TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/20 98/17/0320

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2003
beobachten
merken

Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37169 Kanalabgabe Wien;
L82309 Abwasser Kanalisation Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
BAO §93 Abs2;
Kanalanlagen- und EinmündungsgebührenG Wr §15;
LAO Wr 1962 §67 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde 1.) der Z Gesellschaft m.b.H und 2.) der A Gesellschaft m.b.H., beide vertreten durch Dr. Rudolf Fries, DDr. Christa Fries und Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwälte in 2500 Baden, Erzherzog-Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 10. September 1998, Zl. MD-VfR-Z 14/97, betreffend Rückerstattung der entrichteten Gebühr gemäß § 15 des Wiener Kanalanlagen- und Einmündungsgebührengesetzes,

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. zu Recht erkannt:

Auf Grund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird Spruchpunkt II B) des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 6. November 1992 wurde der V-GmbH über deren Antrag, somit als Bauwerberin, die Baubewilligung für die Errichtung eines Bürohauses auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien 19, M-Gasse 56-64, erteilt.

Anlässlich der Erteilung der Baubewilligung wurde der V-GmbH mit Bescheid des Magistrates Wien vom 27. Oktober 1992 gemäß § 10 lit. a und lit. b des Wiener Kanalanlagen- und Einmündungsgebührengesetzes (im Folgenden: Wr KEG) eine Ergänzungsgebühr in der Höhe von S 1,978.717,-- vorgeschrieben.

Mit Schreiben vom 19. Mai 1995 teilte die Erstbeschwerdeführerin der Baubehörde erster Instanz mit, dass sie auf Grund des - von ihr gleichzeitig vorgelegten - Kaufvertrages vom 16. November 1994 von der V-GmbH als Verkäuferin die im obgenannten Baubewilligungsbescheid genannten Liegenschaften käuflich erworben habe und nunmehr Eigentümerin dieser Liegenschaften sei. Sodann führte die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Schreiben aus:

"Aufgrund dieses Kaufvertrages, den wir ebenso wie die Grundbuchsauszüge vorlegen, sind wir seit dem in § 3 des Kaufvertrages ('Anbot') bezeichneten Übergabsvertrag, sohin am 27.10.1994, Rechtsnachfolger der (V-GmbH) hinsichtlich der im zitierten Bescheid angeführten Liegenschaften sowie hinsichtlich aller Rechte und Pflichten, die mit diesen Liegenschaften für die (V-GmbH) verbunden waren, geworden. Zum Nachweis dafür legen wir auch das Schreiben der Stadt Wien, Magistratsabteilung 69, vom 17.11.1994 vor, mit dem der Eintritt der in § 3 des Kaufvertrages genannten Bedingungen bestätigt wird.

Die (Erstbeschwerdeführerin) ist daher anstelle der (V-GmbH) auch Bauwerberin und Bescheidadressatin des oben zitierten Baubewilligungsbescheides.

Das vorausgeschickt, verzichtet die (Erstbeschwerdeführerin) hiemit auf die Inanspruchnahme der mit Bescheid (...) vom 6. November 1992 erteilten Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftszentrums auf der Liegenschaft 1190 Wien, M-Gasse (...), hinsichtlich der über dem außen liegenden Niveau zu errichtenden Objekte und unter der Voraussetzung der Erteilung der am 31.3.1995 beantragten und am 26.4.1995 verhandelten Baubewilligung für die Obergeschoße einschließlich des Erdgeschoßes."

Die Zweitbeschwerdeführerin suchte mit Eingabe vom 31. März 1995 um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftszentrums auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft an, welche ihr in der Folge auch erteilt wurde.

Die V-GmbH teilte der Baubehörde erster Instanz mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995 mit, dass die neue Eigentümerin der Liegenschaften (Erstbeschwerdeführerin) in die Rechtsstellung ihrer gültigen Baubewilligung eingetreten sei und alle mit der Baubewilligung verbundenen Rechte, Pflichten und sonstigen Veranlassungen daher im Bereich der neuen Eigentümerin lägen. (Vgl. zur Rechtsnachfolge in der Stellung als Bauwerberin durch den dargestellten Eigentumsübergang von der V-GmbH auf die Erstbeschwerdeführerin bereits das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 99/05/0087.)

