TE Vfgh Erkenntnis 2007/12/14 B781/07

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2007
beobachten
merken

Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
UniversitätsG 2002 §85 idF BGBl I 74/2006
VfGG §82 Abs1
ZustellG §17 Abs3

Leitsatz

Keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss derAnerkennung einer Dissertation in einer bestimmten Studienrichtungals Diplomarbeit einer anderen Studienrichtung durch die Novelle 2006zum Universitätsgesetz 2002 sowie gegen den Ausschluss derAnerkennung einer Dissertation als Dissertation einer anderenStudienrichtung; qualitative Verschiedenheit von Dissertation undDiplomarbeit sowie unterschiedliche Qualifikationserfordernisse

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin hat an der Universität Wien ihr Diplom- und Doktoratsstudium in der Studienrichtung Rechtswissenschaften abgeschlossen. Sie ist an der Wirtschaftsuniversität Wien in der Studienrichtung Betriebswirtschaft inskribiert. Mit Antrag vom 27. September 2006 beantragte sie die Anerkennung ihrer an der Universität Wien approbierten Dissertation als Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Vizerektors für Lehre (als Organ für studienrechtliche Angelegenheiten) vom 23. Jänner 2007 keine Folge gegeben. Ihre gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Rechtsmittelkommission des Senats der Wirtschaftsuniversität Wien mit Bescheid vom 7. März 2007 mit folgender Begründung abgewiesen:

"Gemäß §85 UG 2002 sind Diplom- oder Masterarbeiten oder künstlerische Diplom- oder Masterarbeiten, die an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden, von dem für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ auf Antrag anzuerkennen, wenn sie den Anforderungen einer Diplom- oder Masterarbeit oder künstlerischen Diplom- oder Masterarbeit entsprechen.

Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Einreichdatums des Antrages auf Anerkennung der §85 UG 2002 idgF zur Anwendung kommt. Es gibt daher keine Rechtsgrundlage für die Anerkennungen von Dissertationen als Dissertation oder Master-, Diplomarbeit eines anderen Studiums. Die Bindung an das Gesetz (Art18 B VG) schließt es aus, auf die angebliche Gleichheitswidrigkeit der eindeutigen Rechtslage einzugehen. Die verfassungskonforme Interpretation kann nur von zwei oder mehreren Auslegungsergebnissen manche als verfassungswidrig ausscheiden, nicht aber einen nicht bestehenden Inhalt des geltenden Gesetzes in dieses hineininterpretieren.

Im Übrigen ist eine Dissertation eine wissenschaftliche Leistung und keine Prüfungsleistung, zu der eine Diplomarbeit zählt."

2. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nach Ausweis des Rückscheins durch Hinterlegung am 29. März 2007 zugestellt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde wurde dem Verfassungsgerichtshof auf dem Postweg übersandt und ist am Montag, dem 14. Mai 2007, eingelangt; ein Nachweis über das Datum der Postaufgabe (Poststempel) ist dem Poststück nicht zu entnehmen.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Gegenschrift bringt zunächst vor, die Beschwerde sei verspätet, weil die Zustellung am 29. März 2007 erfolgt und die 6-wöchige Beschwerdefrist daher am 11. Mai 2007 abgelaufen sei. In der Sache verteidigt sie die im Bescheid vertretene Auffassung, dass die Anerkennung von Dissertationen als Diplomarbeiten vom Gesetz (nunmehr) ausgeschlossen werde.

4. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes hat der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung eine Äußerung zur Auslegung des §85 UG 2002, BGBl. I 120, idF BGBl. I 74/2006, abgegeben, in der er der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung beitritt, die Abweisung der Beschwerde beantragt und dazu Folgendes ausführt:

"Durch die Novelle des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 74/2006, wurde §85 Universitätsgesetz 2002 dahin gehend geändert, dass nur noch Diplom- oder Masterarbeiten oder künstlerische Diplom- oder Masterarbeiten, die an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden, von dem für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ auf Antrag anzuerkennen sind, wenn sie den Anforderungen einer Diplom- oder Masterarbeit oder künstlerischen Diplom- oder Masterarbeit entsprechen.

