TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/21 99/07/0200

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Veröffentlicht am 21.01.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AAEV 1996 §1 Abs1 Z3;
AAEV 1996 §1 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §2 Abs1 lita;
WRG 1959 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der B AG in Wien, vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien I, Rosenbursenstraße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. September 1999, Zl. Wa-202391/60/Lab/Pf, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf den geänderten Grenzwert für die Ableitung in das Tankhafenbecken Ost gemäß der lit. a des Spruchpunktes I Z. 3 des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 1. August 1997 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters von Linz vom 1. August 1997 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 31 Abs. 1 und 3 WRG 1959 aufgetragen, Sanierungsmaßnahmen, die nach dem Auftreten einer Boden- und Gewässerverunreinigung auf Grund einer lecken Dieselleitung im Bereich des Tanklagers Linz bereits eingeleitet worden waren, fortzusetzen, diese zu dokumentieren und in halbjährlichen Zwischenberichten der Wasserrechtsbehörde zur Kenntnis zu bringen.

Unter Spruchpunkt I. 3) wurden folgende Grenzwerte im Dauerbetrieb für die Wasserableitung aus den Sperrbrunnen festgesetzt:

"a) für die Ableitung in das Tankhafenbecken Ost 1,0 mg/l an KW ges.

b) für die Einleitung in den Kanal 20 mg/l an KW ges."

Weiter wurde im Bescheid unter Spruchpunkt I. 5) angeordnet:

"Die Sanierung des Bodens, der Bodenluft und des Grundwassers muss solange fortgesetzt werden, bis folgende Sanierungsziele nachweislich durch monatliche Analysen über die Dauer von sechs Monaten erreicht bzw. unterschritten werden:

A) für das Grundwasser:

a) im Abstrombereich: KW ges. < 60 (g/l b) im Kontaminationszentrum: KW ges. < 200 (g/l B) für den Boden in Bereichen, wo ein Aushub technisch

möglich ist:

KW ges. < 500 mg/kg Trockensubstanz

und < 0,1 mg/l im Eluat

C) für den Boden bzw. die Bodenluft in kontaminierten Bereichen an zumindest drei noch festzulegenden Stellen dort, wo ein Aushub auf Grund von Einbauten technisch nicht möglich ist:

Mineralölkohlenwasserstoffe < 50 mg/m Bodenluft und < 0,1 mg/l im Eluat"

In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. ausgeführt, dass im März 1997 ein Ölfilm in Tankhafenbecken Ost aufgetreten sei, als dessen Ursache nach umfangreichen Ermittlungen eine Undichtheit der Dieselleitung der Eigenbedarfszapfsäule der beschwerdeführenden Partei identifiziert worden sei. In weiterer Folge sei eine Verunreinigung des Bodens wie auch des Grundwassers aufgetreten, wobei die Gefahr bestanden habe, dass sich diese weiter ausbreite. Es sei sodann die Firma Intergeo mit der Sanierung beauftragt und ein Sperrbrunnen errichtet worden.

Auf Grund der Größe und Ausdehnung der vorhandenen Kontamination sei eine gänzliche Sanierung noch nicht möglich gewesen. Insbesondere liege eine erhebliche Grundwasserbelastung vor; auch der Boden weise noch massive Kontaminationen auf.

Es seien daher vom (wasserbautechnischen) Amtssachverständigen aus fachlicher Sicht die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeführten Maßnahmen für erforderlich erachtet worden, um eine ordnungsgemäße Weiterführung und Beendigung der noch erforderlichen Sanierungsmaßnahmen sicherzustellen.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen die Spruchpunkte I. 3) lit. a und 5) lit. B dieses Bescheides Berufung. In ihrer Begründung führte sie aus, das Tankhafenbecken Ost sei Teil des öffentlichen, fließenden Gewässers Donau und daher die AAEV anwendbar. Gemäß § 4 Abs. 1 dieser Verordnung wären die in Anlage A vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte heranzuziehen. Es läge dabei nicht im Ermessen der Behörde, strengere Grenzwerte vorzuschreiben. Demgemäß sei die von der erstinstanzlichen Behörde vorgeschriebene Kohlenwasserstoffmenge von gesamt 1,0 mg/l gesetzlich nicht gedeckt. Das Sanierungsziel für den Boden sei entsprechend dem von einem Sachverständigengremium vorgeschlagenen Grenzwert von 1000 mg/kg für Kohlenwasserstoffe im Boden ausreichend. Ein niedrigerer Grenzwert sei nicht festzusetzen, weil es sich zum einen bei dem ausgetretenen Diesel um ein schwer flüchtiges Mineral und zum anderen beim Unfallgebiet um ein Industriegebiet handle.

