TE Vwgh Beschluss 2002/12/12 2002/07/0061

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Veröffentlicht am 12.12.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §32;
AVG §33 Abs3;
AVG §33;
VwGG §45 Abs2;
VwGG §59 Abs2 idF 1984/298;
VwGG §59 Abs3 idF 1984/298;
VwGG §59 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über den Antrag des Dr. J in P, auf Zuerkennung von Aufwandersatz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. März 2002, Zl. Wa- 602348/1-2002-Kes/Pir, betreffend einen Antrag auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. In der Beschwerde wurde kein Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt.

In einem mit 1. September 2002 datierten, am 16. September 2002 zur Post gegebenen und am 19. September 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz (Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde) stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2002, 2002/07/0061, wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. März 2002 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz erfolgte nicht, da der Antrag zu diesem Zeitpunkt im Verwaltungsgerichtshof noch nicht vorlag.

Nach § 59 Abs. 1 VwGG ist Aufwandersatz vom Verwaltungsgerichtshof auf Antrag zuzuerkennen.

Nach § 59 Abs. 2 VwGG ist der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand im Schriftsatz (Z. 1), für Leistungen betreffend Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen binnen einer Woche nach dem Entstehen der Leistungspflicht einzubringen (Z. 4).

Nach § 59 Abs. 3 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof über rechtzeitig gestellte Anträge auf Zuerkennung von Aufwandersatz in dem das Verfahren abschließenden Erkenntnis bzw. Beschluss, wenn dies aber nicht möglich ist, mit abgesondertem Beschluss zu entscheiden. Nicht rechtzeitig gestellte Anträge sind zurückzuweisen. Wurde jedoch bis zur Entscheidung zumindest ein allgemeiner Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt, so sind die Pauschbeträge für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und Verhandlungsaufwand sowie die tatsächlich entrichteten Stempelgebühren im gebührenden Ausmaß jedenfalls zuzusprechen.

"Bis zur Entscheidung" im Sinne des letzten Satzes des § 59 Abs. 3 VwGG bedeutet bis zur Beschlussfassung über das die Beschwerdesache erledigende Erkenntnis (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, 85/11/0152).

Die im ersten Satz des Absatzes 2 des § 59 VwGG enthaltene Befristung von Aufwandersatzanträgen hat durch die durch die Novelle BGBl. Nr. 298/1984 eingeführte neue Bestimmung des § 59 Abs. 3 letzter Satz ihren Anwendungsbereich verloren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1985, 85/10/0125).

Ob der am 16. September 2002, also vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2002, zur Post gegebene, aber erst am 19. September 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Aufwandersatz rechtzeitig gestellt wurde, hängt davon ab, ob § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG, der eine Antragstellung bis zur Entscheidung vorsieht, so zu verstehen ist, dass der Antrag bis zur Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sein muss oder ob es genügt, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt zur Post gegeben wurde.

Das VwGG selbst enthält darüber keine ausdrückliche Aussage.

Es könnte die Auffassung vertreten werden, aus der Festsetzung des Entscheidungszeitpunktes des Verwaltungsgerichtshofes als letztmöglicher Zeitpunkt für die Antragstellung sei abzuleiten, dass der Antrag bis zu diesem Zeitpunkt beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sein müsse, weil der Gesetzgeber mit dieser Regelung die Absicht verfolgt habe, dem erkennenden Senat die Möglichkeit zu geben, in der Entscheidung über die Hauptsache auch die Kostenentscheidung zu fällen.

Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu.

§ 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG entstammt der Novelle BGBl. Nr. 298/1984.

Im Bericht des Verfassungsausschusses (347 Blg NR XVI. GP, 2) heißt es dazu:

"Die Verzeichnung von Kosten soll so vereinfacht werden, dass der Beschwerdeführer (die Behörde), der (die) in irgend einem Zeitpunkt vor der Entscheidung des Gerichtshofes Aufwandsersatz auch nur allgemein begehrt hat, die Pauschbeträge für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und Verhandlungsaufwand sowie die nach der Aktenlage entrichteten Stempelgebühren ersetzt erhält, und zwar selbstverständlich nur im gebührenden Ausmaß."

Aus diesen Ausführungen ist für eine Auslegung in der Richtung, dass der Antrag bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bei diesem eingelangt sein müsse, nichts zu gewinnen.

