TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/10 2000/18/0037

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Veröffentlicht am 10.04.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
FrG 1997 §44;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des L (geboren 1976), vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 2000, Zl. SD 885/99, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, vom 22. April 1999 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid vom 29. Oktober 1996 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 und § 114 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei seit Oktober 1991 im Bundesgebiet aufhältig und habe zunächst Sichtvermerke und in weiterer Folge Aufenthaltsbewilligungen bis zum 31. Juli 1995 erhalten. Ein (verspätet) gestellter Verlängerungsantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Am 24. September 1996 sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen in Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Suchtgiftbesitzes gemäß § 12 Abs. 1 und 3 Z. 2 (nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Erstbescheides sowie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1997, Zl. 97/18/0024:

Z. 3) sowie § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Auf Grund dieser Umstände sei gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Erstbehörde vom 29. Oktober 1996 (bestätigt mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 25. November 1996) gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde sei mit dem schon genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 97/18/0024 als unbegründet abgewiesen worden.

Den vorliegenden Antrag habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er in seinem Heimatstaat, in den er am 10. Jänner 1997 abgeschoben worden sei, eine Suchtgifttherapie erfolgreich absolviert hätte. Außer zu seiner Tante würde er in seinem Heimatstaat über keinerlei Familienanbindung mehr verfügen. Seine Mutter, seine Schwester und auch seine zukünftige Frau würden in Wien leben. Im Hinblick auf "die Bestimmungen des Art. 8 Abs. 2 MRK" würde er daher die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragen.

Auf dem Boden der nach § 44 und § 114 Abs. 3 FrG gegebenen Rechtslage sei zunächst festzuhalten, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können. Allein auf Grund der - oben dargestellten -

Verurteilung des Beschwerdeführers könne kein Zweifel daran bestehen, dass das nunmehr der Behörde zukommende Ermessen zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen müsste, zumal zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine besonderen Gründe vorgelegen hätten, die die Behörde zur Abstandnahme von der verfügten Maßnahme hätten veranlassen können.

Hinsichtlich der §§ 19 und 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, sei durch das FrG (vgl. § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit.) keine Änderung eingetreten. Auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet hätten auch die Bestimmungen des § 38 FrG nicht zur Anwendung gelangen können.

Entscheidend sei, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die für seine Erlassung maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert hätten. Nach der Bestimmung des § 44 FrG, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit den §§ 36 bis 38 FrG gewinne, habe sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend seien, zu Gunsten des Fremden geändert hätten, um daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei allerdings auch solche Umstände zu berücksichtigen seien, welche seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten seien und gegen die Aufhebung desselben sprächen. Ein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei nicht dazu geeignet, die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, zu bekämpfen. Bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes könne die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, nicht mehr überprüft werden.

Mit Blick auf § 44 FrG sei zunächst festzuhalten, dass der seit der gerichtlichen Verurteilung verstrichene Zeitraum keinesfalls ausreiche, um nunmehr mit der dafür erforderlichen Verlässlichkeit eine zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Prognose über sein künftiges Wohlverhalten stellen zu können. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr einwende, dass sein strafbares Verhalten im Zusammenhang mit seiner Sucht zu beurteilen wäre, und er erfolgreich eine Therapie zur Bekämpfung derselben absolvieren würde, so sei dem Folgendes entgegenzuhalten: Aus den vorgelegten (Übersetzungen von) Befunden sei zunächst keineswegs zu erkennen, dass die vom Beschwerdeführer angesprochene Therapie bereits beendet sei. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass - selbst wenn der Beschwerdeführer nunmehr von seiner Drogenabhängigkeit geheilt wäre - dieser Umstand nicht die Annahme rechtfertige, dass die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszuschließen oder als nur gering einzuschätzen sei. Dies auch deshalb, weil die "Suchtabhängigkeit" des Täters keine notwendige Voraussetzung für eine Tatbegehung nach § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes sei. Dass es sich bei der erfolgten Verurteilung um die erste Verurteilung des Beschwerdeführers handle, sei ein Sachverhalt, der bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrundegelegen habe und keine zwischenzeitig eingetretene Veränderung darstelle.

