TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/18 99/18/0214

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Veröffentlicht am 18.03.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §12 Abs3;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §8 Abs2;
FrG 1997 §88 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1941, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Mai 1999, Zl. SD 36/99, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Dem Beschwerdeführer sei erstmals am 18. August 1992 ein Sichtvermerk erteilt worden. Im Anschluss daran habe er zwei Aufenthaltsbewilligungen mit Gültigkeit bis 2. November 1994 und für die Zeit vom 3. November 1994 bis 3. Mai 1995 eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des privaten Aufenthalts erhalten. Die daran anschließende Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeitsdauer bis 19. September 1997 sei auf Grundlage einer Beschäftigungsbewilligung zur unselbstständigen Erwerbstätigkeit erteilt worden. Da er eine Verlängerung derselben nicht beantragt habe, sei ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden. Erst im Zug dieses Verfahrens habe er eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeiter vorweisen können, weshalb ihm eine Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit vom 12. Mai 1998 bis 30. Oktober 1998 erteilt worden sei. Am 5. Oktober 1998 habe er einen Verlängerungsantrag (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbstständige Erwerbstätigkeit") gestellt. Diesem habe er lediglich Kopien von bereits ungültigen Beschäftigungsbewilligungen beigefügt.

Die Bundespolizeidirektion Wien (die Erstbehörde) habe in ihrem Bescheid vom 10. Dezember 1998 zutreffend ausgeführt, dass das Vorliegen einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (Saisonbewilligung) maßgebliche Voraussetzung für die Erteilung des vom Beschwerdeführer beantragten Aufenthaltstitels sei. Darüber hinaus habe er lediglich bis 29. März 1999 über Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich S 182,-- verfügt, weshalb unter Bedachtnahme auf die geltenden Sozialhilferichtsätze vom Vorliegen eigener Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes keine Rede sein könne. Selbst wenn entgegen der Aktenlage dieses Arbeitslosengeld weiterhin bezogen würde, reichte es der Höhe nach keinesfalls aus, um seinen Lebensunterhalt als gesichert annehmen zu können. Es sei sohin der in § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Versagungsgrund verwirklicht, und es erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers - vorbehaltlich des § 37 leg. cit. - im Grund des § 34 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt.

Daran könne auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom 28. Dezember 1998 nichts ändern. Darin habe er ausgeführt, dass er mit der neuerlichen Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechnete. Bis zum 3. Mai 1999 sei eine solche der belangten Behörde jedoch nicht vorgelegt worden. Dieser angesichts der strengen Zweckbindung wesentliche Mangel einer grundlegenden Voraussetzung für die Erteilung eines (weiteren) Aufenthaltstitels rechtfertige (auch) die Erlassung der Ausweisung.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet. Sorgepflichten seien nicht geltend gemacht worden, und es bestünden keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet. Angesichts des mehrjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei zweifelsfrei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRG genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer erfülle jedoch wesentliche Voraussetzungen für einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die vorliegende Maßnahme dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer seines Aufenthaltes ableitbare Situation Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erscheine auf Grund des Fehlens jeglicher familiärer Bindungen zum Bundesgebiet und der keinesfalls nachhaltigen Integration am österreichischen Arbeitsmarkt jedoch als nicht sehr ausgeprägt. Dem sei das hoch zu veranschlagende maßgebende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestanden. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.

Eine Aufenthaltsverfestigung gemäß § 35 leg. cit. habe nicht eintreten können, weil der Beschwerdeführer zuletzt über keine Niederlassungsbewilligung verfügt habe.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn der Fremde nicht über einen alle Risken deckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt.

2. Der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Aufenthaltstitel, eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung als Saisonarbeiter, hatte bis zum 30. Oktober 1998 Gültigkeit. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten stellte er am 5. Oktober 1998 bei der Erstbehörde einen als Verlängerungsantrag bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbstständige Erwerbstätigkeit". Die Erstbehörde richtete daraufhin an ihn eine Ladung in Angelegenheit "beabsichtigte Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes, Ablehnung wegen entschiedener Sache" und erließ in weiterer Folge den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid.

Bei diesem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung handelt es sich, weil der Beschwerdeführer bereits über einen Aufenthaltstitel (die genannte Aufenthaltserlaubnis) verfügte, um einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (vgl. dazu die Erläuterungen zu § 8 Abs. 2 FrG, RV 685 BlgNR 20. GP 60).

3. Das FrG enthält (u.a.) folgende Zuständigkeitsregelungen:

"Sachliche Zuständigkeit

§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.

(2) ..."

"Sachliche Zuständigkeit im Zusammenhang

mit Niederlassungsbewilligungen

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel

1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem

4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;

2. für einen der in § 19 Abs. 2 Z. 1 und 2 genannten Drittstaatsangehörigen handelt;

3. für Ehegatten oder minderjährige Kinder eines unter Z 1 und 2 fallenden Drittstaatsangehörigen handelt, sofern diese Ehegatten und Kinder nicht erwerbstätig sein wollen."

Die mit "Verfahren im Falle von Versagungsgründen für einen weiteren Aufenthaltstitel" überschriebene Bestimmung des § 15 FrG hat folgenden Wortlaut:

"§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern.

(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; der Ablauf der Frist des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, wird dadurch bis zum Abschluss dieses Verfahrens gehemmt. Sobald sich ergibt, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.

(3) Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, dass deren Verhängung nunmehr unterbleibt."

4. Weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer einen der in § 89 Abs. 2 Z. 1 bis 3 FrG aufgezählten Tatbestände verwirklicht. Im Hinblick darauf ist somit gemäß § 89 Abs. 1 leg. cit. von der sachlichen Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Entscheidung über den am 5. Oktober 1998 bei der Erstbehörde gestellten Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers auszugehen.

Die Erstbehörde hat diesen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbstständige Erwerbstätigkeit" indes nicht gemäß § 6 Abs. 1 AVG an den örtlich zuständigen Landeshauptmann weitergeleitet oder den Beschwerdeführer an diesen gewiesen, sondern - ohne dass die Niederlassungsbehörde vorher befasst gewesen wäre - den Ausweisungsbescheid vom 10. Dezember 1998 erlassen.

Mit dieser Vorgangsweise belastete die Erstbehörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, weil in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels bei Bekanntwerden von Versagungsgründen das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung erst dann einzuleiten ist, wenn die zuständige Behörde - im vorliegenden Fall somit der Landeshauptmann als Niederlassungsbehörde - dies veranlasst hat (vgl. § 15 Abs. 1 und 2 FrG und die Erläuterungen zu dieser Gesetzesbestimmung, RV 685 BlgNR 20. GP 65/66: "Zu den §§ 12 Abs. 3 und 15"). Erachtet hingegen die Niederlassungsbehörde die Voraussetzungen einer Niederlassungsbewilligung als gegeben und erteilt sie diese, dann kommt eine auf § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG gestützte Ausweisung des Fremden nicht in Betracht.

5. Die belangte Behörde hätte diese dem erstinstanzlichen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit von Amts wegen aufgreifen und diesen ersatzlos beheben müssen (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 66 AVG E 220 zitierte hg. Judikatur). Indem sie dies unterließ, belastete sie den nunmehr angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180214.X00

Im RIS seit

06.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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