Die V-GmbH stellte sodann den Antrag auf Rückerstattung der ihr mit Bescheid vom 27. Oktober 1992 vorgeschriebenen Ergänzungsgebühr. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 15. Oktober 1996 stattgegeben.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1996 beantragten (auch) sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch die Zweitbeschwerdeführerin unter Berufung auf § 15 Wr KEG die Rückerstattung der mit Bescheid vom 27. Oktober 1992 vorgeschriebenen Ergänzungsgebühr. Die Erstbeschwerdeführerin habe in ihrem Schreiben vom 19. Mai 1995 hinreichend ihre Rechtsnachfolge dargetan und sei daher Bauwerberin. Mit Bescheid vom 22. Juni 1995 sei unter Verweis auf den Verzicht der Erstbeschwerdeführerin auf die Baubewilligung vom 6. November 1992 der Zweitbeschwerdeführerin als Bauwerberin und Vertreterin der Grundeigentümer (der Erstbeschwerdeführerin) die neue Baubewilligung erteilt worden, nachdem die dem neuen Bauwerber vorgeschriebenen Kanaleinmündungsgebühren und die dem neuen Bauwerber vorgeschriebenen Anliegerbeiträge von diesem bezahlt worden seien. Die Zweitbeschwerdeführerin schließe sich den Anträgen der Erstbeschwerdeführerin an.

Parallel mit dem hier gegenständlichen Verfahren betreffend den Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerinnen wurde das Berufungsverfahren betreffend die Festsetzung der Abgabe gegenüber der V-GmbH geführt; dazu vgl. den Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 98/17/0319.

Der Magistrat der Stadt Wien erließ sodann folgende, nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 18. Juli 1997:

"...

Sehr geehrte Damen und Herren!

Gemäß § 15 Abs. 2 des Wiener Kanalgesetzes ist der Anspruchsberechtigte auf zinsenfreie Erstattung der Kanaleinmündungsgebühr der Bauwerber, andere Personen können diesen Anspruch nur geltend machen, wenn sie nachweisen, dass er auf sie übergegangen ist.

Die selbe Formulierung findet sich auch im § 51 Abs. 12 der Bauordnung Wien bezüglich des Anliegerbeitrages.

Da bei den Bescheiden betreffend Kanaleinmündungsgebühr und Anliegerbeitrag für den Neubau in der M-Gasse vom Oktober 1992 der Bauwerber und Zahlungsverpflichtete die (V-GmbH) (...) war, Ihre Kanzlei im gegenständlichen Antrag diese Gesellschaft nicht vertritt und auch kein Schreiben der (V-GmbH) aufliegt, aus dem der Übertrag der Ansprüche an die von Ihnen vertretene Mandantschaft hervorgeht, konnte Ihrem Antrag nicht nähergetreten werden.

Hochachtungsvoll

Für den Abteilungsleiter

(Fertigung)."

Mit Schriftsatz vom 6. August 1997 erhoben die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin gegen diese Erledigung Berufung und stellten in eventu einen an die belangte Behörde gerichteten Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG, weil die Erledigung nicht die für die wirksame Erlassung eines Bescheides erforderlichen Mindestkriterien aufweise. Im Übrigen habe die Erstbeschwerdeführerin ihre Rechtsnachfolge durch Vorlage des Kaufvertrages hinreichend nachgewiesen; die Zweitbeschwerdeführerin sei nunmehrige Bauwerberin. Der Devolutionsantrag bezog sich sowohl auf den Antrag, den von der V-GmbH geleisteten Beitrag nach § 51 Wiener Bauordnung, als auch auf den Antrag, den Ergänzungsbeitrag nach dem Wr KEG zurück zu zahlen.

Unter Spruchpunkt II A) des angefochtenen Bescheides vom 10. September 1998 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Parteien bezüglich der Rückerstattung von Anliegerbeiträgen als unzulässig zurück (eine inhaltliche Entscheidung über diesen Rückzahlungsantrag erging auf Grund eines auch an die Bauoberbehörde gerichteten Devolutionsantrages durch die Bauoberbehörde für Wien; dazu vgl. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 99/05/0087).

