TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/14 99/01/0013

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Veröffentlicht am 14.01.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
MRK Art3;
PersFrSchG 1988 Art1;
SPG 1991 §88;
WaffGG 1969 §4;
WaffGG 1969 §5;
WaffGG 1969 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch Prader & Plaz OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den am 6. Juni 1997 mündlich verkündeten und am 30. Juni 1997 schriftlich ausgefertigten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zl. UVS- 02/32/00033/93-79, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in seinem Spruchpunkt 3. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführer kurz nach Mitternacht als eines Raubmordes Verdächtiger von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien angehalten und festgenommen. Der Verdacht erwies sich in der Folge als unbegründet.

In einer an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 28. Juni 1993 brachte der Beschwerdeführer vor, er erachte sich dadurch, dass er am 9. Juni 1993 festgenommen und bis drei Uhr morgens angehalten worden sei, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit, sowie durch von Organen der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Misshandlungen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt.

Da die belangte Behörde über diese Beschwerde nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hatte (vgl. § 73 AVG), erhob der Beschwerdeführer am 20. Mai 1994 Säumnisbeschwerde, die der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0408, zurückwies. Begründend wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer ausschließlich Rechte geltend gemacht habe, deren Verletzung vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen sei, weshalb der Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung der Säumnisbeschwerde unzuständig sei.

Auf Grund eines Antrages des Beschwerdeführers zur Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem

Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof hat der

Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juni 1996 (KI- 3/95) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1994 aufgehoben und ausgesprochen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers zuständig sei, weil andernfalls - mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes - eine Rechtsschutzlücke vorläge.

Im fortgesetzten Verfahren, Zl. 96/01/1159, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. April 1997 die Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde bis 30. Juni 1997 erstreckt.

Am 6. Juni 1997 verkündete die belangte Behörde den versäumten Bescheid und stellte am 30. Juni 1997 eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides im Wege der Telekopie dem Beschwerdeführer zu. Beim Verwaltungsgerichtshof langte eine Kopie des nachgeholten Bescheides am 3. Juli 1997 ein (vgl. den zu Zl. 96/01/1159 gefassten Beschluss vom 3. September 1997, mit dem das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Nachholung des versäumten Bescheides gemäß § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG eingestellt wurde).

Die belangte Behörde erkannte mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid über die bei ihr erhobene Beschwerde, in der beantragt worden war, die belangte Behörde möge feststellen, dass der Beschwerdeführer dadurch,

"daß er von Organen der Bundespolizeidirektion Wien in der Nacht vom 8.6. auf den 9.6.1993 festgenommen und angehalten wurde",

sowie dadurch, dass er

"während seiner Anhaltung durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien durch Fußtritte, Rippenstöße, Beschimpfungen und ähnlichem mißhandelt wurde",

in seinen Rechten verletzt worden sei, unter anderem wie folgt:

"1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 4 AVG wird die Beschwerde wegen der am 9. 6. 1993, um 01.10 Uhr, erfolgten Festnahme sowie der anschließenden Anhaltung des Beschwerdeführers bis ca. 02.05 Uhr (d.h. bis nach dem Einsatzende des Rettungsdienstes) durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien als unbegründet abgewiesen.

2. Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 4 AVG wird die Beschwerde wegen 'Fußtritten, Rippenstößen und ähnlichem' durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien teils zurückgewiesen, teils als unbegründet abgewiesen.

3. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 iVm § 67 Abs. 4 wird die Beschwerde wegen Beschimpfungen des Beschwerdeführers durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien zurückgewiesen. ..."

In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde, soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, folgende Feststellungen (Unterstreichungen und Fettdruck im Original, Namen, KfZ-Kennzeichen und Straßenbezeichnungen sind abgekürzt):

"Am 9.6.1993, kurz nach Mitternacht (lt. Bericht der Kriminalbeamten K., L. und E. vom 9.6.1993, um 00.10 Uhr), wurde der Gastwirt des Lokals 'Hebenstreit' erschossen. Eine dritte Person informierte die Polizei darüber, daß der Täter ein Taxi bestiegen und dieses bei der U-Bahn-Station Alser Straße wieder verlassen hätte; weiters wurde die Polizei darüber informiert, daß dieser Mann kurze Zeit später in einen Fiat Panda mit dem Kennzeichen W. gestiegen sei.

Die Fahndung der Sicherheitswachebeamten konzentrierte sich daher unter anderem auch auf dieses KFZ.

Der Fiat Panda mit dem Kennzeichen W. war auf den BF (Beschwerdeführer) zugelassen und wurde von diesem auf dem äußeren Gürtel Richtung Westbahnhof gelenkt.

Auf dem Beifahrersitz saß H..

Dieser hatte am 8.6.1993 mehrere Lokale in der Inneren Stadt besucht. Zuletzt hatte er sich in der Zeit von 23.30 Uhr bis 00.00 Uhr im Cafe Panino im Trattnerhof aufgehalten. Er war dann zu seinem am Petersplatz abgestellten Auto gegangen, um mehrere Kurzparkscheine für den nächsten Morgen auszufüllen. Da er alkoholische Getränke konsumiert hatte, beabsichtigte er, das Auto dort stehen zu lassen.

