TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/29 98/14/0158

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Veröffentlicht am 29.04.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;

Norm

EStG 1988 §9 Abs2;
UmgrStG 1991 §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des P G in I, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 23. Juli 1998, Zl. RV 73/1-T7/98, betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Vom 30. September 1982 bis 30. April 1988 war er Gesellschafter einer in der Rechtsform einer OHG betriebenen Wirtschaftstreuhandgesellschaft, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelte. Seit 1. Jänner 1988 betreibt er eine eigene Steuerberatungskanzlei, deren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 (1988) ermittelt wird.

Strittig ist, ob das Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der OHG im Jahr 1988 im Wege einer so genannten Realteilung erfolgt ist und daher die im Rahmen der OHG gebildeten (auf den Beschwerdeführer entfallenden) Investitionsrücklagen zu Recht nicht bereits im Jahr 1988 aufgelöst worden sind oder ob ein unter § 24 EStG 1972 zu erfassender Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils vorlag und die im Rahmen der OHG gebildeten Investitionsrücklagen gegen den laufenden Gewinn des Jahres 1988 aufzulösen gewesen wären. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1991 beantwortete die belangte Behörde diese Frage im zuerst genannten Sinn und löste die im Rahmen der OHG gebildeten Investitionsrücklagen nach Ablauf der Verwendungsfrist gemäß § 9 Abs. 2 EStG 1988 (in der Fassung vor dem BGBl. Nr. 818/1993) samt Zuschlag gewinnerhöhend auf.

Wie dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, liegt dem Rechtsstreit zusammengefasst folgender Sachverhalt zu Grunde:

Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 18. Mai 1977 gegründeten OHG seien zunächst G. (Bareinlage von 50.000 S), R. und H. (Bareinlage jeweils 25.000 S) gewesen. Zum Stichtag 30. September 1982 habe der Beschwerdeführer den Geschäftsanteil des H. gegen einen "Abfindungsbetrag" von 2,000.000 S erworben.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1986 habe der Beschwerdeführer das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 1987 gekündigt und seinen Gesellschaftsanteil den verbleibenden Gesellschaftern laut Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Kauf angeboten. G. habe dem Beschwerdeführer geantwortet (Schreiben vom 11. April 1988), grundsätzlich teile er die Ansicht, dass die Gesellschaft auf Grund der Kündigung des Beschwerdeführers zum 31. Dezember 1987 zu liquidieren sei. "Man würde aber eine stille Auflösung bei gleichzeitiger Ablöseverhandlung und Festsetzung des Wertes des Anteiles ... vorschlagen".

Am 8. Juni 1988 hätten G., R. und der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Vereinbarung unterzeichnet, welche in ihren wesentlichen Punkten folgenden Inhalt habe:

"II.

Herr ... (der Beschwerdeführer) tritt nunmehr seinen vorbezeichneten Gesellschaftsanteil in Höhe von S 25.000,-- zuzüglich des jeweiligen Standes des Gesellschafterverrechnungskontos an Herrn R. ab.

III.

Der Abtretungspreis für den vorgenannten Gesellschaftsanteil wird wie folgt berichtigt, wobei sich Herr G. und Herr R.

verpflichten zur ungeteilten Hand

     a.) an Herrn ...  (den Beschwerdeführer) einen

Abschichtungsbetrag in Höhe von         S 130.000,--

     zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgt in der Weise, dass bei

Unterfertigung dieser Vereinbarung ein Scheck über diesen Betrag ausgefolgt wird, wobei mit der Unterfertigung auch der Erhalt dieses Scheckbetrages quittiert wird.

b.) die bei der Anker - Versicherung auf Herrn ... (den Beschwerdeführer) abgeschlossene Lebensversicherung ... innerhalb von 8 Tagen ab Unterfertigung dieser Vereinbarung auf Herrn ... (den Beschwerdeführer) zu übertragen, der auch ab diesem Zeitpunkt die Prämienzahlungen vorzunehmen hat. Sollte die per 1. April 1988 fällige Prämie in Höhe von S 37.190,-- noch nicht beglichen sein, so ist diese von der OHG umgehend einzuzahlen.

