TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/14 2001/01/0398

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Veröffentlicht am 14.01.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des 1964 geborenen I in Wien, vertreten durch Maga. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen Spruchabschnitt A. des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. April 2001, Zl. 214.087/4-V/14/00, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der in seinem Spruchabschnitt A. angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, gelangte am 7. Februar 1999 in das Bundesgebiet und beantragte am folgenden Tag die Gewährung von Asyl. In seiner Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion Schwechat, Grenzkontrollstelle Flughafen Wien-Schwechat, am 8. Februar 1999 gab er als Fluchtgrund an, sein Bruder und er seien durch die reguläre Armee des Kongo rekrutiert worden, um an Kämpfen gegen Rebellen teilzunehmen. Da sie sich geweigert hätten, dies zu tun, seien sein Bruder durch Soldaten ermordet und der Beschwerdeführer inhaftiert worden.

Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt (der Erstbehörde) am 18. Juni 1999 schilderte er seine Zwangsrekrutierung durch Soldaten, die Hinrichtung seines Bruders, der die Zwangsrekrutierung kritisiert hatte, und seine Flucht.

Abschließend gab er auf Befragen an (F = Frage des einvernehmenden

Beamten, A = Antwort des Beschwerdeführers):

"Auf Befragen gebe ich an, dass unser Land in zwei Lager geteilt ist. Den Nordosten besetzen die Rebellen, diese werden von Leuten aus Ruanda, Uganda, Burundi und südafrik. Söldnern unterstützt.

Wir, die im Osten wohnen, werden schon auf Grund der Tatsache, dass wir dort wohnen, als Rebellen angesehen.

F: Wurden Sie von den Rebellen zwangsrekrutiert?

A: Man kann eigentlich gar nicht Rebellen sagen, es sind die Leute, die im Osten an der Macht sind, sie haben sogar eine eigene Regierung aufgebaut. Man kann zusammenfassend sagen, wenn 2 Elefanten kämpfen, leiden darunter die Bäume und die Pflanzen.

...

F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

A: Getötet zu werden, ich war Lehrer, alle Leute kannten mich.

..."

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1999 wies die Erstbehörde den Asylantrag gemäß § 6 Z 3 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) in seinem Bescheid vom 17. Februar 2000 statt, behob den Erstbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines Bescheides an die Erstbehörde zurück.

Hierauf wies die Erstbehörde mit Bescheid vom 14. März 2000 den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo aus. Die Erstbehörde führte begründend aus, sie gelange nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, es sei nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Weiters gelange sie zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe einer Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinn des § 57 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 bestünden.

     Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer wiederum

Berufung. Im Zuge seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung

vor der belangten Behörde gab er unter anderem an (VL =

Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführer, BWV = Vertreter des

Beschwerdeführers):

"...

Es war am 23.1.1999, einem Samstag, gab es Auseinandersetzungen zwischen der RCD und Kabilas Truppen.

VL: Sie haben am 18.6.1999 (erg.: ausgesagt,) das es am Abend des 23.1.1999 zw. den Mai Mai und den Soldaten, die Uvira kontrollieren (RCD), (erg.: Kampfhandlungen) gegeben hat. Ist das richtig?

BW: Ja das stimmt. Die meisten Menschen sind zuhause geblieben, weil es gefährlich war. Erst am Sonntag wagten sich die Leute wieder außer Haus. Meine Familie und ich haben uns erholt. Ich selbst bin Moslem, mein Bruder Christ.

Wir hörten klopfen an der Tür. Es waren insges. vier Soldaten. Der eine, der an der Tür klopfte, sprach Lingalla. Die anderen sprachen Suaheli. Bei uns zuhause sprechen alle Lingalla. Das ist eine Sprache die von Mobutus Soldaten gesprochen wird. Aber die andere Sprache spreche ich auch. Mein Bruder und ich saßen nebeneinander, der Soldat sagte, das Land befindet sich im Krieg. Der Soldat hat gesagt, dass wir mitkommen müssen um für das Land zu kämpfen. Das war am Sonntag, den 24.1.1999.