Die belangte Behörde holte daraufhin ergänzende Stellungnahmen eines Amtssachverständigen für Chemie und einer Amtssachverständigen für Biologie ein.

Der Amtssachverständige für Chemie erklärte in seiner ergänzenden Stellungnahme u.a., der von der Behörde festgesetzte Eluatwert von weniger als 0,1 mg/l für den Boden stelle einen zur Sanierung geeigneten Grenzwert dar. Das von der erstinstanzlichen Behörde festgesetzte Sanierungsziel von 500 mg/kg Kohlenwasserstoffe stehe besser im Einklang mit dem Eluatwert von 0,1 mg/l als der von der beschwerdeführenden Partei beantragte Wert von 1000 mg/l. Er entspräche überdies in der vom Umweltbundesamt herausgegebenen Broschüre "Technische Grundlagen KW-belasteter Böden" dem für den gegebenen Fall vorgesehenen Sanierungszielwert von 500-1000 mg/kg Trockensubstanz. Die Festlegung der in der zitierten Broschüre angeführten Bandbreite, welche als Beurteilungsgrundlage herangezogen worden sei, deute darauf hin, dass eine konkrete Festsetzung im Einzelfall durch den Sachverständigen zu erfolgen habe. Die AAEV sei im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden, weil ihr Anwendungsbereich nicht auch Sanierungsmaßnahmen umfasse. Zudem fiele das dabei abgeleitete Grundwasser nicht unter den "Abwasserbegriff" der AAEV, weil es sich nicht um verändertes Grundwasser im Sinne des Gesetzes handle. Die Vorschreibung niedrigerer Grenzwerte sei auch unter dem Aspekt der Sanierung sowie einer möglichst geringen Verfrachtung von Schadstoffen sinnvoll und empfehlenswert.

Die Amtssachverständige für Biologie führte in ihrer ergänzenden Stellungnahme u.a. aus, die in der AAEV vorgegebenen Grenzwerte bezögen sich auf Fließgewässer, welche eine gute Durchmischung des Wassers aufwiesen und einen raschen Abtransport der Schadstoffe gewährleisteten, was in einem Hafenbecken jedoch trotz des großen Wasservolumens nicht der Fall sei. Überdies sei dem Amtssachverständigen für Chemie beizupflichten, dass das im Zuge von Sanierungsmaßnahmen eingeleitete verunreinigte Grundwasser nicht unter den Abwasserbegriff der AAEV fiele, weshalb die zitierte Verordnung nicht zur Anwendung komme. Ebenso wenig sei die Verordnung über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Tankstellen und Fahrzeugreparatur- und - waschbetrieben anwendbar, weil sie nicht auf die Wassereinleitung aus Sperrbrunnen zutreffe. Aus fachlicher Sicht sei zudem die geringst mögliche Wasserbeeinträchtigung bei der Einleitung zu fordern, weil sich mineralölbürtige Kohlenwasserstoffe bereits in geringen Konzentrationen sehr ungünstig auf die Wasserorganismen auswirkten. Exakte Aussagen darüber, ab welchem Einleitwert in das Tankhafenbecken eine wesentliche Gewässerbeeinträchtigung zu erwarten sei, könnten jedoch keine gemacht werden, weil entsprechende Angaben über Vorbelastung und Strömung des Wassers im Hafenbecken und dementsprechende Untersuchungen fehlten.

In der zu diesen ergänzenden fachlichen Stellungnahmen erfolgten Äußerung führte die beschwerdeführende Partei u.a. aus, dass die AAEV auf den gegenständlichen Fall sehr wohl anwendbar sei, weil es sich bei dem über den Sperrbrunnen abgepumpten Grundwasser um Abwasser im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AAEV handle. Es sei auf Grund eines Missverständnisses seitens der beschwerdeführenden Partei unterblieben, neben dem Grenzwert der Kohlenwasserstoffe bezogen auf die Trockensubstanz auch den Eluatgrenzwert zu bekämpfen. Eine amtswegige Anpassung werde angeregt. Es sei weiters bislang die Ursache für die im Hafenbecken aufgetretenen Ölschlieren nicht eindeutig identifiziert worden. Schließlich dürften auf Grund der von der Sachverständigen für Biologie festgestellten Unmöglichkeit, exakte Aussagen über die Gewässerbeeinträchtigung zu machen, keine strengeren als die in der AAEV vorgegebenen Grenzwerte von der Behörde festgesetzt werden, weil eben die entsprechenden Untersuchungen fehlten.

Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei wurde von der belangten Behörde zur ergänzenden Stellungnahme einem wasserbautechnischen Amtssachverständigen übermittelt. In Ergänzung der Stellungnahmen der biologischen wie des chemischen Amtssachverständigen wird in der ergänzenden Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen u.a. ausgeführt, dass die Festlegung eines Sanierungszieles in der Form eines Kohlenwasserstoffwertes in der Trockensubstanz der Schadstoffminimierung, die Festlegung der Eluatgrenzwerte der Verhinderung der Ausbreitung von Schadstoffen diene. Die Festlegung der Sanierungsziele im untersten Bereich sei erforderlich, weil es sich zwar bei dem Unfallgebiet um ein Industriegebiet handle, dies aber nicht zwangsläufig eine Grundwasserbelastung nach sich ziehe. Zudem sei auch in der Broschüre "Technische Grundlagen KW-belasteter Böden" unabhängig vom Siedlungsgebiet bei einer Grenzwertüberschreitung ein Handlungsbedarf gegeben, sodass ein Sanierungsziel von max. 1000 mg/kg Trockensubstanzwert erreicht werden solle. Die Strömungen im Tankhafenbecken entsprächen, "obwohl es sich um ein Fließgewässer" handle, eher jenen eines stehenden Gewässers.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. September 1999 wurde der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die im Dauerbetrieb einzuhaltenden Grenzwerte im Sinne des Spruchpunktes I. 3) des erstinstanzlichen Bescheides zu betragen hätten:

"a) für die Ableitung in das Tankhafenbecken Ost: 5,0 mg/l an KW ges.

b) für die Einleitung in den Kanal: 20,0 mg/l an KW ges."

In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei gemäß § 31 Abs. 1 WRG 1959 für die Durchführung der bei Gefahr der Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen verantwortlich sei. Nach § 31 Abs. 3 leg. cit. habe bei Nichtentsprechen die Wasserrechtsbehörde amtswegig die erforderlichen Maßnahmen aufzutragen. Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die allgemeine Begrenzung von Abwasseremissionen in Fließgewässer und öffentliche Kanalisationen (AAEV) sehe bei Einleitungen in Fließgewässer einen KW-Grenzwert von 10 mg/l vor, die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Tankstellen und Fahrzeugreparatur- und -waschbetrieben, BGBl. Nr. 872/1993, einen Grenzwert von 5 mg/l für die Summe der KW. Die dem Verfahren beigezogene Sachverständige für Biologie habe ebenso einen Wert von 5 mg/l vorgeschlagen. In diesem Sinne wären auch die erstinstanzlich festgesetzten Grenzwerte abzuändern gewesen. Gemäß § 31 Abs. 5 WRG 1959 bedürften behördlich angeordnete Maßnahmen keiner wasserrechtlichen Bewilligung, vielmehr ersetze die behördliche Anordnung die gesetzliche Bewilligung. Im Übrigen sei von der Behörde erster Instanz im ähnlich gelagerten "Schadensfall III" ein Einleitungsgrenzwert von 5,0 mg/l an Kohlenwasserstoffen gesamt vorgeschrieben worden. Unter Beachtung all dieser Umstände scheine eine unterschiedliche Behandlung dieser Einleitungen in das Hafenbecken weder nachvollziehbar noch notwendig, und es seien die diesbezüglichen Vorschreibungen abzuändern.

