TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/11 2002/03/0248

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Veröffentlicht am 11.12.2002
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Index

L81506 Umweltschutz Steiermark;
L81516 Umweltanwalt Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §56;
AVG §73 Abs1;
AVG §8;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs1;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
UmweltschutzG Stmk 1988 §7;
UVPG 1993 §19 Abs3;
UVPG 1993 §3 Abs6;
UVPG 2000 §2 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des Umweltanwaltes des Landes Steiermark gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 7. August 2002, Zl. 299.965/5-II/C/12/02, betreffend Feststellungsantrag gemäß § 3 UVP-G (mitbeteiligte Partei: E AG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Nachdem der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren betreffend den Abschnitt Graz Hauptbahnhof - Graz Puntigam der Koralmbahn Graz - Klagenfurt mit Kundmachung vom 24. Mai 2000 die mündliche Verhandlung für den 28. und 29. Juni 2000 anberaumt hatte, stellte der Umweltanwalt des Landes Steiermark (nach seinen Ausführungen) mit Telefax vom 16. Juni 2000 an die belangte Behörde und mit Telefax vom 20. Juni 2000 an die Steiermärkische Landesregierung den Antrag auf Feststellung gemäß § 3 Abs. 6 Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz, BGBl. Nr. 697/1993 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 773/96, ob für das gegenständliche Eisenbahnvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

Mit Telefax vom 30. April 2001 zog der beschwerdeführende Umweltanwalt den bei der belangten Behörde eingebrachten Feststellungsantrag vom 16. Juni 2000 zurück.

Wegen Säumigkeit der Stmk. Landesregierung stellte der beschwerdeführende Umweltanwalt in der Folge den Antrag an den Umweltsenat, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die UVP-Pflicht des vorliegenden Vorhabens auf diesen übergehe.

Mit Bescheid vom 7. September 2001, Zl. US 6 A/2001/16, hat der Umweltsenat diesen Antrag wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass Vorhaben an Hochleistungsstrecken, auch wenn für diese im Einzelfall keine Trassenverordnung nach § 3 Abs. 1 HLG erforderlich seien, nicht in den Anwendungsbereich des zweiten Abschnittes i.V.m. Anhang 1 Z. 10 UVP-G 2000 fielen, sondern ausschließlich in das Regime des dritten Abschnittes des UVP-G 2000. Der Umweltsenat könne daher nicht Berufungsbehörde oder sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sein.

Auf Grund dieser Entscheidung des Umwaltsenates widerrief der beschwerdeführende Umweltanwalt mit Schreiben vom 23. Oktober 2001 - übermittelt mit Telefax vom 25. Oktober 2001 - die Zurückziehung des Feststellungsantrages gegenüber der belangten Behörde. In eventu stellte er den Antrag, gemäß § 3 Abs. 7 i.V.m. § 23b Abs. 3 UVP-G 2000 und in unmittelbarer Anwendung der geänderten EU-UVP-RL 97/11/EG festzustellen, ob für das gegenständliche Vorhaben eine UVP erforderlich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Feststellungsantrag des beschwerdeführenden Umweltanwaltes "vom 16. 6. 2000 beziehungsweise der mit Schreiben des Umweltanwaltes des Landes Steiermark vom 23. 10. 2001 erfolgte Widerruf der Zurückziehung des Feststellungsantrages vom 16. 6 2000" zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde u.a. damit begründet, dass sich die vom Beschwerdeführer herangezogene Bestimmung des § 3 Abs. 6 UVP-G i. d.F. vor dem 11. August 2000 in der nunmehr anzuwendenden Fassung des UVP-G in veränderter Form in § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 89/2000, wieder finde. Die Behörde könne keine rechtliche Unzulässigkeit des vorliegenden Widerrufes der Zurückziehung des mit Schreiben vom 16. Juni 2000 bei der belangten Behörde eingebrachten Antrages auf Feststellung der UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens erkennen. Ein Feststellungsantrag gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 sei entsprechend dessen Wortlaut an keine Fristen gebunden und könne daher jederzeit eingebracht werden. Gleiches müsse auch für den Widerruf eines derartigen Antrages gelten und der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers vom 16. Juni 2000 lebe daher wieder auf. Gemäß den Regelungen in § 47 Abs. 1 und 2 UVP-G 2000 sei davon auszugehen, dass seitens der belangten Behörde keine Zuständigkeit zur Vollziehung des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 gegeben sei und der vorliegende Feststellungsantrag sei aus diesem Grund wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. Gemäß § 47 Abs. 2 UVP-G 2000 sei die belangte Behörde für die Vollziehung der §§ 23a bis 24h leg. cit. zuständig. § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 falle nicht darunter.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei in ihren Stellungnahmen zum Antrag auf aufschiebende Wirkung meinen, der Beschwerdeführer sei kein Umweltanwalt im Sinne des § 2 Abs. 4 UVP-G 2000 und dem Beschwerdeführer komme deshalb keine Beschwerdeberechtigung zu, ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 2 Abs. 4 UVP-G 2000 ist der Umweltanwalt ein Organ, das vom Bund oder vom betroffenen Land besonders dafür eingerichtet wurde, den Schutz der Umwelt in Verwaltungsverfahren wahrzunehmen.

