TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/20 2001/06/0105

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Veröffentlicht am 20.03.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;

Norm

B-VG Art135 Abs4;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art89;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 1998, Zl. VIIa-410.376, betreffend Abweisung eines Bauantrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Kostenersatzantrag der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 6. August 1987 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Gästehauses auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft Nr. 578/7 KG L. Dieses Grundstück war von einer mit Verordnung der Gemeinde vom 22. Juni 1988 angeordneten Bausperre (wegen beabsichtigter Rückwidmung infolge Bedenken gegen die Bodenbeschaffenheit) betroffen, welche erst mit Verordnung der Gemeinde vom 15. Juli 1992 aufgehoben wurde (Datum jeweils der Kundmachungen). Von einer Rückwidmung wurde jedoch in der Folge abgesehen, weil die mit der Verordnung der Gemeinde vom 19. März 1992 festgelegten Baunutzungs- und Höchstgeschoßzahlen durch den auf der Liegenschaft Nr. 578/7 vorhandenen Altbestand bereits überschritten waren und aus diesem Grunde eine Aufrechterhaltung der Bausperre nicht für erforderlich erachtet wurde. Nach dem Inhalt dieser Verordnung befand sich die gegenständliche Liegenschaft Nr. 578/7 in der Zone V mit einer zulässigen Baunutzungszahl von 40 und einer Höchstgeschoßzahl von 2,5. Der auf dieser Liegenschaft befindliche Altbestand weist eine Baunutzungszahl von 54 und eine Höchstgeschoßzahl von 4 auf und überschreitet damit bereits die vorgegebenen Richtwerte.

Mit Verordnung der Gemeinde vom Juni 1997 (von der belangten Behörde genehmigt am 1. Juli 1997) wurde ein Bebauungsplan erlassen, nach dessen Inhalt die gegenständliche Liegenschaft Nr. 578/7 in der Zone IV (Blau) mit einer Baunutzungszahl von 50 und einer Höchstgeschoßzahl von 3 gelegen ist. Auch diese Richtwerte werden somit bereits vom Altbestand überschritten.

Mit Schreiben vom 10. August 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Bauverfahrens, welcher Antrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 1992 zurückgewiesen wurde. Dies war Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 28. Januar 1993, Zl. 92/06/0240, auf welches im Übrigen verwiesen wird.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 28. Oktober 1997 wurde der Baubewilligungsantrag des Beschwerdeführers ohne Durchführung einer Bauverhandlung wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan der Gemeinde abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 28. Oktober 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Begründend verwies die belangte Behörde darauf, dass die gegenständliche Liegenschaft in der Zone IV des Gesamtbebauungsplanes der Gemeinde liege, für welche eine Baunutzungszahl von 50 vorgesehen sei, die durch den Bestand bereits überschritten sei. Für die Berechnung der Baunutzungszahl sei lediglich jener Teil des Grundstücks relevant, der als Baufläche gewidmet sei, der unbebaubare Teil der Liegenschaft komme nicht in Betracht. Das gegenständliche Grundstück sei anlässlich der beabsichtigten Grundteilung im Jahr 1995 vermessen worden, die Ergebnisse dieser Vermessung seien herangezogen worden. Anhaltspunkte, die gegen diese Vorgangsweise gesprochen hätten, seien nicht erkennbar gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem mit Beschluss vom 12. Juni 2001, B 1305/98-9 abgelehnte und über Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 31. Juli 2001, B 1305/98-12 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene, über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Eigentum, auf ein faires Verfahren, auf gesetzmäßigen Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplan, in seinen subjektivöffentlichen Rechten auf Baubewilligung, Nichtanwendung gesetzwidriger Verordnungen, auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, gesetzmäßige Begründung, ordnungsgemäße Verfahrensführung und Akteneinsicht verletzt.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, beantragte jedoch die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und legte die Verwaltungsakten vor.

Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Insoweit der Beschwerdeführer die Befassung des Verfassungsgerichtshofes in den Fragen der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde anregt, besteht für den Verwaltungsgerichtshof gerade im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof, der bereits mit dieser Angelegenheit befasst war und auch ein Vorverfahren eingeleitet hat, im Zuge dessen ihm die Verwaltungsakten vorgelegt wurden, die Behandlung der Beschwerde unter Hinweis darauf abgelehnt hat, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers "angesichts der wegen der Hanglage sachlichen Rechtfertigung der teilweisen - im Flächenwidmungsplan deutlich erkennbaren - Widmung des Grundstücks des Beschwerdeführers als Freifläche-Freihaltegebiet die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" habe, keine Veranlassung diesen Gerichtshof mit den gleichen Fragen neuerlich zu befassen, zumal auch der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken in der geäußerten Richtung hegt.

Insoweit der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 6 Abs. 1 EMRK die Durchführung eines Ortsaugenscheins durch den Verwaltungsgerichtshof beantragt, ist ihm Folgendes entgegen zu halten:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem entgegensteht.

Aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. die Urteile vom 23. Februar 1994 im Fall FREDIN Nr. 2 gegen Schweden, und vom 26. April 1995, im Fall FISCHER gegen Österreich) kann abgeleitet werden, dass für das Recht auf mündliche Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK im Falle der Entscheidung durch ein Tribunal in letzter Instanz maßgeblich ist, ob im Rechtsmittel Tatfragen aufgeworfen wurden, ob die Notwendigkeit besteht, über bestimmte Punkte mittels öffentlicher Verhandlung Klärungen zu erreichen und ferner die Bedeutung dessen, was auf dem Spiele steht. Der Beschwerdeführer führt in der ergänzten Beschwerde zur Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides selbst nichts aus, auch die ergänzte Beschwerde enthält neben näher begründeten Anträgen an den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich Ausführungen zur Gesetzmäßigkeit des angewendeten Bebauungs- und Flächenwidmungsplans. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich dazu berufen ist, die Aufhebung von Verordnungen wegen Gesetzwidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, fällt die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verordnungen gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG allein in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Da die Beschwerde zum Prüfungsgegenstand des Verwaltungsgerichtshofes keine Ausführungen enthält, steht es im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 EMRK, von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen. Eine mündliche Erörterung lässt keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten. Es konnte somit gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Auch wenn der Beschwerdeführer meint, aus dem aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuleitenden Recht auf ein Tribunal sei eine Verpflichtung abzuleiten, einen Verordnungsprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer konnte im vorliegenden Fall über eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG alle Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnung vortragen.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass die Widmung einer Teilfläche seines Grundstücks laut rechtgültigem Flächenwidmungsplan als "Freifläche-Freihaltegebiet" vorliegt und die im gültigen Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde enthaltenen Baunutzungsbeschränkungen zahlenmäßig korrekt wiedergegeben wurden. Er bestreitet auch nicht, dass diese von dem bereits auf der Liegenschaft befindlichen (Alt)Bau überschritten sind. Damit erweist sich aber auch die Erteilung einer Baubewilligung für ein weiteres Projekt auf dieser Liegenschaft als unzulässig.

Die Abweisung des Bauantrages des Beschwerdeführers erweist sich daher nicht als rechtswidrig. Die Beschwerde war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war im Hinblick darauf, dass sie nicht rechtsanwaltlich vertreten war, abzuweisen.

Wien, am 20. März 2003

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Gegenseitige Beziehung: VwGH - VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001060105.X00

Im RIS seit

06.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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