TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/15 2002/01/0141

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Veröffentlicht am 15.05.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des H in A, geboren 1975, vertreten durch Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwaltsgemeinschaft in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. April 2002, Zl. 225.643/0- IX/27/02, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches gemäß § 8 AsylG (Refoulement-Teil) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen (Entscheidung gemäß § 7 AsylG) wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 7. Oktober 2001 in das Bundesgebiet ein und gab am 11. Oktober 2001 im Rahmen einer niederschriftlichen Befragung bei der Bundespolizeidirektion Salzburg zusammengefasst an, er habe "irgendwo in Europa" Arbeit suchen wollen, weil er in seiner Heimat kein Geld verdienen könne.

Am 12. Oktober 2001 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Zu seinen Fluchtgründen vernommen gab der Beschwerdeführer am 13. November 2001 beim Bundesasylamt an, er habe im Jahre 1997 von der UCK eine Ladung zum "Kosovo-Militär" erhalten. Er habe nicht kämpfen wollen und habe den Kosovo verlassen. Dann habe er etwa ein Jahr bei seinen Familienangehörigen in der Türkei gelebt; in diesem Zeitraum "kamen laufend Ladungen und wurde gefragt wo ich bin und wo ich sei, diese Ladungen kamen von der UCK". Ende des Jahres 1998 sei er in den Kosovo zurückgekehrt; dort sei er als Spion betrachtet worden, weil er früher "mehr mit serbischen Freunden zusammen war". Im Februar 1999 sei er in die Schweiz gefahren, von wo er im Jänner 2000 wieder in den Kosovo zurückgekehrt sei. Dort hätten ihn "Leute" bedroht und als Spion bzw. "als serbischer Freund" beschimpft. Einmal sei er auch geschlagen worden. Er habe seine Heimat deswegen nicht früher verlassen, weil er immer gehofft habe, dass es besser werde.

Auf Anfrage des Bundesasylamtes teilte das Kosovo Information Project (KIP) mit, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass die UCK jemals schriftliche Einberufungsbefehle versandt hätte.

Mit dieser Information konfrontiert teilte die Vertreterin des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2001 mit, dass der Beschwerdeführer (offenbar ihr gegenüber) eingestanden habe, hinsichtlich der schriftlichen Ladungen der UCK nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Wie er "in die Behauptung hineingeschlittert ist", könne sich der Beschwerdeführer nicht erklären, er habe auch den Zeitpunkt für eine Richtigstellung verpasst. Er sei mehrfach (offenbar mündlich) aufgefordert worden, der UCK beizutreten.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach der Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe seien ein "frei erfundenes Lügengebilde". Das Eingeständnis nach Vorhalt der Auskunft des KIP, doch keinen schriftlichen Einberufungsbefehl erhalten zu haben, sondern mündlich einberufen worden zu sein, bestätige die Unglaubwürdigkeit, weil der Beschwerdeführer den Grund für die ursprünglich aufgestellten Behauptungen nicht habe nennen können. Auch könne eine Richtigstellung der Aussage des Beschwerdeführers nicht "verpasst" worden sein, weil ihm während seiner Einvernahme ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er werde von seinen albanischen Landsleuten als Verräter und Serbenfreund angesehen. Dies bedeute,

"dass man samt seiner Familie ... - geschnitten wird, nicht bedient wird, keine Arbeitsstelle erhält oder auf einen Wink hin sie grundlos wieder verliert -, andere zeigen ihre Verachtung und Aggression, indem sie Bemerkungen fallen lassen oder einen direkt beschimpfen, und manche werden tätlich".

Er sei einmal "deshalb" geschlagen worden. Er habe zunehmend Angst vor schlimmeren Angriffen gehabt und sich unter Druck gesetzt gefühlt. Wegen der mehrmaligen Weigerung, sich der UCK anzuschließen, befürchte er, von ehemaligen UCK-Kämpfern verfolgt zu werden. Die Anwesenheit internationaler Organisationen im Kosovo könne vor solchen Racheakten nicht schützen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß § 7 AsylG" ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die autonome Provinz Kosovo der "BR Jugoslawien" zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Kosovo aus den beim Bundesasylamt angegebenen Gründen verlassen habe. Der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes könne nicht entgegengetreten werden, wenn es das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Kosovo Übergriffen einer "Geheimorganisation" ausgesetzt gewesen zu sein, weil er Einberufungsbefehle der UCK nicht befolgt habe und außerdem serbische Freunde gehabt habe, als unglaubwürdig erachtet habe, nachdem der Beschwerdeführer nach Vorhalt der Anfragebeantwortung des KIP, dass es keine glaubwürdigen Hinweise darauf gebe, dass die UCK je schriftliche Einberufungsbefehle erlassen habe, sein Vorbringen, einen schriftlichen Einberufungsbefehl von der UCK erhalten zu haben, dahingehend abgeändert habe, dass der Einberufungsbefehl mündlich erfolgt sei. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 10. November 2001 bei der Bundespolizeidirektion Salzburg nur wirtschaftliche Gründe für seine Ausreise aus dem Kosovo genannt habe. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil in der Berufung keine entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen behauptet worden seien und die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Bescheides nicht ausreichend konkret bekämpft worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer das Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde, weil sowohl die Mangelhaftigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung als auch das Berufungsvorbringen eine solche erforderlich gemacht hätten.

Dem ist zu entgegnen, dass sich die Beweisrüge in der Berufung auf den Hinweis beschränkte, dass der Beschwerdeführer seine die Ladungen der UCK betreffende "übertreibende und damit unrichtige Aussage ... mit Bedauern zurückgenommen" habe, womit teilweise die in der Stellungnahme vom 10. Dezember 2001 aufgestellten Behauptungen wiederholt wurden; auf diese Äußerung ist schon das Bundesasylamt im erstinstanzlichen Bescheid eingegangen; sie ist jedenfalls nicht geeignet, die schlüssige Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Behörde in Frage zu stellen.

Auch das weitere Vorbringen in der Berufung verpflichtete die belangte Behörde nicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil darin lediglich Behauptungen allgemeiner Natur über die schwierigen Lebensbedingungen im Kosovo aufgestellt wurden und ihm kein konkreter, den Beschwerdeführer betreffenden, asylrelevanter Sachverhalt zu entnehmen ist.

Soweit die Argumente in der Beschwerde auf eine Beweisrüge abzielen, bieten sie keine plausible Erklärung dafür, warum der Beschwerdeführer erst nach einem Vorhalt sein von ihm offenbar als für die Asylgewährung zentral eingestuftes Vorbringen änderte bzw. abschwächte. Hat das Bundesasylamt und mit ihm die belangte Behörde aber in erster Linie aus diesem Umstand die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abgeleitet, ist diese Folgerung nicht unschlüssig.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er sich gegen den Ausspruch gemäß § 8 AsylG wendet, weil im angefochtenen Bescheid jegliche Begründung dafür fehlt. Die belangte Behörde hat in diesem Punkt ihre Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 AVG verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 15. Mai 2003

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010141.X00

Im RIS seit

24.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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