TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/12 2000/05/0230

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Veröffentlicht am 12.11.2002
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs2 Satz1;
BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §135 Abs3;
BauRallg;
MRK Art6;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. März 2000, Zl. UVS- 04/A/43/17/1999/21, betreffend Übertretung der Wiener Bauordnung (weitere Partei des Verfahrens: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist (handelsrechtliche) Geschäftsführerin der X-Ges.m.b.H., welche das Haus in Wien XVI, B-Gasse 33, verwaltet.

Bei einem Ortsaugenschein am 10. Dezember 1992 war, so heißt es in der hierüber aufgenommenen Verhandlungsschrift, festgestellt worden, dass der schliefbare Hauskanal auf der gesamten Länge Wandausbrüche und Verputzschäden an der Sohle und an den Wänden aufweise. Die Steigeisen seien verrostet. Der Verputz des Putzschachtes an der Grundgrenze sei schadhaft. Zwei Stromkabel querten den Putzschacht an der Grundgrenze.

Mit Bescheid vom 19. Feber 1993 wurde dem Hauseigentümer aufgetragen,

1. den schliefbaren Hauskanal, welcher auf der ganzen Länge Wandausbrüche und Verputzschäden an der Sohle und an den Wänden aufweise, in Stand setzen zu lassen,

2. die Steigeisen in den Putzschächten in Stand setzen zu lassen,

3. den Verputz des Putzschachtes an der Grundgrenze in Stand setzen zu lassen und

4. die Vorschriftswidrigkeit, welche darin bestehe, dass zwei Stromkabel quer durch den an der Grundgrenze liegenden Putzschacht führten, beseitigen zu lassen.

Die Maßnahmen nach den Punkten 1. bis 3. seien binnen sechs Monaten nach Rechtskraft, jene nach Punkt 4. binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides durchzuführen.

Unstrittig ist, dass dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist.

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 7. Jänner 1999 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin der X-Ges.m.b.H. und somit als zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Verwalterin des betreffenden Hauses in der Zeit vom 1. April 1993 bis 8. Juli 1998 ohne Veranlassung und Vorwissen der Eigentümerin des Hauses insofern nicht dafür gesorgt habe, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand erhalten worden seien, als sie es unterlassen habe,

1. den schliefbaren Hauskanal, welcher auf der ganzen Länge Wandausbrüche und Verputzschäden an der Sohle und an den Wänden aufweise,

2.

die verrosteten Steigeisen in den Putzschächten sowie

3.

den schadhaften Verputz des Putzschachtes an der Grundgrenze in Stand setzen zu lassen.

Sie habe hiedurch § 135 Abs. 3 iVm § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien verletzt und werde hiefür mit einer Geldstrafe von S 15.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) bestraft.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Die belangte Behörde führte eine mündliche Verhandlung (am 21. Juni 1999, am 15. Juli 1999 sowie am 1. März 2000) durch (am 1. März 2000 wurde auch der angefochtene Bescheid verkündet).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und das bekämpfte erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt, sowie die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und verschiedener Aussagen im Berufungsverfahren und bestimmter Anträge der Beschwerdeführerin heißt es begründend, die von der Beschwerdevertreterin (namens der Beschwerdeführerin) gestellten Ablehnungsanträge würden "nunmehr insgesamt zurückgewiesen", weil diese Anträge im Gesetz (AVG oder auch VStG) keine Deckung fänden. Die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sei nicht erforderlich, auch nicht eine weitere Beweisaufnahme (wurde näher dargelegt). Dem Antrag, die gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 30 nicht zu verwerten, werde Folge gegeben, diese Stellungnahme werde dem angefochtenen Bescheid nicht zugrundegelegt (eine Begründung könne "in Anbetracht der positiven Entscheidung unterbleiben").

In der Sache selbst führte die belangte Behörde weiter aus, der Zeuge C habe am 8. Juli 1998 im Zuge einer persönlichen Überprüfung feststellen können, dass die Anordnungen des Bescheides vom 19. Feber 1993 bis zu diesem Tag nicht erfüllt worden seien.

Die Beschwerdeführerin habe sich damit gerechtfertigt, dass den Aufträgen im Bescheid vom 19. Feber 1993 nachgekommen worden sei, nunmehr festgestellte Schäden müssten zwischenzeitig aufgetreten sein.