Gemäß § 6 des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt in der Steiermark, LGBl. Nr. 78/1988 zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 24/2002, ist zur Wahrung der Interessen des Umweltschutzes im Vollziehungsbereich des Landes von der Landesregierung über Vorschlag des für den Umweltschutz zuständigen Regierungsmitgliedes ein Umweltanwalt zu bestellen. Im § 6 Abs. 2 dieses Landesgesetzes werden die behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, in denen der Umweltanwalt Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und auch eine Beschwerdelegitimation beim Verwaltungsgerichtshof hat, näher konkretisiert. Weitere Aufgaben enthält § 7 dieses Landesgesetzes.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde und der Mitbeteiligten handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen Umweltanwalt im Sinne des § 2 Abs. 4 UVP-G (vgl. in diesem Sinne auch Köhler - Schwarzer, Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz,

S. 54 f Rz 6 und 7 zu § 2 UVP-G, und Bergthaler - Weber - Wimmer, Umweltverträglichkeitsprüfung, 1998, S. 428, Rz. 29). Er ist als Organ des Landes besonders dafür eingerichtet, um im Sinne des § 2 Abs. 4 leg. cit. den Schutz der Umwelt in Verwaltungsverfahren (wenn auch der Landesgesetzgeber dies im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzlage nur für den Vollziehungsbereiches des Landes vorgesehen hat) wahrzunehmen.

2. Weiters ist zu klären, ob dem Umweltanwalt als Formalpartei gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G in der Stammfassung (bzw. nunmehr gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000) eine Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zukommt.

Der bis 11. August 2000 geltende § 3 Abs. 6 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz - UVP-G, BGBl. Nr. 697/1993 i. d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 89/2000, lautete wie folgt:

"(6) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes innerhalb von drei Monaten mit Bescheid festzustellen, ob für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Parteistellung haben die Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkende Behörde, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde."

Nach der Novelle des UVP-G BGBl. I Nr. 89/2000 ist die wiedergegebene Regelung des § 3 Abs. 6 nunmehr in § 3 Abs. 7 UVP-G mit Abänderungen enthalten, der wie folgt lautet:

"(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung ist in erster und zweiter Instanz jeweils innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkenden Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung ist das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Der wesentliche Inhalt der Entscheidungen einschließlich der wesentlichen Entscheidungsgründe sind von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen oder zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen.