Vom Petersplatz war H. zu Fuß zum Taxistandplatz Schottengasse gegangen, wo er ein Taxi nahm. Der Taxifahrer teilte

H. mit, dass er ihn nicht lange fahren könne, da er um 01.00 Uhr schon für eine andere Fahrt bestellt sei (Aussage vor der BPD Wien am 9.6.1993). Daher fuhr H. mit diesem Taxi nur bis zur U-Bahn-Station Alser Straße am Gürtel. Dort überquerte H. den inneren und äußeren Gürtel, um zu Fuß durch die Hernalser Hauptstraße nach Hause zu gehen. Er überlegte es sich daraufhin jedoch wieder und kehrte um, um sich am Gürtel ein weiteres Taxi zu nehmen. Als er zu diesem Zweck eben den äußeren Gürtel überqueren wollte, hupte ihn der BF an, der dort gerade mit seinem Fiat wegen Rotlichts der Ampel anhalten mußte. Der BF und H. waren Schulfreunde, die sich mehrere Jahre nicht mehr gesehen hatten.

H. stieg daraufhin (es wird - dies kann der Schilderung H. entnommen werden - ca. 01.00 Uhr gewesen sein) in das Auto des BF, und sie beschlossen, noch in ein Cafe zu fahren (Aussage des H. am 9.6.1993 vor der BPD Wien - Sicherheitsbüro).

H. war somit jene Person, die von einem Dritten für den Mörder des Gastwirtes des Lokals 'Hebenstreit' gehalten und von diesem verfolgt wurde. Dadurch, daß H. in den Fiat des BF gestiegen war, wurde nach dem Fiat W. gefahndet und wurde der BF zum tatverdächtigen Komplizen.

Der vom BF gelenkte Fiat mit dem Kennzeichen W. wurde schließlich vom Sektorenwagen S/6 (Lenker Insp. G., Beifahrer Insp. K.), welcher Blaulicht eingeschaltet hatte, in Wien 15., F.straße wahrgenommen.

Über Lautsprecher wurde der BF zum Anhalten aufgefordert. Er fuhr ganz rechts heran (vgl. die Hauptverhandlung vor dem Strafbezirksgericht Wien) und blieb in zweiter Spur neben geparkten Kraftfahrzeugen stehen. Hinter ihm wurde das Polizeifahrzeug S/6 ebenfalls in zweiter Spur abgestellt. Die beiden Sicherheitswachebeamten stiegen aus dem Polizeifahrzeug aus; Insp. G. ging zur Fahrertür des Fiat, Insp. K. zur Beifahrerseite.

Insp. G. öffnete mit gezogener Dienstwaffe die Fahrertür und forderte den BF zum Aussteigen auf. Hierbei ergriff Insp. G. den BF, damit dieser - wie Insp. G. vor dem Strafbezirksgericht sagte -

nicht flüchten könne. Dieses Ergreifen durch Insp. G. konnte vom BF subjektiv durchaus als Heraus- oder Hochzerren empfunden werden. Angemerkt wird, dass der BF vor dem Strafbezirksgericht Wien aber von einem 'Herausziehen' gesprochen hatte.

Dem BF wurde daraufhin befohlen, seine Hände auf das Autodach zu legen. Er kam dieser Aufforderung nach. Der BF wurde kurz

visitiert und hiebei gegen sein Fahrzeug gedrückt .... Insp. G.

hielt zu diesem Zeitpunkt noch seine Dienstpistole in der linken Hand ....

Während der BF mit den Händen am Autodach an sein Fahrzeug gelehnt stand, hörte er bereits die Sirenen anderer Stkw ....

Daraufhin wurde der BF von dem Sicherheitswachebeamten erneut ergriffen (der BF hatte in seiner Beschwerdeschrift sowie vor dem Strafbezirksgericht Wien angegeben, vom Sicherheitswachebeamten 'gepackt' worden zu sein...; vor dem UVS Wien hatte er angeführt, der Sicherheitswachebeamte habe ihn 'genommen'... - ; Insp. G. führte aus, daß er den BF hinten beim Kragen genommen habe -...)

und hinter den Fiat geschleppt (vgl. ... die Aussage des BF vor

dem Strafbezirksgericht Wien).

Insp. G., der den BF am Kragen haltend hinter den Fiat geschleppt hatte, forderte den BF aus, sich dort auf den Boden zu legen, und drückte den BF gleichzeitig mit einer Hand zu Boden bis dieser zuerst kniete und dann auf dem Bauch lag. In der anderen Hand hielt Insp. G. noch seine Dienstpistole.

Insp. K. durchsuchte (etwa 10 Minuten lang) den Fiat.

Insp. G. kniete auf dem am Bauch liegenden BF und fixierte den BF mit seinem rechten Knie, um eine Armwinkelsperre

durchzuführen .... Dann versorgte er seine Dienstpistole...,

wodurch er beide Hände frei bekam.

Hierauf legte Insp. G. dem BF die Handschellen an, sodass die Hände des BF am Rücken gefesselt waren....

Insp. G. erklärte dem BF, dass er festgenommen sei.... Dies und das Anlegen der Handfesseln erfolgte um ca. 01.10 Uhr.