IV.

Der übernehmende Gesellschafter R. erwirbt den abgetretenen Gesellschaftsanteil mit allen Rechten und Pflichten, die dem abtretenden Gesellschafter zustehen bzw. obliegen. ...

V.

Die Abtretung erfolgt mit Wirkung vom 1.5.1988 (erster Mai 1988). Bis zu diesem Stichtag fallen die auf den abgetretenen Gesellschaftsanteil entfallenden Gewinn- bzw. Verlustanteile an den abtretenden Gesellschafter. Herr ... (der Beschwerdeführer) hat seine persönliche Mitarbeit im Rahmen der Gesellschaft mit Ablauf des 31. Dezember 1987 eingestellt. ...

...

VII.

     Seit Eröffnung der Steuerberatungskanzlei des Herrn ...  (des

Beschwerdeführers) in ...  wechselten die auf der dieser

Vereinbarung beiliegenden Liste angeführten Klienten von der OHG

zu Herrn ...  (den Beschwerdeführer) oder gaben bekannt, dass sie

diesen Wechsel in absehbarer Zeit vornehmen wollen.

Herr G. und Herr R. erklären sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der OHG, diesem Vollmachtswechsel zuzustimmen.

Herr G. und Herr R. verpflichten sich daher, sämtliche Akten der auf der Liste angeführten Klienten über Aufforderung des Herrn ... (des Beschwerdeführers) an diesen endgültig herauszugeben.

VIII.

Sollten Klienten der OHG oder deren Rechtsnachfolger, die auf dieser Liste namentlich nicht angeführt sind, innerhalb eines Zeitraumes bis zum 31. Dezember 1989 zu Herrn ... (dem Beschwerdeführer) oder dessen Rechtsnachfolger wechseln, verpflichten sich letztere 75% des jeweiligen Jahreshonorarumsatzes als Pönale an die Herren G. und R. auf ein bekannt zu gebendes Konto in angemessener Zeit zu bezahlen."

Die OHG habe am 10. Juli 1990 die Abgabenerklärungen für das Jahr 1988 (1. Jänner bis 30. April) eingereicht. Darin seien die Gewinnanteile der Gesellschafter mit Null (Beschwerdeführer), 810.285 S (R.) und 5,200.592 S (G.) ausgewiesen worden. Für G. sei die Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 37 EStG 1972 auf den Veräußerungsgewinn in Höhe von 3,044.825 S beantragt worden. Den Erläuterungen sei zu entnehmen, dass mit 1. Mai 1988 die beiden Gesellschafter G. (gegen Abschichtung durch R.) und der Beschwerdeführer (im Wege einer Realteilung mit Zuzahlung von 130.000 S durch den Gesellschafter R.) aus der Gesellschaft ausgeschieden seien. Das Gesellschaftsvermögen sei daher durch Anwachsung (§ 142 HGB) an R. übergegangen.

Demgegenüber habe der Beschwerdeführer in der bereits am 1. Dezember 1989 dem Finanzamt übermittelten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 seinen Gewinnanteil mit 680.219 S angegeben.

Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung habe sich das Finanzamt der Rechtsansicht der OHG angeschlossen und u.a. einen erklärungsgemäßen (endgültigen) Feststellungsbescheid für das Jahr 1988 erlassen.

Der Beschwerdeführer habe gegen den Feststellungsbescheid 1988 wie auch gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991 Berufung erhoben, die das Jahr 1988 betreffenden Rechtsmittel aber in der Folge zurückgezogen.