Unter Spruchpunkt II B) des angefochtenen Bescheides entschied die belangte Behörde inhaltlich über den Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Rückerstattung der Ergänzungsgebühr und wies diesen Rückerstattungsantrag gemäß § 243 Abs. 2 WAO als unbegründet ab.

In der Begründung dieses Spruchteiles heißt es, es treffe nach der Aktenlage zu, dass bis zum Einlangen des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerinnen seitens der Abgabenbehörde erster Instanz über deren Antrag vom 24. Oktober 1996 nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rückerstattungsantrag der Beschwerdeführerinnen im Devolutionsweg auf sie übergegangen sei.

Inhaltlich sei den Ausführungen der beschwerdeführenden Parteien insoferne beizupflichten, als nach dem Akteninhalt davon auszugehen sei, dass hinsichtlich der mit Bescheid vom 6. November 1992 der V-GmbH als Bauwerberin rechtskräftig erteilten Baubewilligung ein Wechsel in der Person des durch die rechtskräftige Baubewilligung zur Ausführung des bewilligten Bauvorhabens Berechtigten eingetreten sei und diese Berechtigung auf die Erstbeschwerdeführerin übergegangen sei. Wenngleich sich aus dem vorgelegten Kaufvertrag vom 16. Juni 1994 lediglich ein Indiz für einen solchen Wechsel entnehmen lasse, gehe aus dem Schreiben der V-GmbH vom 9. Juni 1995 klar hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin in die Rechtsstellung der Bauwerberin - nämlich in die Berechtigung, das durch die rechtskräftige Baubewilligung vom 6. November 1992 bewilligte Bauvorhaben auszuführen - eingetreten sei.

Von einem Bauwerber könne aber schon rein begrifflich nur bis zur rechtskräftigen Erteilung der Baubewilligung gesprochen werden. Bauwerber hinsichtlich des mit Baubewilligungsbescheid vom 6. November 1992 bewilligten Bauvorhabens sei ausschließlich die V-GmbH gewesen. Gemäß § 15 Abs. 2 Wr KEG könnten andere Personen als der Bauwerber den Anspruch auf Erstattung der entrichteten Gebühr nur geltend machen, wenn sie nachwiesen, dass dieser auf sie übergegangen sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe als Rechtsnachfolgerin der V-GmbH auf die Baubewilligung vom 6. November 1992 unter der Bedingung verzichtet, dass die (von der Zweitbeschwerdeführerin) am 31. März 1995 beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftszentrums auf den in Rede stehenden Liegenschaften erteilt werde. Die beantragte Baubewilligung sei mit Bescheid vom 22. Juni 1995 erteilt und die in der Verzichtserklärung vorbehaltene Bedingung erfüllt worden.

Es sei jedoch festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 19. Mai 1995 weder die Rückerstattung der gegenständlichen Ergänzungsgebühren beantragt, noch behauptet beziehungsweise bewiesen habe, dass der Anspruch auf zinsenfreie Rückerstattung der entrichteten Gebühr auf sie übergegangen sei. Den vorgelegten Urkunden sei ein solcher Anspruchsübergang nicht zu entnehmen, weshalb der Nachweis im Sinne des § 15 Wr KEG unterblieben sei.

Während dem Antrag der V-GmbH auf Rückerstattung der Ergänzungsgebühr bereits mit Bescheid vom 15. Oktober 1996 stattgegeben worden sei, habe die Erstbeschwerdeführerin die Rückerstattung (derselben) Gebühren erst mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1996 beantragt.

