TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/21 2002/07/0124

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Veröffentlicht am 21.01.2003
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1996 §37 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft S, vertreten durch den Obmann Johann K in A, dieser vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. August 2002, Zl. LAS-720/9-02, betreffend Aufhebung eines Vollversammlungsbeschlusses (mitbeteiligte Partei: Johann G, A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft ist auf Grund des Regulierungsplanes vom 10. Februar 1994 Eigentümerin der Liegenschaft EZ 43, GB R, bestehend aus Grundstück Nr. 1062 (Alpe).

An der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft ist die im Eigentum des Mitbeteiligten stehende Stammsitzliegenschaft EZ 90030 GB Ried mit fünf Anteilen anteilsberechtigt. Mit dieser Stammsitzliegenschaft ist die Mitgliedschaft an weiteren Agrargemeinschaften, u.a. an der Nachbarschaft R (EZ 34, GB R) und an der Agrargemeinschaft K (EZ 49, GB R) verbunden.

Die Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei fasste am 5. April 2002 unter Tagesordnungspunkt 3 einen Beschluss, der im Protokoll wie folgt wiedergegeben ist:

"Die Vollversammlung beschließt, die Seealpe wieder selber zu bewirtschaften. 7 Mitglieder für bewirtschaften, 1 Mitglied (Mitbeteiligter) dagegen.

Die Vollversammlung beschließt mit 1 Gegenstimme (Mitbeteiligter) die Seealpe mit Rindern, Schafen und Ziegen zu bewirtschaften, Voraussetzung, alle Tiere, die in der Seealpe aufgetrieben werden, müssen auch in der Seealpe gemeldet werden. (Mitbeteiligter) will Rinder auftreiben, will sie aber bei ihm melden, 7 Mitglieder der Vollversammlung sind gegen ein Auftreiben ohne Meldung."

Gegen diesen Vollversammlungsbeschluss erhob der Mitbeteiligte Einspruch. Diesen begründete er damit, er bewirtschafte im Kristeinertal die U-Alm. Diese grenze direkt an die Weideflächen der Agrargemeinschaft R an, an der der Mitbeteiligte ebenfalls anteilsberechtigt sei. Die Weideflächen der Agrargemeinschaft Ried wieder grenzten an die Weideflächen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft. Ausgehend von seiner Privatalm könne der Mitbeteiligte die angrenzenden Agrargemeinschaftsalmen als mitbestoßene Almen nutzen und das aufgetriebene Almvieh auf seiner Privatalm für die Almprämie melden. Aus diesem Grund beeinspruche er die Beschlussfassung der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, wonach die Almprämie für die auf die Seealpe aufgetriebenen Rinder über die beschwerdeführende Agrargemeinschaft beantragt werden müsse. Mit dieser Beschlussfassung wolle man den Mitbeteiligten persönlich schädigen; dies deshalb, weil ausschließlich Vieh von Nichtmitgliedern aufgenommen und die dafür erhaltene Almprämie auf alle Agrargemeinschaftsmitglieder aufgeteilt werden solle. Diese Beschlussfassung sei einer Verpachtung der Seealpe an ein Nichtmitglied gleichzusetzen. Der Mitbeteiligte könne damit aber nicht einverstanden sein, da er die Weideflächen für sein am Hof überwinterndes Vieh unbedingt benötige. Er sei mit der Vorgangsweise der Vollversammlung nicht einverstanden und ersuche die Agrarbehörde, den unter Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschluss aufzuheben.

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) holte eine Stellungnahme des Obmannes der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft ein.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2002 wies die AB den Einspruch des Mitbeteiligten als unbegründet ab.

In der Begründung heißt es, nach der für die beschwerdeführende Agrargemeinschaft erlassenen Verwaltungssatzung habe die Agrargemeinschaft den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.

Im konkreten Fall sei somit zu prüfen gewesen, ob durch den gefassten Beschluss dem zitierten Zweck der Agrargemeinschaft zuwidergehandelt worden sei, ob somit ein Verstoß gegen Gesetzes-, Regulierungs- und Satzungsbestimmungen vorliege und ob dabei wesentliche Interessen des Einspruchswerbers verletzt worden seien.

