TE Vfgh Erkenntnis 1999/11/30 B889/97

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/02 Marken- und Musterschutz

Norm

B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
MarkenschutzG 1970 §4 Abs2
MarkenschutzG 1970 §33 Abs2
EG-Vertrag Art234 (früher Art177)

Leitsatz

Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage einer markenschutzrechtlichen Frage an den EuGH durch den Obersten Patent- und Markensenat; keine Verletzung des Eigentumsrechtes und des Rechts auf ein faires Verfahren

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der beteiligten Partei zu Handen ihres Vertreters die mit S 18.000,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführerin wurde mit Priorität vom 20. September 1968 die Wortmarke Nr. 63509 "Tabasco" und mit Priorität vom 23. September 1968 die Wort-Bildmarke Nr. 64707 (eine Verpackung darstellend, die das Wort "TABASCO" in verschiedenen Schriftzügen enthält) eingetragen. Die Wort-Bildmarke ist nach Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates (im folgenden: OPM) im ersten Rechtsgang des vorliegenden Löschungsstreites mit Wirkung vom 30. Juni 1989 wegen Nichtzahlung der Erneuerungsgebühr erloschen. Mit Erkenntnis des OPM vom 8. November 1989, Zlen. Om 9/89, Nm 14 und 15/84, wurden beide Marken gemäß §33a Markenschutzgesetz (im folgenden: MSchG) teilweise - nämlich hinsichtlich einzelner Warengruppen - gelöscht.

1.2. Die mitbeteiligte Partei betrieb bis 2. Oktober 1996 in Salzburg ein Restaurant unter der Unternehmensbezeichnung "Tabasco". Sie wurde von der nunmehrigen Beschwerdeführerin gestützt auf §9 Abs1 und 3 UWG auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Tabasco" (und Rechnungslegung) in Anspruch genommen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der dagegen erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht im wesentlichen mit der Begründung, daß Gattungsbezeichnungen gemäß §4 Abs1 Z3 MSchG, zu welchen auch der Begriff "Tabasco" gehöre, sowohl die Registrierung als Marke als auch der Schutz als Unternehmenskennzeichen nach §9 UWG versagt sei, nicht Folge. Der Oberste Gerichtshof ließ die ao. Revision zu und sprach aus, daß das im MSchG normierte absolute Freihaltebedürfnis für Gattungsbezeichnungen dem Art3 Abs3 iVm. Art3 Abs1 litd der Markenrichtlinie widerspreche: Art3 Abs3 der Markenrichtlinie lasse den Verkehrsgeltungsnachweis auch dann bei Gattungsbezeichnungen zu, wenn die Verkehrsgeltung erst nach der Registrierung entstanden sei. §4 Abs2 MSchG sei somit insofern richtlinienwidrig, als er den Verkehrsgeltungsnachweis bei Gattungsbezeichnungen nicht zulasse; insoweit sei die Markenrichtlinie in Österreich bisher nicht umgesetzt worden. Eine unmittelbare Wirkung der Markenrichtlinie (soweit diese nicht umgesetzt worden sei) sei im Verhältnis zwischen Privaten zu verneinen. Eine richtlinienkonforme Auslegung des §4 Abs2 MSchG sei schon deshalb nicht möglich, weil diese Bestimmung ausdrücklich auf beschreibende Kennzeichen des §4 Abs1 Z2 MSchG beschränkt sei und eine Anwendung auf Fälle des §4 Abs1 Z3 MSchG damit offenbar nicht beabsichtigt wäre. Die Klägerin habe ihr Begehren damit nicht auf ihr Markenrecht stützen können.

