TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/28 99/18/0118

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3 Satz2;
FrG 1997 §10 Abs3;
FrG 1997 §113 Abs3;
FrG 1997 §113 Abs4;
FrG 1997 §31 Abs4;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, (geboren 1958), vertreten durch Dr. Ingrid Weisz, LL.M., Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 7/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. September 1998, Zl. SD 652/98, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. September 1998 wurde die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 30. Juni 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet und habe zunächst aufgrund vorgelegter Verpflichtungserklärungen Sichtvermerke bis zum 10. August 1993 erhalten. In weiterer Folge seien ihr bis einschließlich 5. März 1998 Aufenthaltsberechtigungen für den Aufenthaltszweck "privater Aufenthalt" gewährt worden.

Am 27. Februar 1998 habe die Beschwerdeführerin einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "privat" beim Amt der Wiener Landesregierung eingebracht. Gleichzeitig habe sie eine Verpflichtungserklärung eines österreichischen Staatsbürgers vorgelegt, der bislang nicht für ihren Unterhalt aufgekommen sei.

Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin bislang im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nachgegangen sei und nicht über ausreichende eigene Mittel zu ihrem Unterhalt verfüge. Da eine Verpflichtungserklärung eines neuen Verpflichters vorgelegt worden sei, könne sie sich nicht auf die Bestimmung des § 113 Abs. 5 letzter Satz FrG berufen. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ist demnach zu versagen, sodass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG gegeben seien.

In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmungen des § 37 Abs. 1 und des § 37 Abs. 2 FrG entgegenstünden. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keinerlei familiäre Bindungen zum Bundesgebiet habe. Angesichts des langjährigen inländischen Aufenthaltes sei aber mit der vorliegenden Ausweisung ein Eingriff in ihr Privatleben verbunden. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Die Beschwerdeführerin sei im Bundesgebiet nie einer Beschäftigung nachgegangen und habe ihren Unterhalt nicht aus eigenen Mitteln zu finanzieren vermocht. Vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die oben dargestellte Rechtslage könne der Beschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung nicht erteilt werden, sodass sich ihre Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen Ziele (konkret: in Ansehung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) als dringend geboten erweise. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa siebenjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Angesichts der Tatsache, dass sie bislang keiner Beschäftigung in Österreich nachgegangen sei, sei die Dauer des Aufenthaltes nicht geeignet, daraus einen relevanten Grundgrad der Integration der Beschwerdeführerin abzuleiten. Jedenfalls müssten die privaten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Dieses öffentliche Interesse sei von solchem Gewicht, dass ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden könne. Dies umso weniger, als sie im Hinblick auf die gegebene Situation nicht in der Lage sei, in den Besitz einer Niederlassungsbewilligung zu gelangen.

Die Bestimmung des § 35 Abs. 1 FrG stehe der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet nie im Besitz eigener Mittel für ihren Unterhalt gewesen sei, sei vorliegend zu bedenken, dass bereits mehrere Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung abgewiesen worden seien, sodass ihr Bestreben, ihren Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, aussichtslos erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 1) der Fremde nicht über eine alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt (oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise) verfügt.

2. Die Bewilligung der Beschwerdeführerin nach dem Aufenthaltsgesetz - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, für den Aufenthaltszweck "privater Aufenthalt" wurde zuletzt (unstrittig) bis 5. März 1998 verlängert. Diese Bewilligung galt gemäß § 113 Abs. 5 erster und dritter Satz FrG ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Jänner 1998 als weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck mit Ausnahme der Aufnahme unselbständiger Erwerbstätigkeit. Aufgrund des (unstrittig) am 27. Februar 1998 eingebrachten Antrags auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung war die Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 4 FrG bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin wurde unstrittig zuletzt auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung von Frau Romana Luef-Despalmes verlängert. Im Antrag vom 20. Februar 1998 (bei der Behörde eingelangt am 27. Februar 1998) hat sie sich auf die vorgelegte Verpflichtungserklärung des Architekten Prof. Dipl. Ing. FR berufen. Diese Verpflichtungserklärung ist aber im Grund des § 113 Abs. 5 letzter Satz FrG nicht geeignet, fehlende eigene Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin zu kompensieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0109). Die Beschwerdeführerin wendet sich auch nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass sie nicht über ausreichende eigene Mittel für ihren Unterhalt verfügt.

3. Die Beschwerdeführerin hält aber den angefochtenen Bescheid im Grund des § 35 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Gemäß § 35 Abs. 1 FrG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn und so lange erkennbar ist, dass der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, und dies nicht aussichtslos scheint. Nach der hg. Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendigenden Maßnahme nach dieser Gesetzesstelle darauf an, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung der Maßnahme herangezogenen Umstandes bereits fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war. Bei dem vorliegend herangezogenen Umstand handelt es sich um den Mangel ausreichender Unterhaltsmittel. Dies ist ein Zustand, der typischerweise über einen längeren Zeitraum andauert. Angesichts des Umstandes, dass die Verpflichtungserklärung, die der der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung zu Grunde liegt, auch nach Ablauf dieser Berechtigung während des Zeitraums gemäß § 31 Abs. 4 FrG zum Tragen kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 2001, Zl. 2000/18/0078), trat dieser Mangel damit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten) am 22. September 1998 ein.

Nach den obigen Ausführungen befindet sich die Beschwerdeführerin unstrittig seit Juni 1991, somit seit mehr als fünf Jahren, durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes in Österreich hier nicht auf Dauer einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gehabt habe, hat die Behörde nicht ausgeführt. Angesichts des Umstandes, dass sie - wie im angefochtenen Bescheid unbestritten festgestellt - ab dem 10. August 1993 über Aufenthaltsbewilligungen verfügte, deren Erteilung auf die Begründung des Hauptwohnsitzes (vgl. Art. 6 Abs. 3 B-VG) abstellt (vgl. § 1 AufG), war die Beschwerdeführerin vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinn des § 35 Abs. 1 FrG im Bundesgebiet länger als fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig auf Dauer niedergelassen. Damit darf sie gemäß § 35 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht ausgewiesen werden, wenn und solange erkennbar ist, dass sie bestrebt ist, die Mittel zu ihrem Unterhalt "durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern und dies nicht aussichtslos scheint."

Ihre Auffassung, dass im Fall der Beschwerdeführerin eine solche Aussichtslosigkeit anzunehmen sei, hat die belangte Behörde (vgl. oben I.1.) ausschließlich damit begründet, dass "bereits mehrere Anträge" der Beschwerdeführerin "auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung abgewiesen" worden seien, "sodass ihr Bestreben, ihren Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, aussichtslos erscheint." Die belangte Behörde hat es aber - worauf die Beschwerde (u.a.) hinweist - unterlassen, sich mit dem an die Erstbehörde gerichteten Schreiben vom 21. Juli 1998 (vgl. Blatt 21 der vorgelegten Verwaltungsakten) auseinanderzusetzen, in dem der schon genannte Prof. Dipl. Ing. FR bestätigt, dass er die Beschwerdeführerin als Mitarbeiterin in seinem Architekturbüro für näher genannte Tätigkeiten "anstellen werde". Vor diesem Hintergrund ist der besagte (bloße) Hinweis nicht ausreichend, um die in Rede stehende Aussichtslosigkeit darzutun. Insoweit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.

4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180118.X00

Im RIS seit

30.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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