Nach der Weideordnung für die beschwerdeführende Agrargemeinschaft dürften auf die Seealpe Rinder, Schafe und Ziegen aufgetrieben werden. Der Höchstbesatz sei mit 20 Normalrindern festgelegt worden, für den Auftrieb eines Normalrindes seien zwei Anteilsrechte erforderlich. Der Stammsitzliegenschaft EZ 90030 GB R des Mitbeteiligten stünden fünf Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft S zu. Vom Beteiligten nicht bekehrte Rechte seien von diesem entschädigungslos der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Freie Rechte seien den Mitgliedern zur Bekehrung zu überlassen, die einen Mehrbedarf nachwiesen. Ob Lehnvieh von Nichtmitgliedern aufgenommen werde, beschließe die Vollversammlung.

Der Obmann der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft habe in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass der Mitbeteiligte alle seine eigenen Tiere (Rinder, Schafe, Ziegen, etc.) auf die Seealpe auftreiben dürfe bzw. solle. Damit stehe er im Einklang mit den Bestimmungen der Weideordnung. Nach dieser sei zudem der Auf- und Abtriebzeitpunkt der Weidetiere von den Witterungs- und Futterverhältnissen abhängig, sei der jeweilige Termin vom Obmann festzulegen und den Mitgliedern zeitgerecht mitzuteilen, habe jedes Mitglied das Vieh, das auf die Seealpe aufgetrieben werden solle, unter Angabe des Alters bis spätestens 1. Juni eines Jahres dem Obmann zu melden und habe für den Auftrieb das Mitglied an die Gemeinschaft auch einen Kostenbeitrag zu entrichten, dessen Höhe die Vollversammlung jährlich im Vorhinein bestimme. Zumal der Mitbeteiligte das Angebot der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, die Seealpe zu pachten, abgelehnt habe, sei es deshalb zwingend notwendig, sich an die Vorgaben der Weideordnung zu halten. Bewirtschafter bleibe unter diesen Voraussetzungen nach wie vor die Agrargemeinschaft. Die Alpungsprämie, über welche der Mitbeteiligte selber verfügen möchte, indem er auch das auf das Agrargemeinschaftsgebiet aufzutreibende Vieh über seine angrenzende Eigenalm melden möchte, stehe dem Bewirtschafter der Alm, nämlich der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft zu. Die Alpungsprämie diene in erster Linie für die ausreichende Instandhaltung der erforderlichen Alpeinrichtungen (Almgebäude, Zäune, Wasserversorgung, etc.) und dürfe ausschließlich zur Sicherung und Finanzierung des Almbetriebs verwendet werden.

Der von der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft gefasste und beeinspruchte Beschluss verstoße somit weder gegen das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz noch gegen den für die Agrargemeinschaft erlassenen Regulierungsplan einschließlich der Weideordnung und der Verwaltungssatzung und verletze auch keine wesentlichen Interessen des Mitbeteiligten. Wolle dieser die Alpungsprämie für das auf die Seealpe aufgetriebene Vieh selber beanspruchen, werde es an ihm gelegen sein, das Angebot der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, die Seealpe zu pachten, zu akzeptieren.

Der Mitbeteiligte berief.

Er brachte vor, zur Feststellung des erstinstanzlichen Bescheides, dass ihm der Obmann das Pachten der Seealpe angeboten habe, müsse er klarstellen, dass der Obmann in der Vollversammlung lediglich allgemein gefragt habe, ob jemand die Seealpe pachten möchte. Dazu habe sich aber niemand, auch nicht der Mitbeteiligte, geäußert. Eine ausdrückliche Ablehnung durch den Mitbeteiligten, die Seealpe zu pachten, sei also nicht erfolgt. In seinen Rechten verletzt sei der Mitbeteiligte vor allem deshalb, weil die Vollversammlung bzw. der Obmann auch Lehnvieh, Schafe von Nicht-Mitgliedern, aufnehmen wolle bzw. dies im vergangenen Jahr getan habe. In wirtschaftlicher Hinsicht wäre es für die Seealpe am vorteilhaftesten, wenn der Mitbeteiligte seine Rinder auftreibe, weil er der Einzige sei, der diese Rinder auch behirte. Dass er dann aber nicht alle seine Rinder auf der Auftriebsliste der Seealpe einschreiben wolle, werde wohl verständlich sein, weil er ja lange Zeit hindurch seine eigene Alm mit diesen Rindern beweide. Insbesondere gewinne er aus seiner Celar-Alm ja auch ziemlich viel Heu, das in der Alm verfüttert werde. Er sei auch der Meinung, dass die Seealpe von der Agrargemeinschaft selbst eigentlich nicht bewirtschaftet werde, weil die Agrargemeinschaft in den letzten 40 Jahren für die Alpe nichts getan habe. Es bestehe auch keine Hirtenunterkunft. Er wäre bereit, die Alm zu pachten, allerdings nur um einen angemessenen Pachtzins.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der Außenstelle Agrartechnik und Agrarförderung Lienz des Amtes der Tiroler Landesregierung ein, die den Verfahrensparteien vor der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht wurde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. August 2002 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung der Berufung des Mitbeteiligten teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, dass der Einspruch gegen den Beschluss, die Seealpe wieder selbst zu bewirtschaften, abgewiesen, der weitere Beschluss zu Punkt 3 der Tagesordnung jedoch aufgehoben wurde.