1.3. Daneben begehrte die mitbeteiligte Partei bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes die Löschung der genannten Marken gemäß §33 MSchG mit der Begründung, daß das Wort "Tabasco" einen Teilstaat (Bundesstaat) Mexikos bezeichne, damit als geographische Herkunftsangabe freigehalten werden müsse und gemäß §4 Abs1 Z2 MSchG nicht registrierungsfähig sei. Überdies sei "Tabasco" einerseits ein bestimmtes Gewürz, anderseits aber auch eine Pflanze, aus der das Gewürz (die Gewürzsauce) "Tabasco" hergestellt werde (§4 Abs1 Z3 MSchG). Der Name einer Pflanze und eines daraus hergestellten Gewürzes dürfe nicht monopolisiert werden.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gab dem Löschungsantrag im ersten Rechtsgang statt. Der OPM gab der dagegen erhobenen Berufung Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an die Nichtigkeitsabteilung zurück. Er sprach aus, daß er gegen die Schutzfähigkeit des Wortes "Tabasco" wegen seiner geographischen Bedeutung weder aus dem Grunde des §4 Abs1 Z2 MSchG noch jenem des §4 Abs1 Z4 MSchG Bedenken hege. Das Publikum verstehe "Tabasco" nämlich nicht als Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Waren aus Mexiko, sondern sehe darin eine reine Phantasiebezeichnung, weshalb auch kein Freihaltebedürfnis an dieser Bezeichnung bestehe. Die Nichtigkeitsabteilung habe aber das Vorbringen der Antragsgegnerin (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) übergangen, wonach sie vor über 100 Jahren die "Tabasco-Saucen" erfunden und für die Herstellung eine bekannte Pflanze mit dem lateinischen Namen "Capsicum" verwendet habe, deren Name "Tabasco-Pfeffer" erst später aufgrund der in zahlreichen Staaten registrierten Marke entstanden sei. Diese Frage werde im zweiten Rechtsgang zu klären sein. Hätte nämlich der weitaus überwiegende Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise die Bezeichnung "Tabasco" im Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke nicht mehr auf die von der Antragsgegnerin hergestellte "Tabasco-Sauce" bezogen, sondern darin eine im Handelsverkehr allgemein übliche Gattungsbezeichnung für ein aus der Tabasco-Pflanze gewonnenes Gewürz oder für ähnliche registrierte Erzeugnisse gesehen, so hätte diese Bezeichnung für den österreichischen Rechtsbereich nicht mehr monopolisiert werden dürfen. Eine Entwicklung der Marke zum Freizeichen nach der Registrierung sei hingegen unbeachtlich.

Im zweiten Rechtsgang wies die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes den Löschungsantrag ab und sprach aus, daß die Behauptung der Antragsgegnerin, eine bestimmte Capsicum-Pflanze sei erst nach ihrer Verwendung für die "Tabasco-Sauce" als "Tabasco-Pfeffer" bezeichnet worden, durch von der Antragstellerin überreichte Beilagen widerlegt worden sei. Demnach sei die Bezeichnung "Tabasco-Pfeffer" mindestens seit 1850 bekannt. Das Wort "Tabasco" sei dem Publikum nicht bekannt gewesen, von ihm jedoch nicht als Herkunftsbezeichnung, sondern als Phantasiebezeichnung aufgefaßt worden. "Tabasco" sei kein beschreibender Hinweis auf die Verwendung dieser Gewürze bei der Herstellung der im Warenverzeichnis der angefochtenen Marken angeführten Waren. Selbst hochspezialisierte Wissenschafter, denen "Tabasco-Pfeffer" und "Tabasco-Piment" bekannt seien, würden den gemeinsamen Wortstamm "Tabasco" nicht als Hinweis auf bei der Herstellung von "Tabasco-Saucen" verwendete Zutaten verstehen. Ein Freihaltebedürfnis für das Wort "Tabasco" bestehe ebensowenig, wie sich das Wort "Tabasco" auch nicht zum Freizeichen entwickelt habe.

Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Berufung.

Mit Bescheid vom 13. November 1996, Om 4/96-6, Nm 62 und 63/80, gab der OPM der Berufung Folge und sprach aus, daß die Wortmarke Nr. 63509 "Tabasco" mit Wirkung vom Tag ihrer Registrierung gelöscht werde und die mit Wirkung vom 30. Juni 1989 erloschene Wort-Bildmarke Nr. 64707 "Tabasco" nicht eintragungsfähig gewesen sei. Er sah dabei die im angefochtenen Erkenntnis von der Nichtigkeitsabteilung getroffenen Feststellungen als zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache ausreichend an und erachtete sich an die von ihm im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht gebunden. Ausgehend von den ergänzenden Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung sah es der OPM als erwiesen an, daß das Wort "Tabasco" das prägende Stammwort für zwei ähnliche Gewürzpflanzen, nämlich Tabasco-Pfeffer und Tabasco-Piment, sei. Die Bezeichnung "Tabasco-Pfeffer" sei vielmehr seit mindestens 1850 bekannt und nicht erst dadurch beigelegt worden, daß die Antragsgegnerin diese Pflanze vor etwa 100 Jahren für die Herstellung der von ihr damals auf den Markt gebrachten "Tabasco-Saucen" verwendet habe. Es handle sich dabei um Worte der Fachsprache, die in diesen Bedeutungen die schlagwortartige (Kurz-)Bezeichnung einer bestimmten Gattung von Waren seien. Für die Annahme einer "allgemein gebräuchlichen" Gattungsbezeichnung genüge es bei seltenen Waren, daß sie einem kleinen, entsprechend spezialisierten Abnehmerkreis (hier zB Gewürzhändlern) bekannt sei. Soweit die Antragsgegnerin dem Löschungsbegehren entgegenhalte, daß das Zeichen in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Waren des Unternehmens des Anmelders gelte (§4 Abs2 MSchG), gehe dieses Vorbringen ins Leere, weil diese Bestimmung nur auf beschreibende Angaben anzuwenden sei, während für Gattungsbezeichnungen nach dem derzeitigen österreichischen Recht ein absolutes Freihaltebedürfnis bestehe. Die Wortmarke "Tabasco" wäre daher gar nicht einzutragen gewesen und sei so gemäß §33 Abs1 MSchG zu löschen.