Die Sanierungsziele für den Boden seien u.a. wegen der Durchlässigkeit des Bodens, die auf Grund der unterirdischen Einbauten relativ groß sei, vorgeschrieben worden. Die Eluatwerte würden den tatsächlich mit Wasser mobilisierbaren Anteil der Schadstoffe angeben. Die Sanierungsziele im Abstrombereich könnten nur dann erreicht werden, wenn weitere Auslaugungen aus dem Boden unterbunden würden. Als Sanierungsziel für den Boden werde in Anlehnung an die Empfehlung des Arbeitskreises "Kohlenwasserstoffbelastete Böden" ein Wert von 0,1 mg/l fixiert. Dieser Wert gelte an Standorten mit einer Überschreitung der Maßnahmenschwellenwerte für das Grundwasser. Das sei beim gegenständlichen "Dieselschaden" der Fall. In der Richtlinie für "KW-belastete Böden" werde angegeben, dass bei Überschreiten des Maßnahmenschwellenwertes des Grundwassers für den Boden ein Handlungsbedarf und somit ein Maßnahmenschwellenwert von 0,1 mg/l gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

In der Beschwerde wird insbesondere vorgebracht, die belangte Behörde hätte in ihrem Bescheid bei Festlegung der Grenzwerte für die Einleitung in das Hafenbecken, die in Anlage A der AAEV angeführten Werte heranziehen müssen. Die AAEV komme zur Anwendung, weil es sich bei dem gegenständlichen Tankhafenbecken um einen Teil, präzise eine "Verzweigung" des öffentlichen fließenden Gewässers Donau und daher im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a WRG 1959 um ein fließendes Gewässer handle. Das über die Sperrbrunnen abgepumpte Grundwasser stelle als nunmehr in Reinigungsprozessen verwendetes Wasser Abwasser im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AAEV dar, weil der Brunnen weniger der Reinigung des Grundwassers als vielmehr der gesättigten Bodenzone diene. Die bewusst erfolgte Installation unterstütze die Durchströmung der Bodenzone mit Grundwasser, welches im Zuge dessen zu Abwasser im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AAEV werde. Daher komme der in Anlage A der Verordnung normierte Grenzwert von 10 mg/l KW zur Anwendung, wohingegen der von der belangten Behörde festgesetzte Grenzwert von 5 mg/l an KW für die Wasserableitungen in das Tankhafenbecken zu niedrig angesetzt sei. Die gemäß § 4 Abs. 1 AAEV in Anlage A dieser Verordnung vorgeschriebenen Grenzwerte seien im Übrigen zwingend und räumten der Behörde kein Ermessen zur Vorschreibung niedrigerer Grenzwerte ein. Die belangte Behörde zitiere keine Norm, aus welcher sie den bescheidmäßig vorgeschriebenen Grenzwert herleite, sondern stütze sich lediglich auf einen bereits in einem ähnlich gelagerten Schadensfall von der erstinstanzlichen Behörde festgelegten Grenzwert.

Die belangte Behörde beziehe sich auf ein biologisches Amtsachverständigengutachten, in welchem ausgeführt werde, dass "exakte Aussagen, ab welchem Einleitwert in das Hafenbecken eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers zu erwarten ist, auf Grund der vorliegenden Unterlagen nicht gemacht werden" (könnten). Dementsprechend wäre es der Behörde auch nicht möglich gewesen, niedrigere Grenzwerte vorzuschreiben, weil sie die entsprechenden Untersuchungen unterlassen hätte und exakte Aussagen nicht vorlägen.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführende Partei insbesondere geltend, die Amtssachverständige für Biologie habe in ihrer Stellungnahme vom 9. Dezember 1997, auf welche sich die belangte Behörde offenkundig beziehe, ihre Aussage mit der Einschränkung verknüpft, dass exakte Aussagen, ab welchem Einleitwert in das Hafenbecken eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers zu erwarten sei, auf Grund der vorliegenden Unterlagen nicht gemacht werden könnten. Dazu wären Angaben über die Vorbelastung des Wassers im Hafenbecken erforderlich gewesen, weiters Angaben über die spezifischen Bedingungen - wie Durchströmung des Hafenbeckens, Austauschvorgänge usw. Eine entsprechende Beurteilung sei nur auf der Basis eingehender Untersuchungen der örtlichen Verhältnisse und darauf aufbauender Prognosen möglich. Wenn die Behörde bei der Bestimmung des Grenzwertes für die Einleitung der Abwässer in das Hafenbecken einen Ermessensspielraum hätte (was freilich auf Grund der vorstehenden Überlegungen betreffend die inhaltliche Rechtswidrigkeit zu verneinen sei), könne sie dieses Ermessen nicht gesetzmäßig ausüben, weil ja gerade jene Kriterien, die im konkreten Fall für die Bestimmung dieses Grenzwertes erforderlich wären, nicht erhoben worden seien. Mit Rücksicht auf die Offizialmaxime wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, jene Untersuchungen von Amts wegen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, die erforderlich seien, um zu begründbaren Grenzwerten zu gelangen. Keinesfalls könnten überzogene Grenzwerte gleichsam "auf Verdacht vorgeschrieben werden, wie es die Behörde im gegenständlichen Fall getan habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben, dass eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Wirkungsbereich des Bergbaues betroffen wird, nach § 31 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich vornehmen zu lassen.