In der Begründung heißt es, laut Stellungnahme der Agrartechnik und Agrarförderung L vom 16. Juli 2002 sei der Mitbeteiligte Eigentümer der im Kristeinertal gelegenen U-Alm (Grundstück Nr. 1090 in EZ 90030 GB R), die als eigenständige Alm mit Almnummer im Almbuch geführt werde. Diese Alm grenze unmittelbar an das Weidegebiet der Nachbarschaft R (Grundstück Nr. 1063). Aus dem vorliegenden Lageplan gehe hervor, dass an das Grundstück Nr. 1063 im Norden das Grundstück Nr. 1062 der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft und an dieses im Norden das Grundstück Nr. 1061/1 der Agrargemeinschaft K angrenze. Alle genannten Grundstücke lägen in der Katastralgemeinde 85030 R. In der Stellungnahme werde die Aussage des Mitbeteiligten wiedergegeben, dass seine Rinder in der Zeit zwischen Mitte Mai und Ende Oktober - bei günstiger Witterung bis Mitte November - auf der Alm gehalten würden. Zu Beginn und am Ende der Almzeit würden die Rinder zumindest in der Nacht und auch bei schlechter Witterung eingestallt. Dabei würde das auf der privaten Alm gewonnene Heu verfüttert. Beweidet würden neben der privaten Almfläche auch Weideflächen der Agrargemeinschaften Nachbarschaft R und Seealpe.

Entsprechend den Förderungsrichtlinien für Alpungsprämie und Behirtungszuschlag (Handbuch Abschnitt II B, ÖPUL 2000 Maßnahmenteil, zweite Auflage, März 2002, herausgegeben von der Agrarmarkt Austria) müsse die Alpung mindestens 60 Tage durchgängig dauern. Die Alpungszeit von Niederlegern, Mittellegern und Hochlegern werde addiert. Das heiße, wenn mehrere Almen nacheinander bestoßen würden, so sei für die Alm mit der längsten Verweildauer (d.h. größtem Futterangebot) die Auftriebsliste abzugeben, die mitbestoßenen Almen seien in den dafür vorgesehenen Listen einzutragen. Die Förderung sei jedoch nur für eine Alm zulässig.

Nachdem der Mitbeteiligte sein Vieh tatsächlich zum überwiegenden Teil auf seiner privaten Alm halte (Vorweide, Nachweide und Verfütterung des auf der Alm gewonnenen Heues), könne laut Stellungnahme der Agrartechnik und Agrarförderung L die Meldung der Rinder für die Alpungsprämie und den Bewirtungszuschlag auch auf Grund der geltenden Förderungsrichtlinien nicht von der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft gefordert werden. Der Mitbeteiligte sei das einzige Agrargemeinschaftsmitglied, das Rinder auf die Seealpe auftreibe. Auch die Beaufsichtigung der Weidetiere erfolge durch ihn selbst, ausgehend von seiner privaten Alm, sodass für die Agrargemeinschaft keinerlei Verpflichtungen entstünden.

Abschließend werde in der vorliegenden Stellungnahme ausgeführt, dass die Agrargemeinschaft anstelle der Alpungsprämie für das tatsächlich vom Mitbeteiligten auf die Gemeinschaftsalm aufgetriebene Vieh Grasgeld in angemessener Höhe fordern könne. Das wäre auch deshalb gerechtfertigt, weil die Auftriebsrechte des Mitbeteiligten durch den derzeitigen Auftrieb von vier Kühen und sechs Kälbern überschritten würden.