VL: Dann hat man Sie in ein Ausbildungslager gebracht. Wie hieß das?

BW: Mulongwe. Zwei Tage nach Bienmalaqui.

VL: Wie weit ist Mulongwe von Uvira entfernt?

BW: Mulongwe ist ein Bezirk von Uvira.

VL: Wieviel Einwohner hat Uvira?

BW: Keine Ahnung. Ca. 50.000 Leute.

Der BW bezeichnet die Lage von Bienmalaqui (gibt an, dass dieser Ort auch ein Viertel von Uvira ist) siehe Beilage D.

VL: Sie sind dann in das Lager gebracht worden. Wieviele Personen wurden zwangsrekrutiert?

BW: Mich haben RCD Truppen rekrutiert.

VL: Am 8.2. haben Sie aber gesagt, dass das die regulären Truppen der Armee vom Kongo waren. Was waren das jetzt für Truppen?

BW: Ich habe in Schwechat dasselbe, wie in Traiskirchen ausgesagt. Das waren reguläre Truppen.

...

BWV legt ai-Bericht vom 9.1.2001 vor, der sich auf einen Bericht vom 8.12.2000 bezieht. Beilage E dem Akt angeschlossen.

Außerdem ist Herr ISSA Idi jetzt der Vorsitzende der UDPS-Sektion Wien und im Vorstand der UDPS-Österreich tätig.

BWV legt Kopie der UDPS Österreich vor. Beilage F, in der der BW als Schriftführer des Vorstandes aufscheint (17.8.2000).

VL: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie in den Kongo zurückkommen?

BW: Man wird mich töten. Sei es Kabila Militär oder andere Militärs von RCD. Es gibt keine Demokratie.

VL: Wären Sie in einem anderen Landesteil sicher? Der Kongo ist 2 Mill. km2 groß. Es gibt über 45 Millionen Einwohner.

BW: Ich würde sofort durch meine Aussprache auffallen, dass ich aus einer anderen Gegend stamme. Man wird mich dann sofort vernehmen, was ich gemacht habe und dann würde man mich töten.

VL: Wissen Sie, dass im März 2001 eine Waffenruhe unterzeichnet worden ist?

BW: Das ist ein Nachabkommen von Lusaka, die Realität an Ort und Stelle anders. Es gibt keine Demokratie, es gibt keine Justiz, keine Menschenrechte. Dort herrscht das Gesetz des Stärksten. Die Zivilbev. befindet sich in Gefahr, die Menschen werden getötet.

VL: Glauben Sie, dass sie wegen Ihrer Wehrdienstverweigerung in irgendeiner Art und Weise bestraft werden?

BW: Ja.

VL: Überall im Land?

BW: Ja. Ich habe Militärdienst verweigert und werde dadurch

getötet.

VL: Warum weiß man das?

BW: Man hat mich schon lange nicht gesehen, man sucht nach mir.

VL: Die Kämpfe sind unten vorbei. z.B. in Kinshasa ist es ruhig. Es sind internationale Truppen zur Beobachtung gekommen.

VL: Glauben Sie, dass Sie während Ihrer UDPS-Mitgliedschaft unten verfolgt werden?

BW: Ja, sicherlich. Trotz Anwesenheit von den Truppen in Kongo, kommt es weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen.

Verlesen werden auch Berichte (Apa) und Asylfact Beilage G, die belegen, dass die Lage im Kongo sich zwar beruhigt hat, aber vollkommen unsicher ist.

BW: Ich befinde mich in einer prekären Lage. Ich hoffe das die Österreichische Regierung für meine Lage Verständnis zeigt. Ich vermisse meine Familie, alles was ich bis jetzt ausgesagt habe, entspricht der Wahrheit, das sind Sachen, die ich selbst erlebt habe. Ich bin Waise, ich habe nur noch meine Frau und Kinder. Deshalb möchte ich, dass Sie mich und meine Lage verstehen. So wie sie mich sehen, bin ich verzweifelt und verloren.

