TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2001/01/0247

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des NTam in L, geboren 1979, vertreten durch Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Mai 2001, Zl. 213.205/0- III/07/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Kameruns, reiste am 3. April 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Bei seinen Einvernahmen beim Bundesasylamt am 20. April und am 25. Mai 1999 gab der Beschwerdeführer als Grund für seine Flucht an, er sei im Mai 1997 von Regierungspolizisten verhaftet und am 26. Dezember 1998 gegen Bezahlung einer Kaution in der Höhe von etwa 2.200 US-$ vom Gefängnis Buea in der Südwest-Provinz entlassen worden. Nach seiner Entlassung sei er zu seinem Arbeitsplatz zurückgekehrt. Am 22. Februar 1999 seien vom Stammeshäuptling von Bafo Kumba namens Mukete acht Personen einer "Gang" zu ihm geschickt worden. Mukete sei Mitglied der Regierungspartei CPDM. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der SDF (Social Democratic Front) und sei deshalb von den Männern geschlagen worden. Diesen Vorfall habe er der Polizei berichtet, die drei der Männer zur Polizeistation mitgenommen habe. Nach einer Intervention durch Häuptling Mukete seien diese wieder freigelassen worden. Die Polizei habe ihm nahegelegt, das Land zu verlassen. Am 26. Februar 1999 hätte "gegen" den Beschwerdeführer vor Gericht verhandelt werden sollen; in der Nacht zum 25. Februar 1999 habe er Kumba in Richtung Douala verlassen. Er sei im Auto des regionalen Parteichefs der SDF mit einer Frau nach Douala gefahren. Das Fahrzeug sei mit der Flagge der SDF gekennzeichnet gewesen, weshalb es während der gesamten Fahrt keine Probleme gegeben habe. Als Arbeiter verkleidet sei er an Bord eines Schiffes gebracht worden, mit dem er weitergereist sei.

Wörtlich gab der Beschwerdeführer weiter unter Anderem an (F bzw. V= Verhandlungsleiter, A=Beschwerdeführer):

"A: Ich verließ mein Heimatland wegen meines politischen Problems. Es begann alles mit den Kommunalwahlen am 17.5.1997.

Ich war Mitglied der SDF (Social Democratic Front) und meine Aufgabe war die Verteilung von Parteiausweisen.

F: Beschreiben Sie die Mitgliedsausweise der SDF.

A: Der Mitgliedsausweis beinhaltet den Namen unserer Partei

sowie unsere Symbole - eine Waage, die auf einer Wahlurne steht.

F: Erzählen Sie weiter.

A: Am Wahltag war ich als Wahlhelfer bzw. Wahlbeobachter tätig.

Die Wahl sollte von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr dauern. Allerdings gingen schon vor 18.00 Uhr alle Lichter aus. Das Ganze fand in Kumba statt. Die Wahl fand aber landesweit statt.

Wir mussten dadurch die Stimmen bei Kerzenlicht auszählen.

Danach sollte ich die Wahlurne mit den ausgezählten Stimmen zum Rathaus bringen.

Am Wahltag war das Fahren mit Autos untersagt.

Beim Weg dorthin wurde mir die Wahlurne mit den Stimmzetteln von Mitgliedern der Regierungspartei weggenommen. Zwei Tage später, am 19.5.1997, wurde ich wegen meiner politischen Aktivitäten für die SDF von Regierungspolizisten verhaftet.

Man beschuldigte mich und andere und die SDF im allgemeinen das Eigentum anderer zu zerstören.

F: Nennen Sie mir den Namen der Regierungspartei?

A: CPDM (Cammeroon people Democratic Movement).

F: Hatten Sie ein Gerichtsverfahren?

A: Nein, ich hatte kein geregeltes und ordentliches

Gerichtsverfahren.

...

F: Haben Sie weitere Gründe, die Sie bewogen haben, Ihre Heimat zu verlassen und in Österreich um Asyl anzusuchen?

A: Ja. Mein Vater kontaktierte einen Rechtsanwalt, der mitteilte, dass ich mit einer Haftstrafe von 20 bis 25 Jahren zu rechnen hätte. Diese Verhandlung sollte am 26.2.1999 stattfinden.

Das war auch ein weiterer Fluchtgrund.

     Darüber hinaus fürchtete ich, im Falle meiner weiteren

Inhaftierung, verletzt oder sogar getötet zu werden.

