 BlgNR, 7. GP, 2). Gehe man mit VfSlg 3296/1957 davon aus, daß für den Anstaltsbegriff ein Bestand an Mitteln persönlicher und sachlicher Art wesentlich ist, der auf Dauer dem durch den Einsatz der Mittel verfolgten Zweck der öffentlichen Verwaltung dienen soll, so handle es sich in der Tat trotz des Wegfalls der Bezeichnung um eine Anstalt im Sinn der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung. Daß die Dienstrechtsverfahrensverordnung (idF BGBl 218/1991) die Bundesversuchs- und Forschungsanstalt als "nachgeordnete Dienstbehörde" (im Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung) bezeichne (§2 Z10 litd) und die Geschäftsordnung verpflichte, die Zusammenarbeit "mit anderen Bundesdienststellen" zu regeln (§8 Abs2 Z4), hänge wohl mit den unterschiedlichen Dienststellenbegriffen des Beamtendienstrechtsgesetzes und des AKG zusammen. Nach VfSlg 3415/1958 sei im AKG der Begriff "wissenschaftliche Anstalt" als organisatorischer zu verstehen, wie er zB im Zusammenhang mit der Budgetgesetzgebung verwendet werde. Im Bundeshaushaltsvorschlag 1996 sei das BFPZ Arsenal im Kapitel 14 unter dem Titel 2 "Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen" geführt.

b) Die beschwerdeführende Kammer hält dem die gesetzliche Qualifikation als "betriebsähnliche Einrichtung" entgegen. Die Heranziehung der Budgetgesetzgebung zur Auslegung des Begriffs führe zu keiner eindeutigen Zuordnung und sei überhaupt nicht sehr überzeugend; jedenfalls 1996 sei dem Budgetgesetzgeber nicht mehr eine Begriffsbestimmung mit Wirkung auf das AKG zusinnbar. Für den Wissenschaftsbegriff (Art17 StGG) sei deren Freiheit und Unbeschränktheit charakteristisch. Die Notwendigkeit der Bedachtnahme auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und Gesellschaft und die Durchführung von Forschung und Entwicklung gegen Entgelt sprächen gegen die Wissenschaftlichkeit der Einrichtung. Es handle sich nicht um naturwissenschaftliche Forschung auf den im Gesetz genannten Gebieten, sondern um eine entgeltliche Begutachtung und Prüfung auf Gebieten, in denen Prüfberichte und Gutachten erforderlich sind (Hinweis auf die Behandlung der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung durch die belangte Behörde, wobei die beschwerdeführende Kammer einräumt, daß diese Einrichtung zum Kapitel "Gesundheit und Konsumentenschutz" ressortiert).

c) Der im Verwaltungsverfahren antragstellende Bedienstete des BFPZ Arsenal ist der Auffassung, der in einem Betrieb, einer Anstalt oder Stiftung oder einem Fonds einer Gebietskörperschaft im Sinne der Verfassungsbestimmung des §10 Abs1 Z2 - Kammerzugehörigkeit ohne Rücksicht auf die Art des Arbeitsverhältnisses - Beschäftigte könne in Vollziehung der Gesetze tätig sein; als Leiter der Personalabteilung sei er (mit Erlassung dienstrechtlicher Bescheide und Mandate) ausschließlich hoheitlich tätig. Abs2 müsse auch in Fällen des Abs1 gelten.

III. Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hält an der in VfSlg. 3415/1958 ausgesprochenen Rechtsansicht fest, daß für das Vorliegen einer wissenschaftlichen Anstalt im Sinne des AKG - dessen spätere Fassungen in diesem Punkt keine Änderung erkennen lassen - nicht die Bedeutung der Einrichtung für die Gewinnung neuer oder Festigung vorhandener Erkenntnisse auf bestimmten Wissensgebieten, sondern ihre organisatorische Zuordnung maßgeblich ist (wobei das Schwergewicht der Fragestellung nicht auf dem Anstaltscharakter, sondern auf der Qualifikation als wissenschaftliche Einrichtung liegt), wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit der Budgetgesetzgebung erkennbar ist. Für die bundesstaatliche Hauptstelle für Lichtbild und Bildungsfilm ist er demgemäß 1958 zum Ergebnis gelangt, daß sie weder den wissenschaftlichen Anstalten zugerechnet wird noch einen Aufgabenkreis besitzt, aus dem sich schon der Charakter einer wissenschaftlichen Anstalt ergeben würde.

Geht man mit diesem Verständnis an die vorliegende Einrichtung des Bundes heran - und nur die organisatorische Einheit, nicht etwa die konkrete Tätigkeit eines einzelnen Arbeitnehmers ist für die Kammerzugehörigkeit ausschlaggebend - , so ergibt sich der wissenschaftliche Charakter aus der allgemeinen Aufgabe der Forschung und Entwicklung auf bestimmten Wissensgebieten ohne Beschränkung auf bestimmte Verwaltungszwecke und der dieser Aufgabenstellung entsprechenden Einordnung unter dem Titel "Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen" in den Bundesfinanzgesetzen.

Der Einwand der beschwerdeführenden Kammer, die gebotene "Bedachtnahme auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Gesellschaft" schließe den wissenschaftlichen Charakter der Einrichtung ebenso aus wie das für ihre Tätigkeit grundsätzlich zu entrichtende Entgelt, geht von einem unzutreffenden Wissenschaftsbegriff aus. Am Charakter einer wissenschaftlichen Anstalt im Sinne dieser Norm ändert sich nichts, wenn sie auf die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft Bedacht zu nehmen hat und ihre Dienste Anderen nur gegen Entgelt zur Verfügung stellen darf. Weder Zweckfreiheit noch Unentgeltlichkeit sind wesentliche Merkmale von Wissenschaft. Von einer Beschränkung auf bloße Hilfstätigkeit für einen bestimmten Verwaltungszweck, die ungeachtet des wissenschaftlichen Charakters einer Einrichtung ihr die Qualifikation als wissenschaftliche Anstalt im eingeschränkt-organisatorischen Sinn des AKG nehmen könnte, ist im Falle des BFPZ Arsenal keine Rede.

Die Arbeitnehmer des Arsenals waren daher in dem für dieses Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt nach §10 Abs2 Z1 litb AKG von der Arbeiterkammerzugehörigkeit ausgenommen.

Da ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht der beschwerdeführenden Kammer somit offenkundig nicht verletzt wurde und die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm im Hinblick auf den Verfassungsrang der angewendeten Bestimmung nicht in Betracht kommt, die Rechtsfrage vielmehr durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs genügend klargestellt ist, ist die Beschwerde ohne mündlicher Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen (§19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG).

Wie sich schon aus der Entscheidung des Kompetenzkonfliktes KI-7/98 vom 10. Juni 1999 ergibt, ist die begehrte Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshofs mangels dessen Zuständigkeit ausgeschlossen.

Schlagworte

Arbeiterkammern Mitgliedschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B2118.1996

Dokumentnummer

JFT_10008987_96B02118_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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