Aus der Richtlinienwidrigkeit der derzeitigen Regelung des §4 Abs2 MSchG könne die Antragsgegnerin insoferne nichts für sich ableiten, als bei der Löschung einer Marke aus dem Grund des §33 Abs1 MSchG - weil diese nicht hätte registriert werden dürfen - das Löschungserkenntnis auf den Beginn der Schutzdauer zurückwirke (§33 Abs2 MSchG). Die Löschungsfähigkeit sei daher nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Eintragung zu beurteilen. Auch Art3 Abs3 und 4 Markenrichtlinie hinderten daher nicht, die Marken der Antragsgegnerin als bloße Gattungsbezeichnungen wegen Vorliegens eines absoluten Freihaltebedürfnisses für nichtig zu erklären (bzw.: die Nichtigkeit festzustellen).

Daß dieser Löschungsgrund mangels eines charakteristischen Eindruckes der Bildbestandteile auch für die Wort-Bildmarke der Antragsgegnerin gelte, sei bereits im ersten Rechtsgang ausgeführt worden. In Ansehung der bereits erloschenen Wort-Bildmarke Nr. 64707 sei daher festzustellen gewesen, daß sie nicht eintragungsfähig gewesen war.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf ein faires Verfahren im Sinne des Art6 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird. Die belangte Behörde habe, indem sie in den zwei Rechtsgängen diametral entgegengesetzte Rechtsauffassungen vertreten habe, Grundsätze eines fairen Verfahrens verletzt und ein Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet.

3. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der OPM legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. In seiner Gegenschrift führt er aus, daß von den von der mitbeteiligten Partei geltend gemachten Löschungsgründen jene des §4 Abs1 Z2 und 4 MSchG 1970 iVm.

§33 MSchG 1970 nicht mehr Gegenstand des Verfahrens im zweiten Rechtsgang gewesen seien. Der OPM habe im ersten Rechtsgang lediglich die Frage des Vorliegens einer Gattungsbezeichnung als nicht ausreichend geklärt erachtet, zumal sich die erste Instanz mit dem Einwand der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt hatte, daß die Beschwerdeführerin vor über 100 Jahren die Tabasco-Sauce erfunden und für die Herstellung eine Pflanze mit dem lateinischen Namen "Capsicum" verwendet habe, die erst dann als "Tabasco-Pfeffer" bezeichnet worden sei. Allein diese Frage sei Gegenstand des zweiten Rechtsganges gewesen. Im zweiten Rechtsgang sei aber der Beschwerdeführerin gemäß den Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung der Nachweis nicht gelungen, daß die Bezeichnung "Tabasco-Pfeffer" erst durch die von ihr erzeugte "Tabasco-Sauce" entstanden sei. Schon im ersten Rechtsgang sei ausgesprochen worden, daß die Marken der Beschwerdeführerin gelöscht werden müßten, wenn "Tabasco" eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung für eine bestimmte Gewürzpflanze sein sollte. Insoweit gehe der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der OPM habe im zweiten Rechtsgang überraschend die gegenteilige Ansicht wie im ersten Rechtsgang vertreten und dadurch §511 Abs1 ZPO verletzt sowie die Grundsätze eines fairen Verfahrens mißachtet, weil ihr keine Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen gegeben worden sei, ins Leere. Im Hinblick auf die Verfahrensdauer in erster Instanz und die wiederholte Vorlage von Urkunden durch beide Parteien zum Hauptthema des Aufhebungsbeschlusses sei diese Rüge geradezu mutwillig. Überdies habe sich die belangte Behörde mit dem Bindungsproblem eingehend auseinandergesetzt, die Grenzen der Bindungen im Sinne der einhelligen Lehre und Rechtsprechung aufgezeigt und bei seiner rechtlichen Beurteilung auch beachtet. Auch sei der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der OPM sei von Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz abgegangen, unberechtigt. Die Frage, ob eine bis zum Jahr 1850 zurückverfolgbare, in zahlreichen späteren Nachschlagewerken enthaltene Bezeichnung einer zur Gewürzherstellung verwendeten Pflanze eine Gattungsbezeichnung sei, sei eine in Auslegung des §4 Abs1 Z3 MSchG zu lösende Rechtsfrage. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin stellten daher eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin selbst die Existenz dieser Gattungsbezeichnung seit 1888 außer Streit gestellt. Die Ausführungen des OPM zur Frage, wann ein Zeichen zur Bezeichnung einer bestimmten Gattung von Waren im Verkehr allgemein gebräuchlich sei, seien ebenfalls Rechtsausführungen und keine Angaben von Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz.