Dazu ist aber zu bedenken, dass selbst dann, wenn § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG im Sinne eines Einlangens des Antrages beim Verwaltungsgerichtshof bis zu dessen Entscheidung gedeutet würde, ein allfälliges Ziel des Gesetzgebers, Entscheidung in der Hauptsache und Kostenentscheidung gemeinsam zu treffen, nicht erreicht würde. Langt nämlich der Antrag auf Aufwandersatz am Entscheidungstag oder kurz vorher beim Verwaltungsgerichtshof ein, wird er dem erkennenden Senat in der Regel wegen der erforderlichen kanzleimäßigen Behandlung am Entscheidungstag noch nicht bekannt sein. Überdies rechnet das VwGG selbst damit, dass über Anträge auf Zuerkennung von Aufwandersatz in manchen Fällen nicht gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache entschieden werden kann und sieht für diese Fälle im § 59 Abs. 3 erster Satz eine Entscheidung mit abgesondertem Beschluss vor.

Gegen eine Auslegung des § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG im oben dargelegten Sinn spricht schließlich auch, dass der Gesetzgeber davon spricht, dass der Antrag bis zur Entscheidung "gestellt" werden muss. Der Gesetzgeber verwendet damit einen Ausdruck, der an anderen Stellen des VwGG in der Bedeutung verwendet wird, dass es genügt, wenn ein Antrag am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wird. So spricht etwa § 45 Abs. 2 VwGG im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens davon, dass der Antrag innerhalb einer bestimmten Frist "zu stellen" ist, wobei in diesem Fall die Antragstellung eindeutig rechtzeitig erfolgt, wenn der Antrag innerhalb der Frist zur Post gegeben wird (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1995, 95/17/0149, u.a.).

Nach § 62 Abs. 1 VwGG gilt in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG, soweit das VwGG nicht anderes bestimmt.

Nach § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

§ 33 Abs. 3 AVG findet allerdings nur auf prozessuale Fristen Anwendung (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 458, E 11, angeführte Rechtsprechung).

Die Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichen (prozessualen) und materiell-rechtlichen Fristen wird in der Rechtsprechung wie folgt getroffen:

Soll eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen (Verfahrenshandlung), dann stellen die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen dar; ist eine Handlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiellrechtliche Frist dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 1995, 95/19/0138, u.v.a.).

Die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche muss vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, ansonsten ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 450, E 5, angeführte Rechtsprechung).

Der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz nach § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG soll eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auslösen, ist also auf prozessuale Rechtswirkungen gerichtet und stellt somit eine Verfahrenshandlung dar. Die Frist des § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG stellt daher eine verfahrensrechtliche Frist dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 1991, 90/12/0250, § 17 Abs. 1 des Studienförderungsgesetzes 1983 (auch) als verfahrensrechtliche Frist eingestuft. Diese Bestimmung sieht vor, dass Anträge auf Gewährung von Studienbeihilfen im Wintersemester in der Zeit vom 15. September bis 30. Dezember und im Sommersemester in der Zeit vom 15. Februar bis 31. Mai gestellt werden können und dass verspätet eingebrachte Anträge zurückzuweisen sind. Begründet wurde die Einstufung dieser Frist als verfahrensrechtliche Frist damit, dass der Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfen, der innerhalb dieser Fristen zu stellen ist, auf Erlassung eines Bescheides gerichtet ist und dass verspätet gestellte Anträge zurückzuweisen sind. Daraus wurde der prozessuale Charakter der Frist abgeleitet. Das Gleiche trifft auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis vom 21. Jänner 1991 auch ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Frist nicht nach Zeiträumen bemessen ist, sondern ein Endtermin gesetzt ist, bis zu dem der Antrag bei der Behörde gestellt werden muss, am Charakter der Frist selbst nichts ändert. Auch diese Aussage ist auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG übertragbar.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Frist des § 59 Abs. 3 VwGG (auch) verfahrensrechtlichen Charakter hat und es deshalb ausreicht, wenn der Antrag "bis zur Entscheidung" des Verwaltungsgerichtshofes zur Post gegeben wird.

Der Antrag des Beschwerdeführers war daher rechtzeitig.

Da auch die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Aufwandersatz vorliegen, war ein Aufwandersatz in Höhe von EUR 1.088,-- zuzuerkennen. Dieser setzt sich aus einem Betrag von EUR 908,-- (§ 1 Z. 1 lit. a der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501/2001) und einem Betrag von EUR 180,-- (§ 24 Abs. 3 VwGG) zusammen.

Aus den dargestellten Erwägungen war dem Beschwerdeführer ein Aufwandersatz in Höhe von EUR 1.088,-- zuzuerkennen.

Wien, am 12. Dezember 2002

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070061.X00.1

Im RIS seit

01.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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