TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/8 99/15/0002

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Veröffentlicht am 08.05.2003
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 21. Oktober 1998, Zl. RV-067.97/1-8/97, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1993 bis 1995 (mitbeteiligte Partei: Dr. E, vertreten durch Eisenberger - Herzog - Nierhaus - Forcher & Partner, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Unfang seiner Anfechtung, somit betreffend Einkommensteuer 1994 und 1995, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Nach eigenen Angaben beschäftigt er sich seit vielen Jahren intensiv mit der Anwendung von Heilmethoden, die eine "ganzheitliche Betrachtung" des Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist zur Grundlage hätten. Im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit würden diese Heilmethoden, die von seinen Patienten sehr begehrt würden, einen relativ breiten Raum einnehmen.

Vom 18. Dezember 1994 bis 15. Jänner 1995 unternahm der Mitbeteiligte zusammen mit seiner Ehefrau, die bei ihm als Ordinationsgehilfin tätig ist, eine Reise nach Indien und machte die angefallenen Kosten in Höhe von rund S 60.000,-- in seinen Steuererklärungen für die Streitjahre als Reisekosten geltend.

Anlässlich einer Betriebsprüfung über die Jahre 1993 bis 1995 erkannte der Prüfer lediglich Seminargebühren in Höhe von rund S 1.100,-- für ein Seminar vom 25. Dezember bis 29. Dezember 1994 als Betriebsausgaben an, weil ein Nachweis über die ausschließlich berufliche Veranlassung dieser Reise nicht erbracht worden sei. Das eigentliche Seminar habe nur fünf Tage, die gesamte Reise jedoch 30 Tage gedauert.

Der Mitbeteiligte führte im Berufungsverfahren aus, er habe die restliche Zeit bei verschiedenen Ayurveda-Ärzten in Indien hospitiert:

Vom 20. Dezember bis 23. Dezember 1994 hätten er und seine Ehefrau bei Arulmamani R. V. Ramani, einem Heiler in Madras, die Grundzüge des Erkennens von Krankheiten aufbauend auf einer indischen Methode der Astrologie sowie deren karmische Ursachen und das Erkennen des Lebenszieles der betreffenden Person gelernt. Die Sitzungen hätten jeweils von 9.00 bis 12.00 und von 15.00 bis 21.00 Uhr gedauert.

Vom 30. Dezember 1994 bis 6. Jänner 1995 hätten sie im Ashram von Sai Baba in Whitefield, einem weltberühmten Heiler, mit zahlreichen anderen Anhängern seinen Sitzungen beigewohnt und mit den von diesem geheilten Menschen vor und nach den Sitzungen Gespräche geführt. Die Sitzungen hätten einschließlich der vorangehenden und nachfolgenden Meditationen von 9.00 bis 18.00 Uhr gedauert.

Vom 8. Jänner bis 13. Jänner 1995 seien der Mitbeteiligte und seine Ehefrau bei dem berühmten Ayurveda-Gelehrten namens Shri Krishna Raj Mukhia auf Goa gewesen, wo sie in die Grundbegriffe des Ayurveda, insbesondere in Verbindung mit dem Erkennen von Diagnosen über die Aura, eingeweiht worden seien. Die täglichen Sitzungen hätten von 8.00 bis 12.00 sowie von 16.00 bis 21.00 Uhr gedauert.

Weiters führte der Mitbeteiligte aus, seine Ehefrau habe mit ihm sämtliche Fortbildungsveranstaltungen (auch in Europa) besucht, da sie in seiner Praxis selbstständig mit alternativen Heilmethoden arbeite. Einladungsschreiben der Heilkundigen, welche besucht wurden, besitze er nicht, da es sich nicht um offizielle Veranstaltungen im Sinne von Seminaren oder Kongressen gehandelt habe. Es sei für ihn jedoch auf Grund früherer Reisen vorhersehbar gewesen, dass er nach dem Kongress als einziger "Exote" aus Europa herumgereicht und von den dortigen Ärzten zur Weitergabe ihres Wissens eingeladen werden würde.

Methoden wie den Abbau von karmischen Belastungen könne man nur bei Geistheilern und Ärzten in Indien erlernen. Diese Methoden wende er auch in seiner Praxis an, was auch zu Einnahmen, die versteuert würden, führe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung teilweise Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, Kosten von Studienreisen könnten als Betriebsausgabe nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Reisen ausschließlich durch den Betrieb veranlasst seien und die Möglichkeit eines privaten Reisezwecks nahezu auszuschließen sei. Dabei sei hinsichtlich des Nachweises des (nahezu) ausschließlichen betrieblichen Anlasses ein strenger Maßstab anzulegen, weil bei Auslandsreisen ein Überschneiden mit privaten Interessen besonders nahe liege. Da bei der Beurteilung dieser Reisen Sachverhaltselemente von Bedeutung seien, die im Ausland ihre Wurzeln hätten, bestehe eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei der Prüfung der Voraussetzungen.

Im vorliegenden Fall habe der Mitbeteiligte eine Reihe von indischen Heilkundigen, die er während seiner Reise aufgesucht habe, genannt und erläutert, er sei während des Kongresses spontan von seinen indischen Kollegen eingeladen worden, ihre Heilmethoden vor Ort kennen zu lernen. Daher sei es ihm unmöglich gewesen, Einladungsschreiben oder ein Reiseprogramm vorzulegen. Heilpraktiken, die er dort kennen gelernt habe, wende er bei seinen Patienten, mit denen er auch meditiere, an. Die Kenntnisse, die er für diese Arbeit benötige, hätte er sich durch solche Reisen erworben.