Da die beschwerdeführenden Parteien bis zur Erlassung des Rückerstattungsbescheides vom 15. Oktober 1996 keinen Nachweis für ihre Rechtsnachfolge betreffend den Rückerstattungsanspruch erbracht hätten, sei die bescheidmäßige Rückerstattung der Ergänzungsgebühren an die V-GmbH zu Recht erfolgt. Zumal ein Übergang des Anspruches auf Rückerstattung auf eine andere Person nicht nachgewiesen worden sei - und auch der Bestimmung des § 15 Wr KEG nicht zu entnehmen sei, dass die entrichtete Gebühr mehrmals rückzuerstatten sei -, habe der Antrag der Beschwerdeführer abgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Spruchpunkt II B) des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 7 Wr KEG, LGBl. Nr. 22/1955 idF LGBl. Nr. 78/1995, lautet:

"Gebührenpflicht; Arten der Gebühr

(1) Für den erstmaligen unmittelbaren oder mittelbaren Anschluss an einen Straßenkanal ist eine Kanaleinmündungsgebühr zu entrichten.

(2) Bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse ist in den im § 10 aufgezählten Fällen eine Ergänzungsgebühr zu entrichten.

(3) Die Gebührenberechnung geht vom Bauplatz beziehungsweise Baulos aus. Einem Bauplatz beziehungsweise Baulos sind hinsichtlich der Gebührenberechnung auch sonstige bebaute Grundflächen gleichzuhalten."

§ 10 Wr KEG idF LGBl. Nr. 78/1995 lautet:

"Ergänzungsgebühr

Eine Ergänzungsgebühr ist in folgenden Fällen zu entrichten:

a) im Fall eines Neubaues oder eines Zubaues in waagrechter Richtung, wenn dieser auf einem bereits angeschlossenen Bauplatz beziehungsweise Baulos unter Belassung vorhandener Baulichkeiten oder nach deren Abtragung errichtet wird, in Höhe der Flächengebühr für die durch den Neu- oder Zubau in Anspruch genommene Fläche;

b) bei Vergrößerung des Bauplatzes beziehungsweise Bauloses eine Front- und eine Flächengebühr für jene neu hinzugekommenen Frontlängen und bebauten Flächen, die noch nicht die Grundlage einer Veranlagung gebildet haben;

c) im Falle der Umwandlung einer Teilkanalisation in eine Vollkanalisation eine Front- und Flächengebühr in Höhe von 50 v.

H. des Unterschiedsbetrages zwischen der Gebühr für die Teilkanalisation und der Gebühr für die Vollkanalisation unter Zugrundelegung des geltenden vollen Einheitssatzes."

§ 15 Wr KEG (Stammfassung) lautet:

"Erstattungsanspruch

(1) Erlischt eine Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Zeitablauf, so steht ein Anspruch auf zinsenfreie Erstattung der entrichteten Gebühr zu. Der Anspruch auf Erstattung geht unter, wenn er nicht spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres geltend gemacht wird, das auf das Erlöschen der Baubewilligung folgt.

(2) Anspruchsberechtigt ist der Bauwerber. Andere Personen können diesen Anspruch nur geltend machen, wenn sie nachweisen, daß er auf sie übergegangen ist."

2. Zur Zurückweisung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin ist zwar Bauwerberin in einem hier nicht gegenständlichen Bauverfahren. Sie ist aber nicht Rechtsnachfolgerin der V-GmbH als Bauwerberin hinsichtlich jenes Bauvorhabens, welches den Abgabentatbestand begründete, auf den sich der Rückzahlungsanspruch bezog. Sie konnte daher auf Grund des Beschwerdevorbringens von vornherein nicht in dem geltend gemachten, vom Beschwerdepunkt umfassten, subjektiv-öffentlichen Recht auf Erstattung der von einer anderen Rechtsperson im Hinblick auf ein anderes Bauvorhaben entrichteten Kanaleinmündungs-Ergänzungsgebühr verletzt sein. Ihrer Beschwerde fehlt es daher an der Berechtigung, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss des gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senates zurückzuweisen war.

3. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

3.1. Zur funktionellen Zuständigkeit der belangten Behörde:

Die belangte Behörde hat sich auf Grund des Devolutionsantrages der Erstbeschwerdeführerin für zuständig erachtet, über deren Rückerstattungsantrag in der Sache zu entscheiden. Sie ging dabei davon aus, dass der erstinstanzlichen Erledigung vom 19. Mai 1995, welche nicht als Bescheid bezeichnet war, keine Bescheidqualität zukomme.

