TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/19 2001/04/0065

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des H und der EL und der L GmbH & Co KG, alle in O, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 6. Februar 2001, Zl. 5/02- 1212/20-2001, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: H in O), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Februar 1998 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg der mitbeteiligten Partei gemäß § 77 GewO 1994 i.V.m. § 93 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung für die Betriebsanlage einer Diskothek samt mechanischer Lüftungsanlage und Musikanlage nach Maßgabe näher bezeichneter Unterlagen unter Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen; die Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien wurden als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Betriebsgebäude unterteile sich in ein Kellergeschoss, in welchem verschiedene Lager-, Abstell-, Sanitär- und Technikräume untergebracht seien, und einen Erdgeschossbereich, in welchem die so genannte "S-Disco" eingerichtet werde. Im Kellergeschoss werde durch die Errichtung eines Verbindungsganges eine Anbindung an das bestehende Objekt "L-Stub'n" hergestellt. Die Beheizung der geplanten Betriebsanlage erfolge ebenfalls über dieses Bestandsobjekt. Die Gebäudekonstruktion sei im Erdgeschoss als massives Mauerwerk an der Westseite und als Glaskonstruktion an der Ost- bis Südostseite vorgesehen. Der Zugang werde durch einen Windfang hergestellt, wobei sich der Ausgang ostseitig, d.h. abgewandt vom Nachbarobjekt "L-Alm", befinde. Die Glaselemente könnten bei entsprechender Witterung auch geöffnet werden, nicht jedoch die Fenster in Richtung "L-Alm". Es würden ca. 50 Verabreichungsplätze eingerichtet. Die WC-Einheiten seien im Kellergeschoss untergebracht. Die Ansaugung der Frischluft für die mechanische Belüftung der "S-Disco" erfolge an der Ostseite über ein Wetterschutzgitter, wobei ein maximaler Schalldruckpegel von 37 dB(A) in 4 m Entfernung nicht überschritten werde. Im Giebelbereich der "S-Disco" werde die verbrauchte Luft über einen Absaugkanal einer Wärmerückgewinnung im Keller zugeführt und an der Ostseite des Kellergeschosses ausgeblasen, wobei ein maximaler Schalldruckpegel von 39 dB(A) in 4 m Entfernung nicht überschritten werde. Die "S-Disco" solle von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr ausschließlich mit Hintergrundmusik betrieben werden. Anschließend sei bis 4.00 Uhr Früh reiner Discobetrieb mit geschlossenen Fenstern vorgesehen. Dem eingeholten gewerbetechnischen Gutachten zufolge komme es bei dieser Betriebsform zu keiner Beeinträchtigung der Nachbarn. Auf der Terrasse der bestehenden Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei bestehe bereits eine Schirmbar. Eine Verlegung dieses Schirmes in den Bereich der geplanten "S-Disco" sei von der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg genehmigt worden. Der Betrieb während der Tagstunden und ohne Discomusik stelle somit eine wesentliche Verbesserung aus lärmschutztechnischer Sicht dar. Während der Nachtstunden und bei Discobetrieb während der Tagstunden sei der ermittelte Immissionswert von 33 dB nicht geeignet, die örtlichen Verhältnisse wesentlich zu verändern. Der beigezogene Amtsarzt habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass unter Berücksichtigung von Auflagen eine lärmbedingte Gesundheitsgefährdung ebenso auszuschließen sei wie unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen während der Ruhe-, Abend- und Nachtzeit. Der Zugang zur Diskothek solle über die Gemeindestraße LN, die Wegparzelle  sowie über einen Weg, der auf dem Betriebsgrundstück LN (alle KG T) verlaufe, erfolgen. Über diesen Weg sei der Durchgang von der an das Betriebsgrundstück angrenzenden Schipiste auf das Weggrundstück ohne Beschränkung möglich. Es handle sich bei diesem Weg um eine allgemein zugängliche Verkehrsfläche; das Verhalten der Lokalgäste auf diesem Weg sei der Betriebsanlage daher nicht zuzurechnen.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Berufung und brachten vor, der auf dem Betriebsgründstück LN verlaufende Weg stehe im Eigentum der mitbeteiligten Partei und sei Teil der Betriebsanlage. Das Verhalten der Lokalgäste auf diesem Weg, insbesondere die dadurch bewirkte Lärmbelästigung müsse der Betriebsanlage zugerechnet werden. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass durch die Errichtung der "S-Disco" die örtlichen Verhältnisse geändert und die Abstrahlverhältnisse bei der Schirmbar eine wesentliche Änderung zu Lasten der beschwerdeführenden Parteien erfahren würden. Infolge der veränderten Reflexionen würde eine Änderung der gesamten gegebenen Betriebsanlagen bewirkt, "die im Lichte des § 81 Abs. 1 GewO 1994 dazu führt, dass die Änderung auch eine Änderung der bereits genehmigten Betriebsanlagen mit zu umfassen hat".