Der BF wurde von Insp. G. (und vielleicht noch weiteren Beamten) dann hochgezogen und von der Fahrbahn weg auf den Gehsteig zu einer Eisentür gebracht, wo er von einem anderen Polizeibeamten bewacht wurde.

Von der Eisentür wurde der BF dann zum Sektorenwagen S/6 eskortiert und in diesen auf den Rücksitz hinter dem Beifahrersitz gesetzt.

Insgesamt waren mehrere Sektorenwagen (lt. Insp. Ka. sieben bis acht ...) und ein VW-Bus der Polizei am Anhalteort im Einsatz.

Mit dem Polizeiwagen S/6 (mit Insp. G. als Lenker und Rev.Insp. R. als hinter dem Lenker, also als links auf der Rückbank, sitzenden Beifahrer) wurde der BF in das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt gefahren.

Die Fahrt dauerte fünf bis zehn Minuten .... Die Fahrt

erfolgte einsatzmäßig.... Auch der BF beschrieb die Fahrt als "sehr rasant" (siehe die Hauptverhandlung vor dem Strafbezirksgericht Wien).

Nach dem Eintreffen im Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt wurden dem BF um ca. 01.35 Uhr die Handfesseln abgenommen (vgl. die Meldung von Insp. G. vom 9.6.1993), und der BF wurde zu Kriminalbeamten in den zweiten Stock gebracht.

Dort wurde dem BF mitgeteilt, dass er verdächtigt werde,

einen Mord begangen zu haben .... Es wurden die Daten des BF

aufgenommen, und erfolgte sogleich die Gegenüberstellung mit der Lebensgefährtin des ermordeten Gastwirtes.... Auf Grund dieser Gegenüberstellung war für die Polizeibeamten nun klar, dass der BF nichts mit dem Mord an dem Gastwirt zu tun hatte.

Der BF wurde daraufhin in das Nebenzimmer geleitet, wo ihm übel wurde und er einen Schwächeanfall erlitt und zusammensackte....

Über Notruf wurde die Rettung verständigt.

Laut Einsatzprotokoll des Wiener Roten Kreuzes erfolgte die Verständigung um 01.40 Uhr, und traf das Einsatzfahrzeug bereits um 01.42 Uhr im Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt ein.

Die Ärztin des Wiener Roten Kreuzes konstatierte beim BF einen psychischen Erregungszustand nach Festnahme und Muskelzittern: sie befundete, daß er keinen Bewußtseinsverlust erlitten habe und örtlich und zeitlich orientiert sei. Sie verabreichte ihm Psychopax-Tropfen (vgl. das Einsatzprotokoll des Wiener Roten Kreuzes), worauf es dem BF wieder gut ging (vgl. die Angaben des BF im Gerichtsverfahren: 'Dann habe ich etwas bekommen und es wurde wieder gut').

Der Einsatz des Wiener Roten Kreuzes war um 02.02 Uhr beendet.

Oblt. S. fragte den BF, welche Person er verständigen solle, damit sie ihn abholen komme. Der BF nannte ihm hierauf seine Freundin und die Telefonnummer, unter der sie zu erreichen wäre.... Dann wurde die Freundin des BF in der Wohnung des Bruders des BF in Wien 4., R.gasse angerufen. Sie hatte schon geschlafen.

Die Freundin des BF nahm sich ein Taxi und war gegen 03.00 Uhr im Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, welches sie sodann mit dem BF verließ.

Vom Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt fuhren der BF und seine Freundin mit einem Taxi zum Bezirkspolizeikommissariat Schmelz, wohin der Fiat des BF von Insp. K. zwecks Spurensicherung gebracht worden war. Die Autoschlüssel für den Fiat befanden sich im dortigen Wachzimmer.

Im Auto fand der BF einen Schlüsselbund, der H. gehörte.

Der BF betrat deswegen neuerlich das Wachzimmer des Bezirkspolizeikommissariates Schmelz. Dort erfuhr er, dass sich H. noch im Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt befinde.

Der BF und seine Freundin fuhren nunmehr wieder in das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt zurück, um H. den Schlüsselbund auszuhändigen.

Im Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt beschloss der BF, eine Beschwerde über das Verhalten zweier Sicherheitswachebeamten (des einen bei der Amtshandlung in der F.straße sowie des anderen bei der Überstellungsfahrt) zu machen.

Diesbezüglich nahm Oblt. S. in der Zeit von 04.15 Uhr und 04.51 Uhr eine Niederschrift mit dem BF auf. Danach schickte er ihn zum Amtsarzt.

Die polizeiamtsärztliche Untersuchung fand um ca. 05.00 Uhr statt. Der Amtsarzt stelle ein ovales Hämatom von der Größe einer 10-Schilling-Münze auf der rechten Hals-Schulter-Region des BF sowie Schmutzspuren auf seiner rechten Ohrmuschel fest. Der Amtsarzt dokumentierte darüber hinaus, daß der BF über Ohrenschmerzen rechts und Kopfschmerzen klagte und behauptete, getreten worden zu sein.

Nach der amtsärztlichen Untersuchung des BF verließen der BF, seine Freundin und H. das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt.

Sie beabsichtigten, frühstücken zu gehen, und gelangten aus diesem Grund zu einem Cafe in der Rotenturmstraße....

Später brachten sie H. zu seinem am Petersplatz abgestellten Kraftfahrzeug.