Diese Ansicht der belangten Behörde ist zutreffend.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann für das Entstehen eines Bescheides ohne Bedeutung, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann - wie der Verwaltungsgerichtshof auch für die Erlassung von Bescheiden nach der BAO und den Landesabgabenordnungen ausgesprochen hat - nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde einen normativen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1983, Zlen. 83/17/0096, 0097, 0099, 0100, 0101 und 0127, vom 24. November 1997, Zl. 93/17/0173, vom 27. September 1999, Zl. 99/17/0221, vom 17. April 2000, Zl. 95/17/0499, vom 18. Oktober 2000, Zl. 95/17/0180, vom 27. November 2000, Zl. 2000/17/0231, oder zuletzt vom 18. September 2002, Zl. 98/17/0281). Wenn der Inhalt einer Erledigung somit Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist nach der ständigen hg. Rechtsprechung die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell.

Enthält eine mit "Sehr geehrte Damen und Herren!" überschriebene Erledigung neben dem Zitat einer Rechtsvorschrift den abschließenden Hinweis: "... konnte Ihrem Antrag nicht näher getreten werden" und entbehrt sie einer Rechtsmittelbelehrung, so erweist sich die Normativität dieser Erledigung zumindest als zweifelhaft. Da daher der Inhalt dieser Erledigung nach der sprachlichen Fassung jedenfalls Zweifel über ihren Bescheidcharakter entstehen lässt, wäre ihre ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid erforderlich gewesen, um tatsächlich vom Vorliegen eines Bescheides ausgehen zu können.

Da die Erledigung nicht als Bescheid bezeichnet ist, stellt sie im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung keinen Bescheid dar. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages durch die Erstbeschwerdeführerin war daher über deren Rückzahlungsantrag noch nicht entschieden. Der Devolutionsantrag war sohin zulässig und führte zum Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde (vgl. etwa Winkelhofer, Säumnis von Verwaltungsbehörden, 81). Es ist daher die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rückerstattungsantrag gemäß § 243 Abs. 2 WAO auf die belangte Behörde übergegangen, weshalb diese zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war.

3.2. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht Bauwerberin sei und ihre Rechtsnachfolge nicht hinreichend nachgewiesen habe, weshalb ihr Antrag auf Rückerstattung der Ergänzungsgebühren gemäß § 15 Wr KEG abzuweisen gewesen sei. Von einem Bauwerber könne begrifflich nur bis zur rechtskräftigen Erteilung der Baubewilligung gesprochen werden.

Diese Rechtsauffassung ist, wie auch schon im hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 99/05/0087, ausgeführt wurde, verfehlt.

Die Erstbeschwerdeführerin war vielmehr auf Grund ihrer Rechtsnachfolge und der angezeigten Nachfolge in die Rechtsstellung als Trägerin der Rechte und Pflichten aus der der V-GmbH erteilten Baubewilligung "Bauwerberin" bezüglich jenes Bauprojekts, welches den Tatbestand für den entstandenen Abgabenanspruch, hinsichtlich dessen der Rückerstattungsantrag gestellt wurde, bildete (vgl. insbesondere den Verweis auf die Ordnungsvorschrift des § 124 Abs. 4 der Wiener Bauordnung und die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1998, Zlen. 94/05/0322, 94/05/0323 und 97/05/0298, in dem Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 99/05/0087).

Da im vorliegenden Fall der Rückerstattungsanspruch ebenso wie im Falle des Anliegerbeitrages nach § 51 Abs. 11 und 12 Wiener Bauordnung gemäß § 15 Abs. 2 Wr KEG dem Bauwerber zusteht, kommt es auf die Stellung als Bauwerber zum Zeitpunkt der Entstehung des Rückerstattungsanspruches an. Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen des Anspruches ist nach § 15 Abs. 1 Wr KEG das Erlöschen der Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht; maßgeblicher Zeitpunkt ist daher der Zeitpunkt (des Empfanges) der Erklärung des Verzichts auf die Baubewilligung.

Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt war die Erstbeschwerdeführerin Bauwerberin hinsichtlich des Bauvorhabens, hinsichtlich dessen der Verzicht ausgesprochen wurde:

Auszugehen ist dabei von § 124 Abs. 4 der Wiener Bauordnung, welcher lautet:

"(4) Der Wechsel des Bauwerbers ist der Behörde anzuzeigen. Diese Anzeige ist sowohl vom bisherigen Bauwerber als auch vom zukünftigen Bauwerber zu unterfertigen. Die Pläne und sonstigen Unterlagen sind vom zukünftigen Bauwerber zu unterfertigen. Der zukünftige Bauwerber tritt in die Rechtsstellung des bisherigen Bauwerbers an dessen Stelle ein."

Die V-GmbH war nun nach den obigen Ausführungen nach der ihr erteilten Baubewilligung vom 6. November 1992 Bauwerberin. Sie zeigte mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995 den Wechsel der Bauwerberstellung der Behörde im Sinne des § 124 Abs. 4 Wiener Bauordnung an. Diese Rechtsnachfolge hatte die Erstbeschwerdeführerin der Behörde auch schon mit Schriftsatz vom 19. Mai 1995 mitgeteilt. Die Erstbeschwerdeführerin trat daher bei dieser Sachverhaltskonstellation in die Rechtsstellung der bisherigen Bauwerberin, der V-GmbH, im Sinne des § 124 Abs. 4 Wiener Bauordnung ein.

Der Anspruch auf Rückerstattung des entrichteten Ergänzungsbeitrages entstand nach den obigen Ausführungen gemäß § 15 Abs. 1 Wr KEG durch Abgabe der Verzichtserklärung durch die Erstbeschwerdeführerin. Das die Rückforderung betreffende Abgabenschuldverhältnis wurde daher von vornherein mit der Erstbeschwerdeführerin begründet, weshalb sie gemäß § 15 Abs. 2 erster Satz Wr KEG als Bauwerberin anspruchsberechtigt war. Einer Prüfung oder eines Nachweises des Übergangs dieses Rückzahlungsanspruches auf sie im Sinne des § 15 Abs. 2 zweiter Satz Wr KEG bedurfte es nicht; § 15 Abs. 2 zweiter Satz Wr KEG kommt nur in Fällen zum Tragen, in denen nach Entstehen des Rückzahlungsanspruches ein Übergang dieses Anspruches stattfindet. Da die Erstbeschwerdeführerin den Rückzahlungsantrag rechtzeitig gestellt hat, ist der Anspruch auf Erstattung auch nicht nach § 15 Abs. 1 zweiter Satz Wr KEG untergegangen.

3.3. Dass der Ergänzungsbeitrag entgegen der soeben dargestellten Rechtslage - trotz des gemäß § 124 Abs. 4 Wiener Bauordnung angezeigten Wechsels der Bauwerberin - der V-GmbH rückerstattet wurde, ist demgegenüber für die Beurteilung des Rückerstattungsanspruches der Erstbeschwerdeführerin unbeachtlich. Es ist im Beschwerdefall im Hinblick auf den in dem Beschluss vom heutigen Tage, Zl. 98/17/0319, dargestellten Umstand, dass die Berufungsentscheidung der belangten Behörde über die Berufung der V-GmbH nicht wirksam zugestellt wurde, auch nicht zu prüfen, welchen Einfluss eine allfällige nachträgliche Aufhebung des Abgabenbescheides, mit dem die Abgabe vorgeschrieben wurde, auf welche sich der Rückerstattungsanspruch bezieht, auf diesen Rückerstattungsanspruch hat.

3.4. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie Spruchpunkt II. B) des angefochtenen Bescheides, soweit mit diesem der Antrag der Erstbeschwerdeführerin abgewiesen wurde, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Insoweit war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG und hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Im Hinblick auf das unterschiedliche Schicksal der von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Beschwerden kommt § 53 Abs. 1 VwGG nicht zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. September 1967, Slg. Nr. 7175/A). Die von der Beschwerdeführerin entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von S 2.500,-- war dabei gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, mit EUR 181,68 in Ansatz zu bringen.

6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. März 2003

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1998170320.X00

Im RIS seit

06.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten