TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/21 2002/07/0105

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Veröffentlicht am 21.11.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1 litm idF 1985/238;
WRG 1959 §105 Abs1 litm;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §13 Abs4;
WRG 1959 §21a;
WRGNov 1985;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde 1. des HH und 2. der AH, beide in A, beide vertreten durch Dr. Wilfried Mayr, Dr. Michael Schneditz-Bolfras, Dr. Fritz Vierthaler und Dr. Christoph Mizelli, Rechtsanwälte in Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Juni 2002, Zl. Wa104760/1-2002-Pan/Ne, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2002 wurde der Antrag der Beschwerdeführer um Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung zur Beibehaltung von Verbauungsmaßnahmen in einem Quellast des Kbaches für ca. 27 lfm im westlichen Bereich des Grundstückes Nr. 650/1 der KG O abgewiesen.

In der Begründung heißt es nach Wiedergabe der §§ 38 und 105 Abs. 1 lit. m des Wasserrechtsgesetzes 1959, von den Beschwerdeführern sei ursprünglich ein Projekt eingereicht worden, welches vorgesehen habe, die derzeit bestehende, ca. 47 m lange gepflasterte Steinschale samt der in der Verbauungsstrecke integrierten Staueinrichtung zu entfernen, die Gerinnesohle tiefer zu legen und diese durch eine Steinschlichtung auf einem Schotterbett abzusichern.

Im Zuge der wasserrechtlichen Verhandlung hätten die Beschwerdeführer jedoch erklärt, ca. 27 lfm des im westlichen Bereich des Grundstückes befindlichen Gerinnes gegenüber dem derzeitigen Zustand nicht verändern zu wollen. Dadurch würde ein 27 m langer Bereich des Gerinnes in der gleichen Form wie jetzt als ausgepflasterter Abschnitt bestehen bleiben. Wie die Amtssachverständige für Biologie bereits in der Niederschrift vom 30. Juni 1998 wie auch im Zuge der wasserrechtlichen Verhandlung ausgeführt habe, stelle eine Sohlpflasterung aus hydrobiologischer Sicht einen wesentlichen und nachhaltigen Eingriff in das ökologische Wirkungsgefüge eines Gewässers dar. Entscheidend sei dafür der Verlust der Vernetzung zum Umland, insbesondere die Versiegelung der Gewässersohle. Das Lückenraumsystem unterhalb der Gewässersohle bzw. neben dem Gewässer stelle einen wichtigen Lebens- und Rückzugsraum für die aquatischen Lebewesen dar. Durch die Auspflasterung bzw. Verfugung der Sohle gehe dieser Lebensraum vollständig verloren. Auch die Ufer von Gewässern zählten zu den für die ökologische Funktionsfähigkeit maßgeblichen Bereichen, sie trügen wesentlich zur Struktur- und Lebensraumvielfalt und somit zum Artenreichtum der Gewässer bei. Durch die Errichtung von Ufermauern bzw. von gepflasterten Böschungsfuß-Sicherungen könnten die Uferbereiche diese Funktion nicht mehr erfüllen.

Wie die Amtssachverständige für Biologie weiters ausgeführt habe, bleibe in dem Bereich, wo die Sohlpflasterung, die Ufermauer und die gepflasterte Böschungsfuß-Sicherung belassen werden solle, auch die wesentliche Beeinträchtigung des Gewässers in diesem Bereich aufrecht. Eine Vereinbarkeit mit dem öffentlichen Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit des Zubringers zum Kuchlbach sei auch durch die Vorschreibung von Auflagen nicht zu erzielen.

Wie sich aus den Ausführungen der Amtssachverständigen für Biologie, denen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten worden sei, ergebe, verliere das Gewässer im gegenständlichen Bereich seine Funktion als Lebens-, Nahrungs- und Fortpflanzungsraum für aquatische Lebewesen. Diese Auswirkungen stellten aus Sicht der belangten Behörde eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit dar.

