TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/25 2001/01/0439

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Veröffentlicht am 25.03.2003
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §11a;
StbG 1985 §12;
StbG 1985 §13;
StbG 1985 §14;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des B in K, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. Juli 2001, Zl. Ia 370-119/2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Der am 18. Juni 1967 in der Türkei geborene Beschwerdeführer habe seit 8. Jänner 1991 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Er habe fünf Jahre lang in der Türkei die Volkschule besucht und sei seit April 1992 bei der Firma H. GmbH in L. als Bauhelfer-Maurer beschäftigt. Seit 17. Jänner 1994 sei er mit der türkischen Staatsangehörigen Ikramiye B. in zweiter Ehe verheiratet. Dieser Ehe entstammten drei Kinder (11,17 und 18 Jahre alt). Der Beschwerdeführer verfüge über eine befristete Aufenthaltsbewilligung bis zum 31. Dezember 2001. Er sei bereits erstmalig von 1980 bis 1989 mit Ikramiye B. verheiratet gewesen und habe sich 1989 von ihr scheiden lassen. Am 26. Dezember 1990 sei er mit einem bis zum 18. Jänner 1991 gültigen Sichtvermerk in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Mit Ablauf des Sichtvermerkes sei er seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen, sondern in Österreich verblieben. Am 13. März 1991 habe er die österreichische Staatsbürgerin Gertrude K. in Wien geheiratet. Bereits einen Tag später habe er beim Arbeitsamt für Bau und Holz in Wien einen Befreiungsschein mit Gültigkeit bis 13. März 1996 erlangt. Diese Ehe sei mit rechtskräftigem Urteil des "Bezirksgerichtes Wien" vom 6. Oktober 1993 gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt worden. Anlässlich der Gerichtsverhandlung am 6. Oktober 1992 habe die damalige Ehegattin Gertrude K. angegeben, dass die Ehe lediglich dazu geschlossen worden wäre, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit die Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft wäre nie beabsichtigt gewesen und auch nie erfolgt. Weiters hätte sie für die Eheschließung S 20.000,-- erhalten. Bei der mit der österreichischen Staatsbürgerin eingegangenen Ehe habe es sich somit um eine Scheinehe zum Zweck der Erlangung des Arbeits- und Aufenthaltsrechtes und in weiterer Folge unter Umständen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gehandelt. Der Beschwerdeführer habe dies auch anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 8. März 2001 bestätigt. Anlässlich dieser Einvernahme habe er auch keinerlei Hehl daraus gemacht, dass er die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin zur Erlangung der Aufenthaltsbewilligung eingegangen wäre. So sei die Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Beschwerdeführer nicht damit habe rechnen können, auf legalem Weg eine Aufenthaltsbewilligung und folglich auch die notwendige Arbeitsbewilligung zu erlangen. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe deshalb gegen ihn mit Bescheid vom 25. November 1999 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet erlassen. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg habe diesen Bescheid mit Bescheid vom 16. Juni 2000 behoben, weil seit der rechtsmissbräuchlichen Eingehung der Ehe mehr als neun Jahre vergangen wären und der Beschwerdeführer seit der Eheschließung am 13. März 1991 kein fremdenrechtlich relevantes Verhalten mehr gesetzt hätte.

Weiters sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Strafverfügung vom 30. April 1998 wegen Übertretungen nach den §§ 20 Abs. 2 und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 350,-- bestraft worden. Dieser Bestrafung habe zu Grunde gelegen, dass er am 17. April 1998 die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 14 km/h überschritten habe. Vor der Straffestsetzung seien von der gemessenen Geschwindigkeit 5 %, mindestens aber 5 km/h als Messtoleranz abgezogen worden. Der vorstehende Sachverhalt sei unbestritten und werde auch in der von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 8. März 2001 aufgenommenen Niederschrift bestätigt.