Die Beschwerdeführerin sowie der von ihr namhaft gemachte Zeuge K. D. hätten vorgebracht, sie seien nicht in der Lage, ein entsprechendes Beweismittel, nämlich die Rechnung über die gegenständlichen Sanierungsarbeiten vorzulegen, weil diese Rechnung der T-Ges.m.b.H. bei einem in der Registratur entstandenen Wasserschaden vernichtet worden seien. Auch eine von der belangten Behörde an die T-Ges.m.b.H. gerichtete Anfrage habe keine befriedigende Auskunft zu erbringen vermocht, weil die Beschwerdevertreterin diesbezüglich erkärt habe, die Beschwerdeführerin sei auch Geschäftsführerin der T-Ges.m.b.H., wobei das Ersuchen der belangten Behörde überhaupt unzulässig sei.

Erst im Zuge der fortgesetzten mündlichen Verhandlung habe der Zeuge K. D. eine handschriftliche Notiz vorgelegt, aus der er "zu entnehmen glaubte", dass im Jahr 1993 Reparaturkosten für die Reparatur dieses Kanals bezahlt worden seien. Auf die Frage, weshalb denn die T-Ges.m.b.H. keine ordnungsgemäße Rechnung gelegt habe, habe er sich damit gerechtfertigt, dass die Kanalsanierung damals eine äußerst geringfügige Reparaturmaßnahme dargestellt habe und somit nicht auszuweisen gewesen sei. Dem stehe jedoch entgegen, dass nach der im Akt erliegenden Rechnung vom 19. Oktober 1998 ein Betrag von S 53.256,-- bezahlt worden sei, was nicht als geringfügig angesehen werden könne.

Insgesamt sei durch die belangte Behörde der Hinweis auf die nunmehr wiedergegebene "Rechnungsproblematik" auch "so zu werten, dass möglicherweise im Jahr 1993 geringfügige Reparaturarbeiten" am Kanal durchgeführt worden seien, diese jedoch nicht dazu geführt hätten, dass der Kanal in einem ordentlichen, der Bauordnung entsprechenden Zustand gewesen wäre. Der Zeuge H. D. habe nämlich hiezu ausgesagt, dass damals "einige Kübel Mörtel" (im Original unter Anführungszeichen) ausgereicht hätten und der Aufwand für die Sanierung inklusive der Reinigung des Schachtes damals einen Betrag von ungefähr S 5.000,-- ausgemacht habe.

Die belangte Behörde vermöge nunmehr nicht nachzuvollziehen, dass im Jahr 1993 eine Kanalsanierung auf Grund eines behördlichen Auftrages mit lediglich S 5.000,-- durchgeführt worden sei, die Sanierung im Jahr 1998, welche schlussendlich durch die Behörde auch nicht als ausreichend angesehen worden sei (was jedoch nicht Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens sei) einen Aufwand von mehr als S 50.000,-- erfordert haben solle.

Die belangte Behörde vermöge nicht auszuschließen, dass das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorliegens einer bestimmten Rechnung oder bestimmter Unterlagen betreffend die Reparatur im Jahre 1993 ausschließlich frei konstruierte Schutzbehauptungen darstellten. Die Beschwerdeführerin habe nämlich zu Beginn des Verfahrens eine Rechnung vorgelegt, wobei die Einsichtnahme ergeben habe, dass sie erst aus dem Jahr 1998 stamme. Erst nachdem "die Untauglichkeit dieses Beweismittels festgestellt" worden sei, habe die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen geändert und behauptet, sämtliche Rechnungsbelege seien in der Registratur ihres Unternehmens nach einem Wasserschaden vernichtet worden. Nach Kenntnis des Umstandes, dass die belangte Behörde die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der in Verlust geratenen Belege "als äußerst fragwürdig beurteilte", habe der Ehemann der Beschwerdeführerin, der Zeuge K. D., einen "Scheinbeleg" aus der Tasche "gezaubert" und es habe dieses handschriftlich verfasste Schreiben keinen tatsächlichen Beweis dafür zu liefern vermocht, dass damals tatsächlich Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien. Es erscheine auch schlüssig, dass die Beschwerdeführerin versucht habe, durch Vorlage der Rechnung aus dem Jahr 1998 vorzugeben, der Kanal sei bereits im Jahr 1993 saniert worden und sie habe möglicherweise gehofft, der belangten Behörde falle die Datumsdiskrepanz in dieser Rechnung nicht auf. Jedenfalls sei es unschlüssig, dass hinsichtlich Reparaturmaßnahmen, welche knapp acht Jahre zurücklägen von zwei verschiedenen Unternehmen, auch wenn sie dieselbe Geschäftsführerin hätten, keine wie immer gearteten Unterlagen vorlägen und es sei schon dies ein ausreichendes Indiz dafür, dem Berufungsvorbringen keinen Glauben zu schenken.