Was die geltend gemachten familiären Umstände des Beschwerdeführers beträfen, so sei auch in diesen keine wesentliche Veränderung eingetreten. Die Eheabsichten des Beschwerdeführers könnten die Interessenlage ebenfalls nicht zu seinen Gunsten verschieben, zumal "die bloßen Intentionen" dafür keinesfalls ausreichten. Weder hinsichtlich des Dringend-Geboten-Seins der verfügten Maßnahme gemäß § 37 Abs. 1 FrG noch der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei eine zum Positiven gehende Änderung eingetreten, sodass keine Rede davon sein könne, dass die Gründe, die zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen wären.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vor dem Inkrafttreten des FrG erlassene Aufenthaltsverbote sind gemäß § 114 Abs. 3 FrG auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen des FrG nicht hätten erlassen werden können. Den das Vorliegen dieser Voraussetzung verneinenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid tritt die Beschwerde nicht entgegen. Auch dem VwGH bietet die diesbezügliche behördliche Beurteilung keinen Anlass zu Bedenken.

2.1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung auch das ihr im § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu üben. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Dies bedeutet, dass die Behörde bei der Frage, ob ein Aufenthaltsverbot gemäß § 44 FrG aufzuheben ist, zu beurteilen hat, ob das Aufenthaltsverbot unter Berücksichtigung der seit dessen Verhängung eingetretenen Änderung von maßgeblichen Umständen noch erlassen werden könnte. Umstände, die dem Aufenthaltsverbot bereits bei dessen Erlassung entgegengestanden sind, können jedoch nicht zur Aufhebung führen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0171, mwH.)

2.2. Der Beschwerdeführer begründet seine Auffassung, dass sich seit der Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotsbescheides die dafür maßgeblichen Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten, damit, dass er durch Absolvierung einer Drogentherapie in seinem Heimatland im Zusammenhang mit der Tatsache seiner "bisherigen Unbescholtenheit" Gewähr dafür biete, dass er auch im Fall der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes keine neuerlichen Straftaten mehr begehe und seine Chance nützen werde, bei seiner Mutter und seinen Familienmitgliedern in Österreich leben zu können und einer geregelten Arbeit nachzugehen, zumal er auch "durch Beziehungen" seines Stiefvaters sehr rasch die Möglichkeit hätte, bei einer Transportfirma als Kraftfahrer zu arbeiten; sollte es "eine Bedingung" für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sein, wäre er auch bereit, in Österreich weiterhin "im AKH" Therapien zwecks Vermeidung von Suchtgiftkonsum zu absolvieren bzw. begleitende Kontrollen durchführen zu lassen. Weiters sei es - anders als im angefochtenen Bescheid festgehalten - unzutreffend, dass seit der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers (im Jahr 1996) nur ein geringer Zeitraum verstrichen wäre, welcher nicht ausreichen würde, um nunmehr mit der dafür erforderlichen Verlässlichkeit eine zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Prognose über sein künftiges Wohlverhalten stellen zu können.

2.3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen Suchtgiftbesitzes gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 sowie § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Er hat somit gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Handel mit einer "Übermenge" eines Suchtgiftes, somit dem 25-fachen einer großen Menge, die geeignet ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in großen Ausmaß herbeizuführen, betrieben. Die Suchtgiftkriminalität stellt eine besonders gefährliche Art der Kriminalität dar, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 2000/18/0111, mwH). Im Hinblick auf die besondere Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten und das damit bestehende große öffentliche Interesse an der Bekämpfung dieser gefährlichen Kriminalitätsform ist vorliegend die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme weiterhin gerechtfertigt. Entgegen der Beschwerde liegt das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers - er wurde nach den Ausführungen im Aufenthaltsverbotsbescheid der Erstbehörde am 20. Juni 1996 wegen Verdacht des Suchtgifthandels festgenommen - noch nicht so lange zurück, dass deshalb ein Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG angenommen werden könnte. Auch durch den Hinweis auf die Durchführung einer Therapie ist für die Beschwerde nichts gewonnen, wird doch damit der Wegfall der vom Beschwerdeführer - dem (nach den von ihm übertretenen Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes) insbesondere gewerbsmäßiger Handel mit "Suchtgift in einer Übermenge" zur Last liegt - ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer derartiger strafbarer Handlungen und für den Schutz der Gesundheit Anderer nicht dargetan, zumal Suchtgiftdelikten (wie bereits ausgeführt) erfahrungsgemäß eine große Wiederholungsgefahr innewohnt. Selbst wenn die Therapie erfolgreich abgeschlossen sein sollte, böte dies keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer nicht neuerlich gewerbsmäßig Straftaten mit Suchtgiften begehen werde und von ihm keine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen mehr ausgehe.

3. Da dem angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 10. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000180037.X00

Im RIS seit

26.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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