Der BF und seine Freundin fuhren anschließend nach Hause in die Wohnung des Bruders des BF in Wien 4., R.gassse.

Zwischen 08.00 und 09.00 Uhr fanden sich der BF und seine

Freundin bei der HNO-Ärztin in Wien 12., E.straße ... ein....

Da bereits mehrere Patienten anwesend waren, musste der BF längere Zeit warten, bis er drankam....

Die HNO-Ärztin stellte im Bereich der linken Ohrmuschel und deren Umgebung sowie auf der Nasenspitze eine Rötung fest; Rachen, Epypharynx und Larynx waren unauffällig und das Trommelfell beiderseits intakt; im linken Ohr befundete sie eine Contusio der Ohrmuschel und des Mittelohres mit entsprechender Mittelohrschwerhörigkeit mittleren Grades bei einem Hörverlust von 40 %.

Nach der HNO-Ärztin suchten der BF und seine Freundin den praktischen Arzt in Wien 6., L.zeile ... auf, welcher an Mittwochen von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr Ordination hatte.

Der praktische Arzt schrieb in sein Attest, dass der BF wegen starker Übelkeit, Brechreiz, Schwindel sowie starken Kopfschmerzen in die Ordination gekommen sei. Weiters hielt er fest, dass bei ihm eine mäßiggradige Gehirnerschütterung nach Schädelprellung vorliegen dürfte.

Anschließend fuhren der BF und seine Freundin wieder in Wohnung in Wien 4., R.gasse.

Um 18.45 Uhr betraten der BF und seine Freundin erneut das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt. Dort übergab der BF Rev.Insp. K. die Atteste der HNO-Ärztin und des praktischen Arztes und gab außerdem erneut an, bei seiner Anhaltung in der F.straße sowie während der Überstellungsfahrt misshandelt worden zu sein; er führte aus, dass hierüber zwar eine Niederschrift von einem Oberleutnant der Alarmabteilung aufgenommen worden sei, doch habe dieser Beamte die Vorfälle verharmlost; erstmals gab der BF außerdem an, dass sein PKW bei der Amtshandlung beschädigt worden sei."

In der in der Begründung des angefochtenen Bescheides dem Sachverhalt vorangestellten Beweiswürdigung legte die belangte Behörde detailliert dar, weshalb sie dem Beschwerdeführer in Bezug auf die behaupteten Misshandlungen keinen Glauben schenkte. Daraus sind folgende Passagen hervorzuheben:

"Dazu kommt, dass der BF, für den das gesamte Geschehen doch wohl ein Einzelfall gewesen war, der ihm besonders im Gedächtnis haften bleiben hätte müssen, selbst keine in sich geschlossenen Angaben machte, sondern mehrfach widersprüchliche oder unschlüssige Aussagen traf:

2.4.1. So führte der BF in der Beschwerdeschrift aus, daß er 'durch den Fußtritt auf die linke Kopfhälfte und den Hals' einen 40%igen Gehörschaden am linken Ohr erlitten habe....

Auch der HNO-Ärztin gegenüber erzählte er offenbar von Schmerzen im linken Ohr (vgl. die Aussage von Frau Z...., wonach der BF bei der HNO-Ärztin über Schmerzen in einem Ohr geklagt habe, worauf sie ihn untersucht und ihm dann gesagt habe, dass er zu 40 % hörgeschädigt sei).

Ebenso sagte der praktische Arzt vor dem UVS Wien aus, er habe nur am linken Ohr eine Rötung festgestellt; der BF habe erzählt, er sei zu Boden geworfen und mit der Fußsohle auf dem linken Ohr bzw. der linken Schläfe festgedrückt worden ....

Vor dem UVS Wien sagte der BF hingegen aus..., er sei mit dem linken Ohr und der linken Gesichtshälfte auf der Fahrbahn gelegen. Er sei ganz still dagelegenen und habe seinen Kopf überhaupt nicht hin- und hergedreht oder bewegt. Der Sicherheitswachebeamte habe gegen sein rechtes Ohr getreten.

Nach entsprechender Befragung durch seinen eigenen Rechtsvertreter gab der BF sodann an, daß es 'durchaus' gewesen sein könnte, daß er doch seinen Kopf mehrmals gewendet habe. Er könne nicht ausschließen, dass die Tritte auf das linke Ohr erfolgt wären....

Hierzu wird weiters bemerkt, dass der BF auch dem Polizeiamtsarzt gegenüber von Ohrenschmerzen rechts berichtet hatte (vgl. den polizeiamtsärztlichen Befund)....

...

Ebenso sieht es der UVS Wien als nachvollziehbar an, dass Insp. G. den BF, den er am Kragen nahm ... und hinter den Fiat schleppte (...Aussage des BF vor dem Strafbezirksgericht Wien), aufforderte, sich auf den Boden zu legen, und ihn dabei gleichzeitig zu Boden drückte, bis der BF dort auf dem Bauch lag. Hierbei muss Insp. G. den BF mit der Hand, mit der er ihn am Kragen hielt, durch Körperkraft hinuntergedrückt haben. In der anderen Hand hielt der Sicherheitswachebeamte nämlich noch immer die Dienstpistole. Der BF hat dem keinen (auch nicht passiven) Widerstand entgegengesetzt (was auch von Insp. G. konzediert wird; vgl. auch die Aussage von H., wonach er auf den Boden gedrückt

worden sei und hiebei ohnehin nachgegeben habe - ... und vor dem

Strafbezirksgericht Wien, wo er die Worte 'auf den Boden legen' und 'auf den Boden werfen' synonym verwendet)."