Nach § 19 Abs. 3 UVP-G haben der Umweltanwalt sowie die Standortgemeinde und die an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden im Genehmigungsverfahren und im Verfahren nach § 20 Parteistellung. Sie sind berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 17. Jänner 1997, Zl. 96/07/0228, allerdings im Hinblick auf einen den Antrag des Umweltanwaltes gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G abweisenden Bescheid im Zusammenhalt mit der Regelung des § 19 Abs. 3 UVP-G abgeleitet, dass dem Umweltanwalt im Feststellungsverfahren nach dieser Bestimmung keine Befugnis zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zukommt. Anders als in diesem Fall liegt im vorliegenden Fall keine meritorische Entscheidung, sondern ein den Antrag des Umweltanwaltes zurückweisender Bescheid vor. Wenn nun aber dem Umweltanwalt in § 3 Abs. 6 UVP-G bzw. nunmehr in § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ausdrücklich ein Antragsrecht eingeräumt war bzw. ist, muss daraus abgeleitet werden, dass ihm der Gesetzgeber insoweit ein subjektives öffentliches Recht auf Entscheidung in der Sache zuerkannt hat und ihm insoweit ein Beschwerderecht beim Verwaltungsgerichtshof zusteht (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/01/0542, 93/01/0543, zu den aus der Parteistellung gemäß § 67c Abs. 4 AVG abzuleitenden subjektiven öffentlichen Rechten (in prozessualer Hinsicht) der betroffenen Verwaltungsbehörde im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten).

Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Fall daher zu bejahen.

3. Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens ist der Widerruf der Zurückziehung eines Feststellungsantrages gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 89/2000 und der nach Auffassung der belangten Behörde dadurch wieder aufgelebte Feststellungsantrag selbst. Gemäß dem hg.  Erkenntnis vom 23. Jänner 1951, Slg. Nr. 1889/A, gilt bei Anträgen, die nach den Verwaltungsverfahrensvorschriften durch Bescheid zu erledigen sind und für die Entscheidungspflicht besteht, dass es dem Antragsteller nicht frei steht, seine Erklärung jederzeit zu modifizieren, zu widerrufen und einen bereits erteilten Widerruf wieder rückgängig zu machen. Wenn ein solches Parteibegehren abgeändert oder eingeschränkt wird, bedeutet dies einen Verzicht auf ein Recht. Ist aber ein solcher Verzicht gegenüber der Behörde ausgesprochen, dann ist eben dieses Recht erloschen. Es wäre widersinnig, dieses Recht durch eine einfache Willenserklärung (Widerruf) wiederaufleben zu lassen. Denn dann müsste man folgerichtig auch einen Widerruf dieses Widerrufes (eine neuerliche Verzichtserklärung) und allenfalls auch deren Widerruf, also alle einander aufhebenden Parteierklärungen gelten lassen.

Ausgehend von dieser Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes war der verfahrensgegenständliche Widerruf der Zurückziehung des Antrages gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G vom 16. Juni 2000 - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht zulässig und auch nicht wirksam. Der Feststellungsantrag vom 16. Juni 2000 lebte daher nicht wieder auf. Die Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Widerrufes erweist sich daher aus diesem Grund als im Ergebnis rechtmäßig. Die nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides auch erfolgte Zurückweisung dieses Feststellungsantrages (vom 16. Juni 2000), von dessen unwiderruflicher Zurückziehung durch den Beschwerdeführer - wie dargelegt - auszugehen ist, verletzt den Beschwerdeführer nicht in Rechten.

Es erübrigte sich daher, auf das übrige Beschwerdevorbringen, das - wie die belangte Behörde - von einem aufrechten Feststellungsantrag vom 16. Juni 2000 ausgeht - einzugehen. Klarzustellen ist abschließend, dass über den im Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. 10. 2001 neben dem Widerruf auch gestellten Eventualantrag mit dem vorliegenden Bescheid - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht abgesprochen wurde, wie sich dies eindeutig aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides ergibt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete DiversesMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtRechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002030248.X00

Im RIS seit

01.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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