5. In einer Replik ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen betreffend eine denkunmögliche Anwendung insbesondere des §4 Abs1 Z3 MSchG durch Ausführungen zur Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung der genannten Bestimmung bzw. unmittelbaren Wirkung (des noch nicht umgesetzten Teiles) der Markenrichtlinie. Außerdem sei das Recht der Beschwerdeführerin auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil die belangte Behörde ihre Vorlagepflicht verletzt habe. Die Beschwerdeführerin regt daher an, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der OPM ist eine kollegiale Verwaltungsbehörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG, dessen Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen. Der Instanzenzug ist daher erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Soweit die Beschwerdeführerin, die Richtlinienwidrigkeit des §4 Abs2 MSchG behauptend, der belangten Behörde die Verletzung ihrer Vorlagepflicht vorwirft, sohin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht, hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin ist insoweit im Recht, als sie davon ausgeht, daß der OPM als kollegiale Verwaltungsbehörde im Sinne der Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG als ein Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EGV (bisher: Art177 EGV) anzusehen ist, eine Rechtsansicht, die auch vom OPM vertreten wird (vgl. ÖBl. 1999, 111). Nach Art234 Abs3 EGV ist ein staatliches "Gericht", "dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können", verpflichtet, eine entscheidungsrelevante Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der OPM ist aufgrund der Weisungsfreiheit seiner Mitglieder und der Garantie ihrer Unabhängigkeit nicht nur ein Tribunal im Sinne des Art6 EMRK (vgl. VfSlg. 6995/1973), sondern auch ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art234 EGV: Seine Entscheidungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg; eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig; durch die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes ist eine umfassende Nachprüfung der Entscheidung nicht möglich.

Die Verletzung einer Vorlagepflicht durch ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EGV stellt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dar, weil unter dem gesetzlichen Richter "nicht bloß ein Gericht, sondern jede Staatsbehörde zu verstehen ist, welche von irgendeinem Gesetz oder einer rechtsgültigen Verordnung mit der Entscheidung einer Angelegenheit betraut ist" (RG Nr. 1842/1911). In diesem Sinn ist der EuGH "gesetzlicher Richter" (vgl. VfSlg. 14390/1995). Verstößt ein innerstaatliches Organ entgegen der Anordnung des Art234 Abs3 EGV gegen seine Vorlagepflicht, so verletzt dieses staatliche Organ die gesetzliche Zuständigkeitsordnung, zu der auch Art234 EGV zählt, und entzieht dadurch den Parteien des bei ihm anhängigen Verfahrens insofern den gesetzlichen Richter, als eine dem EuGH zur Entscheidung vorbehaltene Frage nicht durch diesen gelöst werden kann. Einen solchen Fehler hat der Verfassungsgerichtshof aufzugreifen, weil dadurch die gesetzlich begründete Zuständigkeitsverteilung verletzt wird, was nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur eine Verletzung des Art83 Abs2 B-VG bewirkt (vgl. VfSlg. 14390/1995).

Nach der Rechtsprechung des EuGH (6.10.1982, CILFIT, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 ff.) hat ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EGV im Falle einer klärungsbedürftigen Auslegungsfrage seiner Vorlagepflicht nachzukommen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechtes stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war, oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt".

