TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/22 2000/08/0049

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Veröffentlicht am 22.01.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §273;
ABGB §273a Abs1;
AVG §37;
AVG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch die Sachwalterin Dr. A, diese vertreten durch Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 57-59/12a, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. Dezember 1999, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999- 2548, betreffend Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, dem auf Grund seines Antrages vom 5. November 1997 Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung gewährt wurden, stand gleichzeitig vom 16. Juli 1998 bis 6. August 1998 in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis. Dies wurde der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice durch eine Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 24. Juni 1999 bekannt.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 28. September 1999 wurde ausgesprochen, dass gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 16. Juli 1998 bis 6. August 1998 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 2.913,-- verpflichtet werde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung im angegebenen Zeitraum zu Unrecht bezogen, weil er gleichzeitig in einem Dienstverhältnis gestanden sei.

Beim Versuch, den Bescheid an den Beschwerdeführer zuzustellen, wurde der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice durch das Schreiben der Rechtsanwältin Dr. A vom 15. Oktober 1999 bekannt, dass sie mit Beschluss des Bezirksgerichtes Z vom 7. April 1998 für den Beschwerdeführer gemäß § 273 ABGB zur Sachwalterin bestellt wurde. Nach dem Inhalt dieses Beschlusses obliegt der Sachwalterin die Besorgung folgender Angelegenheiten (§ 273 Abs. 3 Z. 2 ABGB):

1. Verwaltung und allfällige Verwertung des Liegenschaftsvermögens, einschließlich Verwendung und Anlegung daraus erzielter Erlöse und Erträge und Überprüfung der vom Betroffenen über dieses Vermögen geschlossenen Vereinbarungen und abgegebenen Erklärungen, sowie Geltendmachung und Durchsetzung der ihm hieraus zustehenden Forderungen,

2. Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern in Angelegenheiten, die über die Dinge des täglichen Lebens hinausgehen,

3. im Rahmen der Punkte 1. und 2. Vertretung vor Gericht und sonstigen Behörden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 28. September 1999 keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde führte nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, gemäß § 12 Abs. 3 AlVG sei nicht arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis stehe. Da dies beim Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum der Fall gewesen sei, sei Arbeitslosigkeit, eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des Arbeitslosengeldes, nicht gegeben gewesen. Die Leistung sei daher gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe darauf vertraut, der Dienstgeber werde dem Arbeitsmarktservice die Beschäftigungsaufnahme bekannt geben, sei entgegenzuhalten, dass die Meldepflichten gegenüber dem Arbeitsmarktservice immer den Leistungsbezieher selbst treffen. Der Beschwerdeführer habe dies auch mit seiner Unterschrift bei der Antragstellung zur Kenntnis genommen. Da der Beschwerdeführer diese Beschäftigung dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet habe, werde die Leistung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert.

In der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde habe die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 273 Abs. 3 Z. 2 ABGB für ihn nicht festgestellt. Diese Sachwalterschaftsbestellung beziehe sich auch auf seine Vertretung vor dem Arbeitsmarktservice. Ein Verschulden des Beschwerdeführers sei infolge mangelnder Geschäftsfähigkeit nicht gegeben gewesen. Der Leistungsempfänger müsse gemäß § 25 Abs. 1 AlVG subjektiv erkennen können, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre. Diese "subjektive Erkennbarkeit" sei beim Beschwerdeführer nicht gegeben gewesen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Den Behauptungen in der Beschwerde, den Beschwerdeführer treffe infolge der durch die Sachwalterbestellung nachgewiesenen mangelnden Geschäftsfähigkeit kein Verschulden an der Unterlassung der Meldung und er habe aus diesem Grund nicht erkennen können, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre, setzt die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, dass die Bestellung eines Sachwalters für bestimmte Angelegenheiten für die Entscheidung nicht relevant sei. Die Sachwalterbestellung sei darüber hinaus erstmals mit Schreiben vom 15. Oktober 1999 bekannt geworden.

Die Sachwalterschaft wird durch konstitutiven Beschluss des Außerstreitgerichtes begründet. Der Umfang der Geschäftsfähigkeit und damit der Prozessfähigkeit des Betroffenen richtet sich daher nach dem konkreten Gerichtsbeschluss, der zur Klärung von Zweifeln eingesehen werden muss (vgl. Koziol/Welser I 12. Auflage, 56). Der oben wiedergegebene Inhalt des gegenständlichen Gerichtsbeschlusses zeigt, dass sich die Bestellung eines Sachwalters für den Beschwerdeführer auf bestimmte Sachkomplexe (Verwaltung und Verwertung von Liegenschaften sowie Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern in Angelegenheiten, die über die Dinge des täglichen Lebens hinausgehen sowie in diesem Rahmen Vertretung vor Gericht und sonstigen Behörden) bezieht. Die Vertretung in einem Verfahren vor dem AMS gehört aber nicht zu den vom Sachwalter laut obigem Beschluss zu besorgenden Angelegenheiten. Die Antragstellung beim AMS nach Eintritt der Arbeitslosigkeit kann nicht als "Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern" angesehen werden. Der Beschwerdeführer war daher in diesem Verfahren in seiner (Geschäfts-) Prozessfähigkeit nicht beschränkt. Gegenteiliges wurde nicht behauptet. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 28. September 1999 an ihn persönlich erfolgte daher zu Recht. Aus der Mitteilung der Sachwalterin des Beschwerdeführers vom 15. Oktober 1999 ergibt sich, dass die Zustellung spätestens an diesem Tag erfolgt ist. Die nachfolgende Zustellung dieses Bescheides an die Sachwalterin ist rechtlich unerheblich. Die Berufungsfrist endete damit spätestens am 29. Oktober 1999. Die mit 4. November 1999 datierte, am 12. November 1999 eingelangte Berufung, die die Sachwalterin unter Berufung auf die erteilte Vollmacht erhob, ist daher verspätet. Ist aber die Berufung verspätet eingebracht worden, reicht die aus der Einbringung der Berufung erwachsende Zuständigkeit der Berufungsbehörde nur soweit, dass sie die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG durch verfahrensrechtlichen Bescheid zurückzuweisen hat. Mit der meritorischen Erledigung hingegen überschreitet die Berufungsbehörde ihre Zuständigkeit und belastet ihren Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. das hg Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 93/07/0167).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Jänner 2003

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000080049.X00

Im RIS seit

28.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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