Die Berufungsbehörde holte ein ergänzendes lärmtechnisches und ein ergänzendes medizinisches Gutachten ein und nahm einen Ortsaugenschein vor, dem zufolge die Grundfläche zwischen der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei ("L-Stub'n") und der "L-Alm" der beschwerdeführenden Parteien "frei zugänglich bzw. befahrbar ist und offensichtlich der Aufschließung des Gastgewerbebetriebes dienlich ist".

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 6. Februar 2001 wurden die Auflagenpunkte 7, 8 und 9 des erstbehördlichen Bescheides abgeändert und die Berufung abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei unstrittig, dass zwischen der "S-Disco" und der südseitig anschließenden "L-Stub'n" sowie der "L-Alm" ein Weg führe, der einen Verbindungsweg zwischen Schipiste und Straßengrundparzelle darstelle. Dieser Weg stehe im Eigentum der mitbeteiligten Partei, diene aber nicht ausschließlich dem unmittelbaren Zu- und Abgang zur Betriebsanlage. Der Berufungsbehörde lägen zeugenschaftliche Bestätigungen vor, wonach dieser Weg bislang ungehindert und ohne Einschränkung dem Fahrzeug- bzw. Schiverkehr zur Verfügung stehe. Eine Benützung dieses Weges werde weder durch Hinweistafeln, noch durch sonstige Absperrungen ausschließlich dem Zu- und Abgang zur Betriebsanlage vorbehalten. Der von den Kunden der "S-Disco" bei Benützung dieses Weges verursachte Lärm sei daher zu Recht nicht der "S-Disco" zuzurechnen gewesen. Was aber das Zusammenwirken der genehmigten "Schirmbar" mit der "S-Disco" anlange, habe das schalltechnische Gutachten ergeben, dass die durch die "Schirmbar" bewirkten Reflexionen bei den Berechnungen bereits berücksichtigt worden seien. Bei Betrieb der "Schirmbar" und somit bei Berücksichtigung der durch diese Schallquelle hervorgerufenen Lärmereignisse würde es zu keiner wesentlichen Änderung der bestehenden Lärmverhältnisse in der Nachbarschaft kommen. Abgesehen davon, dass die Genehmigung der "S-Disco" auf § 77 Abs. 1 GewO 1994 beruhe, habe eine Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 die früher genehmigte Anlage nur zu umfassen, wenn neue oder größere Immissionen im Sinne des § 74 Abs. 2 im Zusammenwirken mit der bestehenden Anlage ausgelöst würden. Dafür böten aber weder das Ergebnis des Verfahrens noch das Berufungsvorbringen Anhaltspunkte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in den ihnen durch die GewO 1994 gewährleisteten Nachbarrechten verletzt. Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, die Beschreibung des Weges auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Von einem Verbindungsweg zwischen Schipiste und Gemeindestraße, der als öffentliche Straße einzuordnen wäre, könne keine Rede sein. Die erstmals im angefochtenen Bescheid getroffene Aussage, dieser Weg werde auch von anderen Gästen, die einen Verbindungsweg zwischen Schipiste und öffentlicher Straße suchten, bzw. die den Weg zu ihren Unterkünften aufsuchten, benützt, sei unzutreffend. Zwar bestehe in Richtung Schipiste kein Zaun oder eine sonstige Abgrenzung, es gebe hier aber auch keine Unterkünfte. Andererseits bestünden im südlichen Bereich der Betriebsliegenschaft Abzäunungen und sonstige Einbauten, sodass über diesen Weg andere Objektes als der Gastgewerbebetrieb der mitbeteiligten Partei nicht aufgeschlossen würden. Dieser Weg sei, wie anlässlich des Lokalaugescheins zutreffend festgestellt, "der Aufschließung