Im Berufungsverfahren der OHG habe R. über entsprechenden Vorhalt erklärt, bei der Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeführer seien keine "Bepreisungen" vorgenommen worden. Die Abfindungssumme des G. sei hingegen unter Heranziehung der Verkehrswerte ermittelt worden. Die in Rede stehenden "Klienten laut Liste" seien schon während aufrechter Kanzleigemeinschaft vorwiegend vom Beschwerdeführer betreut worden. Zu der vom Beschwerdeführer vorgelegten, mehr als 80 Klienten umfassenden "Liste" habe R. anlässlich einer persönlichen Vorsprache ergänzend angegeben, dass der mit diesen Klienten zu erwartende Umsatz mit etwa 2,000.000 S angenommen werden könne. Der Wert des Gesellschaftsvermögens habe seiner Ansicht nach ca. 18,000.000 S betragen. Hievon würden ca. 6,000.000 - 8,000.000 S auf die Liegenschaft der OHG entfallen. Die Klienten seien mit 90 - 120 % des Jahresumsatzes zu bewerten.

Hingegen habe der Beschwerdeführer weiterhin die Ansicht vertreten, dass sein Ausscheiden aus der OHG als entgeltliche Anteilsabtretung zu werten sei und dazu folgende Gewinnermittlung vorgelegt:

neg. Kapitalkonto zum 30.4.1988

   

vor Auflösung IRL

- 160.861

  

Gewinn aus der Auflösung der IRL in der Hauptbilanz

1.060.162

899.301

 

-/- übernommene Lebensversicherung

 

- 214.644

 

- /- Barabfindung

 

- 130.000

 

ergibt Veräußerungsverlust

 

- 554.657

 

zuzügl. laufender Gewinn Hauptbilanz durch Auflösung IRL IRL

1,060.162

  

zuzügl. Sonderbilanzgewinn:

   

AfA ½ Jahr

- 24.484

  

Buchwertabgang

- 234.614

  

Wertpapierzinsen

679

  

Auflösung IRL

253.139

  

Zinsaufwand

- 17.429,72

  

Rechtsanwaltkosten

- 33.000

  

Entnahmewert Kfz

250.000

 

194.292,98

Gewinn vor Freibetrag gem. § 24 EStG

  

699.797,98

-/- Freibetrag gem. § 24 EStG

  

0

Steuerpflichtiger Gewinnanteil

  

699.797,98

Der Auseinandersetzungsvereinbarung vom 8. Juni 1988 sei- so der Standpunkt des Beschwerdeführers - zu entnehmen, dass ein "Abtretungspreis" und kein für eine Realteilung erforderlicher "Spitzenausgleich" vereinbart worden sei. Es habe keine für eine steuerlich anzuerkennende Realteilung notwendige Wertermittlung gegeben. Es sei auch keine Abtretung bzw. Übergabe eines Klientenstockes vereinbart worden. Der Mandantenwechsel habe sich ausnahmslos so abgespielt, dass er in näher angeführten Zeitungsinseraten seine Kanzleieröffnung bekannt gegeben und die interessierten Kunden darüber aufgeklärt habe, dass sie das Vollmachtsverhältnis zur OHG vorher auflösten müssten und er erst danach das Mandat übernehmen könne. Der Mandantenwechsel sei demnach weder seitens der OHG bewirkt worden, noch sei der "Wert durch ein aktives Handeln des Abgabepflichtigen etwa aus der OHG entnommen" worden. Alle auf der "Liste" angeführten Klienten hätten bereits vor Abschluss dieser Vereinbarung dem Beschwerdeführer Vollmacht erteilt. Der Klientenwechsel stehe daher in keinem wie immer gearteten Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus der OHG. Ferner würde der Umstand, dass eine Pönale für allfällige künftige Klientenwechsel vereinbart worden sei, gegen das Vorliegen einer Realteilung sprechen. Der zu erwartende Jahresumsatz für die "Klienten laut Liste" habe ca. 1,404.000 S, der im Jahr 1988 tatsächlich erwirtschaftete Jahresumsatz hingegen 2,428.010,89 betragen. Eine Realteilung liege nur dann vor, wenn die übernommenen Betriebsteile den vertraglichen Ansprüchen im Wesentlichen entsprechen würden, was gegenständlich auf Grund des unter den Gesellschaftern bestehenden Zerwürfnisses nicht der Fall gewesen sei. Der "reale Wert" seines Geschäftsanteils habe rund 3,600.000 S betragen (wobei die Klienten mit 75% des Jahresumsatzes bewertet worden seien). Dem stehe eine Abfindungssumme von nur rund 400.000 S und "bei Unterstellung einer Realteilung ein Betrag von 1,450.000 S (bei Bewertung des Klientels mit bloß 75%)" gegenüber. Es sei daher ein nach § 24 EStG 1972 zu erfassender Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils vorgelegen und die im Rahmen der OHG gebildeten Investitionsrücklagen gegen den laufenden Gewinn aufzulösen.