Auch aus der Einvernahme des Zeugen S sei für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen (wird näher ausgeführt). Der Zeuge R, welcher bei der X-Ges.m.b.H. beschäftigt sei, habe ausgesagt, es sei im Jahr 1993 eine Kanalsanierung durchgeführt worden. Dazu sei zu bemerken, dass die belangte Behörde gar nicht in Abrede stelle, dass zum damaligen Zeitpunkt "gewisse Kanalsanierungsarbeiten ausgeführt" worden seien, vielmehr werde "ausschließlich als erwiesen angenommen", dass diese Arbeiten nicht ausreichend gewesen seien und damit auch dem Sanierungsauftrag aus dem Jahr 1993 nicht nachgekommen worden sei.

In weiterer Folge verwies die belangte Behörde darauf, die Verpflichtung der Instandhaltung eines Gebäudes gemäß § 129 Abs. 2 BO ergäbe sich unmittelbar aus dem Gesetz, schon ein Verstoß dagegen begründe die strafbare Übertretung der Bauordnung, das strafbare Verhalten liege daher nicht in der Nichterfüllung eines entsprechenden baupolizeilichen Auftrages. Der baupolizeiliche Auftrag nehme dem Verwalter nur die Möglichkeit, sich damit zu verantworten, vom Bestehen des Baugebrechens keine Kenntnis besessen zu haben. Eine solche Verantwortung sei allerdings auch deshalb nicht "durchschlagend", weil jeder Verwalter verpflichtet sei, sich laufend vom guten Zustand seines Bauwerkes zu überzeugen. Im Beschwerdefall bedeute dies, dass das Nichterfüllen des behördlichen Bauauftrages aus dem Jahr 1993 nur hinsichtlich der Festlegung des Tatzeitraumes herangezogen werde (es folgen weitere Ausführungen zur Instandhaltungspflicht und sodann der Hinweis unter anderem auf verschiedene Interventionsversuche, schließlich zur Strafbemessung).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erhob ebenfalls Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Parallelbeschwerde), welcher mit Beschluss vom 11. Juni 2001, B 1728/00-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte. In der Begründung wird ausgeführt, soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen tatsächlich berühre, lasse ihr Vorbringen, welches nicht ausreiche, den äußeren Anschein der Befangenheit des UVS oder einzelner Mitglieder der belangten Behörde darzutun und einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK glaubhaft zu machen und welches übersehe, dass ein Organ der MA 37 den Sachverhalt angezeigt und ein anderes Organ der MA 30 ein Gutachten zum Sachverhalt abgegeben habe, und dass die Notwendigkeit der Anwesenheit des Beschuldigten bei der mündlichen Verhandlung von den Umständen des Einzelfalles abhängig sei (Hinweis auf Judikatur des EGMR), vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 11. Oktober 2000, B 225/00, VfSlg. 14939/1997 und 10710/1985) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 2 erster Satz der Bauordnung für Wien (BO) hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, dass die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen udgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.

Gemäß § 135 Abs. 1 BO, idF vor der mit Novelle LGBl. Nr. 36/2001 erfolgten Umstellung auf Euro, werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu S 300.000,-

- oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.

Nach § 135 Abs. 3 BO ist, wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2 leg. cit.) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die Beschwerdeführerin beantragt, wie schon im Verfahren vor der belangten Behörde, die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, weil die §§ 129 und 135 BO und die in diesem Zusammenhang anzuwendenden Bestimmungen des VStG und des AVG gegen Gemeinschaftsrecht verstießen, und zwar gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, des Niederlassungsrechtes und des Rechtes des freien Dienstleistungsverkehrs. Durch Verhängung von Freiheitsstrafen und beträchtlich hohen Geldstrafen (S 300.000,--) bzw. die bloße Androhung solcher hohen Strafen werde das Recht der freien Beschäftigung als Dienstnehmer, der freie Dienstleistungsverkehr und das Recht der freien Niederlassung in Österreich behindert bzw. erschwert, weil kein Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 MRK gewährleistet sei, dies deshalb - das ist der Kern der umfänglichen diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin -, weil kein Recht des Beschuldigten auf Ablehnung befangener Organe wie auch Sachverständiger bestehe.

