TE Vfgh Erkenntnis 2000/2/29 B546/98

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Veröffentlicht am 29.02.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art83 Abs2
ASVG §347 Abs4
AVG §18 Abs2
AVG §66 Abs4
Schiedskommissionsverordnung, BGBl 128/1991

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Berufung gegen einen von der unzuständigen Behörde erlassenen Bescheid; Urschrift lediglich von zwei Beisitzern unterfertigt; keine Zurechnung des erstinstanzlichen Bescheides an die paritätische Schiedskommission aufgrund Genehmigung lediglich durch den Vorsitzenden; keine Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Erlassung eines solchen Bescheides

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 29.500,-- zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin in Tirol. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Landesberufungskommission für Tirol die an sie gerichtete Berufung des Beschwerdeführers gegen eine Entscheidung der paritätischen Schiedskommission mangels Bescheidqualität dieser Erledigung zurückgewiesen. Die Landesberufungskommission führte aus, die für das Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission geltende Schiedskommissionsverordnung verlange die Unterschriften aller Kommissionsmitglieder auf der Urschrift einer Erledigung. Die Erledigung, die in der Urschrift weder diese von der Verordnung geforderten Unterschriften noch eine Unterschrift des Beglaubigenden enthalte, sei daher nicht als Bescheid zu werten und die dagegen gerichtete Berufung daher unzulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgestzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die Beschwerde führt im wesentlichen aus, die Ausfertigung der in der Berufung bekämpften Erledigung weise sämtliche Merkmale eines Bescheides auf. Der im angefochtenen Bescheid gegebene Literatur- und Judikaturhinweis gehe ins Leere, weil es sich bei den verwiesenen Stellen um vom vorliegenden deutlich verschiedene Sachverhalte gehandelt habe. Die Urschrift der mit Berufung bekämpften Erledigung enthalte die Unterschriften des Vorsitzenden und einer Beisitzerin. Aus anderen Vorschriften des Verfahrensrechtes, die für eine ordnungsgemäße Erledigung die Unterschriften des Vorsitzenden und allenfalls eines Schriftführers vorsähen, bestätigten, daß die von §12 der Schiedskommissionsverordnung geforderte Unterfertigung der Urschrift durch alle Kommissionsmitglieder lediglich eine Ordnungsvorschrift sein könne, deren Nichteinhaltung nicht die absolute Nichtigkeit des solchermaßen zustande gekommenen Aktes zur Folge habe.

Indem die belangte Behörde all dies übersehen habe, habe sie nicht nur dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, sie habe auch die Rechtslage in gehäufter Weise verkannt und gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen

Rechtsvorschriften lauten:

1.1. §341 ASVG lautet auszugsweise:

"(1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.

...

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

..."

1.2. §§344 bis 345 ASVG lauten auszugsweise:

"Paritätische Schiedskommission

§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

(...)

(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.

(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.

Landesberufungskommission

§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. (...)

(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:

1. zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und

2. zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß §344 Abs3.

(...)"

1.3. §347 Abs4 ASVG ordnet an, daß die in den §§344, 345a und 346 genannten Kommissionen das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) anzuwenden haben, soweit das ASVG selbst nichts anderes anordnet.

1.4.1. §347 Abs4 ASVG enthält eine Ermächtigung an den Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, das Verfahren vor diesen Kommissionen durch Verordnung näher zu regeln.

1.4.2. §12 der auf Grund dieser Verordnungsermächtigung erlassenen Schiedskommissionsverordnung, BGBl. Nr. 128/1991, lautet:

"§12. Im Bescheid der Schiedskommission sind die Namen der Mitglieder zu nennen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben. Die Urschrift des Bescheides der Schiedskommission ist von den Kommissionsmitgliedern zu unterfertigen. Die Geschäftsstelle hat die erforderliche Zahl von Ausfertigungen herzustellen, mit einem Beglaubigungsvermerk zu versehen und die Zustellung des Bescheides an die Parteien durchzuführen."

1.5. Nach Ausweis der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten rief der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16.10.1997 die paritätische Schiedskommission für Tirol um Entscheidung an. Die Geschäftstelle der paritätischen Schiedskommission forderte die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter und die Ärztekammer für Tirol mit Schreiben vom 29.10.1997 zur Bekanntgabe zweier Beisitzer sowie deren Stellvertreter auf. Dem kamen die genannten Institutionen mit Schreiben vom 4. bzw 10.11.1997 nach, worauf die Geschäftsstelle der paritätischen Schiedskommission für den 9. Dezember 1997, 14 Uhr eine "Sitzung" anberaumte und die namhaft gemachten je zwei Beisitzer der paritätischen Schiedskommission dazu mit Schreiben vom 27.11.1997 lud.