Durch die genannte Novelle des Universitätsgesetzes 2002 ist die ... Anerkennung von Dissertationen, die zuvor in §85 Universitätsgesetz 2002 vorgesehen war, ausgeschlossen worden. Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 752/A der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, 1308 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP, begründet diese Änderung wie folgt:

'Doktoratsprogramme sind der dritte Zyklus der Hochschulausbildung im Rahmen des Bolognaprozesses und die wissenschaftlichen Aushängeschilder einer Universität. Es ist daher nicht gerechtfertigt, dass die einmalige Anfertigung einer Dissertation für zwei oder auch mehr Doktoratsstudien verwendet werden kann. In diesem Fall kann nämlich derzeit der bloße Eindruck erweckt werden, dass Personen mit zwei Doktorgraden auch tatsächlich eine höhere wissenschaftliche Leistung erbracht haben. Um diese Irreführung künftig zu vermeiden, wird vorgeschlagen, die Möglichkeit der Anerkennung von Dissertationen aufzuheben.'

Die Möglichkeit der Anerkennung von Dissertationen wurde sodann aus §85 Universitätsgesetz 2002 entfernt.

Den Ausführungen im genannten Bericht kommt Berechtigung zu, da im europäischen Hochschulraum der Eindruck einstehen könnte, dass in Österreich mit einer Dissertation mehrere akademische Grade erlangt werden können. Im Gegensatz zur Diplomarbeit ist die Dissertation in einem Doktoratstudium der überwiegende, entscheidende und wichtigste Teil.

Gemäß §51 Abs2 Z13 Universitätsgesetz 2002 sind Dissertationen die wissenschaftlichen Arbeiten, die 'anders als die Diplom- und Masterarbeiten' dem Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen. Die Erstellung der Dissertation bildet die überwiegende Tätigkeit und den Arbeitsschwerpunkt in einem Doktoratsstudium und belegt somit die wissenschaftliche Beherrschung des betreffenden Faches. Um Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten, soll im europäischen Hochschulraum jedenfalls klargestellt sein, dass nicht durch eine Dissertation mehrere Doktorgrade erworben werden können. Dies würde zu einer Irreführung bzw. zu einer Ungleichbehandlung führen, da zwei oder sogar mehrere Doktorgrade auf Grund lediglich der Erstellung einer einzigen Dissertation erworben werden könnten. Dies wäre gegenüber Personen, die tatsächlich zwei oder mehrere Dissertationen angefertigt haben, nicht begründbar.

Ebenso ist es durch §85 Universitätsgesetz 2002 ausgeschlossen, eine Dissertation auf einem Gebiet als Diplomarbeit für ein anderes Fachgebiet anzuerkennen. Die Aufgabenstellung bzw. die wissenschaftlichen Anforderungen an eine Diplom- oder Masterarbeit sind nämlich grundlegend von den Anforderungen an eine Dissertation zu unterscheiden.

Diplom- und Masterarbeiten sind gemäß §51 Abs2 Z8 Universitätsgesetz 2002 die wissenschaftlichen Arbeiten in den Diplom- und Masterstudien, die dem Nachweis der Befähigung dienen, wissenschaftliche Themen selbstständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten. §51 Abs2 Z8 und Z13 Universitätsgesetz 2002 ist klar und deutlich zu entnehmen, dass die jeweiligen wissenschaftlichen Arbeiten in Diplom- und Masterstudien ('Diplom- und Masterarbeiten') andere Erfordernisse beinhalten als die wissenschaftlichen Arbeiten in Doktoratsstudien ('Dissertationen').

Somit ist klargestellt, dass §85 Universitätsgesetz 2002 sowohl die Anerkennung einer Dissertation als Dissertation für ein anderes Doktoratsstudium als auch die Anerkennung einer Dissertation als Diplomarbeit oder Masterarbeit für ein Diplom- oder Masterstudium ausschließt.

Eine Ungleichbehandlung, wie sie von der Beschwerdeführerin vorgebracht wird, kann nicht gesehen werden, ganz im Gegenteil würden Studierende ungleich behandelt werden, die zwei Dissertationen erstellen und ebenfalls in weiterer Folge nur zwei Doktorgrade bekämen. Auch wegen der im Bologna-Prozess erhöhten Anforderungen an Doktoratsstudien, ist im internationalen Kontext eine mehrmalige Anerkennung einer einzigen wissenschaftlichen Arbeit irreführend und würde den Anschein erwecken, dass mehrere wissenschaftlich besonders hochstehende Arbeiten erbracht wurden.

