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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Nichtanrechnung eines post-graduate Studiums an einer ausländischen Universität auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische VerwendungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwaltsanwärter in Wien. Mit Bescheid der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Juni 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm gemäß §1 Abs2 litd und §2 Abs3 RAO das im Zeitraum vom 21. Februar 1997 bis 11. Dezember 1998 (richtig wohl: bis 11. Dezember 1997) absolvierte post-graduate Studium an der Universität Kapstadt anzurechnen, abgewiesen. Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 30. Juni 1998 keine Folge gegeben. Der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) wurde mit Bescheid vom 6. November 1998 ebenfalls keine Folge gegeben.
Die OBDK begründet ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß ein post-graduate Studium eines österreichischen Juristen im Ausland für sich allein nicht als gemäß §2 Abs3 Z2 RAO anrechenbare Praxis beurteilt werden könne. Hiefür komme vielmehr nach der Judikatur der OBDK die - gegebenenfalls neben der Absolvierung eines post-graduate Studiums ausgeübte - Tätigkeit als "research assistant" an einer ausländischen Universität in Betracht, die mit den Tätigkeiten eines Universitätsassistenten an einer juridischen Fakultät einer inländischen Universität (die belangte Behörde zitiert in diesem Zusammenhang §29 Abs3 UOG 1993) vergleichbar sei, weil nur unter dieser Voraussetzung die Gleichartigkeit der praktischen Verwendung mit der des §2 Abs1 RAO und die Dienlichkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §2 Abs3 Z2 RAO bejaht werden könne. Aus den im Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer Wien vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden - insbesondere des vorgelegten Gutachtens des Vorstandes des Institutes für Wirtschaftsrecht der Universität Kapstadt - und aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers konnte nicht nachgewiesen werden, daß es sich bei den juristischen Tätigkeiten des Beschwerdeführers an der Universität Kapstadt um solche gehandelt habe, die über die zur Verfassung seiner Dissertation als Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß seines Studiums erforderlichen Forschungsarbeiten hinaus den in §29 Abs3 UOG 1993 angeführten Tätigkeiten eines Universitätsassistenten an der juridischen Fakultät einer österreichischen Fakultät vergleichbar wären. Sie wären für die Anrechnung nicht anders zu beurteilen als die Forschungstätigkeiten eines Doktoranden an einer österreichischen Universität.
2. Gegen diesen Bescheid der OBDK wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §2 Abs1 bis 3 RAO (§2 Abs1 idF des Bundesgesetzes BGBl. 1985/556 - die für den konkreten Beschwerdefall nicht maßgebliche Fassung der RAO-Novelle BGBl. I 1999/71 ist hier nicht berücksichtigt, §2 Abs2 und 3 idF des Bundesgesetzes BGBl. 1992/176) lautet:
"§2
(1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird.
(2) Die praktische Verwendung im Sinn des Abs1 hat fünf Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.
(3) Auf die Dauer der praktischen Verwendung, die nicht zwingend bei Gericht oder einem Rechtsanwalt im Inland zu verbringen ist, sind auch anzurechnen:
1. Zeiten des Doktoratsstudiums bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten, wenn an einer inländischen Universität der akademische Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt wurde;
2. eine im Sinn des Abs1 gleichartige praktische Verwendung im Ausland, wenn diese Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich gewesen ist."
2. Der Beschwerdeführer bringt gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor. Auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sind solche aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
3.1. Unter dem Titel der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt zu haben.
Dies deshalb, weil sie einerseits seine an der Universität Kapstadt ausgeübte Tätigkeit als mit der eines "research assistant" nicht vergleichbar betrachte: Insbesondere habe die belangte Behörde eine Erklärung des Vorstandes des Instituts für Wirtschaftsrecht der Universität Kapstadt nicht entsprechend gewürdigt, in welcher dieser bestätigte, daß die an der Universität Kapstadt ausgeübte Tätigkeit mit der eines "research assistant" zumindest gleichzusetzen sei. Bereits aufgrund dieses Vorbringens hätte die belangte Behörde - gestützt auf ihre bisherige Rechtsprechung - von der Anrechenbarkeit des post-graduate Studiums ausgehen müssen. Wenn die belangte Behörde meine, daß aus der erwähnten Bestätigung des Vorstandes des Institutes für Wirtschaftsrecht der Universität Kapstadt nicht hervorgehe, daß der Beschwerdeführer an der Universität Kapstadt Tätigkeiten verrichtet habe, die ihm für die Dauer der praktischen Verwendung gemäß §2 Abs3 Z2 RAO anzurechnen wären, hätte es ergänzender Erhebungen bedurft, um endgültig über den Anrechnungsantrag des Berufungswerbers entscheiden zu können. Anderseits verkenne die belangte Behörde das Tätigkeitsfeld eines "research assistant", wenn sie vermeint, daß sein Aufgabengebiet auch Tätigkeiten der Lehre im Zusammenhang mit der Betreuung von Studenten erfasse. Zudem gehe aus den Gesetzesmaterialien des §29 UOG hervor, daß die flexibel gehaltene Aufgabenstellung eines Universitätsassistenten im UOG sowohl eine Mischverwendung in Forschung und Lehre, als auch bei Bedarf einen gänzlichen Einsatz im Lehr- oder Forschungsbetrieb zulasse.
3.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
Ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde liegt nicht vor:
Die belangte Behörde hat sich mit den Argumenten des Beschwerdeführers eingehend auseinandergesetzt und als Ergebnis einer vertretbaren Beweiswürdigung Feststellungen getroffen, ohne dabei tatsachen- oder aktenwidrig vorgegangen zu sein. Von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage kann keine Rede sein, wenn die belangte Behörde das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen des §2 Abs3 Z2 RAO im konkreten Fall als nicht gegeben erachtete, weil der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde an der Universität Kapstadt nicht Tätigkeiten verrichtet habe, die denen eines Universitätsassistenten einer inländischen Universität entsprechen. Die Heranziehung und Auslegung des §29 UOG 1993 durch die belangte Behörde für die Interpretation des §2 Abs3 Z2 RAO ist aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls nicht zu beanstanden. Daß die belangte Behörde dem Gutachten des Vorstandes für Wirtschaftsrecht an der Universität Kapstadt nicht den für das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen vom Beschwerdeführer erhofften Wert beigemessen hat, vermag den Bescheid ebensowenig mit Willkür zu belasten wie die behaupteten Mängel im Ermittlungsverfahren kein willkürliches Verhalten der belangten Behörde zu begründen vermögen. Mit dem Beschwerdevorbringen werden sohin nur Fragen der einfachgesetzlichen Rechtsrichtigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Fragen der Beweiswürdigung releviert und werden Verfahrensmängel behauptet, nicht aber Verletzungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten aufgezeigt.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 10659/1985, 12915/1991, 14236/1995).
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.
3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht, AusbildungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B378.1999Dokumentnummer
JFT_09999771_99B00378_00