TE Vwgh Beschluss 2003/3/19 2003/08/0029

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über den Antrag des Dr. G in S, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Franz Josef Straße 33, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 17. Juni 2002, Zl. 220.995/2-6/02, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

Mit Berichterverfügung vom 30. Oktober 2002, 2002/08/0244-2, war dem Antragsteller die gegen den obzitierten Bescheid eingebrachte - zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluss vom 7. Oktober 2002, B 1227/02, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung einer Reihe von Mängeln zurückgestellt worden. Mit hg. Beschluss vom 17. Dezember 2002, 2002/08/0244-5, wurde das Verfahren über die genannte Beschwerde infolge nur teilweiser Erfüllung des Verbesserungsauftrages gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt. Der Einstellungsbeschluss wurde dem Antragsteller am 23. Jänner 2003 zugestellt.

Mit am 5. Februar 2003 zur Post gegebener Eingabe begehrte der Antragsteller - unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Prozesshandlung - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln. Er führte aus, in der Kanzlei seiner Vertreterin sei es üblich, dass zu Schreiben mit Beilagen in die Unterschriftenmappe eine Liste der Beilagen für die Kontrolle der Vollständigkeit gelegt werde. Auch bei Abfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes habe sich die Liste, anhand der die Beilagen kontrolliert worden seien, in der Unterschriftenmappe befunden. Nach der Kontrolle der Beilagen habe die Beschwerdevertreterin die drei ergänzenden Schriftsätze sowie die zusätzliche Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für die mitbeteiligte Partei unterschrieben und die Unterschriftenmappe an die überaus zuverlässige und im Umgang mit der Postorganisation seit Jahren vertraute Sekretärin zur Abfertigung übergeben. Laut dem - im Original vorgelegten - Beilagenverzeichnis seien folgende Schriftstücke zur Versendung übergeben worden: Ergänzender Schriftsatz dreifach, ursprüngliche Beschwerde einfach, zurückgestellte Beschwerde einfach, Bescheid vom 17. Juni 2002 einfach. Im Zuge der Kuvertierung müsse der Sekretärin dann insofern ein Fehler unterlaufen sein, als der angefochtene Bescheid im Original wahrscheinlich in ein falsches Kuvert gesteckt worden sei. Dieser Verdacht bestehe deshalb, weil sich der Originalbescheid nicht mehr im Handakt der Vertreterin befinde.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde neben dem bereits erwähnten Beilagenverzeichnis auch eine eidesstättige Erklärung der Kanzleiangestellten angeschlossen; darin bestätigte diese das dargestellte Geschehen.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Versehen eines Kanzleiangestellten eines Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht seinen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist, wobei hinzuzufügen ist, dass rein manipulative Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, in einen Bereich fallen, die grundsätzlich der Erledigung der Kanzlei überlassen werden können (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. März 1999, 99/08/0017, m.w.N.).

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt das - schlüssige und anhand der Aktenlage nachvollziehbare - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag als erwiesen an und legte es seiner Entscheidung zu Grunde. Demnach hat die Kanzleiangestellte den bereits von der Vertreterin des Antragstellers unterfertigten Ergänzungsschriftsatz und die diesem angeschlossen gewesenen, von der Vertreterin auf ihre Vollständigkeit geprüften Beilagen insofern nicht dem Auftrag der Rechtsanwältin entsprechend kuvertiert, als sie den angefochtenen Bescheid versehentlich nicht in den Briefumschlag gegeben hat.

Der der - im Allgemeinen geeigneten und verlässlichen - Kanzleikraft im Zuge der Kuvertierung, und somit eines Vorganges, der keine besondere Überwachung durch den Anwalt erfordert, unterlaufene Fehler begründet kein Verschulden des Rechtsanwaltes und damit der Partei selbst. Da sohin die Fristversäumung auf ein für den Antragsteller unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, an dessen Eintritt ihn kein Verschulden trifft, zurückzuführen ist, war dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag (§ 46 Abs. 3 VwGG) im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben.

Im Hinblick auf die Regelung des § 46 Abs. 5 VwGG und die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte versäumte Handlung (Vorlage des angefochtenen Bescheides) wird der Ergänzungsschriftsatz als rechtzeitig eingebracht zu behandeln sein; eine das Beschwerdeverfahren 2002/08/0244 selbst betreffende Verfügung wird gesondert ergehen.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003080029.X00

Im RIS seit

18.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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