Der von der Agrartechnik und Agrarförderung unterbreitete Vorschlag finde Deckung in der Weideordnung des Regulierungsplanes. Die Weideordnung enthalte folgende Bestimmung:

"Für den Auftrieb hat das Mitglied an die Gemeinschaft einen Kostenbeitrag zu entrichten, dessen Höhe die Vollversammlung jährlich im vorhinein bestimmt."

Die Agrargemeinschaft sei somit berechtigt, von ihren Mitgliedern für den Auftrieb von Vieh einen Kostenbeitrag (Weidezins oder Grasgeld) zu fordern, der jedoch nicht mit der Alpungsprämie ident sei. Das im Vollversammlungsbeschluss vom 5. April 2002 zum Ausdruck gebrachte Verlangen, die Alpungsprämie zu vereinnahmen (als Folge der Eintragung der aufgetriebenen Tiere in die Alm-Auftriebsliste der Agrargemeinschaft), verstoße somit gegen die Bestimmung der Weideordnung, die nur zur Einhebung eines Kostenbeitrages ermächtige.

Dass der Mitbeteiligte mehr Vieh auftreibe als seinem Anteilsrecht entspreche, sei durch eine Bestimmung der Weideordnung gedeckt.

Aus der im § 2 der Satzung normierten Sicherstellung der Erfüllung der berechtigten Ansprüche der Mitglieder könne ebenfalls abgeleitet werden, dass der Mitbeteiligte nicht zu einer den geltenden ÖPUL-Förderungsrichtlinien widersprechenden Auftriebsmeldung verpflichtet werden könne. Dem Mitbeteiligten könne nicht zugemutet werden, sich durch eine Falschmeldung selbst zu schädigen. Damit sei aber dargetan, dass der angefochtene Vollversammlungsbeschluss hinsichtlich der Auftriebsmeldung nicht nur gegen den Regulierungsplan verstoße, sondern auch wesentliche in der Mitgliedschaft an der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft wurzelnde Interessen des Mitbeteiligten verletze.

Zu Tagesordnungspunkt 3 seien in der Vollversammlung am 5. April 2002 zwei Beschlüsse gefasst worden. Gegen den Beschluss, die Gemeinschaftsalm selbst zu bewirtschaften (und nicht zu verpachten), bestünden keine Bedenken, weil die Selbstbewirtschaftung wohl der Regelfall sei und eine Verpachtung die Ausnahme bilde. Diesen Beschluss aufzuheben bestünde somit kein Anlass.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht verletzt erachtet, dass ihre Beschlüsse, insbesondere solche, die im Rahmen der Vollversammlung gefasst werden, von der Behörde nur dann aufgehoben werden, wenn sie gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verstoßen, insbesondere gegen das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung und dabei wesentliche Interessen des Antragstellers verletzen.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt die beschwerdeführende Partei vor, der Viehtrieb habe zwei rechtliche Aspekte, nämlich den förderungsrechtlichen und den weideordnungsrechtlichen.

Für den förderungsrechtlichen Aspekt seien insbesondere die Bestimmungen des § 10 des Tiroler Almschutzgesetzes und der §§ 8 und 9 des Tiroler Landwirtschaftsgesetzes von Bedeutung.

In den auf Grund dieser Gesetzesbestimmungen erlassenen Förderungsrichtlinien sei vorgesehen, dass auf die Alm aufzutreibende Tiere in einer Auftriebsliste erfasst werden, welche sodann Grundlage für die Auszahlung der für die aufgetriebenen Tiere gewährten Förderung (Alpungsprämie) sei. Die Alpprämie sei nach den Förderungsrichtlinien als "Alpungsprämie" an den Bewirtschafter der Alm auszubezahlen und zweckgebunden zu verwenden für die ausreichende Instandhaltung der notwendigen Alpeinrichtungen wie etwa Almgebäude, Zäune, Wasserversorgung und andere Aufwendungen zur Sicherung und Finanzierung des Alpbetriebes.

Der weideordnungsrechtliche Aspekt des Viehtriebes sei im Regulierungsplan aus dem Jahr 1994 geregelt.