Maßnahmen, die Gegenstand einer behördlichen Anordnung oder eines behördlichen Auftrages gemäß Abs. 3 oder 4 sind, bedürfen nach § 31 Abs. 5 leg. cit. in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, keiner wasserrechtlichen Bewilligung. Soweit durch solche Maßnahmen Rechte Dritter berührt werden, findet § 72 Anwendung.

Insoweit die beschwerdeführende Partei vorbringt, die Allgemeine Abwasseremissionsverordnung (AAEV) gelange zur Anwendung, weil die Einleitung des kontaminierten Wassers in ein öffentliches fließendes Gewässer, nämlich einen Teil der Donau, erfolge und es sich dabei um Abwasser handle, ist dazu auszuführen:

Gemäß § 1 Abs. 1 AEEV gilt diese Verordnung u.a. für die Einleitung von Abwasser in Fließgewässer oder öffentliche Kanalisationen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3  erster Satz AEEV ist Abwasser im Sinne der Verordnung Wasser, das infolge der Verwendung in Aufbereitungs- , Veredelungs-, Weiterverarbeitungs-, Produktions-, Verwertungs-, Konsumations- oder Dienstleistungs- sowie Kühl-, Lösch-, Reinigungs-, Desinfektions- oder sonstigen nicht natürlichen Prozessen in seinen Eigenschaften derart verändert wird, dass es Gewässer in ihrer Beschaffenheit (§ 30 WRG 1959) zu beeinträchtigen oder zu schädigen vermag.

Die beschwerdeführende Partei weist in der Beschwerde darauf hin, dass der "im Zentrum der Kontamination" niedergebrachte Sperrbrunnen bzw. Sanierungsbrunnen dazu diene, dass mehr Grundwasser angesaugt und mehr Grundwasser mit einer erhöhten Geschwindigkeit die kontaminierte gesättigte Bodenzone durchströme, als dies bei natürlichen Strömungsverhältnissen der Fall wäre. Auf diese Weise könne die gesättigte Bodenzone durch ein verstärktes Ausschwemmen der Schadstoffe saniert werden. Das dem Sanierungsbrunnen entnommene Grundwasser sei somit als Wasser zu betrachten, das "infolge der Verwendung in ... Reinigungs- ...", sohin in "nicht natürlichen Prozessen in seinen Eigenschaften" verändert werde, weshalb es gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AAEV Abwasser sei.

Dieser Ansicht ist zu folgen. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es sich bei dem aus dem Sperrbrunnen in das Tankhafenbecken abgeleiteten und mit Kohlenwasserstoff kontaminierten Wasser um Abwasser handelt.

Insoweit die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der Definition eines Fließgewässers auf § 2 Abs. 1 WRG verweist, ist daraus schon deshalb nicht gewonnen, weil die dort getroffene Definition "öffentliche Gewässer" - im Gegensatz zu Privatgewässern (vgl. § 3 leg. cit.) - betrifft, wobei sich keine nähere Erklärung, was unter einem "Fließgewässer" zu verstehen ist, in dieser Bestimmung findet. Die Donau gehört nach Anhang A Z. 4 lit. a in Oberösterreich zu den öffentlichen Gewässern.

Auch die AAEV definiert den Begriff "Fließgewässer" nicht näher. Unter fließende Gewässer fallen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Quellen, Rinnsale, Bäche, Flüsse, Ströme (vgl. dazu Brockhaus, Enzyklopädie, 20. Auflage, 8. Band, S 495). Aus dieser Aufzählung ist zu ersehen, dass es bei einem Fließgewässer im Wesentlichen auf ein tatsächliches Fließen des Wassers ankommt. Auch wenn das gegenständliche Hafenbecken auf Grund des Hinweises in § 2 Abs. 1 lit. a WRG 1959, wonach die dort genannten Gewässer "mit allen ihren Armen, Seitenkanälen und Verzweigungen" zu den öffentlichen Gewässern zählen, als öffentliches Gewässer zu werten ist, kann daraus noch nichts für die Frage gewonnen werden, ob unter Fließgewässer im Sinne der AAEV auch das - nach den Feststellungen der von der Behörde beigezogenen Amtssachverständigen - vor allem stehende Wasser in einem Hafenbecken zu verstehen ist.