Ebenso wenig kann aus der Nichtanerkennung einer Dissertation als Diplomarbeit eine Gleichheitswidrigkeit abgeleitet werden, da, wie bereits oben ausgeführt, an Diplom- und Masterarbeiten andere Anforderungen als an Dissertationen gestellt werden. Diesfalls würde Ungleiches verglichen und anerkannt werden.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach das Universitätsgesetz 2002 eine planwidrige Lücke enthielte, weil der Gesetzgeber diesen besonderen Fall nicht bedacht habe, kann nicht gefolgt werden. Die Novelle BGBl. I Nr. 74/2006 zu §85 Universitätsgesetz 2002 wurde eben genau aus diesen Gründen beschlossen, weshalb von einer planwidrigen Lücke keinesfalls die Rede sein kann. §85 iVm §51 Abs2 Z8 und Z13 Universitätsgesetz 2002 ist eindeutig zu entnehmen, dass nur Diplom- bzw. Masterarbeiten für Diplom- bzw. Masterarbeiten eines anderen Studiums anerkannt werden können, dass aber eine Anerkennung einer Diplomarbeit bzw. Masterarbeit für eine Dissertation oder eine Anerkennung einer Dissertation für eine Diplomarbeit bzw. Masterarbeit nicht zulässig ist. Die Anwendung eines Analogieschlusses ist in diesem Fall ausgeschlossen.

Ebenso ist die Meinung der Beschwerdeführerin, wonach der einzige Unterschied zwischen Dissertation und Diplomarbeit darin bestehen soll, dass im Rahmen der Dissertation ein höherer Grad an eigenständiger wissenschaftlicher Leistung gefordert wird, nicht richtig. Im Gesamtkontext des Studienrechtes (siehe dazu zweiter Teil des Universitätsgesetz[es] 2002, §§51 ff) ist klar und deutlich zu entnehmen, dass die Erstellung einer Diplom- oder Masterarbeit lediglich einen, wenn auch wichtigen, Teil des Diplom- oder Masterstudiums darstellt und diesbezüglich besondere Anforderungen verlangt, während die Dissertation das überwiegende und wichtigste Element in einem Doktoratsstudium darstellt. Es ist bei weitem zu einfach, den Unterschied zwischen Diplom- bzw. Masterarbeit und der Erstellung einer Dissertation lediglich auf eine höherwertige wissenschaftliche Arbeit zu reduzieren. Da die Bedeutungen der jeweiligen wissenschaftlichen Arbeiten in ihrem Studienzusammenhang ganz unterschiedlich zu bewerten sind, kann eine Durchmischung infolge von Anerkennungen nicht sinnvoll und wünschenswert sein."

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§51 Abs2 UG 2002 idF BGBl. I 74/2006 enthält folgende Begriffsbestimmungen für die Begriffe "Diplomstudien", "Diplomarbeiten", "Doktoratsstudien" und "Dissertationen":

"§51. [...]

(2) [...]

3. Diplomstudien sind die ordentlichen Studien, die sowohl der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern, als auch deren Vertiefung und Ergänzung dienen. Diese Studien erfüllen die Anforderungen der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, Amtsblatt Nr. L 019 vom 24. Jänner 1989.

[...]

8. Diplom- und Masterarbeiten sind die wissenschaftlichen Arbeiten in den Diplom- und Masterstudien, die dem Nachweis der Befähigung dienen, wissenschaftliche Themen selbstständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten.

[...]

12. Doktoratsstudien sind die ordentlichen Studien, die der Weiterentwicklung der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit sowie der Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Grundlage von Diplom- und Masterstudien dienen.

13. Dissertationen sind die wissenschaftlichen Arbeiten, die anders als die Diplom- und Masterarbeiten dem Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen.

[...]"

§85 UG 2002 lautete in der Stammfassung (BGBl. I 120):

"Anerkennung von Diplom- und Magisterarbeiten, künstlerischen Diplom- und Magisterarbeiten sowie Dissertationen

§85. Diplom- oder Magisterarbeiten, künstlerische Diplom- oder Magisterarbeiten oder Dissertationen, die an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden, sind vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ auf Antrag anzuerkennen, wenn sie den Anforderungen einer Diplom- oder Magisterarbeit, künstlerischen Diplom- oder Magisterarbeit oder einer Dissertation entsprechen."