Die belangte Behörde sei zu der Auffassung gelangt, dass der Mitbeteiligte sein Vieh zum überwiegenden Teil auf seiner privaten Alm halte, sodass auf Grund der geltenden Förderungsrichtlinien die Prämienauszahlung für die Rinder nicht von der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft gefordert werden könne. Mit dieser Argumentation werde aber in unzulässiger Weise die Absicht des Mitbeteiligten, sein Vieh zwar auf die Seealpe aufzutreiben, jedoch zum überwiegenden Teil auf seiner privaten Alm halten zu wollen, um dadurch die Voraussetzungen für die Auszahlung der Alpungsprämie zu erhalten, sohin der förderungsrechtliche Aspekt des Viehtriebes mit dem rein weideordnungsrechtlichen Aspekt der Beschlussfassung vermengt. Der Beschlusswortlaut "Alle Tiere, die in der Seealpe aufgetrieben werden, müssen auch in der Seealpe gemeldet werden", sei rein weideordnungsrechtlich dahin zu interpretieren, dass ein Viehtrieb auf die Seealpe nur gestattet sei, wenn durch die Art der Viehhaltung auf der Seealpe die aufgetriebenen Tiere "gemeldet werden" könnten, für den Viehtrieb also bei der Förderungsstelle die Alpungsprämie für die Agrargemeinschaft S begehrt werden könne. Eine derartige Beschlussfassung sei nach den Bestimmungen des Regulierungsplanes insbesondere deshalb nicht zu beanstanden, weil sie der Sicherung und Erhöhung des Ertrages diene und im Regulierungsplan vorgesehen sei, dass die Vollversammlung beschließe, welche Maßnahmen zur Verbesserung des Weidebetriebes, zur Erhaltung und Verbesserung der gemeinsamen Anlagen und zur Sicherung und Erhöhung des nachhaltigen Ertrages durchzuführen seien.

Es möge sein, dass der Mitbeteiligte vorhabe, sein Vieh tatsächlich zum überwiegenden Teil auf seiner privaten Alm zu halten. Es möge auch sein, dass in diesem Fall nach den geltenden Förderungsrichtlinien ausschließlich er Anspruch auf die Alpungsprämie hätte. Dieser aus den Absichten des Mitbeteiligten resultierende förderungsrechtliche Aspekt ändere jedoch nichts daran, dass der Viehtrieb weideordnungsrechtlich mit dem Beschluss der Vollversammlung dahin geregelt worden sei, dass der Viehtrieb auf die Seealpe nur dann erlaubt sei, wenn die Viehbewirtschaftung so gestaltet werde, dass als Folge der Beweidung der Seealpe die entsprechenden Förderungsgelder an die beschwerdeführende Agrargemeinschaft ausbezahlt würden. Diese weideordnungsrechtliche Intention könne nicht erfolgreich damit unterlaufen werden, dass der Mitbeteiligte einfach deklariere, sein Vieh tatsächlich zum überwiegenden Teil auf seiner privaten Alm halten zu wollen, womit er förderungsrechtlich die Voraussetzungen für die "Meldung" der Tiere, also für den Antrag auf Auszahlung der Förderungsgelder, verwirklichen würde. Entsprechend dem Vollversammlungsbeschluss habe der Mitbeteiligte eben beim Viehtrieb auf die Seealpe die Beweidung so zu gestalten, dass das Vieh dann zum überwiegenden Teil auf der Seealpe gehalten werde und die Agrargemeinschaft S damit die Alpungsprämien vereinnahmen könne. Der Mitbeteiligte habe nicht behauptet, dass eine Beweidung im Sinne dieser Beschlussfassung nicht möglich sei oder dadurch seine wesentlichen Interessen verletzt würden. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde eine derartige Interessenabwägung gar nicht vorgenommen habe, sei eine Verletzung wesentlicher Interessen des Mitbeteiligten nach der Aktenlage schon deshalb zu verneinen, weil mit seiner Stammsitzliegenschaft auch die Mitgliedschaft an weiteren Agrargemeinschaften verbunden sei, deren Weidegebiet direkt an die Alm des Mitbeteiligten angrenze, sodass nicht einzusehen sei, warum ihm zugestanden werden solle, die Seealpe sozusagen "nebenbei" zu beweiden, um entgegen den Intentionen der Vollversammlung Förderungsgelder für sich beanspruchen zu können.