Die belangte Behörde sehe es daher als erwiesen an, dass 50 % des Indienaufenthaltes ausschließlich beruflichen Zwecken gedient hätten und somit die Hälfte der geltend gemachten Kosten abzugsfähig seien. Die restlichen 50 % seien jedoch mangels Nachweises der ausschließlichen beruflichen Veranlassung den Privataufwendungen zuzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Dazu gehören gemäß Z 9 leg. cit. auch Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Demgegenüber sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abzugsfähig, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt und eine genaue Unterscheidung vorgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2000, 98/15/0111). Zur steuerlichen Anerkennung von Studienreisen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 1999, 99/14/0131) entschieden, dass Kosten einer Studienreise des Steuerpflichtigen grundsätzlich Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 seien, es sei denn, es liegen folgende Voraussetzungen kumulativ vor (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom 22. September 2000, 98/15/0111):

     -        Planung und Durchführung der Reise erfolgen entweder

im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation oder sonst in einer

Weise, die die zumindest weitaus überwiegende berufliche

Bedingtheit einwandfrei erkennen lässt.

     -        Die Reise muss nach Planung und Durchführung dem

Abgabepflichtigen die Möglichkeiten bieten, Kenntnisse zu

erwerben, die eine einigermaßen konkrete berufliche Verwertung

gestatten.

     -        Das Reiseprogramm und seine Durchführung müssen

derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Abgabepflichtigen abgestellt sein, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren.

-

Andere allgemein interessierende Programmpunkte dürfen zeitlich gesehen nicht mehr Raum als jenen einnehmen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Betätigungen verwendet wird; jedoch führt der nur zur Gestaltung der Freizeit dienende Aufwand keinesfalls zu einer steuerlichen Berücksichtigung.

Die belangte Behörde hat es im Beschwerdefall auf Grund des Vorbringens des Mitbeteiligten als erwiesen angesehen, dass 50 % des Indienaufenthaltes ausschließlich beruflichen Zwecken gedient hätten und ist somit zur Feststellung gelangt, 50 % der geltend gemachten Kosten seien abzugsfähig.

Demgegenüber vertritt der beschwerdeführende Präsident die Ansicht, aus den Ausführungen des Mitbeteiligten gehe ein berufsbezogener Charakter noch nicht hervor. Diesen sei in erster Linie ein Interesse des Mitbeteiligten an fernöstlichem Gedankengut bzw. transzendentaler Heilsphilosophie zu entnehmen, wie dies in den Ashrams indischer Heiliger an persönlicher Bewusstseinserweiterung interessierten Schülern vermittelt werde. Da Meditationsübungen für sich schon dem seelischen Bedürfnis vieler Menschen, unabhängig vom Berufsstand, dienten und der Mitbeteiligte keinerlei Beweismittel darüber habe vorlegen können, dass die von ihm besuchten Sitzungen ausschließlich auf die Vermittlung von auf den ärztlichen Beruf zugeschnittenen und für diesen Beruf wichtigen Erkenntnissen ausgerichtet gewesen seien, seien diese Veranstaltungen dem Bereich der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung zuzurechnen. Es sei auch nicht schlüssig dargetan worden, wieso eine Erweiterung der Astrologiekenntnisse durch die ärztliche Tätigkeit des Mitbeteiligten veranlasst gewesen sei. Interessiere sich ein Arzt für Astrologie, so sei dies nach allgemeiner Lebenserfahrung wohl eher der privaten Lebensführung als dem betrieblichen Bereich zuzurechnen. Es entspreche nämlich nicht dem ärztlichen Berufsbild, dass ein Arzt für seine Patienten Sterndeutungen vornehme und darauf aufbauend Diagnosen erstelle. Da im Beschwerdefall ein privater Reisezweck nicht nahezu auszuschließen sei, seien die Reisekosten auf Grund des Aufteilungsverbotes insgesamt nicht absetzbar.

Reisekosten selbstständig Erwerbstätiger sind Betriebsausgaben, wenn die Reise nachgewiesenermaßen ausschließlich durch den Betrieb veranlasst ist (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 4 Abs. 4 allgem, Tz 23). Spielen bei einer Reise (auch) private Belange eine Rolle, so sind auf Grund des Aufteilungsverbotes des § 20 EStG 1988 die Reisekosten insgesamt nicht absetzbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1999, 94/14/0012). Dass die Reise für die Berufstätigkeit des Mitbeteiligten von Nutzen sein konnte, genügt noch nicht, um sie als durch den Beruf veranlasst zu sehen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 98/15/0111).

Die belangte Behörde hat trotz ihrer Feststellung, die Indienreise sei nicht nachgewiesenermaßen ausschließlich durch den Betrieb des Mitbeteiligten veranlasst gewesen, in Verkennung der Rechtslage die Hälfte der geltend gemachten Ausgaben als Werbungskosten anerkannt. Damit hat sie den Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid wird daher - im Umfang seiner Anfechtung - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Wien, am 8. Mai 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999150002.X00

Im RIS seit

16.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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