TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/11 99/03/0425

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Veröffentlicht am 11.12.2002
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach und Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Köllnerhofgasse 6/2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. September 1999, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-1859, betreffend Aussetzung eines Verfahrens über den Anspruch von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom 11. August 1999 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer wie folgt abgesprochen:

"Gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), ..., wird das auf Grund Ihres Antrages eingeleitete Verfahren für die Gebührlichkeit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz ausgesetzt.

Vom 29.06.1999 bis 26.07.1999"

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer gegen die fristlose Entlassung der Firma I. GmbH die Klage eingebracht. Bis zur endgültigen Entscheidung in diesem Verfahren, werde das Arbeitslosengeld für den (im Spruch angegebenen) Zeitraum ausgesetzt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, nach der vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Firma I. GmbH sei das Dienstverhältnis durch die fristlose Entlassung des Beschwerdeführers mit 28. Juni 1999 beendet worden. Gegen diese fristlose Entlassung sei Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebracht worden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld datiere vom 30. Juni 1999. Das Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien sei noch nicht rechtskräftig beendet. Gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erhalte ein Arbeitsloser, dessen Dienstverhältnis aus seinem Verschulden beendet worden sei, für die Dauer von vier Wochen, gerechnet ab dem Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses, keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Über die Frage, ob das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers tatsächlich aus seinem Verschulden beendet worden sei, sei beim Arbeits- und Sozialgericht ein Verfahren anhängig, dessen Ausgang eine Vorfrage für die im gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegende Hauptfrage (ob § 11 AlVG anzuwenden sei) darstelle. Diese Frage sei grundsätzlich zu unterscheiden von der Frage, ob der Beschwerdeführer als arbeitslos anzusehen sei. Der Beschwerdeführer beziehe - nach Beendigung des Zeitraumes, für den das Verfahren ausgesetzt gewesen bzw. nach Beendigung des Zeitraumes, in dem der Arbeitslosengeldanspruch des Beschwerdeführers wegen seines Auslandsaufenthaltes vom 24. Juli bis 15. August 1999 geruht habe - seit 16. August 1999 Arbeitslosengeld. Da die Klärung der Frage, ob das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers aus seinem Verschulden, also durch fristlose Entlassung seinerseits beendet worden sei und er daher für vier Wochen kein Arbeitslosengeld erhalte, von der Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien abhängig sei, sei das Verfahren über die Gebührlichkeit des Arbeitslosengeldes "für diese vier Wochen nach Beendigung des Dienstverhältnisses" auszusetzen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 11 AlVG - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 - erhalten Arbeitslose, deren Dienstverhältnis infolge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig ohne triftigen Grund gelöst haben, für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld.

Nach § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach Abs. 8 dieser Gesetzesstelle gilt ebenso als arbeitslos, wer auf Grund eines allenfalls auch ungerechtfertigten Ausspruches über die Lösung seines einen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genießenden Dienstverhältnisses nicht beschäftigt wird, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem durch die zuständige Behörde das allfällige Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses rechtskräftig entschieden oder vor der zuständigen Behörde ein Vergleich geschlossen wurde.

Der Beschwerdeführer beruft sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darauf, dass ein Dienstverhältnis (des Beschwerdeführers als Mitglied des Betriebsrates) mit Kündigungs- und Entlassungsschutz vorliege. Wie es in der Beschwerde (u.a.) weiters heißt, sei § 12 Abs. 8 AlVG eine spezielle Regelung für einen Streit über die wirksame Lösung eines bestandgeschützten Arbeitsverhältnisses, der sich u.a. auch auf einen ungerechtfertigten Ausspruch über die Lösung desselben beziehen könne. Die Bestimmung sehe für diesen schutzwürdigen Personenkreis eine besondere Regelung der Bevorschussung des Arbeitslosengeldes vor. Mit dieser vertrage sich nicht die vorgezogene Anwendung des § 11 AlVG. Diese habe solche Sonderfälle nicht im Auge, sondern beziehe sich auf ein unstrittig bereits beendetes Arbeitsverhältnis.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:

§ 11 AlVG, der durch seinen Relativsatz dem Arbeitslosen eine vierwöchige Sperrfrist auferlegt, bringt zum Ausdruck, dass nur Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis "beendet" bzw. "gelöst" ist, für die Dauer von vier Wochen kein Arbeitslosengeld erhalten (vgl. Leitner, Arbeitslosengeld bei Karenzierung, ZAS 1996, 187, 194). Entscheidend für die Anwendung des § 11 AlVG ist somit, dass das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers "beendet" bzw. "gelöst" ist. Darauf, dass ein solcher Fall vorliege, wird im angefochtenen Bescheid gar nicht abgestellt. In ihrer Gegenschrift räumte die belangte Behörde vielmehr ein, dass der Beschwerdeführer als Betriebsrat besonderen Kündigungs- bzw. Entlassungsschutz genieße, die für eine Auflösung des Dienstverhältnisses erforderliche gerichtliche Genehmigung fehle und daher sein Dienstverhältnis als aufrecht anzusehen sei. Die belangte Behörde bezieht sich damit offenkundig - und zwar zutreffend - auf den besonderen Entlassungsschutz eines Betriebsratsmitgliedes und der schwebenden Rechtsunwirksamkeit der Entlassungserklärung bis zur nachträglichen Zustimmung (vgl. schon den Beschluss des VwGH vom 3. Mai 1977, Zl. 262/77; ebenso OGH vom 24. November 1993, Zl. 9 Ob A 244/93; vgl. im Übrigen Kuderna, Die Rechtswirksamkeit einer gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichts ausgesprochene Entlassung, RdA 1995, 211, und die dortigen Judikatur- und Literaturhinweise).

Das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung eines "beendeten" bzw. "gelösten" Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers schloss daher eine Anwendung des § 11 AlVG aus und ist es daher verfehlt, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertritt, von der Tatsache, dass der Beschwerdeführer als arbeitslos anzusehen sei, sei die Frage zu unterscheiden, ob er die Beendigung seines Dienstverhältnisses selbst verschuldet habe und somit gegen ihn eine Sanktion in Form einer Leistungssperre von vier Wochen gemäß § 11 AlVG Anwendung finden könne, wird doch damit negiert, dass die Rechtsfolgeanordnung des Gesetzgebers über die vierwöchige Sperrfrist daran anknüpft, dass das Dienstverhältnis "beendet" bzw. "gelöst" ist.

Da die belangte Behörde nach dem oben Gesagten die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung von "20 % USt" war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes abzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999030425.X00

Im RIS seit

21.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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