BWV legt einen UNHCR Bericht an das Bayrische Verwaltungsgericht in München vor, aus dem hervorgeht, dass UNHCR davon ausgeht, dass eine Person solchen Profils im Falle einer Einreise über den Flughafen Kinshasa mit einer Verhaftung zu rechnen hätte. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Asylwerber eines ausländischen Zweiges einer Rebellenbewegung. Darüber hinaus werden auch in Deutschland UDPS Mitglieder von Kabila-Treuen bedroht.

ai-Anfragebeantwortung VG Simmaringen. Daraus geht hervor, dass die Zahl vom Militärgerichtshof verurteilten Personen erschreckend hoch ist. 1998 mehr als 100 Menschen hingerichtet wurden. Bis Mitte Mai 1999 mind. weitere 46 Personen umgebracht wurden. Daher DR Kongo an zweiter Stelle von Staaten, die Todesstrafe durchführen.

IRIN Bericht 27.3.2001 Beilage H. Zum Akt.

Schreiben des Generalsekretärs UN vom 12.3.2001 dem hervorgeht, dass die Situation der Menschenrechte zu ernsthafte Besorgnis gäben. Tötungen und extralegale Tötungen sind an der Tagesordnung usw. Beilage I.

ai-international bestätigt immer wieder in zahlreichen Anfragebeantwortungen von deutschen Verwaltungsgerichtshöfen, dass politische Tätigkeit zu Verfolgung in der DR Kongo zur Folge hat.

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab (Spruchabschnitt A.), stellte jedoch gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo nicht zulässig sei (Spruchabschnitt B.), und erteilte ihm gemäß § 15 Abs. 1 und 3 AsylG eine bis zum 17. April 2002 befristete Aufenthaltsbewilligung (Spruchabschnitt C.). Nach Darstellung des Verfahrensganges und Aufzählung der von der belangten Behörde als Beweismittel verwendeten Urkunden stellte sie als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

"Der Asylwerber ... verdiente sich zuletzt seinen Lebensunterhalt als Mathematiklehrer in Uvira (Provinz Kivu). Am Abend des 23.1.1999 kam es zu Kampfhandlungen zwischen den Truppen der Mai-Mai und den Soldaten, die die Umgebung von Uvira kontrollierten. Er selbst lebte mit seiner Familie und der seines Bruders, eines Rechtsanwaltes, gemeinsam in einem Haus in Uvira. Am Morgen des 24.1.1999 wurden er und sein Bruder von der regulären Armee (Truppen der RCD) zwangsrekrutiert und nach Mulongwe und zwei Tage nachher in ein Ausbildungslager namens "Bien mal aquis" gebracht. Er wurde mit etwa 300 anderen Personen aufgegriffen. Am Morgen des 27.1.1999 wurden sie vom Hauptmann des Ausbildungslagers zusammengerufen, um sich eine Rede anzuhören. Nach dieser Ansprache ergriff der Bruder des Asylwerbers das Wort und führte aus, dass er schon zu alt für eine Rekrutierung sei. Er bat darum, dass die für eine Rekrutierung zu jungen Männer wieder freigelassen werden, da es ein bestimmtes Alter gebe, innerhalb dessen man für die Armee rekrutieren könne. Wenn nun dieses Alter nicht eingehalten wird, sei es kein Zeichen für eine demokratische Einstellung. Daraufhin gab der Hauptmann den Befehl, den Bruder zu erschießen, was auch geschah. Der Asylwerber gab dem Hauptmann bekannt, dass es sich bei der getöteten Person um seinen Bruder handelt und bat, ihm die Leiche für ein Begräbnis zu überlassen. Dies wurde ihm verweigert. Auch ein zweiter Versuch, die Leiche des Bruders ausgefolgt zu bekommen, schlug fehl. Am Abend dieses Tages flüchtete er unbehelligt aus dem Lager. Er wandte sich nach Hause um Geld und Kleidung zu holen und übernachtete in der Folge in einer Moschee seines Heimatortes. Da seine Frau durch das Militär viermal nach seinem Aufenthalt gefragt worden ist, flüchtete diese mit der Familie nach Burundi. Ihr derzeitiger Aufenthalt ist ihm nicht bekannt. Bei einer Rückkehr befürchtet er wegen seiner Wehrdienstverweigerung getötet zu werden, sei es von den Truppen der RCD oder von Kabila's Truppen. Festgestellt wurde weiters, dass der Asylwerber nunmehr als stellvertretender Schriftführer der UDPS Vertretung in Österreich tätig ist."