Unabhängig von der im angefochtenen Bescheid unterlassenen Interessenabwägung finde der strittige Beschluss eine volle Deckung in der im Regulierungsplan vorgesehenen Sicherung und Erhöhung des nachhaltigen Ertrages.

Die belangte Behörde argumentiere an der Sache vorbei, wenn sie den angefochtenen Bescheid auf jene Bestimmung der Weideordnung stütze, die einen Kostenbeitrag des Mitgliedes an die Gemeinschaft für den Viehauftrieb vorsehe. Die Berechtigung der Agrargemeinschaft, weideordnungsrechtlich von den Mitgliedern einen Kostenbeitrag zu verlangen, habe nichts damit zu tun, dass die beschwerdeführende Agrargemeinschaft bei Vorliegen der Förderungsvoraussetzungen selbstverständlich befugt sei, die Tiere "zu melden" (Förderung zu begehren) und als Vorbereitung dazu bereits bei der Festlegung des Viehtriebes Vorsorge dafür zu treffen, dass die Beweidung jedenfalls so erfolgt, dass Förderungen der Agrargemeinschaft zufließen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist, in eventu deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Mitbeteiligte hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der er den Standpunkt vertritt, die im Vollversammlungsbeschluss der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft vorgesehene Verpflichtung, die auf die Alm aufgetriebenen Tiere bei der Agrargemeinschaft zu melden, verstoße gegen die bestehenden Förderungsrichtlinien und die Agrargemeinschaft sei nicht befugt, einen Beschluss zu fassen, der gegen Förderungsrichtlinien verstoße.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei nach dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein am 27. August 2002 zugestellt. Die Beschwerde wurde am 7. Oktober 2002 zur Post gegeben. Sie ist daher rechtzeitig.

Nach § 37 Abs. 7 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74 (TFLG 1996) hat über Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis auf Antrag die Agrarbehörde unter Ausschluss des Rechtsweges zu entscheiden. Die Agrarbehörde hat Beschlüsse (Verfügungen) von Organen der Agrargemeinschaft aufzuheben, wenn sie gegen dieses Gesetz oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen, und dabei wesentliche Interessen des Antragstellers verletzen.

Die Abschnitte II und V des Regulierungsplanes der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft (Bescheid der AB vom 10. Februar 1994) lauten auszugsweise:

"II. Nutzungen und Erträgnisse

Als übliche, regelmäßig wiederkehrende Nutzung des Regulierungsgebietes wird die Weidenutzung (Almweide) festgestellt.

V. Nutzungsmodalitäten

1. Verbesserungsmaßnahmen:

Welche Maßnahmen zur

a)

Verbesserung des Weidebetriebes

b)

Erhaltung und Verbesserung der gemeinsamen Anlagen

c)

Sicherung und Erhöhung des nachhaltigen Ertrages

durchzuführen sind, beschließt die Vollversammlung.

...

              3.              Weideordnung:

              a)              Besatz:

Auf die Seealpe dürfen Rinder, Schafe und Ziegen aufgetrieben werden. Der Höchstbesatz wird mit 20 Normalrindern festgelegt. Für den Auftrieb eines Normalrindes sind somit zwei Anteilsrechte erforderlich.

....

              c)              Auf- und Abtrieb:

Auf- und Abtriebszeitpunkt der Weidetiere sind von den Witterungs- und Futterverhältnissen abhängig. Der jeweilige Termin ist vom Obmann festzulegen und den Mitgliedern zeitgerecht mitzuteilen. Auf- und Abtrieb haben jedenfalls gemeinsam an ein- und demselben Tag zu erfolgen.

Für den Auftrieb hat das Mitglied an die Gemeinschaft einen Kostenbeitrag zu entrichten, dessen Höhe die Vollversammlung jährlich im vorhinein bestimmt.

Jedes Mitglied hat das Vieh, das es auf die Viehalpe auftreiben will, unter Angabe des Alters bis spätestens 1. Juni eines Jahres dem Obmann zu melden."

Nach § 2 der einen Bestandteil des Regulierungsplanes bildenden Satzung der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft hat die Agrargemeinschaft den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.