Auf Grund der Dauer des Wohnsitzes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet komme für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG der Tatbestand des § 10 Abs. 1 leg. cit. in Frage. Der Beschwerdeführer halte sich seit 8. Jänner 1991 ohne Unterbrechung in Österreich auf. Für den Zeitraum vom 26. Dezember 1990 (dem Zeitpunkt seiner vermutlichen Einreise) bis zum 8. Jänner 1991 seien keine Meldenachweise erbracht worden. Seit April 1992 sei er beim selben Arbeitgeber beschäftigt. Eine Verständigung in deutscher Sprache sei mit ihm gut möglich, wobei ein Akzent hörbar sei. Er habe sich somit weitgehend an die österreichischen Verhältnisse angepasst. Der Beschwerdeführer sei jedoch mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Scheinehe zum Zweck der Erlangung des Aufenthaltsrechtes eingegangen. Dadurch habe er sich eine Aufenthaltsberechtigung und den Zugang zum Arbeitsmarkt erschlichen. Auch die Wohnsitzvoraussetzungen für die Erlangung der Staatsbürgerschaft beruhten darauf. Das Eingehen einer Scheinehe stelle einen schweren Rechtsmissbrauch dar, der das öffentliche Interesse erheblich beeinträchtige und die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung zeige. Dieses die öffentlichen Interessen negativ berührende Verhalten wiege nach Auffassung der belangten Behörde schwerer als der knapp mehr als zehnjährige Aufenthalt und die damit verbundene Eingliederung des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde sei nach Abwägung der aufgezeigten Gesichtspunkte der Auffassung, dass eine Ermessensübung im Sinn des § 11 StbG nicht zu seinen Gunsten erfolgen könne. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG scheide daher aus. Die einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründenden Tatbestände der §§ 11a, 12, 13 und 14 StbG setzten unter anderem entweder die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger oder einen zumindest 15- jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich oder den ehemaligen, mindestens zehn Jahre dauernden ununterbrochenen Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft oder Minderjährigkeit bzw. Staatenlosigkeit voraus. Da keine dieser Voraussetzungen gegeben sei, scheide auch eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf Grund dieser Tatbestände aus.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG erfülle und dass sie das ihr im Grunde des § 11 StbG eingeräumte Ermessen im Hinblick auf die - von der Beschwerde nicht bestrittene - Scheinehe des Beschwerdeführers nicht zu seinen Gunsten üben könne.

§ 11 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lautet:

"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr im § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Die ErläutRV 1283 BlgNR XX. GP 5 und 9 halten zur Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 fest, dass die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium verankert werden soll und die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Entscheidung vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten habe.

Im vorliegenden Fall der Ermessensübung hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zugute, er halte sich seit 8. Jänner 1991 ohne Unterbrechung in Österreich auf, sei seit April 1992 beim selben Arbeitgeber beschäftigt, eine Verständigung sei mit ihm in deutscher Sprache (mit hörbarem Akzent) gut möglich und er habe sich somit weitgehend an die österreichischen Verhältnisse angepasst.

Die belangte Behörde zog damit die Integration des Beschwerdeführers nicht in Zweifel. Sie maß jedoch dem Eingehen der Scheinehe - und der darin liegenden Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen - ein derart hohes Gewicht bei, dass die Ermessensübung im Ergebnis nicht im Sinn des § 11 StbG erfolgte. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 2002/01/0014 (mwN), ausführte, kommt einem mehr als elf Jahre zurückliegenden Eingehen einer Scheinehe im Hinblick auf diese Zeitdauer und ein hohes Maß an Integration keinesfalls mehr maßgebliche Bedeutung zu. Nach Ablauf von fünf Jahren (nach rechtsmissbräuchlichem Eingehen der Ehe) ist keine weitere Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen mehr anzunehmen, weshalb einer seinerzeitigen Scheinehe nur mehr eine schwach integrationsmindernde Wirkung - umso mehr, wenn sie bereits mehr als elf Jahre zurückliegt - zukommen kann.

Im vorliegenden Beschwerdefall lag das Eingehen der Scheinehe mehr als zehn Jahre zurück, sodass auch hier dem derart lange zurückliegenden Eingehen der Scheinehe entscheidendes Gewicht im Rahmen der Ermessensübung nicht mehr zukommen kann. Weder kann in diesem Verhalten eine wesentliche Minderung der auch in diesem Fall von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Integration des Beschwerdeführers erblickt werden noch kann daraus - auch unter Bedachtnahme auf das verwaltungsrechtlich strafbare Verhalten des Beschwerdeführers im April 1998 - auf eine fortwährend negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geschlossen werden.

Da sich die belangte Behörde bei ihrer Ermessensübung zu Unrecht von dem mehr als zehn Jahre zurückliegenden Eingehen einer Scheinehe leiten ließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen. Die Abweisung des Mehrbegehrens folgt daraus, dass die Umsatzsteuer vom Schriftsatzaufwand bereits umfasst ist.

Wien, am 25. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010439.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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