Weiters traf die belangte Behörde Feststellungen über die allgemeine Situation in der Demokratischen Republik Kongo. Was die Verfolgung von Personen betreffe, die im Exil politische Aktivitäten gesetzt hätten oder einer Oppositionspartei angehörten, sei Folgendes festzustellen:

"Eine Gefährdung bei Rückkehrern in die DR Kongo kann für viele Personen nicht ausgeschlossen werden, die sich im Ausland aktiv an einer exilpolitischen Bestätigung gegen die Regierung beteiligt haben. Entscheidend dürfte im Einzelfall die Gefährlichkeit der jeweiligen Person aus der Sicht der Machthaber sein, mit deutlicher Konzentration auf Personen, die über erheblichen, dem Regime aktuell oder potentiell abträglichen Einfluss verfügen. Was die Mitglieder der Exil-UDPS betrifft, ist zu prüfen, ob die Aktivitäten dem kongolesischen Sicherheitsdienst bekannt geworden sind und als ernstzunehmender Versuch gewertet werden, das aktuelle Regime zu diskreditieren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Asylwerber, die etwa in Deutschland als Oppositionelle gegen die damalige Regierung von Präsident Kabila öffentlich in Erscheinung getreten und den staatlichen Institutionen in der DR Kongo dahingehend bekannt sind, bei einer Rückkehr in die DR Kongo staatlichen Repressionshandlungen unterliegen. Im Falle einfacher Mitgliedschaft (wie z.B. als stellvertretender Schriftführer, wie im vorliegenden Fall) bei einem Regionalverband der UDPS in Österreich, ist es eher unwahrscheinlich, dass die betreffende Person allein schon deshalb in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen kongolesischen Behörden - noch dazu bei der geänderten Lage - gerät."

Die Feststellungen über die Fluchtgründe des Beschwerdeführers (Zwangsrekrutierung und anschließende Flucht) gründeten sich auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben anlässlich der Ersteinvernahme und der mündlichen Berufungsverhandlung. Zwar bestünden Bedenken gegen die Echtheit seines vorgelegten ID-Ausweises, doch könnten diese die Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe nicht grundlegend erschüttern, weil seine Schilderungen mit den allgemeinen Verhältnissen zum Fluchtzeitpunkt im Einklang stünden. Die Feststellung über seine nunmehrige Mitgliedschaft zur UDPS gründe sich auf seine Angaben in der mündlichen Berufungsverhandlung und die vorgelegte Beilage F. Die Feststellungen über die Bürgerkriegssituation, die Menschenrechtssituation und die derzeitige aktuelle Situation in der Demokratischen Republik Kongo gründeten sich auf die Beilagen A bis E und G bis K. Weiters werde festgehalten, dass sich aus der vom Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung dargelegten Mitgliedschaft bei einer UDPS-Exilgruppe nicht ableiten lasse, dass jedes Mitglied im Fall einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten hätte. Ebenso wenig könne aus der Beilage F darauf geschlossen werden, dass Personen, die sich vorher (im Heimatland) nie politisch betätigt hätten und nunmehr (im vorliegenden Fall als stellvertretender Schriftführer) in der Situation des Beschwerdeführers seien, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hätten; dies im Hinblick darauf, dass er im Heimatland - seinen Behauptungen zufolge - niemals politische, gegen die Regierung gerichtete Handlungen gesetzt habe und aus der Tatsache heraus, dass nicht jede exilpolitische Aktivität automatisch Verfolgung nach sich ziehe und eine UDPS-Mitgliedschaft nicht automatisch eine staatliche Verfolgung auslöse. Rechtlich schloss die belangte Behörde hieraus, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe nicht gegeben sei. Die Verweigerung der Ableistung einer Rekrutierung sei für sich allein grundsätzlich nicht geeignet, die Anerkennung als Flüchtling zu rechtfertigen. Eine asylrechtlich relevante Furcht vor Verfolgung liege nur in solchen Fällen vor, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolge, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt zu werden, oder in denen davon auszugehen sei, dass ihm eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe. Der Beschwerdeführer habe im vorliegenden Fall keine dahingehenden Ausführungen gemacht. Was die von ihm vorgebrachten Nachfluchtgründe (nunmehrige UDPS-Mitgliedschaft als stellvertretender Schriftführer dieser Exilorganisation in Wien) betreffe, sei die belangte Behörde der Ansicht, dass sich aus diesen (neuerdings) bestehenden exilpolitischen Aktivitäten in einem eher untergeordneten Rang keine hinreichende Furcht vor Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung ableiten lasse. So führe nämlich weder eine Mitgliedschaft bei einer Exil-UDPS-Organisation (als auch eine eventuelle Teilnahme an einer Demonstration) automatisch dazu, dass der Asylwerber im Fall einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten hätte. Aus der Tatsache heraus, dass der Beschwerdeführer stellvertretender Schriftführer sei, könne nicht schlüssig abgeleitet werden, dass er eine ernst zu nehmende Gefahr für das derzeitige Regime der Demokratischen Republik Kongo darstelle. So warte der Beschwerdeführer derzeit auch noch auf eine Ausstellung eines Mitgliedsausweises. Zusammenfassend ergebe sich, dass die exilpolitischen Tätigkeiten des Beschwerdeführers nicht ein Ausmaß erreicht hätten, das seine Verfolgung durch die Behörden seines Heimatlandes als wahrscheinlich erscheinen lasse.