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde - teilweise auch beweiswürdigend und feststellend - Folgendes fest:

"4.4. Zu den behaupteten Fußtritten, Rippenstößen und 'Ähnlichem'

Bemerkt wird, dass die im Beschwerdeantrag enthaltenen Worte 'und Ähnliches' unbestimmt sind, der UVS Wien jedoch darunter die im Beschwerdeschriftsatz behaupteten Misshandlungsvorwürfe subsumiert hat (soweit es sich nicht um die - gesondert angeführten - Fußtritte und Rippenstöße handelt).

Im Beschwerdeschriftsatz ...behauptete der BF, jener Sicherheitswachebeamte, der ihn aus dem KFZ gezerrt habe, sei ihm mit den Stiefeln auf den Hals gestiegen, habe dabei einen heftigen Druck ausgeübt, sodass der BF keine Luft bekommen habe; dann habe dieser SWB den Fuß vom Hals des BF gehoben, und mit aller Kraft auf den Hals und das Ohr des BF getreten. Diesem Fußtritt seien weitere Fußtritte auf den Rücken des BF gefolgt. Kurze Zeit später sei der BF von einem Beamten hochgerissen und mit voller Wucht gegen ein dort befindliches Eisentor geschleudert worden. Er habe gerade noch den Kopf zur Seite drehen können, sodass er nur mit der Schulter gegen das Eisentor geprallt wäre. Während der Überstellungsfahrt vom Festnahmeort zum Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt habe jener Beamte, der neben dem BF gesessen sei, diesen mehrfach mit dem Ellbogen heftige Stöße gegen die Brust und Rippen versetzt. Dieser Beamte habe ihn am Kopf gepackt und gegen die Seitenscheibe des Stkw gestoßen. Auch habe er ihn mehrfach an den Haaren gerissen. Weiters gab der BF in der Beschwerdeschrift ...an, daß er durch die genannten Misshandlungen schwer verletzt worden sei. Er habe einen Bluterguß im Bereich der rechten Schulter erlitten, außerdem Schürfungen, Blutergüsse im Bereich des linken Halses, Hämatome und Rötungen im Brustbereich sowie durch den Fußtritt auf die linke Kopfhälfte und den Hals einen Gehörschaden mit Reduzierung der Hörleistung um etwa 40 %. Er habe am ganzen Körper Schmerzen gehabt und leide immer noch an Kopfschmerzen.

4.4.1. Der BF hat bei seiner Aussage vor dem UVS Wien bzw. bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor dem Strafbezirksgericht Wien in etlichen Punkten völlig anderslautende Angaben gemacht. Der UVS Wien hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung diese Widersprüche, Ungereimtheiten und Unschlüssigkeiten aufgezeigt.

Die Aussagen des BF und der von ihm nominierten Zeugen H. und Z. widersprechen einander ebenfalls in einigen wesentlichen Details, wobei auch H. zum Teil vor dem Strafbezirksgericht Wien andere Angaben machte als vor dem UVS Wien.

Auch mit den Aussagen der Polizeibeamten konnten die (schon in sich nicht geschlossenen) Abgaben des BF in weiten Bereichen nicht in Einklang gebracht werden.

Es ist für den UVS Wien auch nicht erklärlich, wieso gerade der BF (und nur dieser) misshandelt worden sein soll, H. aber nicht.

Es darf auch nicht außer Betracht bleiben, daß zumindest jene vom BF behaupteten Mißhandlungen, die sich am Festnahmeort ereignet haben sollen, in aller Öffentlichkeit erfolgt sein mußten. Trotz der Nachtzeit ist eine derartige Anzahl an SWB bzw. Stkw (nicht zuletzt infolge Folgetonhorns und Blaulicht) von Fußgängern, Autofahrern und von Anrainern nicht unbemerkt geblieben..., und spielte sich die Amtshandlung in der F.straße somit vor den Augen der Öffentlichkeit ab.

Auch kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass die anderen Polizeibeamten am Festnahmeort ein derartiges Fehlverhalten eines einzelnen SWB toleriert hätten.

Im Übrigen sind beide SWB, nämlich Insp. G. und Rev.Insp. R., gegen die der BF die schweren Misshandlungsvorwürfe erhoben hat (Insp. G. soll den BF am Festnahmeort misshandelt haben, Rev.Insp. R. soll dies während der Überstellungsfahrt im Stkw getan haben) bei Gericht mit Urteil vom 25.5.1994, welches am 30.5.1994 in Rechtskraft erwachsen ist, vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen worden, dies nicht zuletzt auch auf Grund des Gutachtens des Gerichtsmediziners.

