TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/19 2001/04/0169

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Ing. J GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. August 2001, Zl. 04- 15/506-2001/3, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2000 beantragte die beschwerdeführende Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lager- und Abstellplatzes in G, ES-traße 55, bzw. "in eventu um Bescheiderlassung, sofern eine Betriebsanlagengenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung nicht notwendig ist".

Die Erstbehörde holte ein schalltechnisches Gutachten und darauf aufbauend ein medizinisches Gutachten ein. Diesem Gutachten zufolge würde der gemessene Basispegel LA,95 von 40 dB durch das beantragte Projekt um bis zu 22 dB und der Grenzwert des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für Gebiete mit ständiger Wohnnutzung um bis zu 7 dB überschritten. Bei den prognostizierten Lärmwerten seien Belästigungswirkungen, Befindlichkeitsstörungen, die sich als Kopfschmerzen, Ohrensausen, Brustbeklemmungen, Herzbeschwerden, Ermüdungserscheinungen, Nervosität und vegetative Labilität bemerkbar machten, sowie Störungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen zu erwarten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23. Mai 2001 wurde das Genehmigungsansuchen der beschwerdeführenden Partei gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 mit der Begründung abgewiesen, bei den prognostizierten Lärmpegeln sei mit negativen gesundheitlichen Auswirkungen bei den Nachbarn zu rechnen.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und brachte vor, die Erstbehörde sei ihrer Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit nicht ausreichend nachgekommen. Sie habe weder die Örtlichkeiten besichtigt, noch sich über die betrieblichen Tätigkeiten informiert. Der beschwerdeführenden Partei sei auch keine Gelegenheit gegeben worden, sich zum schalltechnischen Gutachten zu äußern. Im Übrigen sei die Überschreitung des Basislärmpegels derart gering, dass von einer Belästigung oder Beeinträchtigung bzw. von nachteiligen Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO, die das zumutbare Maß überschritten, nicht ausgegangen werden könne. Ausdrücklich beantragt werde ein Lokalaugenschein unter Beiziehung eines schalltechnischen Sachverständigen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. August 2001 wurde die Berufung abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aus den von der Erstbehörde eingeholten Gutachten schlüssig und nachvollziehbar, dass die beantragte Anlage gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 nicht genehmigungsfähig sei und auch mittels Vorschreibung von Auflagen nicht in einen genehmigungsfähigen Zustand gebracht werden könne. Zufolge der im schalltechnischen Gutachten getroffenen Feststellung, bei den mehrstöckigen Wohngebäuden in unmittelbarer Nachbarschaft der beantragten Betriebsanlage sei auch bei Errichtung einer Schallschutzwand eine abschirmende Wirkung der oberen Stockwerke nicht gegeben, sei die Abhaltung einer Augenscheinsverhandlung nicht erforderlich. Was den Vorwurf einer Verletzung des Parteiengehörs anlange, so sei der beschwerdeführenden Partei eine Frist von zwei Wochen zur Äußerung zu den eingeholten Gutachten gesetzt worden. Innerhalb dieser Frist habe die beschwerdeführende Partei keine inhaltliche Stellungnahme erstattet, sondern lediglich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangt und - in weiterer Folge - eine Fristerstreckung beantragt. Es sei allerdings nicht zu sehen, dass die zweiwöchige Frist für eine Stellungnahme nicht ausreichend gewesen wäre, zumal die Gutachten zum Projekt der beschwerdeführenden Partei erstellt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Erteilung der beantragten Betriebsanlagengenehmigung verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die von ihr geplanten Tätigkeiten seien bei richtiger rechtlicher Beurteilung so wenig immissionsverursachend, dass von "erheblichen Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen i.S.d. § 77 GewO ... gar nicht auszugehen gewesen wäre". Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde erkennen müssen, dass gar kein Genehmigungsverfahren einzuleiten, sondern die Genehmigungsfreiheit auszusprechen gewesen wäre. Die Behörde habe demgegenüber, ohne sich mit dem konkreten Inhalt der projektierten Tätigkeiten der beschwerdeführenden Partei detailliert auseinander zu setzen, festgestellt, dass die zu erwartende Lärmerregung negative gesundheitliche Auswirkungen bei den Nachbarn erwarten lasse. Ob dem berechtigten Lärmschutzbedürfnis der Nachbarn durch Erteilung von Auflagen entsprochen werden könne, sei gleichfalls nicht geprüft worden. Bereits in der Berufung habe die beschwerdeführende Partei eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt, weil ihrem Antrag auf Fristverlängerung nicht stattgegeben worden sei. Da es sich beim lärmtechnischen sowie beim medizinischen Gutachten um komplexe Materien handle, hätte die Behörde von vornherein eine längere als die gesetzte zweiwöchige Frist einräumen müssen, zumal auch keine besondere Dringlichkeit vorgelegen habe. Jedenfalls aber hätte dem Antrag auf Fristverlängerung stattgegeben werden müssen. Schließlich sei auch dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Durchführung einer Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung eines schalltechnischen Sachverständigen nicht entsprochen worden, obwohl es gerade für die Beurteilung der Frage, welche Emissionen hervorgerufen würden, durch die Nachbarn beeinträchtigt seien, absolut unentbehrlich erscheine, entsprechende Erhebungen an Ort und Stelle durchzuführen. Die Feststellung, dass durch eine Schallschutzwand eine ausreichende abschirmende Wirkung nicht erzielt werden könne, sei schon deshalb unzureichend, weil eine Schallschutzwand nicht die einzig denkbare Auflage zur Vermeidung unzulässiger Lärmimmissionen darstelle.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Recht der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...

Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu bewirken, löst ihre Genehmigungspflicht aus. Ob im konkreten Fall tatsächlich Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen zu erwarten sind, ist im Genehmigungsverfahren zu prüfen. Genehmigungspflicht besteht aber bereits dann, wenn solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind, (vgl. Grabler-Stolzlechner-Wendl, Kommentar zur GewO, Ergänzungsband (2001), 138 f, und die dort zitierte Judikatur).

Zu Unrecht nimmt die beschwerdeführende Partei an, erst die Erwartung, ihre Betriebsanlage werde zu "erheblichen Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen" führen, würde die Genehmigungspflicht auslösen. Die Genehmigungspflicht des Lager- und Abstellplatzes der beschwerdeführenden Partei ist vielmehr zu bejahen, wenn Auswirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 nach Lage des Falles nicht auszuschließen sind. Dass solche Auswirkungen auszuschließen wären, behauptet die beschwerdeführende Partei, die lediglich meint, es sei nicht von "erheblichen" Auswirkungen auszugehen, selbst nicht. Die Auffassung der belangten Behörde, die in Rede stehende Betriebsanlage sei genehmigungspflichtig, ist somit nicht als rechtswidrig zu beanstanden.

Der auf ein lärmtechnisches und ein medizinisches Gutachten gestützten Auffassung der belangten Behörde, die beantragte Betriebsanlage würde bei den Nachbarn zu gesundheitsgefährdenden Lärmemissionen führen, hält die beschwerdeführende Partei entgegen, die Behörde habe sich mit dem Inhalt der projektierten Tätigkeiten nicht ausreichend auseinander gesetzt. Die beschwerdeführende Partei übersieht bei diesem Vorbringen, dass die Beurteilung der von der Betriebsanlage ausgehenden und auf die Nachbarliegenschaften einwirkenden Emissionen auf der Grundlage der Betriebsbeschreibung zu erfolgen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. August 1997, Zl. 97/04/0073); die Betriebsbeschreibung bestimmt die normative Tragweite eines Genehmigungsbescheides. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem lärmtechnischen und dem darauf aufbauenden medizinischen Gutachten die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Betriebsbeschreibung zu Grunde gelegt. Den sachverständigen Schlussfolgerungen liegen also - im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei - die in der zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage konkret geplanten Tätigkeiten zu Grunde; das Beschwerdevorbringen ist somit unbegründet.

Soweit die beschwerdeführende Partei aber rügt, es hätte geprüft werden müssen, ob die Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage nicht im Wege der Vorschreibung von Auflagen zu bewirken wäre, ist sie auf die Darlegungen im lärmtechnischen Gutachten zu verweisen, wonach zwar die Vorschreibung einer Lärmschutzmauer in Betracht zu ziehen, diese aber angesichts der Höhe der die Betriebsanlage umgebenden Wohnhäuser nicht zielführend wäre. Zwar hält die beschwerdeführende Partei dagegen, dass im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde noch andere Auflagen in Betracht kämen, sie legt aber selbst nicht dar, welche Auflagen ihr diesbezüglich vor Augen stehen. Vielmehr beschränkt sie sich auf die Behauptung, es wären Auflagen möglich, die die Genehmigungsfähigkeit ihres Vorhabens bewirkten. Mit diesem Vorbringen vermag sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aber nicht aufzuzeigen.

Mit dem Beschwerdevorbringen, es sei dem Antrag der beschwerdeführenden Partei, ihr die Frist für eine Äußerung zu den Sachverständigengutachten zu verlängern, zu Unrecht nicht entsprochen worden und die belangte Behörde habe auch trotz eines entsprechenden Antrages keine Verhandlung an Ort und Stelle vorgenommen, macht die beschwerdeführende Partei schließlich Verfahrensmängel geltend. Sie zeigt aber nicht zugleich auch auf, zu welchem im Ergebnis anders lautenden Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung dieser behaupteten Mängel hätte gelangen müssen. Die beschwerdeführende Partei hat es daher unterlassen, die Relevanz der behaupteten Verfahrensverletzungen i.S.d. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040169.X00

Im RIS seit

16.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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