Die belangte Behörde teile diese Ansicht nicht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die OHG zum 30. April 1988 durch Realteilung beendet worden sei. Wie näher angeführtem Schrifttum zu entnehmen sei, gelte als Realteilung - der Begriff sei im Geltungsbereich des EStG 1972 nicht geregelt - auch, wenn ein Gesellschafter bei seinem Ausscheiden mit einem Wirtschaftsgut des Gesellschaftsvermögens abgefunden werde und er dieses Wirtschaftsgut in einen von ihm geführten Betrieb einbringe. Außer Streit stehe, dass die Klienten "laut Liste" von der OHG zum Beschwerdeführer gewechselt seien. Nach Auffassung der belangten Behörde sei im gegebenen Fall nicht der Zeitpunkt der Vollmachtskündigungen von entscheidender Bedeutung, sondern der Umstand, dass dem Beschwerdeführer aus seiner Tätigkeit als OHG-Gesellschafter ein Kundenstock erhalten geblieben sei. Mit dem in der OHG erarbeiteten Kundenstock, der bei einer freiberuflichen Tätigkeit die wesentliche Betriebsgrundlage darstelle, habe der Beschwerdeführer trotz der Verlegung des Kanzleisitzes seine Tätigkeit fortsetzen können. Unwesentlich sei, wie diese Aufteilung zustande gekommen sei. Ob es sich beim Kundenstock um einen Teilbetrieb gehandelt habe, könne dahingestellt bleiben, weil nach Ansicht der belangten Behörde eine Realteilung im Geltungsbereich des EStG 1972 auch dann vorliege, wenn der Betrieb einer Personengesellschaft auf die Gesellschafter so verteilt werde, dass diese mit den auf sie übergegangenen Wirtschaftsgütern in der Lage seien, als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer einen lebensfähigen Betrieb fortzuführen. Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Umgründungssteuergesetzes sei allein entscheidend, ob der ausscheidende Gesellschafter wesentliche Betriebsgrundlagen erhalten habe. Dies sei im Streitfall zu bejahen. Auch komme es nicht darauf an, dass die übernommenen Wirtschaftsgüter wertmäßig nicht der Beteiligung entsprochen hätten. Dass eine Realteilung nur dann zulässig sei, wenn es zu keiner Verschiebung stiller Reserven komme, sei eine Rechtsansicht, die zwar von einigen Fachautoren vertreten, von anderen aber abgelehnt werde. Die belangte Behörde schließe sich letzteren an.

Habe das Gesellschaftsverhältnis im Jahr 1988 durch Realteilung geendet, so seien die in den Vorjahren gebildeten Investitionsrücklagen nicht schon im Gewinnfeststellungsverfahren der OHG für das Jahr 1988 aufzulösen, sondern im Einzelunternehmen des Beschwerdeführers fortzuführen gewesen. Die Auflösung dieser Rücklagen habe nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 EStG 1988 iVm Abs. 3 leg.cit. (erst) in den Einkommensteuerverfahren 1988 bis 1991 zu erfolgen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 9 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung vor BGBl. Nr. 818/1993 bestimmte:

"Die Rücklage ist gegen jenen Betrag aufzulösen, der als Investitionsfreibetrag (§ 10) gewinnmindernd in Anspruch genommen werden könnte (bestimmungsgemäße Verwendung). Rücklagen (Rücklagenteile), die nicht bestimmungsgemäß verwendet wurden, sind im vierten Wirtschaftsjahr nach der Bildung der Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Die Rücklage kann auch freiwillig vorher gewinnerhöhend aufgelöst werden. Der gewinnerhöhend aufgelöste Betrag erhöht sich um je 5% für jedes Wirtschaftsjahr ab der Bildung (Zuschlag). Der Zuschlag entfällt bei der gewinnerhöhenden Auflösung anlässlich der Betriebsaufgabe, der entgeltlichen Übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteiles sowie anlässlich der Einbringung in eine Körperschaft."