Weiters begründete die belangte Behörde ihre Feststellung nach § 8 AsylG mit der durch die Kampfhandlungen umfassend beschädigten Infrastruktur und der nicht unbeträchtlichen Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen sowie der Menschenrechtslage. Auch vor dem festgestellten Hintergrund einer sich allmählich abzeichnenden Verbesserung der politischen Situation und der Hilfsmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft sei nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine allgemeine - und wegen der zu erwartenden Strafe wegen seiner Flucht aus der Zwangsrekrutierung - lebensbedrohende Zwangslage geraten könne. Für den Beschwerdeführer sei es auch nicht zumutbar, in anderen Teilen der Demokratischen Republik Kongo Aufenthalt zu nehmen, weil es notorisch sei, dass die politische und menschenrechtliche Lage in anderen Gebieten zurzeit noch erdrückend seien und nicht auszuschließen sei, dass er in anderen Teilen des Landes aufgegriffen und für seine Wehrdienstverweigerung keiner objektiven Verurteilung und Bestrafung zugeführt werde. Im Falle seiner Rückkehr würde er in eine ausweglose Situation geraten, was die Inanspruchnahme einer Fluchtalternative in diesen Gebieten unzumutbar erscheinen lasse.

Über die gegen die Asylversagung gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich vorerst gegen die Ansicht der belangten Behörde, er wäre von der "regulären Armee (Truppen der RCD)" zwangsrekrutiert worden, weil es sich bei der RCD nicht um die reguläre Armee der Demokratischen Republik Kongo handle, sondern um bewaffnete Opposition.

Der Beschwerdeführer zeigt damit zutreffend auf, dass die Annahme, Truppen der RCD (Rassemblement Congolais pour la Democratie) seien Teile der "regulären Armee", sohin der Streitkräfte des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers, einer Begründung entbehrt und in den von der belangten Behörde herangezogenen Beweismitteln keine Deckung findet. Die Relevanz dieser bekämpften Feststellung zeigt sich darin, dass die belangte Behörde in der "Zwangsrekrutierung" durch Truppen der RCD und in der dem Beschwerdeführer drohenden Bestrafung wegen seiner Flucht keinen asylrechtlich relevanten Sachverhalt sah, weil ihrer Ansicht nach die (gemeint: auch politisch motivierte) Verweigerung der Rekrutierung für sich allein grundsätzlich nicht geeignet sei, die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling zu rechtfertigen; der Beschwerdeführer habe kein Vorbringen erstattet, das im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seine "Einberufung" als Verfolgung deute. Damit verkannte die belangte Behörde jedoch insofern die Rechtslage, als sie eine "Zwangsrekrutierung" durch eine rebellierende Gruppe schlichtweg mit der "Einberufung" zur Ableistung des staatlichen Militärdienstes gleichsetzte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0077), und belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