Der Gerichtssachverständige führte dabei in seinem Befund unter anderem aus, daß der BF ihm nicht mehr habe sagen können, wann und zu welchem Zeitpunkt die Verletzungen zugefügt worden seien; er habe auch nicht genau sagen können, ob es das rechte oder linke Ohr gewesen sei. Daraufhin erstattete der Arzt vor Gericht unter anderem folgendes Gutachten:

'Von medizinischem Standpunkt kann nicht mit Sicherheit angegeben werden, wie und wo er diese Verletzungen bekam. Wenn man glaubt, dass er an dem Seitenfenster des Sektorenwagens mit dem Kopf anschlug, dann könnte dies nur mit der rechten Ohrseite sein, auf der anderen Seite hat er die Mittelohrschwerhörigkeit. Es kann aber auch ohne weiteres möglich sein, daß (gemeint wohl: er) bei dem eingesetzten Festhaltegriff mit Beinunterstützung im Bereich des rechten Halses, was ja auch amtsärztlich nachgewiesen ist, einen Bluterguß erlitten hatte, daß auch hier, wie auf Seite 73 auch festgehalten, er Schmerzen im Bereich des rechten Ohres hatte. Die Gehirnerschütterung ist von gerichtsmedizinischer Seite nicht als gegeben anzunehmen, sondern eine Schädelprellung, die sicher glaubhaft ist.

...

Auf die Frage der Richterin, ob im Bereich des Brustkorbes oder Brustbereiches Blutergüsse oder Rötungen eruiert sind, kann ich nur sagen, daß dies laut Aktenlage nicht nachweisbar ist, auch nicht die rechte Schulter.

Die Prellung des Schädels kann auch nicht (gemeint wohl: mit der) für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgehalten werden, wann sie entstand, sie kann natürlich durch Anstoßen an die Fensterscheibe entstehen, wenn er angestoßen ist, dann müsste aber nach medizinischer Seite doch rechts die Ohrenbeschwerden gewesen sein; wenn man glaubt, dass die Schädelprellung, was von meiner medizinischen Warte eher möglich ist, durch diesen sehr schwierigen Festhaltegriff mit Beinunterstützung bestand, '(gemeint wohl: entstand)' wie uns ja heute vorgeführt wurde im Original, dann kann es von meiner Warte aus leicht geschehen, dass er dabei mit dem Kopf auf die Straße anstieß und sich hiezu eine Schädelprellung zuzog.

Auf die Frage des Verteidigers, ob die Schädelprellung durch die Eisentür entstanden ist, kann ich es medizinisch nicht mit Sicherheit ausschließen, nur hätte die Eisentür vielleicht doch eher dann einen Bluterguß oder sonst etwas im Bereich der Anstoßstelle gehabt.'

Der UVS Wien sieht sich daher auf Grund der zahlreichen Widersprüche in den Angaben des BF einerseits sowie aufgrund der miteinander nicht in Einklang zu bringenden, einander völlig divergierenden Aussagen des BF, der Zeugen H. und Z. und der Polizeibeamten andererseits außerstande, dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen zu folgen und das absichtliche Niederdrücken von Hals und Ohr des BF, die Fußtritte auf Ohr und Hals, Rücken (in der F.straße) und auf die Brust des BF (im Sektorenwagen während der Überstellung), das Schleudern des BF gegen sein Auto und gegen die Eisentür (in der F.straße) sowie die Ellenbogenstöße gegen die Brust und Rippen des BF, das An-den-Haaren-Reißen des BF und das Packen und Stoßen des Kopfes des BF gegen die Seitenschiebe (im Sektorenwagen) als erwiesen anzusehen.

4.4.2. Der UVS Wien sieht aber als erwiesen an, dass Insp. G. den BF nach der Anhaltung aus dem Fiat herausgezogen hat (was der BF auch als Herauszerren empfunden haben mag).

Ebenso sieht der UVS Wien als erwiesen an, dass Insp. G. den BF, als dieser sich mit erhobenen Händen gegen das Dach des Fiat lehnte, visitierte und dabei gegen den Fiat drückte.

Insp. G. packte den BF dann am Kragen und schleppte ihn hinter den Fiat, wo er in aufforderte, sich auf den Bauch zu legen. Hiebei drückte Insp. G. den BF zu Boden, bis dieser zuerst kniete und dann auf dem Bauch lag.

Nach Ansicht des UVS Wien kann es durchaus sein, dass Insp. G., ohne daß es ihm bewußt war, beim Anlegen der Armwinkelsperre, um den BF mit Handfesseln versehen zu können, mit seinem Fuß derart an Hals und Ohr des BF angekommen ist, daß dies vom BF schmerzhaft als Druck empfunden wurde, zumal gerade das Ohr eines Menschen äußerst empfindlich ist und der Druck wohl mehrere Sekunden lang auf den BF gewirkt haben wird....

Auch nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen kann der Bluterguß im Hals-Schulter-Bereich durch den sehr schwierigen Festhaltegriff mit Beinunterstützung entstanden sein. Die vom Gerichtssachverständigen konstatierte Schädelprellung (eine Gehirnerschütterung lag nicht vor) wurde von ihm ebenfalls auf die Armwinkelsperre, bei welcher der BF mit dem Kopf auf der Fahrbahn angestoßen sei, zurückgeführt.

Körperkraft darf nur angewendet werden, wenn sie gerechtfertigt ist.