des Gastgewerbebetriebes dienlich", was durch Lichtbögen, die von der mitbeteiligten Partei angebracht worden seien, noch unterstrichen werde. Hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften eingehalten, hätte sie erkannt, dass die Annahme, es bestehe eine öffentliche Verkehrsverbindung über den Betriebsstandort der mitbeteiligten Partei, unzutreffend sei. Im Übrigen bestehe ein sachlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen den bestehenden Gastgewerbebetrieben der mitbeteiligten Partei und der "S-Disco". Da davon auszugehen sei, dass die Diskothek in erheblichem Maße von den Hotelgästen der mitbeteiligten Partei besucht werde, sei ein erheblicher Zu- und Abgangsverkehr zu erwarten. Soweit die belangte Behörde meine, es seien die Lärmimmissionen durch die - genehmigte - "Schirmbar" nicht verfahrensgegenständlich, übersehe sie, dass es um das Zusammenwirken von Anlagenteilen der mitbeteiligten Partei und die sich daraus ergebenden Auswirkungen gehe. Die "S-Disco" solle im Übrigen mit der "L-Stub'n" auch baulich, nämlich durch eine unterirdische Verbindung verbunden werden und es werde die "S-Disco" auf der zwischen "Schirmbar" und dem Restaurant "L-Stub'n" gelegenen Terrassenfläche errichtet, sodass sich die Betriebsweise auf der Terrasse (Verabreichung von Speisen und Getränken von der "L-Stub'n" aus) notwendiger Weise verändere. Die Änderung der bestehenden, genehmigten Anlage sei nicht berücksichtigt worden.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlage nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z. 1 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen oder die in den Z. 2 bis 5 genannten Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigten Anlagen so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 f GewO 1994 ist nach ständiger hg. Judikatur die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1998, Zl. 97/04/0139, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung oder Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 17. März 1998).

Nach der baulichen Beschreibung in den im Genehmigungsbescheid bezogenen Unterlagen soll die verfahrensgegenständliche "S-Disco" mit der genehmigten Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei "L-Stub'n" durch einen unterirdischen Gang verbunden werden, auch die Beheizung soll - so die Beschreibung im erstinstanzlichen Bescheid - über das Bestandsobjekt "L-Stub'n" erfolgen. In der "S-Disco" sollen laut Betriebsbeschreibung vorwiegend Schifahrer mit heißen und kalten Getränken versorgt werden. Speisen sollen hier im kleinen Rahmen verabreicht werden, wobei die Zubereitung in der "L-Stub'n"-Küche erfolgt. Schließlich soll bei schöner Witterung (von der "S-Disco") auf die "L-Stub'n"-Terrasse serviert werden.

Angesichts dieses sowohl baulichen als auch betrieblichen Zusammenhanges der "S-Disco" mit der bestehenden Betriebsanlage "L-Stub'n" war es der belangten Behörde allerdings verwehrt, die "S-Disco" für sich als gewerbliche Betriebsanlage gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, ohne im Einzelnen zu prüfen, ob das beantragte Vorhaben wegen des erwähnten Zusammenhanges nur als Änderung der genehmigten Betriebsanlage genehmigt werden könnte.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040065.X00

Im RIS seit

16.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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