TE Vfgh Beschluss 2007/12/17 B2335/07

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Veröffentlicht am 17.12.2007
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VFGG §85 Abs2 / Allg
VfGG §85 Abs2 / "Vollzug"
VfGG §85 Abs2 / Vergabewesen

Spruch

Dem in der Beschwerdesache der M H I E, ..., vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. K H, ..., gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 7. Dezember 2007, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG F o l g e gegeben.

Begründung

Begründung:

1. Die mitbeteiligte Partei leitete Anfang Juni 2006 ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb für Bauaufträge im Oberschwellenbereich gemäß §192 Abs5 des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I 17 (in der Folge: BVergG 2006) zur Errichtung eines Gas- und Dampfturbinen-Kombinationskraftwerks samt Instandhaltungsleistungen ein. Die Beschwerdeführerin gab einen Teilnahmeantrag ab und wurde in der Folge zur Angebotsabgabe eingeladen. Am 27. Juli 2007 gab die Beschwerdeführerin ihr Letztangebot ab.

Mit Schreiben vom 5. September 2007 teilte die mitbeteiligte Partei der Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht erstgereiht und eine Mitbewerberin als "preferred bidder", also als Bieter, mit dem die Verhandlungen weitergeführt werden, ausgewählt wurde. Gegen diese Auftraggeberentscheidung brachte die Beschwerdeführerin am 19. September 2007 einen Nachprüfungsantrag bei der belangten Behörde ein. Vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens, am 20. November 2007, schied die mitbeteiligte Partei das Angebot der Beschwerdeführerin aus. Gegen diese Entscheidung brachte die Beschwerdeführerin Nachprüfungsanträge ein. Diese Verfahren sind nach wie vor bei der belangten Behörde anhängig. Mit dem angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung über den "preferred bidder" und auf Gebührenersatz ab.

2. In der gegen diesen Bescheid gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird unter anderem der Antrag gestellt, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass für die Beschwerdeführerin mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre:

"Unverhältnismäßiger Nachteil für die Beschwerdeführerin

Nach Abwägung aller berührten Interessen sind mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin unverhältnismäßige Nachteile verbunden. Diese Nachteile sind:

Sofern der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom VfGH keine aufschiebende Wirkung zuerkannt würde, bleibt der bereits eingetretene Rechtsverlust, der die Folge der bei gesetzmäßiger Vorgangsweise des BVA noch nicht rechtskräftigen Ausscheidensentscheidung durch den angefochtenen Bescheid ist, weiter aufrecht: Die Beschwerdeführerin wäre rechtlich nicht mehr in der Lage, ua Rechtschutz gegen die Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei in Anspruch zu nehmen. Vielmehr wäre ohne aufschiebende Wirkung die mitbeteiligte Partei rechtlich nicht verpflichtet, der Beschwerdeführerin - weil ausgeschieden und weil die 'preferred bidder'-Entscheidung vom BVA mit Bezugnahme auf die Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung vom 20.11.2007 bestätigt wurde - gemäß §272 BVergG 2006 die Zuschlagsentscheidung zum Zwecke der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mitzuteilen, weil dem Ausgeschiedenen jedenfalls im Sinne der vorherrschenden - allerdings nach Ansicht der Beschwerdeführerin rechtswidrigen - Rechtsauffassung des Bundesvergabeamtes die Antragslegitimation fehlt, wie der angefochtene Bescheid zeigt. Die Zuschlagsentscheidung könnte schon jetzt ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung deshalb von der Beschwerdeführerin nicht mehr bekämpft werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Ausscheidensentscheidung, auf die sich der angefochtene Bescheid ausschließlich bezieht, im Ergebnis aufgrund eines (zu spät kommenden) Erkenntnisses des VwGH/VfGH als rechtswidrig erweist.