Mit der Novelle BGBl. I 74/2006 erhielt §85 leg.cit. die Überschrift "Anerkennung von Diplom- und Masterarbeiten sowie künstlerischen Diplom- und Masterarbeiten" und lautet nunmehr:

"§85. Diplom- oder Masterarbeiten oder künstlerische Diplom- oder Masterarbeiten, die an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden, sind von dem für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ auf Antrag anzuerkennen, wenn sie den Anforderungen einer Diplom- oder Masterarbeit oder künstlerischen Diplom- oder Masterarbeit entsprechen."

III. Der Verfassungsgerichthof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Die belangte Behörde bestreitet die Rechtzeitigkeit der Beschwerde.

Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am Donnerstag, dem 29. März 2007 (d.i. - laut Rückschein - der erste Tag der Abholfrist des nach §17 Abs3 Zustellgesetz hinterlegten Bescheides), zugestellt. Die Beschwerdefrist endete daher am Donnerstag, dem 10. Mai 2007. Die Beschwerde ist am Montag, dem 14. Mai 2007, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Ein Poststempel, aus dem sich das Datum der Postaufgabe erschließen ließe, fehlt. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, nähere Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu machen, hat der Vertreter der Beschwerdeführerin eine "eidesstättige Erklärung" vorgelegt, in der er erklärt, dass er die Beschwerde am 10. Mai 2007 seiner Sekretärin mit dem Auftrag übergeben hat, diese zur Post zu geben, und dass er die Beschwerdeführerin, nachdem er sich bei der Sekretärin vergewissert hat, dass die Beschwerde zur Post gegeben wurde, am selben Tag per E-Mail davon informiert und ihr eine Gleichschrift des Beschwerdeschriftsatzes übermittelt hat. Weiters wurden eine diese Angaben bestätigende "eidesstättige Erklärung" der Sekretärin des Vertreters der Beschwerdeführerin und ein Ausdruck des erwähnten E-Mails vorgelegt. Der Zahlschein, mit dem die Entrichtung der Gebühren nach §17a VfGG belegt wurde, trägt einen Stempel mit dem Datum "10.5.2007".

Der Verfassungsgerichtshof nimmt es auf Grund dieser Umstände und der vorgelegten Bescheinigungsmittel als erwiesen an, dass die Beschwerde am 10. Mai 2007 (und damit fristwahrend) zur Post gegeben wurde.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Vorgängerregelung des §85 UG 2002 war §64 des Universitäts-Studiengesetzes, BGBl. I 48/1997, der die Anerkennung von "wissenschaftlichen Arbeiten, die an einer inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden" vorsah, wenn sie jeweils den Anforderungen "einer Diplomarbeit oder Dissertation" entsprachen. Die Regierungsvorlage begründete die Schaffung der Möglichkeit zur Anerkennung wissenschaftlicher Arbeiten für andere Studienrichtungen wie folgt (588 BlgNR 20. GP, 97):

"Im Gegensatz zu der differenzierten Regelung im geltenden Recht wird nunmehr vorgeschlagen, wissenschaftliche Arbeiten generell anerkennungsfähig zu machen. Der Wertungswiderspruch, die Anerkennung von Prüfungen für andere Studienrichtungen auf Grund der Gleichwertigkeit zuzulassen und bei wissenschaftlichen Arbeiten dies grundsätzlich auszuschließen, wird daher nicht aufrechterhalten. ..."

Mit (der Stammfassung des) §85 UG 2002 sollte die frühere Regelung inhaltlich übernommen werden (vgl. die RV zum UG 2002, BlgNR 1134 21. GP). Mit dem Bundesgesetz BGBl. I 74/2006 erfolgte die Streichung des Wortes "Dissertationen". Aus dem (auch in der Äußerung des Bundesministers zitierten) Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung (1308 BlgNR 22. GP) geht hervor, dass die Gesetzesänderung im Nationalrat mit folgenden Überlegungen begründet wurde:

"Zu Z5 und 6 (§85 Universitätsgesetz 2002):

Doktoratsprogramme sind der dritte Zyklus der Hochschulausbildung im Rahmen des Bolognaprozesses und die wissenschaftlichen Aushängeschilder einer Universität. Es ist daher nicht gerechtfertigt, dass die einmalige Anfertigung einer Dissertation für zwei oder auch mehr Doktoratsstudien verwendet werden kann. In diesem Fall kann nämlich derzeit der bloße Eindruck erweckt werden, dass Personen mit zwei Doktorgraden auch tatsächlich eine höhere wissenschaftliche Leistung erbracht haben. Um diese Irreführung künftig zu vermeiden, wird vorgeschlagen, die Möglichkeit der Anerkennung von Dissertationen aufzuheben."