Es ist richtig, dass die hier maßgeblichen Verfahrensvorschriften den Parteien kein solches Ablehnungsrecht einräumen (siehe dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, in E 53 ff zu § 7 AVG wiedergegebene Judikatur). Das bedeutet aber nicht, dass die Partei das Einschreiten befangener Verwaltungsorgane oder auch Sachverständiger nicht geltend machen könnte, sondern nur, dass kein diesbezügliches "Zwischenverfahren" vorgesehen ist. Wie nämlich die Beschwerdeführerin zutreffend erkannt hat, bleibt es der Partei unbenommen, die (behauptete) Befangenheit eines Verwaltungsorgans oder eines von der Behörde beigezogenen Sachverständigen als Verfahrensmangel geltend zu machen. Schon deshalb sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zur Einholung der angeregten Vorabentscheidung nicht veranlasst.

Die Beschwerdeführerin ist seit 1982 (handelsrechtliche) Geschäftsführerin der X-Ges.m.b.H., welche das Haus verwaltet. Sie bringt aber vor, der Zeuge H. D. sei bis zu seinem Ausscheiden aus diesem Unternehmen im Jahr 1997 verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG gewesen. Das habe sie im Zuge des Verwaltungsverfahrens unter Beweis gestellt.

Dem ist zu entgegnen, dass sie einen solchen Beweis im Zuge des Verfahrens nicht erbracht hat. Hier geht es um einen Tatzeitraum ab dem 1. April 1993 (bis zum 8. Juli 1998). Nun kann zwar die Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG für diesen Zeitraum auch nachträglich bewiesen werden, aber nur mit Beweismitteln (beispielsweise Urkunden oder frühere Zeugenaussagen), die - hier - zum 1. April 1993 bereits bestanden (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, in E 188 ff zu § 9 VStG wiedergegebene hg. Judikatur). Derartige Beweismittel hat die Beschwerdeführerin aber weder behauptet noch vorgelegt. Die Aussagen, welche erst im Zuge dieses Verwaltungsverfahrens erfolgten oder auch die vorgelegte Bestätigung vom 9. Feber 1999 waren nach dem zuvor Gesagten keine tauglichen Beweismittel.

Daraus folgt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin für den gesamten angelasteten Tatzeitraum (§ 9 Abs. 1 VStG). Es mag schon sein, dass die verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung auch des Zeugen H. D. als frühreren (weiteren) Geschäftsführer der X-Ges.m.b.H. in Betracht gekommen wäre, was aber an der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin nichts zu ändern vermag. Aus diesem Blickwinkel ist es daher irrelevant, weshalb er verwaltungsstrafrechtlich nicht verfolgt wurde (im Übrigen wäre eine denkbare Erklärung der Umstand, dass er auf dem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten - damals aktuellen - Firmenbuchauszug als Geschäftsführer nicht aufschien, weil er nicht mehr Geschäftsführer war).

Die Instandhaltungsverpflichtung des Hauseigentümers ergibt sich (bereits) aus § 129 Abs. 2 BO und besteht unabhängig davon, ob ein diesbezüglicher Bauauftrag ergangen ist. Bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 BO handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG. Das bedeutet, dass schon die bloße Nichterfüllung des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, als eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht eine Strafe nach sich zieht, wenn der Eigentümer (bzw. der Hausverwalter) nicht aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zlen. 2000/05/0018 und 0223, mwN).

Zutreffend hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass es dem Eigentümer (Verwalter) obliegt, sich laufend vom guten Zustand der Baulichkeit zu überzeugen (siehe beispielsweise die in Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 4. Aufl., in E 10, 38 und 67 zu § 135 BO wiedergegebene hg. Judikatur).

Daher kann sich die Beschwerdeführerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen (dahin geht dieser Teil ihres Vorbringens), sie hätte keine Kenntnis von den angelasteten Mängeln gehabt, weil sie niemand davon verständigt habe. Es kommt daher diesbezüglich auch nicht darauf an, ob die zuständige Behörde verhalten gewesen wäre, diesen Kanal laufend oder aus welchen Gründen auch immer vor der Besichtigung im Jahr 1998 zu kontrollieren.

