TE Vfgh Beschluss 1999/10/14 G359/97

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Veröffentlicht am 14.10.1999
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
VfGG §62 Abs1
ASVG §294

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags des Oberlandesgerichts Wien auf Prüfung von Teilen einer Bestimmung des ASVG wegen unrichtiger Bezeichnung der angefochtenen Wortfolge sowie wegen Auslassung eines in den Aufhebungsantrag einzubeziehenden Wortes

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. §294 ASVG lautet auszugsweise (die angefochtenen Worte sind hervorgehoben):

"§294. (1) Bei Anwendung des §292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen

a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie)

mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen

Haushalt lebt,

b) den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin),

c) die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,

gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lita 25 vH und in den Fällen der litb und c 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind. Der so festgestellte Betrag vermindert sich jedoch in dem Ausmaß, in dem das dem Verpflichteten verbleibende Nettoeinkommen den Richtsatz gemäß §293 Abs1 litb unterschreitet.

(2) ...

(3) Wenn und solange das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in den Fällen des Abs1 lita und b nicht nachgewiesen wird, ist anzunehmen, daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 vH des Dreißigfachen der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§45 Abs1) beträgt. Eine Zurechnung zum Nettoeinkommen erfolgt nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung, wenn die nach Abs1 und 2 berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos oder offenbar unzumutbar ist."

2. Beim Oberlandesgericht Wien sind Berufungen der Klägerin und der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter anhängig; in diesem arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren geht es um den Ausgleichzulagenanspruch der Klägerin, welcher vom Bestehen und vom Ausmaß der Anrechnung eines Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen ihren Ehegatten abhängt.

Aus Anlaß der Entscheidung über diese Berufungen hegt das OLG Wien verfassungsrechtliche Bedenken gegen §294 Abs1 ASVG; es beantragt "im §294 ASVG idF BGBl. 335/1993 die Wortfolgen im Abs1 'a) den Ehegatten (die Ehegattin) sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt', und 'in Fällen der lita 25 vH' sowie im Abs3 die Worte 'lita und' als verfassungswidrig aufzuheben."

Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie dem Antrag des Oberlandesgerichtes entgegentritt und den Ausspruch begehrt, daß die angefochtenen Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

Die Klägerin des arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich dem Antrag des Oberlandesgerichtes anschließt.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muß ein Antrag auf Aufhebung von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen diese genau bezeichnen (vgl. etwa VfSlg. 11888/1988 u.a.).

Das antragstellende Gericht hat u.a. die Worte "in Fällen der lita 25 vH" in §294 Abs1 ASVG angefochten. Demgegenüber lautet die Wortfolge richtig "in den Fällen der lita 25 vH"; überdies schließt sich daran im Gesetzestext ein "und" an, welches zur Vermeidung der Unverständlichkeit des verbleibenden Textes in eine Aufhebung einbezogen werden und daher vom Umfang der Anfechtung mit umfaßt sein müsste. Da nach den insoweit zutreffenden Darlegungen des antragstellenden Gerichtes alle angefochtenen Wortteile aufeinander bezogen sind und eine untrennbare Einheit bilden, war der Antrag daher teils wegen Anfechtung einer im Gesetz so nicht vorhandenen Wortfolge, teils wegen der Auslassung eines noch einzubeziehenden Wortes, zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich in diesem Zusammenhang noch zu folgender Bemerkung veranlasst:

Es mag zwar angesichts der legistischen Praxis der häufigen und oft in Sammelgesetzen enthaltenen Gesetzesänderungen, wie sie zweifellos gerade im Bereich des Sozialversicherungsrechts besonders häufig in Erscheinung tritt, im Einzelfall schwierig sein, herauszufinden, welche Fassung eines Gesetzes zu einem bestimmten Stichtag gegolten oder durch welche Novelle ein Gesetz oder eine Gesetzesbestimmung eine bestimmte Fassung erhalten hat. Dieser Umstand befreit das antragstellende Gericht jedoch nicht von seiner Verpflichtung, die angefochtene Gesetzesstelle in seinem Antrag genau zu bezeichnen (vgl. zuletzt VfSlg. 14634/1996).

§294 Abs1 ASVG erhielt seine im Anfechtungsantrag umschriebene Fassung ursprünglich durch die Neufassung des Ausgleichszulagenrechts in der 29. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 31/1973); Änderungen des Wortlautes der angefochtenen Wortfolgen erfolgten durch die Novellen BGBl. Nr. 282/1981 (36. Novelle zum ASVG) und BGBl. Nr. 642/1989 (48. Novelle zum ASVG).

Das antragstellende Gericht umschreibt in seinem Antrag die Gesetzesstelle, welche die angefochtenen Wortfolgen in ihrem Absatz 1 enthält, mit "§294 ASVG idF BGBl. 335/1993". Bei dem erwähnten Gesetz handelt es sich um das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1993, welches in ArtI Z127 und 128 zwar Änderungen des §294 Abs3 zweiter Satz ASVG enthält und eine Anfügung eines Absatz 5 an §294 vorsieht, die zur Prüfung gestellten Wortfolgen jedoch nicht veränderte.

Die Bezeichnung der Fassung der Gesetzesstelle im Antrag erweist sich daher insoweit, als sie sich aus der Zitierung des Bundesgesetzblattes ergibt, als verfehlt. Es kann aber auf sich beruhen, ob dieser Umstand allein den Antrag unzulässig machen würde, zumal seine Zurückweisung schon wegen der eingangs dargelegten Mängel unvermeidlich ist.

5. Da somit der Antrag nicht dem Erfordernis des §62 Abs1 VerfGG entspricht, war er gemäß §19 Abs4 erster Satz und Z2 in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Prüfungsumfang, Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G359.1997

Dokumentnummer

JFT_10008986_97G00359_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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