2.2. Der Wortlaut des §85 UG 2002 enthält in der Fassung BGBl. I 74/2006 keinen Hinweis mehr auf Dissertationen. Die Bestimmung schließt es somit nicht nur aus, dass eine in einer bestimmten Studienrichtung approbierte Dissertation als Dissertation einer anderen Studienrichtung anerkannt werden kann, sondern steht offenbar auch einer Anerkennung von Dissertationen als Diplomarbeit einer anderen Studienrichtung entgegen: hiefür kommen nach den einleitenden Worten des §85 leg.cit. nur Diplom- und Masterarbeiten in Betracht.

Der Gerichtshof teilt nicht die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang vertretenen gleichheitsrechtlichen Bedenken, die im Ergebnis auf dem Größenschluss beruhen, eine Dissertation sei gegenüber einer Diplomarbeit in jedem Fall ein Mehr, etwas Höherrangiges; wenn eine Diplomarbeit im Fall der Gleichwertigkeit durch die Diplomarbeit einer anderen Studienrichtung substituiert werden kann, dann müsste sie umso eher durch eine Dissertation substituiert werden können. Eine solche Argumentation übersieht, dass das UG 2002 Diplomarbeiten einerseits und Dissertationen andererseits als etwas qualitativ Verschiedenes betrachtet. Während die Diplomarbeiten im Zusammenhang mit einer Berufsvorbereitung stehen und dem Nachweis der Befähigung dienen, wissenschaftliche Themen selbstständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten (§51 Abs2 Z8 leg.cit.), sind Dissertationen wissenschaftliche Arbeiten, die "anders [Hervorhebung durch den Gerichtshof] als die Diplom- und Magisterarbeiten" dem Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen (§51 Abs2 Z13 leg.cit.). Zu Recht weist der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in seiner Stellungnahme auch darauf hin, dass die Dissertation das entscheidende Element eines Doktoratsstudiums darstellt, während die Diplomarbeit den Abschluss eines Diplomstudiums bildet, bei dem das Schwergewicht zunächst auf den zahlreichen Prüfungen liegt.

Nun trifft es sicher zu, dass die Approbation einer Dissertation in der Regel den Schluss erlaubt, der Verfasser wäre auch und umso eher in der Lage gewesen, eine Diplomarbeit zu demselben Thema bzw. in diesem Fach zu verfassen. Der Gesetzgeber wäre daher im Hinblick auf solche Überlegungen wohl berechtigt, eine Anerkennung von Dissertationen als Diplomarbeiten einer anderen Studienrichtung zuzulassen. Er ist aber andererseits von Verfassungs wegen nicht verhalten, eine solche Anerkennung vorzusehen, sondern kann auch auf die unterschiedliche Zielsetzung, Aufgabenstellung und Methodik der beiden Typen von wissenschaftlichen Arbeiten Bedacht nehmen und im Hinblick darauf die Anerkennung versagen. Der Umstand, dass jemand eine (hohe) fachliche Qualifikation nachweisen kann, die es ihm mutmaßlich erlaubt, auch Aufgaben zu erfüllen, die bloß eine niedrigere fachliche Qualifikation erfordern, bedeutet gleichheitsrechtlich nicht unbedingt, dass die höherrangige Qualifikation stets auch zur Erfüllung von Aufgaben mit niedrigerem Qualifikationserfordernis berechtigen muss.

Dazu kommt noch das Folgende: Der Gesetzgeber hat mit beachtenswerten Gründen in der Novelle BGBl. I 74/2006 die Anerkennung von Dissertationen als Dissertation einer anderen Studienrichtung pro futuro ausgeschlossen. Das bedeutet, dass die Erlangung eines zweiten Doktorates nunmehr die Abfassung einer zweiten Dissertation voraussetzt. Der Gerichtshof hegt gegen eine solche Regelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dann wäre es aber inkonsequent, wenn mit ein und derselben approbierten Dissertation neben einem Doktorgrad auch der Grad eines Magisters erlangt werden könnte.

2.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (oben, Pkt. 2.2.) ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichthof abzutreten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Hochschulen, VfGH / Fristen, Zustellung, Beschwerdefrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B781.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten