TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/19 2001/04/0167

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des H in O, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Schwarzenbergsiedlung 114 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. Juli 2001, Zl. 20502-1255/21-2001, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: L GmbH & Co KG in O, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55/1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg (BH) vom 26. April 1999 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 77 GewO 1994 i.V.m. § 93 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung für die Betriebsanlage einer "Schirmbar" mit Musikanlage auf GP 577/87, KG T, mit einer Betriebszeit von 09.00 bis 18.00 Uhr nach Maßgabe näher bezeichneter Unterlagen und unter Vorschreibung von im Einzelnen genannten Auflagen erteilt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, bei der geplanten Anlage handle es sich um einen so genannten Riesenschirm, der außen allseitig mit verglasten Wandelementen mit Stahlrohrprofilen abgegrenzt sei. In diese Wandelemente würden zwei Ausgänge eingebaut; die Seitenwände und die Eingänge in die "Schirmbar" sollen bei Betrieb ständig geschlossen bleiben. In der Mitte des Schirmes befinde sich eine Theke, die Größe des Gastraumes betrage 70 m2, die Größe der Bar 22 m2. Es würden 55 Sitzplätze (Barhocker) und ca. 85 Stehplätze angeboten. Der Schirm solle nordöstlich der bestehenden "L-Alm" situiert werden und zwar in einem Abstand von 8 m zur Außenwand. Der Abstand zur westseitigen Straße betrage 9,5 m. Die Anlage werde mit einer - näher beschriebenen - Musikanlage ausgerüstet. Die Beheizung der "Schirmbar" erfolge durch Elektroheizstrahler mit einem Warmluftgebläse. Der Schirm werde automatisch über einen Windmesser geschlossen. Der Fußboden werde als Holzkonstruktion ausgeführt. Die Versorgung der "Schirmbar" erfolge über den bestehenden Gastgewerbebetrieb der mitbeteiligten Partei, die "L-Alm"; die Sanitäranlagen der "L-Alm" würden für den "Schirmbar"- Betrieb mitgenutzt. Auch die Wasserversorgung erfolge über die "L-Alm". Das Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen habe ergeben, dass der Betrieb der "Schirmbar" nur begrenzt zulässig sei. Ein Betrieb in den Abendstunden würde zu unzumutbaren Lärmbelästigungen bei den nächstgelegenen Betriebsobjekten führen. Der energieäquivalente Dauerschallpegel liege bereits 10 dB über dem Grundgeräuschpegel, eine weitere Anhebung sei somit nicht zulässig. Bei entsprechender Beschränkung der Betriebszeit und des Musiklärms sei das Projekt allerdings genehmigungsfähig. Durch einen Betrieb während der Tagesstunden werde es bei Begrenzung der Musiklautstärke - wie auch der Amtsarzt in seinem Gutachten vom 14. Oktober 1998 bestätigt habe - zu keinen unzumutbaren Belästigungen der Nachbarschaft kommen. Auch seien keine übermäßigen Geruchsimmissionen oder Schadstoffimmissionen zu erwarten. Das Zu- und Abgehen der Gäste erfolge im Rahmen der üblichen Passantenbewegungen in diesem Bereich.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und brachte u. a. vor, der aus der "Schirmbar" nach außen dringende Lärm müsse wesentlich höher angesetzt werden als dies im erstbehördlichen Bescheid geschehen sei, zumal die Vorschreibung, dass die Seitenelemente der "Schirmbar" und die Türen in diesen Elementen ständig geschlossen bleiben müssten, in Wahrheit nicht realisierbar sei. Schon die Notwendigkeit der WC-Besuche durch die 143 Personen im Schirm führe dazu, dass sich die Türen durch ca. 24 min./Stunde in offenem Zustand befänden. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass die Mitarbeiter der beschwerdeführenden Partei teilweise bis 02.00 Uhr früh arbeiten müssten und bis 11.00 Uhr vormittags ihre Ruhezeit konsumierten. Bis 11.00 Uhr sei daher auch keiner der umliegenden Betriebe geöffnet. Das Kommen und Gehen der Gäste und der daraus resultierende Lärm müsse der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zugerechnet werden, weil dieses sich nicht auf einer öffentlichen Fläche abspiele.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. Juli 2001 wurde die Berufung abgewiesen und der erstbehördliche Spruch insoweit geändert, als auf geänderte Projektsunterlagen Bezug genommen wurde. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften u.a. ausgeführt, (auch) unter Berücksichtigung einer Verkleinerung des Schirms und baulicher Veränderungen bei den Schirmwänden komme es zu keiner unzumutbaren Lärmbelästigung der Nachbarschaft. Durch das kurzfristige Öffnen und Schließen der Ausgänge komme es nicht zu einer Anhebung des Dauerschallpegels. Im Übrigen sei auch nur das Verhalten der Gäste innerhalb der "Schirmbar" der Betriebsanlage zuzurechnen, zumal nach dem Projekt eine Abgrenzung durch Zäune etc. nicht geplant sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, in eventu abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten insofern verletzt, "als die belangte Behörde eine von der beschwerdeführenden Partei betriebene Liegeterrasse nicht in die lärmtechnische Beurteilung einbezogen hat, die lärmtechnischen Berechnungen eines Amtssachverständigen einfach durch eine 'schalltechnische Beurteilung' einer Zivilingenieur-ARGE (ohne Sachverständigencharakter) ersetzt wurden, die türöffnungsbedingten Lärmbelastungen nicht als Anhebung des Dauerschallpegels gewertet wurden, im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde keine nachvollziehbaren Sachverhaltsfeststellungen über die tatsächlich angenommene Lärmbelastung getroffen wurden, eine bloße 'schalltechnische Beurteilung' einer Zivilingenieur-ARGE (ohne Sachverständigencharakter) zur Widerlegung eines Amtssachverständigengutachtens herangezogen wurde, der tatsächliche Schalldämmwert der Riesenschirm-Umhausungsmaterialien nicht erhoben bzw. festgestellt und dadurch gegen die Offizialmaxime verstoßen wurde, und schließlich der Auflagenpunkt 4. des in Beschwerde gezogenen Bescheides nicht ausreichend konkret formuliert worden ist". Diesem - in Wahrheit (bloß) Beschwerdegründe relevierenden - Vorbringen ist (noch) hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in den ihr nach der GewO 1994 eingeräumten Nachbarrechten verletzt erachtet.