Zum Berufungsvorbringen sei auszuführen, dass nicht durch den Hinweis auf bereits bestehende harte Verbauungen eine weitere Maßnahme, die laut Gutachten der Amtssachverständigen mit dem öffentlichen Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer in Widerspruch stehe, bewilligt werden könne. Letztendlich werde die Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu prüfen haben, inwiefern bereits bestehende und auch bewilligte harte Verbauungen, die mit dem öffentlichen Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer im Widerspruch stünden, unter Anwendung von § 21a des Wasserrechtsgesetzes 1959 an einen ökologisch vertretbaren Zustand herangeführt werden könnten.

Wenn die Beschwerdeführer darauf hinwiesen, dass durch die Entfernung der Sohlpflasterung Einsturzgefahr für die auf das Sohlpflaster aufgesetzte rechtsufrige Mauer und damit für ihr Holzhaus bestehe, müsse dem entgegen gehalten werden, dass im ursprünglichen Projekt der Beschwerdeführer durchaus Maßnahmen im gegenständlichen Bereich vorgesehen gewesen seien, um einen naturnahen Zustand herbeizuführen. Wie sich aus dem Verfahrensablauf ergebe, sei jedoch der diesbezügliche Antrag von den Beschwerdeführern im Rahmen der mündlichen Verhandlung zurückgezogen worden. Letztendlich könne auch nicht die Schaffung von vollendeten Tatsachen zur Folge haben, dass von der Behörde bzw. den beigezogenen Amtssachverständigen eine andere fachliche Beurteilung angelegt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführer bringen vor, der angefochtene Bescheid bringe nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck, weshalb die angenommene Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers als wesentlich einzustufen sei. Auf Grund des behördlich festgestellten Sachverhaltes bzw. an Hand des eingeholten hydrobiologischen Gutachtens lasse sich rechtlich die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers nicht zuverlässig beurteilen. Im angefochtenen Bescheid werde weder darauf Bezug genommen, weshalb die durch die baulichen Maßnahmen der Beschwerdeführer angeblich bewirkte Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers als wesentlich einzustufen sei, noch welche konkreten Auswirkungen die Verbauung auf die entsprechenden Umweltbereiche habe. Dem angefochtenen Bescheid fehle jegliche konkrete Darstellung eines konkreten Sachverhaltes, aus dem sich die Wesentlichkeit der besorgten Beeinträchtigung ergeben solle. Die belangte Behörde begründe ihre Entscheidung lediglich allgemein mit wesentlichen und nachhaltigen Eingriffen in das ökologische Wirkungsgefüge des Gewässers, da ein wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für aquatische Lebewesen verloren ginge, wodurch sich der Artenreichtum der Gewässer verringere. Der angefochtene Bescheid erfülle nicht die Anforderungen, die § 60 AVG an eine Begründung stelle.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist.

Nach § 105 Abs. 1 lit. m WRG 1959 kann im öffentlichen Interesse ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer zu besorgen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, VwSlg. NF. Nr. 14.351/A, ausgeführt hat, ist der Begriff "ökologische Funktionsfähigkeit" ein Sammelbegriff für vom WRG 1959 bereits in einzelnen Bestimmungen des § 105 leg. cit. enthaltene Schutzobjekte. Ziel der Einfügung des Begriffes der ökologischen Funktionsfähigkeit sollte offenbar eine möglichst umfassende Erfassung aller mit dem Wasser zusammenhängenden Umweltfaktoren sein. Da der Schutzkatalog des WRG 1959 alle mit einer Beeinträchtigung von Gewässern einhergehenden Auswirkungen umfasst, ist auch die "ökologische Funktionsfähigkeit" in dem Sinn zu verstehen, dass damit alle Funktionen erfasst sind, die das Gewässer für mit ihm zusammenhängende und von ihm abhängige Bestandteile der Umwelt hat, wobei unter Umwelt nicht nur die räumlich vom Wasser getrennte Umwelt zu verstehen ist, sondern auch die Umwelt im Wasser selbst. Da es sich bei der ökologischen Funktionsfähigkeit um einen Sammelbegriff aller umweltbezogenen Funktionen eines Gewässer handelt, genügen nicht allgemeine Feststellungen, dass durch eine Maßnahme die ökologische Funktionsfähigkeit beeinträchtigt wird, vielmehr ist eine Auflistung der Auswirkungen der Maßnahme auf die mit dem Gewässer zusammenhängenden und von ihm abhängenden Umweltbereiche unter Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Aspekte erforderlich.

Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof diese Anforderungen an die Begründung für das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer in einem zur Bestimmung des § 21a WRG 1959 ergangenen Erkenntnis erhoben hat, in welchem die regelmäßig besonders eingehend zu begründende Frage zur Beurteilung anstand, ob öffentliche Interessen durch eine erteilte Bewilligung aus diesem Grund nicht mehr ausreichend geschützt waren, bedarf aber auch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. November 1998, VwSlg. NF. 15.028/A, ausgesprochen hat, die Abweisung eines Bewilligungsantrages mit der Begründung der Besorgnis einer Verletzung des im § 105 Abs. 1 lit. m WRG 1959 genannten öffentlichen Interesses einer entsprechenden Darstellung jener konkreten Sachverhalte, aus denen sich die Wesentlichkeit der besorgten Beeinträchtigung ergeben soll. So wurde in dem besagten Erkenntnis der bloße Hinweis auf nicht näher konkretisierte zu erwartende "größere Veränderungen im Artenspektrum" als nicht ausreichend angesehen, desgleichen ein Hinweis auf die Unterbrechung des Fließkontinuums, solange nicht nachvollziehbar dargestellt wird, welche Veränderungen welchen Artenspektrums in welcher Richtung mit welchen Auswirkungen zu erwarten sind und welche darüber hinausgehende Folgewirkungen eine Unterbrechung des Fließkontinuums mit welchen Auswirkungen auf die mit dem Gewässer zusammenhängenden und von ihm abhängenden Umweltbereiche unter Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Aspekte konkret drohen.

Legt man den Maßstab der beiden genannten Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse auf den vorliegenden Fall an, so wird unschwer erkennbar, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausreicht, um eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer durch die von den Beschwerdeführern zur Bewilligung beantragten Maßnahmen darzutun.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides finden sich zwar allgemeine Ausführungen der Amtssachverständigen für Biologie über die Auswirkungen der Sohlpflasterung, der Ufermauer und der gepflasterten Böschungsfuß-Sicherung aus hydrobiologischer Sicht. Es fehlt aber die Herstellung eines Bezuges zu den Gegebenheiten des Beschwerdefalles und eine Darstellung der konkreten Auswirkungen dieser Maßnahmen. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, welche aquatischen Lebewesen, deren Lebens-, Nahrungs- und Fortpflanzungsraum durch die Maßnahmen der Beschwerdeführer bedroht sein soll, es im fraglichen Bereich gibt, welche Bedeutung diese Lebewesen im Gefüge der Natur haben, welche Auswirkungen der Verlust des Lebensraumes dieser Lebewesen hat und warum diese Auswirkungen quantitativ oder qualitativ von einer solchen Bedeutung sind, dass von einer "wesentlichen" Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers gesprochen werden kann. Wie die Beschwerdeführer in ihrer Berufung zu Recht vorgebracht haben, ist nämlich ohne eine solche eingehende, auf die konkreten Gegebenheiten des Beschwerdefalles Bezug nehmende Begründung nicht zuletzt angesichts des relativ geringen Ausmaßes des von den Maßnahmen der Beschwerdeführer betroffenen Bereiches nicht ersichtlich, inwiefern durch diese Maßnahmen eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers herbeigeführt werden könnte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 21. November 2002

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070105.X00

Im RIS seit

17.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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