2. Einen weiteren Mangel des angefochtenen Bescheides zeigt die Beschwerde in den Erwägungen der belangten Behörde zum Nachfluchtgrund der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zur UDPS in Österreich auf. Die belangte Behörde hätte - so die Beschwerde -

weiterreichende Ermittlungen anzustellen gehabt, wie sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers (in der UDPS in Österreich) im Konkreten darstelle. Er sei, was er auch vorgebracht und dokumentiert habe, nicht einfaches Mitglied irgendeiner Regionalorganisation, sondern einer der Vereinsfunktionäre der UDPS-Österreich, nämlich stellvertretender Schriftführer und damit im Vorstand. Aus allen Unterlagen - und vom bekämpften Bescheid bestätigt - gehe hervor, dass Asylwerber, die etwa in Deutschland als Oppositionelle gegen die damalige Regierung von Präsident Kabila öffentlich in Erscheinung getreten und den staatlichen Institutionen der Demokratischen Republik Kongo dahingehend bekannt seien, bei einer Rückkehr staatlichen Repressionshandlungen unterlägen. Die gegenteilige Schlussfolgerung der belangten Behörde sei völlig unbegründet und belaste den Bescheid daher mit einem Verfahrensmangel.

Die belangte Behörde stellte einerseits fest, eine Gefährdung könne bei Rückkehrern in die Demokratische Republik Kongo, die sich im Ausland aktiv an einer exilpolitischen Betätigung gegen die Regierung beteiligt hätten, nicht ausgeschlossen werden, andererseits, im Falle einfacher Mitgliedschaft (etwa als stellvertretender Schriftführer) bei einem Regionalverband der UDPS in Österreich, sei es eher unwahrscheinlich, dass die betreffende Person schon deshalb in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden gerate. Sie begründete diese Feststellungen damit, dass sich weder aus einer Mitgliedschaft in einer UDPS-Exilgruppe noch aus der Beilage F - der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie der Anzeige der gewählten Vorstandsmitglieder der genannten Exilorganisation gegenüber der österreichischen Vereinsbehörde - eine Verfolgungsgefahr ableiten lasse, dies im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer in seinem Heimatland niemals politisch betätigt habe und aus der "Tatsache heraus, dass nicht jede exilpolitische Aktivität automatisch Verfolgung nach sich zieht und eine UDPS-Mitgliedschaft nicht automatisch eine staatliche Verfolgung auslöst". Steht schon die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bloß "einfaches Mitglied" der Exilorganisation, in eindeutigem Widerspruch zu Beilage F, wonach der Beschwerdeführer zum Vorstand dieser Exilorganisation zählt, bleibt die belangte Behörde auch jede nähere Begründung der von ihr als "Tatsache" bezeichneten Prämisse für ihre weiteren Schlussfolgerungen schuldig, dass nicht jede exilpolitische Aktivität oder eine UDPS-Mitgliedschaft automatisch Verfolgung nach sich ziehe oder auslöse.

Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen zur Gefährdung von "Rückkehrern", die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, kommt es in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Beschwerdeführer infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen kongolesischen Behörden geraten konnte. Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Beschwerdeführer auffällig "regimekritisch" in Erscheinung getreten ist, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0076).

Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte hätten jedoch die Feststellungen der belangten Behörde, die im Fall des Beschwerdeführers - im Gegensatz zu anderen Fällen aktiver exilpolitischer Betätigung im Ausland - die Gefahr einer Verfolgung als unwahrscheinlich einstuften, einer besonderen Begründung bedurft, um nachvollziehbar darzulegen, weshalb aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers seine Mitwirkung im Vorstand einer Exilgruppe gerade nicht als aktive exilpolitische Betätigung gegen die Regierung eingeschätzt würde.

3. Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 14. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010398.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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