TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2003/04/0065

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Veröffentlicht am 22.05.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art140 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs2 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Steiermark, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 15. Oktober 2001, Zl. UVS 30.4-87/2001-8, betreffend Behebung eines Straferkenntnisses wegen Übertretung der GewO 1994 und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (mitbeteiligte Partei: H, Graz, Mgasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. August 1996 wurde festgestellt, dass die vom Verein "S F", dessen gewerberechtlicher Geschäftsführer der Mitbeteiligte ist, betriebene gastgewerbliche Betriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort so beschaffen sei, dass sie den Bestimmungen des § 359b GewO 1994 entspreche.

Der Landeshauptmann kam auf Grund des Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erfüllt seien. In der diesem Bescheid zu Grunde liegenden Betriebsbeschreibung wurde u.a. festgehalten, dass die Betriebsanlage täglich außer Sonntag von 20.00 Uhr bis 02.00 Uhr geöffnet sei. In diesem Bescheid wurden Aufträge zum Schutz der Nachbarn erteilt, die sich jedoch nicht auf die Betriebszeiten beziehen.

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 8. Juni 2001 wurde über den Mitbeteiligten als gewerberechtlichen Geschäftsführer des Vereins "S F" eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt, weil er dafür verantwortlich sei, dass der gegenständliche gastgewerbliche Betrieb am 27. Jänner 2001 bis zumindest 06.30 Uhr offen gehalten worden sei, obwohl nur eine Betriebszeit von 20.00 Uhr bis 02.00 Uhr gestattet gewesen sei. Dadurch sei die Betriebsanlage in zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen genehmigungspflichtiger Weise geändert und betrieben worden.

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom 18. September 2001 hat der Landeshauptmann von Steiermark auf der Rechtsgrundlage von § 359b Abs. 1 Z. 2, § 74 Abs. 2, § 81 Abs. 2 Z. 7 und § 358 Abs. 1 GewO 1994 den Antrag des Vereins "S F" auf Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage durch Erweiterung der Offenhaltezeit täglich bis 05.00 Uhr zurückgewiesen und festgestellt, dass die beantragte Änderung der Betriebsanlage durch Erweiterung der Öffnungszeit auf täglich von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr keiner Genehmigung bedürfe.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass die Betriebsanlage gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 genehmigt sei und durch die beantragte Erweiterung der Öffnungszeiten der Charakter einer "§ 359b-Anlage", der sich nur nach der Größe der Betriebsfläche und der Höhe der elektrischen Anschlussleistung richte, nicht verloren gehe. Die beantragte Änderung sei daher gemäß § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 genehmigungsfrei. Ergänzend werde festgehalten, dass keine weiteren Aufträge zum Schutz der Nachbarinteressen erforderlich seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2001 hat der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark über die Berufung des Mitbeteiligten das oben erwähnte Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 8. Juni 2001 behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 zweiter Fall VStG eingestellt.

In der Begründung dieses Bescheides hat die belangte Behörde unter Hinweis auf den oben genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. September 2001 ausgeführt, dass die gegenständliche gemäß § 359b GewO 1994 genehmigte Betriebsanlage weiterhin dieser Bestimmung unterliege. Eine Nichtbeachtung der im Genehmigungsbescheid vom 26. August 1996 - gemäß der darin genannten Betriebsbeschreibung - festgesetzten Öffnungszeiten sei nicht als Änderung des Charakters der Anlage im Sinn des § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 zu qualifizieren und daher nicht genehmigungspflichtig. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat sei daher nicht als Verwaltungsübertretung zu werten.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 verfassungskonform dahin zu interpretieren sei, dass die Änderung einer Betriebsanlage nur dann nicht genehmigungspflichtig sei, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen von vornherein ausgeschlossen werden könne.

Mit dem in der vorliegenden Beschwerdesache ergangenen hg. Beschluss vom 8. Mai 2002, Zl. A 2002/0011, wurde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG der Antrag gestellt, § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 5. März 2003, G 210/02, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung antragsgemäß aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Dies bedeutet für den vorliegenden Anlassfall, dass die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 auf ihn nicht anzuwenden ist.

Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass es sich bei der Änderung der Öffnungszeiten des gegenständlichen gastgewerblichen Betriebes gemäß § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 nicht um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlagenänderung handle. Aus diesem Grund hat sie das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Sie hat somit ihren Bescheid auf eine Bestimmung gestützt, die sie nach den obigen Ausführungen nicht anzuwenden hatte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 22. Mai 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003040065.X00

Im RIS seit

15.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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