Als nächstes Geschäftsstück findet sich im Akt unter OZl. 7 die Urschrift eines Bescheides, nach dessen Spruch die paritätische Schiedskommission für Tirol durch den Vorsitzenden R A und die drei weiteren namhaft gemachten Beisitzer in nichtöffentlicher Sitzung vom 9.12.1997 beschlossen habe, den Antrag des Beschwerdeführers, "die paritätische Schiedskommission für Tirol möge die Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses vom 7.10.1997 abweisen" in näher bezeichneten Fällen abzuweisen, wobei im Spruch des Bescheides die einzelnen Fälle nach Monaten, innerhalb der Monate nach "Anspruchsberechtigten" (Patienten) und Positionen (offensichtlich gemeint: der Honorarordnung) gegliedert auf ca. 7 Seiten tabellarisch aufgelistet wurden. In der Begründung wird ausgeführt, daß es in diesen Fällen zu einer Überschreitung des Maßes des Notwendigen gekommen sei. Hinsichtlich der anderen - in der Begründung des Bescheides in gleicher Weise aufgelisteten Fällen - sei es wegen Stimmengleichheit zu keiner Entscheidung gekommen.

Diese Urschrift enthält am Ende nach einer Rechtsmittelbelehrung die Bezeichnung "PARITÄTISCHE SCHIEDSKOMMISSION" und darunter "Der Vorsitzende" sowie "Die Beisitzer" mit dem jeweils an der zur Unterschrift vorgesehen Stelle gedruckten Namen des Vorsitzenden und der drei Beisitzer. Unterfertigt wurde lediglich durch den von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter als Beisitzer namhaft gemachten Vorsitzenden und die zweite, von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter namhaft gemachte Beisitzerin, nicht aber von den beiden Beisitzern der Ärztekammer. Aus angehefteten Rückscheinen ist ersichtlich, daß Zustellungen an den Beschwerdeführer und die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter am 7. Jänner 1998 erfolgten. Die "Zustellverfügung" findet sich auf einem gelben Aufklebezettel an einer im Akt liegenden Kopie der Urschrift des Bescheides, die den Eingangsstempel "Geschäftsstelle der Schiedskommissionen, 23. Dezember 1997" trägt. Die Zustellverfügung erfolgte handschriftlich und hat folgenden Wortlaut:

"Unterfertigen:F.d.R.d.A. !

Zustellen an: o BVA

o (Name des Beschwerdeführers)"

Beide Zeilen sind abgehakt und der Zettel trägt rechts unten eine unleserliche Paraphe, die sich in gleicher Weise auf der Eingangsstampiglie nicht nur der Bescheidausfertigung, sondern auch aller übrigen Schriftstücke des Aktes findet und offenbar von einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle stammen dürfte. Die Kopie der Urschrift trägt am Ende folgende Fertigungsklausel:

"PARITÄTISCHE SCHIEDSKOMMISSION

Der Vorsitzende

R A eh"

Ein Protokoll über die Sitzung oder sonst ein Hinweis auf eine kollegiale Willensbildung im Sinne der Urschrift des Bescheidentwurfes findet sich im Akt nicht. Ein Aktenvermerk, der von einem Beisitzer der Ärztekammer unterschrieben wurde und mit 16.1.1998 datiert ist, lautet vielmehr:

"Am 9.12.1997 hat eine nicht öffentliche Sitzung in der Sache (des Beschwerdeführers) gegen Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter., AZ: PSK 29/97, stattgefunden.

Der Vorsitzende A hat den von ihm erstellten und von ihm und dem Kommissionsmitglied Dr. (J.F.) unterfertigten Bescheid an die Tiroler Gebietskrankenkasse als Geschäftsstelle übergeben. Diese hat den Bescheid, ohne die Unterschriften der beiden Beisitzer der Ärztekammer einzuholen, an die Parteien des Verfahrens zugestellt (beide Rückscheine vom 7.1.1998)."

Der Beschwerdeführer hat über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes eine Ablichtung der an ihn ergangenen Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides vorgelegt; auf dieser findet sich - insoweit übereinstimmend mit der dargestellten Aktenlage - die oben wiedergegebene Fertigungsklausel, sowie der Vermerk : "F.d.R.d.A." mit einer unleserlichen Unterschrift.

2. §18 AVG in der hier noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 471/1995 lautet auszugsweise:

"Erledigungen

§18. (1) ...

(2) Die Genehmigung einer Erledigung erfolgt durch die Unterschrift des Genehmigenden. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, daß derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung der Erledigung ist jedenfalls auszufolgen oder zuzustellen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird. An Stelle einer schriftlichen Ausfertigung kann der Inhalt der Erledigung auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen durch Verordnung auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden....

