TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/19 2001/15/0093

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Veröffentlicht am 19.12.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E09301000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;
BAO §198 Abs2;
BAO §92;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;
EURallg;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 31. August 2000, Zl. RV 940/1- V6/99, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Umsatzsteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 181,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, errichtete im Jahre 1991 ein Wohnhaus, in welchem er einen Raum von ca. 20 m2 als Arbeitszimmer (Büro) widmete.

Im Zuge der Veranlagung für das Kalenderjahr 1998 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien nicht (mehr) absetzbar, es sei denn, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit.

In der Folge erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1998, mit welchen es die auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen und Vorsteuern nicht anerkannte.

Der Beschwerdeführer berief gegen diese Bescheide. Er brachte vor, es stehe außer Streit, dass sich sein Kanzleisitz nicht im privaten Wohnhaus befinde. Der Beschwerdeführer sei aber im Vertrauen auf den Gesetzesbestand verletzt. Als er im Jahre 1991 begonnen habe, sein Wohnhaus zu bauen, habe er darin ein Arbeitszimmer als vollwertiges Büro eingerichtet (zwei vollwertige Schreibtischplätze, Schrankwand, etc.). Das Arbeitszimmer sei anlässlich einer Betriebsprüfung "voll anerkannt" worden. Wäre er davon ausgegangen, dass ein Arbeitszimmer steuerlich nicht abzugsfähig wäre, hätte er eine andere bauliche Lösung getroffen. Er erziele als Rechtsanwalt Umsätze von ca. 4 bis 5 Mio. S pro Jahr, was nur dadurch möglich sei, dass er auch zu Hause Arbeiten für die Kanzlei verrichte. Zu berücksichtigen sei auch, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur

6. Mehrwertsteuerrichtlinie alle Ausgaben steuerlich zu berücksichtigen seien, die geeignet seien, die steuerlichen Umsätze zu erhöhen. Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer müssten steuerlich berücksichtigt werden, obwohl es derzeit nicht den Mittelpunkt seiner Geschäftstätigkeit darstelle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es sei unstrittig, dass das Arbeitzimmer im Wohnungsverband des Beschwerdeführers liege. Es sei weiters unstrittig, dass es nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt bilde. Aus diesem Grunde seien in Anwendung des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG sowie des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG die entsprechenden Betriebsausgaben und Vorsteuern zu Recht nicht anerkannt worden. Mit dem Hinweis auf das Vertrauen in einen Gesetzesbestand sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil damit ein Verstoß gegen die geltende Rechtslage nicht aufgezeigt werde.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. Februar 2001, B 1787/00, ab. Mit Beschluss vom 8. Mai 2001 trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201/1996, wurde dem § 20 Abs. 1 Z. 2 die lit. d angefügt, nach welcher Bestimmung bei Ermittlung der Einkünfte nicht abgezogen werden dürfen "Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer oder dessen Einrichtung, sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig".

Der Beschwerdeführer bringt vor, es verstoße gegen den Grundsatz der entschiedenen Sache, wenn die rechtskräftige Zuordnung zum betrieblichen Bereich, den das Arbeitszimmer in den Abgabenbescheiden für die Jahre 1991 bis 1993 erfahren habe, nicht weiterhin beachtet werde. Dies umso mehr, als sich die maßgebenden steuerlichen Beurteilungsparameter nicht geändert hätten. Die belangte Behörde habe verkannt, dass eine einmal festgelegte betriebliche Nutzung auch für die Zukunft als betriebliche Nutzung anzuerkennen sei, wenn sich nicht eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingestellt habe. Die belangte Behörde habe sohin die Wirkungen der Rechtskraft verkannt. Durch die Norm des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG werde ein Steuerabzugstatbestand, der im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Beschwerdeführers bestanden habe, beseitigt. Darin liege ein Eingriff in geschützte Rechtspositionen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. In einem Abgabenbescheid wird über Art und Höhe (und gegebenenfalls Fälligkeit) der Abgabe sowie über die Abgabenbemessungsgrundlage abgesprochen (vgl. § 198 Abs. 2 BAO), nicht aber darüber, ob ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen bzw. zum Unternehmen gehört (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, 88/14/0097). Zudem ist die Rechtskraft eines Einkommen- bzw. Umsatzsteuerbescheides auf das Jahr beschränkt, für welches er ergangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1975, 84/74). Schließlich ist das Vorbringen betreffend die Wirkungen der Rechtskraft früherer Bescheide auch deshalb verfehlt, weil - wie in der Beschwerde auch vorgebracht wird - die Rechtslage durch das mit dem StruktAnpG erfolgte Einfügen der lit d in § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 geändert worden ist und die Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nur bei unveränderter Rechts- und Sachlage bestehen (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, 93/15/0005).

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes durch die Einfügung der lit. d in § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 erblickt, ist ihm entgegenzuhalten:

Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches genießt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Es steht dem Gesetzgeber vielmehr grundsätzlich frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und auch ungünstiger zu gestalten. Nur unter besonderen Umständen muss zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen. Derartige Umstände sind etwa anzunehmen, wenn der Normunterworfene durch eine in Aussicht gestellte Begünstigung zu einem bestimmten Aufwand veranlasst werden sollte, welcher dann wegen des Wegfalls der Begünstigung frustriert wird (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1993, B 828/92 sowie vom 3. März 2000, G 172/99). Derartige besondere Umstände liegen allerdings bei der hier zu beurteilenden Konstellation nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher - auch im Hinblick auf den erwähnten ablehnenden Beschluss des Verfassungsgerichtshofes - zu keiner Antragstellung nach § 140 Abs. 1 B-VG veranlasst. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, die im angefochtenen Bescheid vorgenommene einkommensteuerliche Beurteilung falle in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts.

Mit dem Vorbringen, die Einschränkung des Vorsteuerabzuges verstoße gegen Vorschriften der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, soweit er Umsatzsteuer betrifft, auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. September 2002, 98/14/0198, zu Recht erkannt, dass Art. 17 Abs. 6 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie den Mitgliedstaaten zwar die Beibehaltung der bei Inkrafttreten der Richtlinie (für Österreich im Zeitpunkt des Beitrittes zur EU) bestehenden Vorsteuerausschlüsse erlaubt, dass aber die nachträgliche Erweiterung der Vorsteuerausschlüsse (von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen) untersagt ist. Vor der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 erfolgten Einführung der lit. d des § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988, auf welche die Vorsteuerabzugsregelung des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 verweist, konnten Vorsteuern im Zusammenhang mit einem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer bereits dann berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich unternehmerisch genutzt wurde und die ausgeübte Tätigkeit ein solches Arbeitszimmer notwendig gemacht hat. Die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 vorgenommene Einschränkung der Vorsteuerabzugsmöglichkeit auf Arbeitszimmer (und deren Einrichtung), welche den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden, erweist sich daher als durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich Umsatzsteuer ausschließlich darauf gestützt, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers bilde und daher die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 nicht erfüllt seien. Damit hat sie den Bescheid hinsichtlich Umsatzsteuer mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war sohin, soweit er Umsatzsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelmarken beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 EuroG, BGBl. I 72/2000. Gemäß § 49 Abs. 1 VwGG idF BGBl. 88/1997, gebührt der Schriftsatzaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Wien, am 19. Dezember 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001150093.X00

Im RIS seit

29.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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