Bis zur Klärung dieser Frage durch den VfGH besteht nämlich die Gefahr, dass von der erstmitbeteiligten Partei die Zuschlagsentscheidung erlassen bzw. der Zuschlag erteilt wird.

Die Zuschlagsentscheidung könnte dann von der Beschwerdeführerin nicht mehr bekämpft werden, und zwar selbst dann, wenn sich die Ausscheidensentscheidung, auf die sich der angefochtene Bescheid bezieht, im Ergebnis aufgrund eines (dann zu spät ergehenden) Erkenntnisses des VwGH/VfGH als rechtswidrig erweist, steht doch zwingend zu erwarten, dass während der zwangsläufig längere Zeit in Anspruch nehmenden höchstgerichtlichen Verfahren der Zuschlag erteilt wird und deshalb für die Beschwerdeführerin nach dem vorrechtsstaatlichen Motto 'Dulde und liquidiere' nur mehr ein Schadenersatzanspruch zur Verfügung steht (§§312 iVm 338 BVergG 2006).

Die Beschwerdeführerin hätte dann aber keine Möglichkeit mehr, den für sie wesentlichen Auftrag mit einem Auftragsvolumen von rund EUR 500 Mio zu erlangen. Somit entstünde durch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die zwangsläufig zur Nichtberücksichtigung des Angebotes der Beschwerdeführerin führt, ein Schaden in Form des Gewinnentganges, dessen Umfang zum jetzigen Zeitpunkt aus Gründen des fairen und lauteren Wettbewerbes nicht detailliert bekannt gegeben werden kann. Er liegt jedenfalls im einstelligen Prozentbereich gemessen am dreistelligen Auftragswert in Millionen Euro.

Darüber hinaus würde die Beschwerdeführerin ein wichtiges Referenzprojekt in Europa verlieren. Für die Beschwerdeführerin ist der gegenständliche Auftrag von immenser Bedeutung, zum einen deshalb, weil ihr damit ein Markteintritt in Österreich ermöglicht wird und interessante Nachfolgeaufträge zu erwarten sind, zum anderen, weil sie bereits in die Bewerbungsphase sowie die Erstellung der Angebote massiv Personal- und sonstige Organisationsaufwände bzw Kosten investiert hat. Sie hat weiters ihre Ressourcen zu Lasten anderer Projekte gebunden. Das Vergabeverfahren läuft nämlich bereits seit ca eineinhalb Jahren. Die Teilnahme am Vergabeverfahren, insbesondere die Ausarbeitung der Angebote, die Teilnahme an Präsentationen und Verhandlungsrunden hat für die Beschwerdeführerin Investitionskosten in Höhe von mehr als EUR 1 Mio verursacht. Darüber hinaus sind der Beschwerdeführerin auch bereits beträchtliche Rechtsvertretungskosten im Zusammenhang mit den im Vergabeverfahren aufgetretenen und geltend gemachten Rechtswidrigkeiten entstanden."

3. Gemäß §85 Abs2 VfGG kann einer Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Grundvoraussetzung ist dabei jedenfalls, dass der Bescheid einem Vollzug überhaupt zugänglich ist.

Dies ist hier der Fall. Der angefochtene Bescheid weist den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der "preferred bidder"-Entscheidung ab. Da über die Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung noch nicht entschieden wurde, ist es möglich, dass der Aufschub der angefochtenen Entscheidung für diese Verfahren noch Auswirkungen hat.

4. Nach Abwägung aller berührten Interessen ist mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Wenn die Entscheidung nicht aufgeschoben wird, kann sofort der Zuschlag erteilt werden, wodurch die Beschwerdeführerin der Möglichkeit beraubt wird, noch sinnvoll die Ausscheidensentscheidung bekämpfen zu können und dadurch sowohl dieses Verfahren als auch das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vereitelt wird. Es ist daher im Sinne eines effizienten Rechtsschutzes geboten, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B2335.2007

Dokumentnummer

JFT_09928783_07B02335_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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