Wird eine Marke gelöscht, weil sie nicht hätte registriert werden dürfen, so wirkt gemäß §33 Abs2 MSchG das Löschungserkenntnis auf den Beginn der Schutzdauer zurück. Der Verfassungsgerichtshof sieht daher keinen Grund, der Rechtsansicht des OPM entgegenzutreten, wonach die Löschungs- bzw. Eintragungsfähigkeit der verfahrensgegenständlichen Marken nach der Rechtslage zum Zeitpunkt deren Eintragung (siehe oben Punkt I.1.1.) zu beurteilen ist. Die Frage, ob §4 Abs2 MSchG nunmehr der Markenrichtlinie widerspricht, war im gegenständlichen Löschungsstreit nicht entscheidungserheblich und vermochte sohin auch keine Vorlagepflicht des OPM zu begründen.

Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt daher nicht vor.

3. Zur in der Beschwerde relevierten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums:

Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum der Beschwerdeführerin - wozu auch vermögenswerte Markenrechte zählen (vgl. VfSlg. 5371/1966, 9392/1982, 11946/1989, 11949/1989, 13418/1993, 13607/1993) - ein. Ein solcher Bescheid verletzt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. zB VfSlg. 7628/1975, 8010/1977, 9392/1982).

Im Hinblick auf die - aus der Sicht dieses Beschwerdefalles - gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Verwaltungsakt zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (vgl. dazu oben und zB VfSlg. 5371/1966, 9392/1982, 11946/1989, 11949/1989, 13418/1993, 13607/1993) könnte die Beschwerdeführerin im Eigentumsrecht nur verletzt sein, wenn der belangten Behörde eine - der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltende - denkunmögliche Rechtsanwendung zur Last fiele.

Dies ist hier jedoch keineswegs der Fall.

Die weitwendigen Beschwerdeausführungen richten sich gegen die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des MSchG. Dieser Auslegung, die sich auf im Detail zitierte Judikatur und Fachliteratur stützt, haftet jedoch, wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheides und der Gegenschrift der belangten Behörde eindeutig hervorgeht, weder in sachverhaltsmäßiger noch rechtlicher Hinsicht kein wie immer gearteter Verstoß gegen die Gesetze des logischen Denkens an. In Wahrheit versucht die Beschwerdeführerin nach Inhalt und Zielsetzung ihrer weiteren Darlegungen letztlich nur, die einfachgesetzliche Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides nachzuweisen, ohne eine dem OPM unterlaufene - und hier allein maßgebliche - denkunmögliche Gesetzeshandhabung aufzuzeigen. Ob die bekämpfte Rechtsauffassung richtig ist und ob der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Sachverhalt den Tatsachen entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG jedoch nicht zu untersuchen.

Die Beschwerdeführerin wurde sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.

4. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren:

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 9891/1983, 11414/1987, 12669/1991; EGMR 46/1993/441/520, Hiro Balani gegen Schweiz, ÖJZ 1995/25; 46/1994/493/575, British American Tobacco Company Ltd gegen die Niederlande, ÖJZ 1996/11) ist es anerkannt, daß das in Rede stehende Markenverfahren "die Entscheidung zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen" betrifft. Der Verfassungsgerichtshof sieht daher keinen Grund, eine abweichende Auffassung zu vertreten und befindet daher Art6 Abs1 EMRK für anwendbar.

Der Vorwurf eines Verstoßes gegen das durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren wird mit der Begründung erhoben, die belangte Behörde habe bei der Überprüfung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung im zweiten Rechtsgang ohne Neudurchführung des Verfahrens und ohne Möglichkeit für die Partei, sich zu solchen Ansichten zu äußern, neue Feststellungen in den Raum gestellt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, hat sie schon im ersten Rechtsgang ausgesprochen, daß die Marken der Beschwerdeführerin dann gelöscht werden müßten, wenn "Tabasco" eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung für eine bestimmte Gewürzpflanze sein sollte. Auch aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß sich praktisch das gesamte Beweisverfahren im zweiten Rechtsgang um die Verifizierung dieser Frage gedreht hat.

Es können daher, am Maßstab des Art6 EMRK gemessen, die gerügten Verfahrensmängel nicht als in die Verfassungssphäre reichende Fehler qualifiziert werden (siehe zB VfSlg. 11414/1987, 12669/1991).

Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

5. Es ist im Beschwerdeverfahren auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin in einem weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

6. Ebensowenig entstanden aus der Sicht dieser Beschwerdesache andere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-

enthalten.

9. Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG 1953).

10. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Instanzenzugserschöpfung, EU-Recht Vorabentscheidung, Markenschutz, EU-Recht Richtlinie, fair trial, Eigentumseingriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B889.1997

Dokumentnummer

JFT_10008870_97B00889_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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