TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/31 2000/02/0243

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Veröffentlicht am 31.01.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §52;
StVO 1960 §29b Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des SS in Linz, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juli 2000, Zl. VerKR-240.612/3-2000-Ur/Re, betreffend Ausweis nach § 29b StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen gemäß § 29b Abs. 1 StVO abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 29b Abs. 1 erster Satz StVO hat die Behörde Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 99/02/0187, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur ausgesprochen, dass der Gesetzesbegriff der "starken Gehbehinderung" im Sinne des § 29 b Abs. 1 StVO darauf abstellt, ob die betreffende Person in einer als Gehen zu qualifizierenden Weise ohne Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen eine bestimmte Wegstrecke zurücklegen kann; ist sie dazu in der Lage, so wird eine festgestellte Gehbehinderung nicht als schwer im Sinne des Gesetzes anzusehen sein. Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung im Sinne des Gesetzes aus, wobei der Umstand, dass dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht (wobei der Gerichtshof in diesem Erkenntnis vom 22. März 2002 klarstellte, dass es - entgegen einer zu einer anderen Rechtslage ergangenen, früher anders lautenden Rechtsprechung - auf die notwendige Verwendung solcher "Hilfsmittel" nicht ankommt).

Die Feststellung der Grundlagen für die Beurteilung, ob eine Person stark gehbehindert ist, ist Gegenstand eines Beweises durch einen ärztlichen Amtssachverständigen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 99/02/0187).

Entgegen der Ansicht in der Beschwerde kommt es auf den dort ins Treffen geführten Bescheid des Bundessozialamtes über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1996, Zl. 95/02/0365).

Was aber die diesbezüglichen gutächtlichen Äußerungen eines ärztlichen Amtssachverständigen anlangt, ist zu bemerken:

Die belangte Behörde stützte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl auf ein bereits von der Erstbehörde eingeholtes medizinisches Gutachten vom 31. Jänner 2000 als auch auf ein solches - von ihr selbst eingeholtes - vom 30. Mai 2000.

Wohl gibt das zuletzt zitierte Gutachten keine konkrete Auskunft über die im Sinne der oben dargestellten hg. Rechtsprechung gegebene Fähigkeit des Beschwerdeführers, eine Strecke "von mehr als 300 m" (ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen) zurückzulegen, wenn auch dieses Gutachten zu dem Schluss kommt, es lägen beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen Ausweis gemäß § 29b StVO nicht vor.

Allerdings hat sich die belangte Behörde - wie erwähnt - auch auf das amtsärztliche Gutachten vom 31. Jänner 2000 gestützt, in welchem diese Amtssachverständige nach ausführlicher Darstellung als Ergebnis ausführte, der Beschwerdeführer beschreibe "belastungsabhängige" Schmerzen im Rücken, fallweise mit Ausstrahlung in das rechte Bein; weiters leide er seit einer Verbrennung am rechten Außenknöchel unter Gefühlsstörungen in diesem Bereich und einer leichten Bewegungsbehinderung des rechten Sprunggelenks. Das Gangbild sei "nach Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen mit leichtem Hinken im Wesentlichen unauffällig ..., das Zurücklegen einer Gehstrecke von ca. 500 Metern scheint ohne wesentliche Behinderung zumutbar". Durch konsequente Fortsetzung der entsprechenden Therapie sei eine weit gehende Besserung der Beschwerden bis zur Beschwerdefreiheit möglich. Die belangte Behörde war daher berechtigt, aus diesen gutächtlichen Äußerungen im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Schluss zu ziehen, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen des § 29b Abs. 1 erster Satz StVO nicht vor. Der Beschwerdeführer übersieht, dass es danach - so sein Vorbringen über eine behauptete Verschlechterung seines Zustandes zwischen Erstellung des ersten und des zweiten Gutachtens - auf die notwendige Verwendung eines "Hilfsmittels" (hier: "Gehhilfe") nicht ankommt und diese Rechtsprechung u.a. auf "große" Schmerzen abstellt.

Diesen gutächtlichen Äußerungen ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Insbesondere gilt dies für die von ihm ins Treffen geführte "fachärztliche Bestätigung" des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. P. vom 3. Februar 2000, in welcher lediglich auf die konkrete Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers nach dem "KOVG" verwiesen wird (dass dies rechtlich unerheblich ist, wurde gleichfalls oben bereits aufgezeigt), aber auch für die "nervenärztlichen" Bestätigungen des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. A.: Dass nämlich der Unzumutbarkeit des Tragens schwerer Arbeitsschuhe und die empfohlene Tätigkeit "möglichst im Sitzen" im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO für sich allein keine Relevanz zukommt, bedarf keiner näheren Erörterung.

Was aber die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vermisste Belehrung durch die Behörde - er hätte zur Entkräftung der erstatteten Amtsgutachten ein auf der gleichen fachlichen Ebene stehendes (Privat-)Gutachten beizubringen - anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 91/07/0038, dazu zum Ausdruck gebracht, die Manuduktionspflicht gegenüber anwaltlich nicht vertretenen Parteien (§ 13a AVG) gehe nicht so weit, dass Parteien dahin beraten werden müssten, mit welchen Mitteln sie bereits von der Behörde aufgenommene Beweise widerlegen oder in Frage stellen könnten; die Behörden seien durch § 13a AVG nicht gehalten, unvertretenen Parteien ganz allgemein Unterweisungen zu erteilen, wie ihr Vorbringen zu gestalten wäre, damit sich der jeweilige Parteienstandpunkt letztlich durchsetzen könne.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 501/2001.

Wien, am 31. Jänner 2003

Schlagworte

Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Gutachten Verwertung aus anderen Verfahren Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000020243.X00

Im RIS seit

06.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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