Angesichts des Umstandes, dass Insp. G. vertretbarerweise davon ausgehen mußte, daß er einen des Mordes Verdächtigen angehalten hatte, war die vom UVS Wien als erwiesen angesehene Anwendung von Körperkraft (Herausziehen aus dem Fiat, Drücken gegen den Fiat, Am-Kragen-Packen und Hinter-den-Fiat-Schleppen, Auf-den-Boden-Drücken sowie Anlegen einer Armwinkelsperre mit Beinunterstützung) - auch wenn der BF keinen Widerstand leistete - durch Insp. G. gerechtfertigt.

Nach Ansicht des UVS Wien war die angewendete Körperkraft, welche nach dem Waffengebrauchsgesetz zu beurteilen war, auch maßhaltend. Der UVS Wien konnte nicht erkennen, dass das Herausziehen aus dem Fiat, das Drücken gegen den Fiat, das Am-Kragen-Packen und Hinter-den-Fiat-Schleppen, das Auf-den-Boden-Drücken und das Anlegen der Armwinkelsperre mit Beinunterstützung in Mißhandlungsabsicht oder als Ausdruck persönlicher Mißachtung des BF durch Insp. G. erfolgt wären; vielmehr erfolgte diese Anwendung von Körperkraft ausschließlich zum Zwecke der Visitierung des BF, der Schließung mit Handfesseln und Verbringung zur Behörde. Die Anwendung von Körperkraft war - trotz des 10 Schilling großen Hämatoms, der Schädelprellung und der Prellung des Ohrs - auch deswegen nicht übermäßig, sondern der damaligen Situation in der F.straße entsprechend, da Insp. G. hiebei die meiste Zeit über in einer Hand die Dienstwaffe hielt und somit die Anwendung von Körperkraft mit nur einer Hand erfolgte.

4.4.3. Ergebnis: Die Beschwerde war bezüglich jener, den Organen der BPD Wien vorgeworfenen Handlungen, die vom UVS Wien nicht als erwiesen angesehen wurden (vgl. Punkt 4.4.1.), da der behauptete Beschwerdegegenstand gar nicht vorliegt, zurückzuweisen.

Hingegen war die Beschwerde hinsichtlich jener Handlungen, die vom UVS Wien als erwiesen angenommen wurden (vgl. Punkt 4.4.2.), die aber nach Ansicht des UVS Wien nicht in Misshandlungsabsicht oder deswegen, um den BF herabzuwürdigen, erfolgt sind, und auch als noch Maß haltend angesehen werden konnten, als unbegründet abzuweisen."

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung Unzuständigkeit der belangten Behörde im Zusammenhang mit deren Säumnis geltend macht, ist ihm zu entgegnen, dass an der grundsätzlichen Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die bei ihr erhobene Beschwerde im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Bescheides mir Rücksicht auf die für die Nachholung des Bescheides eingeräumte Frist nicht zu zweifeln ist.

Im Übrigen wendet sich der Beschwerdeführer lediglich gegen die Spruchpunkte 2. und 3. des bekämpften Bescheides, während er den das Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Festnahme und Anhaltung abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt 1.) - abgesehen von der schon erwähnten Zuständigkeitsfrage - nicht bekämpft.

Im Rahmen des Spruchpunktes 2. behandelte die belangte Behörde sämtliche in der an sie gerichteten Beschwerde behaupteten Misshandlungsvorwürfe, worunter auch das Vorbringen fällt, der Beschwerdeführer sei zu Boden gerissen worden, sei auf dem Bauch zu liegen gekommen und es seien ihm die Hände nach hinten gerissen worden. Dazu kommen noch die Behauptungen über das Schleudern des Beschwerdeführers gegen eine Eisentüre, das Reißen an den Haaren und das Stoßen seines Kopfes gegen die Seitenscheibe des Polizeifahrzeuges.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt der Beschwerdeführer, dass alleine schon das festgestellte Vorgehen der Beamten bei der Verhaftung eine unzulässige Gewaltanwendung dargestellt habe und von der belangten Behörde als rechtswidrig hätte beurteilt werden müssen.

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegt die Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie der im Waffengebrauchsgesetz geregelte Waffengebrauch; sie muss demnach für ihre Rechtmäßigkeit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und darf nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig ist, um Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen (vgl. § 6 Abs. 1 Waffengebrauchsgesetz) und Maß haltend vor sich geht; es darf jeweils nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg, etwa zur Abwehr eines Angriffes, führt, angewendet werden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1992, VfSlg. 13.154, sowie die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2000, Zlen. 96/01/0351 und 96/01/1032).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund durfte die belangte Behörde auf Basis ihrer Sachverhaltsannahmen jedoch nicht davon ausgehen, dass

"die als erwiesen angesehene Anwendung von Körperkraft (Herausziehen aus dem Fiat, Drücken gegen den Fiat, Am-Kragen-Packen und Hinter-den-Fiat-Schleppen, Auf-den-Boden-Drücken sowie Anlegen einer Armwinkelsperre mit Beinunterstützung) - auch wenn der BF keinen Widerstand leistete - durch Insp. G. gerechtfertigt"

gewesen sei, weil es an Feststellungen über die näheren Umstände, unter denen diese Maßnahmen ergriffen wurden, fehlt. Es kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass etwa ein "Auf-den-Boden-Drücken" und eine bei dem auf dem Bauch liegenden Beschwerdeführer angebrachte "Armwinkelsperre" zur Festnahme bzw. Anhaltung jedenfalls notwendig gewesen wären, zumal sich der Beschwerdeführer nicht gewehrt hat und - was den Beamten auch bekannt war - weder er noch sein Beifahrer eine Waffe bei sich geführt haben. Zur abschließenden Beurteilung der Frage, ob für Festnahme und Anhaltung auch gelindere Mittel ausgereicht hätten, fehlen konkrete Feststellungen über das Verhalten des Beifahrers des Beschwerdeführers und des zweiten Beamten sowie über den Zeitablauf in Bezug auf das Eintreffen weiterer Beamter und das begleitende Geschehen am Ort der Festnahme.

