TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/19 2001/04/0252

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1994 §130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (Aussenstelle Wiener Neustadt) vom 12. Juni 2001, Zl. Senat-MD-99-792, betreffend Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 947,24 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 16. November 1999 wurde gegenüber der mitbeteiligten Partei wie folgt abgesprochen:

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Sie sind als verantwortlicher Beauftragter der Firma B AG mit dem Sitz in 2355 Wiener Neudorf dafür verantwortlich, dass am 07.07.1999 in der B-Filiale in S, R-Straße 12, folgende Arbeitnehmerschutzvorschrift nicht eingehalten wurde:

Entgegen Punkt 4 der ergänzenden Angaben des Vertreters der B AG in der Verhandlungsschrift 01/02/34072/97/23 vom 04.06.1998, Bestandteil des Bescheides des Magistrates Salzburg vom 22.07.1998, Zahl 01/02/34072/97/33, waren die drei Regale im Bereich Feinkost so aufgestellt, dass von den Arbeitsplätzen der Feinkostinsel keine ungehinderte Sichtverbindung mit dem Freien gegeben war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

o.a. Bescheidpunkt ('Die Aufstellung der drei Regale im Bereich Feinkost wird insoferne geändert, dass es von den Arbeitsplätzen der Feinkostinsel eine ungehinderte Sichtverbindung ins Freie über die gegenüber dem Plan versetzte zweiflügelige Glastüre gibt.')

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Geldstrafe

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

gemäß

S 20.000,--

14 Tagen

§ 130 Abs. 2 ASchG"

Der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG die Einstellung des Verfahrens verfügt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, der "Magistrat" der Landeshauptstadt Salzburg habe mit Bescheid vom 22. Juni 1998 dem Ansuchen der B AG vom 19. März 1997 hinsichtlich der begehrten Änderung der Betriebsanlage "unter der Voraussetzung der Erfüllung von taxativ aufgezählten Bescheidauflagepunkten stattgegeben". In der diesem Bescheid zeitlich vorgelagerten Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 habe im Rahmen von ergänzenden Angaben der Vertreter der B AG zugesagt, dass die Aufstellung der drei Regale im Bereich Feinkost insofern geändert werde, dass es von den Arbeitsplätzen der Feinkostabteilung eine ungehinderte Sichtverbindung ins Freie über die gegenüber versetzte zweiflügelige Glastür geben werde (Punkt 4).

In ihrer rechtlichen Beurteilung vertritt die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, eine taugliche Rechtsgrundlage hinsichtlich der Anlastung der Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen könne lediglich "ein behördlich vorgeschriebener Bescheidauflagenpunkt, eine gesetzliche Norm oder eine in Rechtskraft stehende Verordnung" sein. Nur bei Verletzung bzw. Nichteinhaltung dieser Auflagen bzw. Vorschriften könne ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden, welches sich auf die Nichteinhaltung bzw. Verletzung dieser Normen beziehe. Im vorliegenden Fall könne ergänzenden Angaben des Vertreters eines Unternehmens hinsichtlich der beabsichtigten, betriebsanlagenrelevanten baulichen Änderungen keine solche rechtliche Qualifikation zugewiesen werden, dass diesen die gleiche Rechtsverbindlichkeit zukomme wie einer behördlichen Auflage bzw. einer gesetzlichen Norm. Seitens der bescheiderlassenden Behörde sei es unterlassen worden, diese Äußerung des Rechtsvertreters unter Punkt 4. der ergänzenden Angaben in der Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 in Form eines verbindlichen Bescheidauflagenpunktes festzusetzen. Des Weiteren fehle jeglicher Hinweis, dass die Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilde. Da somit die mitbeteiligte Partei die ihr zur Last gelegte Übertretung mangels des Fehlens einer tauglichen Rechtsgrundlage nicht zu verantworten habe, sei der Berufung, ohne auf weiteres materiell-rechtliches Vorbringen einzugehen, zu folgen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist auf das Vorbringen sowohl der belangten Behörde als auch der mitbeteiligten Partei einzugehen, dass die vorliegende Amtsbeschwerde verspätet und daher zurückzuweisen sei.

Es trifft nun zwar zu, dass die der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei übermittelte Beschwerde mit 20. August 2001 datiert ist (und die Beschwerdefrist mit Ablauf des 17. August 2001 endete). Der beschwerdeführende Bundesminister hat jedoch bereits mit 17. August 2001 eine Beschwerde eingebracht, bei der jedoch im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG die Vorschriften über die Form und den Inhalt nicht eingehalten wurde. Diese Mangelhaftigkeit hätte den Verwaltungsgerichtshof aber nicht zur Zurückweisung der Beschwerde berechtigt, sondern nur zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG. Ein solcher war aber in der Folge wiederum deshalb entbehrlich, weil der beschwerdeführende Bundesminister die Verbesserung unaufgefordert bereits mit Schriftsatz vom 20. August 2001 vorgenommen hat (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/11/0230).

Dass die in Frage stehende (in der Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 protokollierte) Äußerung des Vertreters der B AG Gegenstand der dem Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 22. Juni 1998 angeschlossenen Betriebsbeschreibung (vgl. § 359 Abs. 2 GewO 1994) sei, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, sondern vielmehr, dass durch diese Äußerung die Betriebsbeschreibung "modifiziert" worden sei. Wenn in der Beschwerde (daran anknüpfend) geltend gemacht wird, dass "diese Betriebsbeschreibung" normativen Charakter erlangt habe, so wird nicht dargetan und ist auf dem Boden der Aktenlage auch nicht zu erkennen, inwiefern diese "Modifizierung" (durch die in der Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 protokollierte Äußerung) rechtlich in den normativen Bescheidinhalt integriert worden wäre. So haben die Modalitäten einer solchen "Modifizierung" weder in Form einer Auflagenvorschreibung (auch nicht etwa in Form einer Vorschreibung nach § 94 Abs. 3 ASchG) noch durch Aufnahme einer diesbezüglichen Ergänzung der Betriebsbeschreibung in den Spruch des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 22. Juni 1998 Eingang gefunden. Dabei ist zum Letzteren noch anzumerken, dass es mangels jeglichen Verweises im Spruch dieses Bescheides auf die Verhandlungsschrift vom 4. Juni 1998 dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Verweis (an sich) ausreichend wäre (vgl. dahingehend das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1996, Zl. 96/07/0086; hinsichtlich des gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahrens siehe aber das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1986, Zl. 85/04/0167).

Die in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, dass - ausgehend von der geltend gemachten "Modifizierung" der Betriebsbeschreibung - unter "bescheidmäßige Vorschreibungen" iSd § 130 Abs. 2 AschG nicht nur Nebenbestimmungen des Bescheides zu verstehen seien, sondern auch "die sich aus dem Bescheidspruch ergebende primäre Verpflichtung, nämlich die Betriebsanlage entsprechend den Einreichunterlagen zu errichten und zu betreiben", stellt sich somit im Beschwerdefall gar nicht; ebenso auch nicht die Frage, ob - "im Hinblick darauf, dass ein vom genehmigten Zustand abweichender tatsächlicher Zustand auch eine konsenslose Änderung der genehmigten Betriebsanlage darstellen kann", von der belangten Behörde das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs. 1 Z. 30 AschG zu prüfen gewesen wäre.

Die vorliegende Amtsbeschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war im Hinblick auf die für Amtsbeschwerden bestehende Sonderregelung des § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040252.X00

Im RIS seit

16.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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