(4) Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der nach Abs2 genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei Mitteilungen gemäß Abs3 zweiter und dritter Satz und bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Bei vervielfältigten Ausfertigungen oder in Fällen, in denen der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht, ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen.

(5) Für Bescheide gilt der III. Teil, für Ladungsbescheide überdies §19."

2.1. Gemäß §18 Abs2 AVG bedarf es somit für das Zustandekommen einer Erledigung der Unterschrift des Genehmigenden. Davon kann nach dem Gesetz zwar abgesehen werden, jedoch liegt eine solche Fallkonstellation, nämlich daß sichergestellt ist, daß der derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann, hier nicht vor.

2.2. Wer die Erledigung zu genehmigen hatte, regelt hier ausdrücklich §12 der auf das Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission anzuwendenden Verordnung: diese Bestimmung verlangt - dem paritätischen Charakter dieser Kommission entsprechend - die Unterschrift der Kommissionsmitglieder. Es kann dahingestellt bleiben, ob alle Kommissionsmitglieder die Urschrift unterfertigen müssen: da die Entscheidungen der paritätischen Schiedskommission mit Mehrheit getroffen werden, sind zur Erzielung eines Mehrheitsbeschlusses jedenfalls zumindest drei Mitglieder erforderlich, sodaß von einer Genehmigung dann jedenfalls nicht gesprochen werden kann, wenn - wie hier - weniger als drei Mitglieder (nämlich nur die beiden Beisitzer der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter) die Urschrift unterfertigt haben.

2.3. Von der Frage der Genehmigung ist jene der Ausfertigung des Bescheides zu unterscheiden: Ein Mangel der Urschrift ist zwar nach herrschender Lehre und Rechtsprechung durch die Ausfertigung nicht sanierbar (Walter/Mayer, Grundriß des Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Aufl. (1999) Rz 193 mit Hinweis auf die Rechtsprechung), damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob eine Ausfertigung, die ihrem äußeren Anschein nach nicht erkennen läßt, daß eine wirksame behördliche Emanation im Innenverhältnis gar nicht vorliegt, einen bekämpfbaren (wenngleich mangelhaften) Bescheid darstellt oder ob - wie die belangte Behörde meint - ein Bescheid ungeachtet dessen nicht vorliegt, daß ein Teilakt zur Erlassung des Bescheides, nämlich die Zustellung einer augenscheinlich keine Mängel aufweisenden Bescheidausfertigung gesetzt worden ist.

2.4. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

2.4.1 Die vorliegende Ausfertigung des Bescheides 1. Instanz intendiert offenkundig, über Rechte und Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers abzusprechen. Sie entspricht auch sonst den Anforderungen, die an einen Bescheid gestellt werden. Es wird von der Geschäftsstelle der paritätischen Schiedskommission darin beurkundet, daß der Vorsitzende der paritätischen Kommission die Erledigung genehmigt hat, was für diesen auch zutrifft. Es besteht auch kein Zweifel, daß der Vorsitzende (wenngleich nicht allein) berufen gewesen ist, die behördliche Erledigung zu genehmigen und die Geschäftsstelle dazu berufen gewesen ist, dies zu beglaubigen.

2.4.2. Da die Ausfertigung ihrem äußeren Anschein nach den Kriterien eines normativen Abspruchs über Rechte des Beschwerdeführers in Form eines Bescheides entsprach, lag zwar - anders als die belangte Behörde meint - ein erstinstanzlicher Bescheid vor, dieser konnte jedoch, da er seinem - der Aktenlage entsprechenden - erkennbaren Inhalt nach nur vom Vorsitzenden der paritätischen Schiedskommission, nicht aber auch von den anderen Mitgliedern der Kommission genehmigt worden war, nicht der paritätischen Schiedskommission zugerechnet werden. Es handelt sich vielmehr um eine bescheidmäßige Erledigung des Vorsitzenden der paritätischen Schiedskommission, zu welcher dieser aber kraft ausdrücklicher positivrechtlicher Anordnung (allein) nicht zuständig gewesen ist.

2.4.3. Diese Unzuständigkeit hätte die belangte Behörde wahrnehmen und demgemäß den erstinstanzlichen Bescheid gem. §66 Abs4 AVG beheben müssen.

3. Dadurch, daß die belangte Behörde das nicht getan, sondern die Berufung des Beschwerdeführers - anstelle darüber meritorisch zu entscheiden - als unzulässig zurückgewiesen hat, hat sie den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von S 4.500,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheidbegriff, Bescheid, Unterschrift, Zurechnung, Sozialversicherung, Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B546.1998

Dokumentnummer

JFT_09999771_98B00546_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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