Mit seinem - sich auf den zurückweisenden Teil des Spruchpunktes 2. des bekämpften Bescheides beziehenden - Vorbringen in der Beschwerde zu der ihm von der belangten Behörde auferlegten Beweislast für die Herkunft seiner Verletzungen rügt der Beschwerdeführer erkennbar - auch - die Beweiswürdigung. Tatsächlich halten die von der belangten Behörde für ihre Beweiswürdigung herangezogenen Argumente der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus folgenden Erwägungen nicht stand:

Zunächst sind jenem Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides, den die belangte Behörde dem Sachverhalt zugeordnet hat, keine Feststellungen zu entnehmen, die einen Rückschluss auf die Ursachen für jene Verletzungen zuließen, von deren Vorliegen die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung offensichtlich ausgeht (10-Schilling großes Hämatom, Schädelprellung und Prellung des Ohres). Zwar verweist die belangte Behörde auf das im Strafverfahren gegen die Beamten erstattete Gutachten über die Verletzungen des Beschwerdeführers und deren Herkunft und darauf, dass es

"durchaus sein (kann), dass Insp. G., ohne daß es ihm bewußt war, beim Anlegen der Armwinkelsperre, um den BF mit Handfesseln versehen zu können, mit seinem Fuß derart an Hals und Ohr des BF angekommen ist, daß dies vom BF schmerzhaft als Druck empfunden wurde, zumal gerade das Ohr eines Menschen äußerst empfindlich ist und der Druck wohl mehrere Sekunden lang auf den BF gewirkt haben wird...Auch nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen kann der Bluterguß im Hals-Schulter-Bereich durch den sehr schwierigen Festhaltegriff mit Beinunterstützung entstanden sein. Die vom Gerichtssachverständigen konstatierte Schädelprellung (eine Gehirnerschütterung lag nicht vor) wurde von ihm ebenfalls auf diese Armwinkelsperre, bei welcher der BF mit dem Kopf auf der Fahrbahn angestoßen sei, zurückgeführt";

diesen Vermutungen (des Sachverständigen und - teilweise ihm folgend - der belangten Behörde) liegen aber weder Verfahrensergebnisse noch Feststellungen zu Grunde. Die Herkunft der von der belangten Behörde zumindest erkennbar dem polizeilichen Eingriff zugeordneten Verletzungen des Beschwerdeführers ist damit aber nicht geklärt, zumal die von der belangten Behörde angestellten Spekulationen Feststellungen über die Verletzungsursache nicht ersetzen können (vgl. zur Beweislast und zum Beweismaß für Feststellungen über in Polizeihaft erlittene Verletzungen das Urteil des EGMR vom 4. Dezember 1995, 42/1994/489/571, Ribitsch gegen Österreich (ÖJZ 1996/5), und das darauf Bezug nehmende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, VfSlg 15.372).

Zudem ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu entnehmen, weshalb sie den fachärztlich festgestellten Hörverlust von 40 % und die von einem praktischen Arzt diagnostizierte Gehirnerschütterung nicht als erwiesen angenommen hat. Allein aus den zitierten Passagen des im Strafverfahren erstatteten medizinischen Gutachtens ist diese Schlussfolgerung nicht zulässig. In dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Teil dieses Gutachtens geht der Sachverständige nämlich von einer "Mittelohrschwerhörigkeit" auf einem Ohr aus und erklärt zur Frage, ob der Beschwerdeführer eine Gehirnerschütterung erlitten hätte, lediglich, diese sei "von gerichtsmedizinischer Seite nicht als gegeben anzunehmen". Auf Grund welcher Umstände der Sachverständige zu diesem Ergebnis gekommen ist, lassen sein Gutachten und auch die Begründung des angefochtenen Bescheides unbeantwortet. Somit entbehren die Feststellungen über die vom Beschwerdeführer im Zuge seiner Verhaftung erlittenen Verletzungen einer nachvollziehbaren Begründung.

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid in seinem Spruchpunkt 2. zur Gänze mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b) und c) VwGG aufzuheben.

Soweit die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde "wegen Beschimpfungen des Beschwerdeführers durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien" zurückgewiesen hat (Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides), war sie unzuständig, weil der Beschwerdeführer die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschimpfungen nicht beantragt, diese somit nicht gesondert angefochten, sondern die Beschimpfungen gemeinsam mit den in Spruchpunkt 2. behaupteten Angriffen lediglich als Teilaspekt des Misshandlungsvorwurfes dargestellt hat. Der bekämpfte Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt 3. gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 14. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999010013.X00

Im RIS seit

28.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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