Nach § 3 Abs. 1 der Satzung ist jedes Mitglied berechtigt, die Nutzung im Ausmaß seiner Anteilsberechtigung auszuüben und an der Verwaltung, wie es diese Satzung vorsieht, teilzunehmen.

Nach § 3 Abs. 2 der Satzung sind die Mitglieder verpflichtet,

a)

die Vorschriften über die Ausübung der Nutzungen einzuhalten,

b)

den Anordnungen des Obmannes bei Vollversammlungen zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung Folge zu leisten,

              c)              diese Satzung und die darauf fußenden Anordnungen der Verwaltungsorgane zu beachten,

              d)              die mit der Mitgliedschaft verbundenen Lasten zu tragen und die beschlossenen Arbeitsleistungen zu erbringen.

Aus dem angefochtenen Bescheid wie auch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass mit dem aufgehobenen Teil des Beschlusses der Vollversammlung der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft vom 5. April 2002 gemeint war, dass die beschwerdeführende Partei auf Grund der Tatsache, dass Tiere auf ihre Alm aufgetrieben werden, für diese Tiere die dafür vorgesehene Förderungsprämie in Anspruch nehmen will.

Der Streit zwischen der Agrargemeinschaft und dem Mitbeteiligten geht also dahin, ob die beschwerdeführende Agrargemeinschaft befugt ist, mit einem Vollversammlungsbeschluss ihren Mitgliedern den Auftrieb von Tieren auf die Seealpe nur unter der Voraussetzung zu gestatten, dass diese Tiere bei der Agrargemeinschaft "gemeldet" werden und dass damit die Agrargemeinschaft und nicht das Mitglied die dafür vorgesehene Alpungsprämie in Anspruch nehmen kann.

Aus den wiedergegebenen Bestimmungen des Regulierungsplanes und der Satzung ergibt sich, dass es zu den Rechten der Mitglieder der Agrargemeinschaft gehört, Tiere entsprechend ihrem Anteilsverhältnis an der Agrargemeinschaft auf die Seealpe aufzutreiben. Einschränkungen dieses Rechtes in der Art, dass dessen Ausübung an die Übertragung des Anspruches auf die Förderungsprämie geknüpft werden dürften, sind der Weideordnung (Teil des Regulierungsplanes) und der Satzung nicht zu entnehmen.

Zu Recht argumentiert die belangte Behörde damit, dass für das Auftreiben von Vieh auf die Seealpe die Regulierungsurkunde das Vorschreiben eines Kostenbeitrages vorsieht, aber keine weiteren Leistungen.

Die Bestimmungen des Punktes V/1 des Regulierungsplanes über Verbesserungsmaßnahmen können entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei im Beschwerdefall schon deshalb keine Grundlage für den aufgehobenen Beschluss darstellen, weil im Rahmen des Verfahrens vor den Agrarbehörden nicht dargetan wurde, inwiefern die im fraglichen Beschluss vorgesehene Verknüpfung des Auftriebes von Tieren auf die Seealpe mit Meldung der Tiere bei der Agrargemeinschaft einen Beitrag zur Verbesserung des Weidebetriebes, zur Erhaltung und Verbesserung der gemeinsamen Anlagen oder zur Sicherung und Erhöhung des nachhaltigen Ertrages darstellen sollte. Nach den unbestritten gebliebenen Behauptungen des Mitbeteiligten in dessen Einspruch sollten die Einnahmen aus der Förderungsprämie auf die Mitglieder der Agrargemeinschaft aufgeteilt werden.

Nach den insoweit unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid widerspräche die Meldung der Tiere des Mitbeteiligten bei der beschwerdeführenden Partei zwecks Erlangung der Förderungsprämie durch Letztere den einschlägigen Förderungsrichtlinien und stellte eine "Falschmeldung" dar. Den Mitbeteiligten aber zu einer solchen "Falschmeldung" zu verhalten bieten die Rechtsgrundlagen der Agrargemeinschaft keine Handhabe.

Dass ein Beschluss, der den Mitbeteiligten zwingt, entweder die aufgetriebenen Tiere so zu melden, dass die Förderungsprämie nicht von ihm, sondern von der beschwerdeführenden Partei in Anspruch genommen werden kann oder den Auftrieb zu unterlassen, wesentliche Interessen des Mitbeteiligten verletzt, liegt auf der Hand.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 21. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002070124.X00

Im RIS seit

29.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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