TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/23 2000/16/0047

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Veröffentlicht am 23.01.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/16/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden 1. der A und 2. des M in G, beide vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstr. 9, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich je vom 6. Dezember 1999, zu 1.) Zl. RV365/1- 9/1999 und zu 2.) Zl. RV 364/1-9/1999, jeweils betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den beiden Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 31. März 1993 erwarben die beschwerdeführenden Eheleute von der Libau Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. Grundstücke in der KG 45624 Gallneukirchen je zur Hälfte um den Kaufpreis von zusammen S 577.955,--.

Auf Grund der diesbezüglichen Abgabenerklärung richtete das Finanzamt an die Beschwerdeführer ein Ersuchen um Ergänzung, wobei 17 Fragen vorgelegt wurden. Die im Akt erliegende Beantwortung der Fragen bezieht sich auf die für die gegenständliche Abgabenerklärung vergebene Steuernummer, ist aber nicht unterfertigt. Darin wird etwa die Frage, welchen Einfluss die Erwerber auf diese Gesamtkonstruktion genommen hätten, dahingehend beantwortet, dass das Bauvorhaben im Sinne des angeschlossenen Prospektes genehmigt worden sei. Bezüglich des Protokolls über die Bauverhandlung wird auf eine Beilage verwiesen. Die Libau habe um Baubewilligung angesucht, ihr sei sie auch erteilt worden. Die Frage, ob die Erwerber den bauausführenden Unternehmungen gegenüber unmittelbar berechtigt und verpflichtet seien, wurde bejaht und auf den angeschlossenen Entwurf eines Bauvertrages verwiesen, aus dem sich entnehmen lasse, dass auch nach Erteilung des Bauvertrages Änderungen des Gebäudes jederzeit möglich seien. Weiters wird dort ausgeführt, es werde demnächst mit Ing. Christian Schaumberger ein Rahmenvertrag im Sinne des angeschlossenen Vertragsentwurfs abgeschlossen werden. Die Einholung weiterer Anbote zur Errichtung des Gebäudes sei nicht zielführend, da es wahrscheinlich sei, dass auch die anderen Grundstückskäufer hinsichtlich des Objekts Punzenberg Ing. Christian Schaumberger beauftragen würden und als Einzelauftraggeber keinesfalls entsprechende Preise zu erzielen sein würden.

Mit der Anfragebeantwortung wurde, wie aus dem Akt ersichtlich, eine Vielzahl von Unterlagen vorgelegt. Dazu gehört etwa ein handschriftlich als "Muster" bezeichneter Bauvertrag für das gegenständliche Haus, welcher noch keinen Namen des Auftraggebers, wohl aber schon den Auftragnehmer Ing. Christian Schaumberger BauGmbH enthält. Weiters befindet sich dort der an die Libau GmbH gerichtete Baubewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1992, betreffend die Errichtung einer Reihenhausanlage "Punzenberg II", Haus Nr. 7. In einem mit 15. Jänner 1993 datierten Schriftstück wurden hinsichtlich der Reihenhausanlage "Punzenberg II" als Grundeigentümer die Libau GmbH, als Planverfasser Ing. Friedhart Kogler, als Vertragserrichter Notar Dr. Haunschmidt, als Generalunternehmer Ing. Christian Schaumberger BauGmbH und als "Verkäufer" die Treu-Service Verwaltungs- und BeteiligungsgesmbH ausgewiesen. Nach einer angeschlossenen Preisliste für zwölf Objekte betrugen die Grundkosten für die gegenständliche Parzelle S 577.955,-- und die Baukosten für das darauf zu errichtende Reihenhaus Nr. 7 S 2,839.830,--, somit die Gesamtkosten S 3,417.785,--

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz erließ am 8. Juni 1993 an die beiden Beschwerdeführer vorläufige Grunderwerbsteuerbescheide auf Grund einer Bemessungsgrundlage beinhaltend die obigen Bau- und Grundkosten sowie Vermessungskosten von je S 1,713542,--.

Mit den gegen diese Bescheide eingebrachten Berufungen wurde der tatsächlich abgeschlossene Bauvertrag, datiert mit 21. Juni 1993, vorgelegt, der die Beschwerdeführer als Auftraggeber enthält, ansonsten aber offenbar dem schon oben zitierten Muster entsprach.

Mit endgültigem Bescheid der belangte Behörde vom 14. Dezember 1994 wurde den Berufungen unter Anerkennung der Bauherrenstellung der Beschwerdeführer Folge geben und die Grunderwerbsteuer für die in Rede stehenden Vorgänge nach einem Kaufpreis von je S 293.627,50 bemessen.

Mit Bescheiden vom 9. Juli 1999 wurde die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt und die Grunderwerbsteuer neu bemessen. Neben den Grundkosten wurden "Baukosten lt. Endabrechnung" von je S 1,395.000,-- in die Bemessungsgrundlage einbezogen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Tatsache, dass zwischen der Libau GmbH und der Schaumberger BauGmbH bereits am 30. Dezember 1992 eine Vereinbarung über die Errichtung der Reihenhäuser "Punzenberg II" mit einem Fixpreis für die Gesamtanlage samt Zahlungsplan für die zukünftigen Käufer abgeschlossen worden sei, sei erst im Zuge der Erhebungen im Jahre 1998 neu hervorgekommen. Es habe die Absicht bestanden, eine Liegenschaft mit einem darauf zu errichtenden Gebäude zu erwerben.