Soweit die mitbeteiligte Partei gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde aber vorbringt, die beschwerdeführende Partei könne zufolge Unterlassung der Erhebung tauglicher Einwendungen in der mündlichen Verhandlung in den in der Gewerbeordnung festgelegten Nachbarrechten nicht verletzt werden, übersieht sie, dass die beschwerdeführende Partei in der Verhandlung vom 29. September 1998 Einwendungen nicht nur als Besitzer von im Einzelnen genannten Grundstücken, sondern auch als Betreiber eines benachbarten Gastgewerbebetriebes "im eigenen Namen", somit als ein sich nicht bloß vorübergehend in der Nähe der beantragten Betriebsanlage aufhaltender Nachbar erhoben hat, der durch den Betrieb der beantragten Betriebsanlage persönlich gefährdet oder belästigt werden könnte. Es trifft daher die Auffassung der mitbeteiligten Partei nicht zu, die beschwerdeführende Partei könne durch den angefochtenen Bescheid in den geltend gemachten Rechten gar nicht verletzt werden.

Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen auch berechtigt:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlage nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z. 1 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen oder die in den Z. 2 bis 5 genannten Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigten Anlagen so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 f GewO 1994 ist nach ständiger hg. Judikatur die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1998, Zl. 97/04/0139, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung oder Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 17. März 1998).

Wie dargelegt, soll die "Schirmbar" mit dem bestehenden Gastgewerbebetrieb der mitbeteiligten Partei "L-Alm" sowohl in einem räumlichen wie in einem betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Versorgung der "Schirmbar" soll über die "L-Alm" erfolgen, auch sollen die Sanitäranlagen der "L-Alm" mitbenutzt werden. Schließlich soll auch den in der "Schirmbar" beschäftigten Arbeitnehmern in der "L-Alm" ein beheizter Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt werden.

Angesichts dieses sowohl räumlichen wie auch betrieblichen Zusammenhanges der "Schirmbar" mit dem bestehenden Gastgewerbebetrieb "L-Alm" war es der belangten Behörde allerdings verwehrt, die "Schirmbar" für sich als gewerbliche Betriebsanlage gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, ohne im Einzelnen zu prüfen, ob das beantragte Vorhaben wegen des erwähnten Zusammenhanges nur als Änderung der genehmigten Betriebsanlage "L-Alm" genehmigt werden könnte.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040167.X00

Im RIS seit

16.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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