Es ist offensichtlich, dass bei einer Einleitung von mit Kohlenwasserstoffen kontaminiertem Abwasser in ein Hafenbecken nicht dieselben Voraussetzungen gegeben sind wie bei einer Einleitung dieser Abwässer in ein tatsächlich fließendes Gewässer. Auf diesen Aspekt wurde insbesondere von der Amtssachverständigen für Biologie in ihrer Stellungnahme vom 9. Dezember 1997 hingewiesen. Da durch die AEEV die Auswirkungen der Einleitung von schädlichen Abwasserinhaltsstoffen möglichst gering gehalten werden sollen (vgl. die in § 2 dieser Verordnung festgehaltenen allgemeinen Grundsätze der Behandlung von Abwasser und Abwasserinhaltsstoffen), geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Verordnunggeber bei der Festlegung von Grenzwerten für die Einleitung von Abwasser etc. in ein Fließgewässer auch von einem Fließen jenes Gewässers, in das die Einleitung erfolgt, ausgegangen ist.

Die Einleitung von Abwasser in ein Hafenbecken, in dem das Wasser nach den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen der Amtssachverständigen im Wesentlichen steht, stellt jedoch keine "Einleitung in ein Fließgewässer" im Sinne dieser Verordnung dar. Da somit bereits eine wesentliche Voraussetzung , nämlich die Einleitung von Abwässern "in ein Fließgewässer" nicht gegeben ist, findet die AEEV auf die gegenständliche Einleitung von Abwasser keine Anwendung.

Auch die Verordnung für die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Tankstellen und Fahrzeugreparatur- und -waschbetrieben, BGBl. Nr. 872/1993, hat u.a. Grenzwerte für "Einleitungen in ein Fließgewässer" festgelegt. Auch diesbezüglich gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß, sodass schon aus diesem Grund eine Anwendung dieser Verordnung nicht unmittelbar in Betracht kommt.

Die beschwerdeführende Partei zeigt jedoch mit ihrer Verfahrensrüge betreffend die Festlegung der Höhe des für die Ableitung in das Tankhafenbecken einzuhaltenden Grenzwertes von 5,0 mg/l an "Kohlenwasserstoff gesamt" die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf.

Die Tatsache, dass die vorzitierte Verordnung BGBl. Nr. 872/1993 den in Rede stehenden Grenzwert in der im angefochtenen Bescheid festgelegten Höhe festsetzte, und derselbe Grenzwert auch im Rahmen einer anderen, der beschwerdeführenden Partei erteilten wasserrechtlichen Bewilligung festgelegt wurde, vermag für sich noch nicht zu begründen, weshalb es im Beschwerdefall erforderlich war, den Grenzwert für den in Rede stehenden Parameter gerade in der von der belangten Behörde festgelegten Höhe festzusetzen. Die Amtssachverständige für Biologie hielt zwar einen Grenzwert von 1,0 mg/l für erforderlich; gleichzeitig wies sie aber darauf hin, dass eine entsprechende Beurteilung, ab welchem Einleitwert in das Hafenbecken eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers zu erwarten ist, nur auf der Basis eingehender Untersuchungen der örtlichen Verhältnisse und darauf aufbauender Prognosen möglich ist. Es hätte daher entweder der Durchführung der von der Amtssachverständigen angesprochenen Erhebungen oder einer eingehenden Begründung bedurft, warum - ohne diese Erhebungen - der vorgeschriebene Grenzwert von 5,0 mg/l für den Gewässerschutz erforderlich war.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser im dargelegten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 3 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Der Beschwerdeführer hat zu Spruchpunkt I Z. 5 lit. B des erstinstanzlichen Bescheides kein zur Aufhebung dienliches Vorbringen erstattet, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 21. Jänner 2003

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999070200.X00

Im RIS seit

29.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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