In den Berufungen gegen diese Bescheide wurden die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme in Abrede gestellt. Es sei dem Finanzamt bereits bei der Erlassung der vorläufigen Bescheide bekannt gewesen, dass über die Errichtung der Reihenhausanlage ein Zahlungsplan für die zukünftigen Käufer vorhanden gewesen sei. Auch im Zuge der Erledigung einer Berufungsentscheidung sei in einer Niederschrift mit dem Geschäftsführer der Libau GmbH zum Ausdruck gebracht worden, dass auf Grund der Vereinbarungen zwischen der Treu-Service GmbH, der Schaumberger BauGmbH und der Libau GmbH größtes Interesse daran bestanden habe, dass die einzelnen Grundstückskäufer auch Bauverträge mit der Schaumberger BauGmbH abschließen sollten. Die Vereinbarung (vom 30. Dezember 1992) entfalte überdies keine Wirkung gegenüber Dritten. Eine Verpflichtung, dass ausschließlich an die Schaumberger BauGmbH ein Bauvertrag vermittelt werden müsste, habe nicht bestanden. Der Vertrag sei nicht als neu hervorgekommen zu betrachten.

Nach abweisenden Berufungsvorentscheidungen durch das Finanzamt wurden mit den angefochtenen Bescheiden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens berief sich die belangte Behörde auf die Vereinbarung der Libau GmbH mit der Schaumberger BauGmbH vom 30. Dezember 1992, die folgenden (auszugsweisen) Inhalt hat:

"Über Vermittlung der Treuservice-Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H. Linz verkauft die Fa. Libau die auf Grund der Vermessungsurkunde des Dipl. Ing. Volker Lipp vom 19.6.1992 - GZ 997-D-KG Gallneukirchen gebildeten Bauparzellen.

Es ist vorgesehen, dass die jeweiligen Käufer dieser Grundparzellen gleichzeitig mit dem Notariatsvertrag die Firma Schaumberger mit der Errichtung des mit Plan v. Ing. Kogler bei der Gemeinde Gallneukirchen eingereichten und auf der jeweiligen Parzelle geplanten und baubewilligten Hauses beauftragen."

Stelle sich der dem Finanzamt nicht ohne weiteres erkennbare Zusammenhang gewisser Verträge (Kaufvertrag, Werkvertrag, Bauauftrag), die der Behörde nur sukzessive zukämen, erst im Zuge eines auf die konkrete Problematik gerichteten Ermittlungsverfahrens oder in einer Prüfung heraus, so sei vom Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel auszugehen, die die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten.

In sachlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf den Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag vom 31. März 1993 und dem Bauvertrag vom 21. Juni 1993. Damit sei die Absicht, ein der detaillierten Planung entsprechend bebautes Grundstück zu erwerben, bereits festgestanden.

In den Beschwerden gegen diese Bescheide erachten sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt, dass ihnen in Abänderung des Berufungsbescheides vom 14. Dezember 1994 eine Nachforderung vorgeschrieben worden sei.

Die belangte Behörde erstattete zu beiden Beschwerden eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist - abgesehen von den in den Beschwerdefällen nicht in Betracht kommenden Tatbeständen des Erschleichens eines Bescheides oder der Abhängigkeit von Vorfragen - nach § 303 Abs. 4 BAO in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof war schon mehrfach mit Grunderwerbsteuervorschreibungen bezüglich der Parzellen bzw. Häuser der gegenständlichen Reihenhausanlage befasst, wobei in den Fällen der Erkenntnisse vom 15. März 2001, Zlen. 2000/16/0043, 0044 sowie 2000/16/0045, wie im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme auf Grund von im Jahr 1998 hervorgekommenen Beweismitteln angenommen wurden. Der im erstgenannten Erkenntnis beurteilte Sachverhalt gleicht dem vorliegenden auch insoferne, als das Finanzamt zunächst die Baukosten mit einbezogen hat, die Berufungsbehörde sodann allein die Grundstückskosten als Bemessungsgrundlage herangezogen hat und sodann im wieder aufgenommen Verfahren wieder die Einbeziehung der Baukosten erfolgte. In beiden Vorerkenntnissen lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung ab, dass die Vereinbarung vom 30. Dezember 1992 eine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO sei, vielmehr seien alle für die Beurteilung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entscheidenden Umstände bereits aus dem auch hier von Anfang an vorliegenden Schriftstück vom 15. Jänner 1993 zu entnehmen gewesen.

In Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG ist daher auf die Begründung dieser Vorerkenntnisse zu verweisen; auch im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben, weshalb die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat. Die Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000160047.X00

Im RIS seit

28.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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