Welches Maß an Sorgfalt der Hausverwalter diesbezüglich anzuwenden hat, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass diese Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden darf und dass es sich hier um schwer zugängliche Teile des Bauwerkes handelt, wobei - so ihr Vorbringen - dieser Kanal ohnedies im Jahr 1993 gehörig saniert worden sei und es sich bei den nun angelasteten Schäden nur um zwischenzeitig neu entstandene Schäden handeln könne.

Die belangte Behörde ist letzterer Verantwortung, dass die Schäden im Jahr 1993 gehörig behoben worden seien, nur eingeschränkt gefolgt und hat dies im angefochtenen Bescheid näher begründet. Die Beschwerdeführerin bekämpft Schlussfolgerungen der belangten Behörde als unzutreffend.

Diesem Vorbringen kann (im Sinne einer Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung) Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin nämlich insbesondere vorgeworfen, sie habe zu Beginn des Verfahrens eine Rechnung vorgelegt, wobei die Einsichtnahme in diese Rechnung ergeben habe, dass diese erst aus dem Jahr 1998 stamme (Anmerkung:

siehe die Wiedergabe der Beweiswürdigung in der Sachverhaltsdarstellung). Diese Beweiswürdigung lässt sich aber anhand der Aktenlage nicht nachvollziehen, hat doch die Beschwerdeführerin vielmehr in ihrer Stellungnahme vom 9. März 1999 vorgebracht, sie habe umgehend und sofort, als sie von den offensichtlich im Laufe der Zeit nach "der Bescheiderfüllung im Jahr 1993" neu entstandenen Schäden erfahren habe, die Sanierung der Verputzschäden und der Steigeisen veranlasst und hat zum Beweis hiefür die Rechnung vom 19. Oktober 1998 vorgelegt. Auch dem Verhandlungsprotokoll kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin diese Rechnung zum Beweis dafür vorgelegt habe, dass mit den verrechneten Arbeiten 1992 festgestellte Schäden (die Gegenstand des Bauauftrages aus dem Jahr 1993 waren) behoben worden wären. Auch die Beurteilung, der Zeuge K. D. habe (sodann) einen "Scheinbeleg" aus der Tasche "gezaubert", ist in dieser Form dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde geht insbesondere nicht darauf ein, dass der Zeuge näher begründet hat, weshalb es bloß einen Aktenvermerk gebe, nämlich damit, dass die (behauptete) Kanalreparatur im Jahr 1993 dem Eigentümer nicht gesondert verrechnet worden sei, weil damals Kosten von insgesamt 2,2 Mio. S aufgelaufen seien und die Kosten bezüglich des Kanals in Relation zur Gesamtsumme zu gering gewesen seien, wobei er rund 50 Häuser dieses Eigentümers verwalte und dabei einen näher bezifferten (beträchtlichen Betrag) umsetze, daher derartige "Geringfügigkeiten" nicht zu verrechnen vermöge.

Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde ist zwar denkmöglich, aber mangelhaft begründet. Es ist vorweg nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde ohne diese Mängel, also ohne den nach der Aktenlage unzutreffenden Vorhalt, die Rechnung aus dem Jahr 1998 sei zum Beweis für Reparaturarbeiten im Jahr 1993 vorgelegt worden und in Auseinandersetzung mit der Argumentation des Zeugen K. D. weshalb diese (behaupteten) Arbeiten dem Eigentümer nicht verrechnet worden seien, zu einer für die Beschwerdeführerin im Ergebnis günstigeren Beweiswürdigung hätte kommen können, nämlich dahin, dass die 1992 festgestellten Mängel im Jahr 1993 behoben wurden und der Beschwerdeführerin somit zu einem späteren Zeitpunkt neu entstandene Mängel angelastet werden, was wiederum für den Beginn des Tatzeitraumes von entscheidender Bedeutung wäre.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er schon deshalb und ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren weitläufigen Vorbringen der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil zum Schriftsatzaufwand nicht überdies Umsatzsteuer zuzusprechen ist (siehe die in Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).

Wien, am 12. November 2002

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000050230.X00

Im RIS seit

04.02.2003

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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