Bei der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften sind Investitionsrücklagen vom Gesellschaftsgewinn anteilig, Investitionsrücklagen vom Sondergewinn des veräußernden Gesellschafters zur Gänze gewinnerhöhend aufzulösen. Die Auflösung erfolgt zu Gunsten des laufenden Gewinns. Die Erhöhung des aufzulösenden Betrages um einen Zuschlag unterbleibt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz. 41 zu § 9).

Wird der Betrieb einer Personengesellschaft hingegen so auf die Gesellschafter verteilt, dass diese mit den zugeteilten Wirtschaftsgütern einen Betrieb fortführen (Realteilung), liegt darin nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Konkretisierung der ideellen Anteile der Gesellschafter am Betriebsvermögen, in den neu entstehenden Betrieben sind grundsätzlich die "Buchwerte" fortzuführen (vgl. das Erkenntnis vom 10. Mai 1994, 91/14/0116, Slg. 6.892/F). In diesem Fall kommt es, darin stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein, zur Rücklagenfortführung (im neu entstandenen Betrieb).

Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die gegenständlich strittige Auflösung der im Rahmen der OHG gebildeten Rücklagen im Einzelunternehmen des Beschwerdeführers jedenfalls nur dann rechtens sein konnte, wenn die 1988 erfolgte "Anteilsabtretung" in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Realteilung anzusehen war.

Unter Realteilung wird grundsätzlich die im Zuge der Auflösung einer Eigentumsgemeinschaft statt der Zivilteilung (Veräußerung und Teilung des Erlöses) bei teilbaren Sachen mögliche Verteilung des Vermögens unter die Miteigentümer im Verhältnis ihrer Quoten verstanden. Auf Personengesellschaften bezogen bedeutet dies, dass sich die Gesellschafter einigen, statt der Verwertung des Vermögens und Verteilung des Liquidationserlöses körperliche und unkörperliche Sachen in Anrechnung auf ihren Anspruch am Liquidationserlös zu übernehmen.

Mangels gesetzlicher Regelung der Realteilung bis zum Inkrafttreten des Umgründungssteuergesetzes, BGBl. Nr. 699/1991, wurde in steuerlicher Hinsicht hilfsweise die Rechtsprechung zum Tausch von Wirtschaftsgütern bei Fortsetzung des unternehmerischen Engagements herangezogen (vgl. zum Ganzen mit weiteren Literaturhinweisen Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, Umgründungssteuergesetz, Rzlen. 1 und 2 zu § 27). Danach ist die Realteilung weder als Betriebsaufgabe noch als Tausch (Gesellschaftsanteil gegen Wirtschaftsgüter) zu beurteilen. Im Zuge der Realteilung erhält der Gesellschafter vielmehr das, was er schon vorher besessen hat. Seine ideellen Anteile am Betriebsvermögen werden konkretisiert (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1973, 611/72, Slg. 4.558/F).

Im Beschwerdefall wird von der belangten Behörde ausdrücklich eingeräumt, dass "die übernommenen Wirtschaftsgüter wertmäßig nicht der Beteiligung entsprochen haben", solcherart kann aber auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erkannt werden, dass der strittige Abtretungsvertrag im Sinne der angeführten Vorjudikatur ausschließlich auf die Konkretisierung der bisher ideellen Anteile am Betriebsvermögen gerichtet war. Wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zutreffend vorgebracht hat, hätte die Annahme einer steuerneutralen Realteilung die Feststellung erfordert, dass die Mitgesellschafter (ungeachtet der Bezeichnung des Vorganges als "Anteilsabtretung") eine Aufteilung des gemeinschaftlichen Betriebsvermögens im Verhältnis ihrer Quoten bewirken wollten.

Schon daraus ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 29. April 2003

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Realteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1998140158.X00

Im RIS seit

19.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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