     F: Was erwartet Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland?

     A: Man würde mich wieder ins Gefängnis stecken. Mich würde

dieselbe Situation erwarten aus der ich flüchtete.

     ...

     Am 19.05.1997 wurde ich festgenommen.

     ...

     F: Warum hat man Sie verhaftet?

     A: Der Grund lag darin, dass ich das polit. Problem mit dem

Bürgermeister diskutierte.

     F: Warum verhaftete man ausgerechnet Sie?

     Lt. Ihrer Angaben waren mehrere Personen gleichzeitig mit

Ihnen beim Bürgermeister und alle waren Parteimitglieder.

     A: Im Zuge des Wahlkampfes kam es zu gewaltsamen Übergriffen

und Sachbeschädigungen. Die SDF ist sehr wohl für gewaltsame Übergriffe verantwortlich; ich selbst habe aber nie an solchen Aktionen teilgenommen.

F: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum man gezielt Sie verhaftete?

A: Es war bekannt, dass ich schon viele Mitglieder angeworben

habe.

F: Was war der Grund für Ihre Verhaftung?

A: Man hat mir zuerst nicht gesagt, warum man mich verhaftet

hat.

Von meinem Anwalt erhielt ich aber die Information, dass mir div. Zerstörungen angelastet werden; ich kam aber gg. Kaution frei. Am 26.02.1999 hätte es eine Verhandlung geben sollen; ich bin aber schon zuvor ausgereist.

...

Ich war von 19.05.1997 - 28.12.1998 in Haft."

Bei seiner Einvernahme am 25. Mai 1999 legte der Beschwerdeführer einen Personalausweis, eine Geburtsurkunde, einen Parteiausweis, einen Haftbefehl, einen Zeitungsartikel vom 21./22. Mai 1997, zwei undatierte Schreiben, ein Schreiben der SDF vom 23. April 1999 sowie ein Schreiben der "Liberty Law Firm" vom 19. April 1999 vor.

In einem Untersuchungsbericht der Kriminaltechnischen Zentralstelle beim Bundesminister für Inneres vom 19. Juli 1999 wurde zur Echtheit des vom Beschwerdeführer vorgelegten Personalausweises festgehalten, dass entsprechendes authentisches Vergleichsmaterial fehle, dass zum Vergleich des Formularvordruckes jedoch alle bisher untersuchten und beurteilten Formulare der Unterlagensammlung sowie Informationen von Dienststellen anderer Länder herangezogen worden seien; diese Befunde sprächen dafür, dass es sich um ein nachgeahmtes Formular handle. Auch zur vorgelegten Geburtsurkunde fehle authentisches Vergleichsmaterial, Abänderungen oder Hinzufügungen könnten nicht festgestellt werden. Ebenso fehle authentisches Vergleichsmaterial zur Beurteilung der Echtheit des Parteiausweises.

Zum Ergebnis der Urkundenuntersuchung befragt gab der Beschwerdeführer am 9. August 1999 unter Anderem an:

"F: Wann und wo erhielten Sie Ihre Identitätskarte?

A: Ich erhielt diese am 14.11.1992; ich habe diese bei der Polizeistation in Kumba erhalten; es ist die einzige Polizeistation in Kumba. Ich bin dorthin gegangen und habe eine solche Identitätskarte beantragt; eine Woche später konnte ich diese abholen. Ich hatte dafür den Betrag von 500,-- CFA zu bezahlen; es handelt sich dabei um eine öffentl. Abgabe.

Meine Identitätskarte ist echt und richtig.

V: Der Untersuchungsbericht der Kriminaltechn. Zentralstelle der Generaldirektion für die öffentl. Sicherheit vom 19.07.1999 ergab, dass es sich bei dem von Ihnen vorgelegten Dokument um ein nachgeahmtes Formular handelt.

Nehmen Sie dazu Stellung.

A: Ich bleibe bei meinen Angaben; mein Dokument ist echt. Der Untersuchungsbericht ist nicht richtig. Mehr habe ich dazu nicht anzugeben...."

Mit Bescheid vom 1. Oktober 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Kamerun gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend stellte das Bundesasylamt nach Wiedergabe der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens fest, dass der Beschwerdeführer seinen Heimatstaat verlassen habe und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1997 jedoch nicht glaubhaft gemacht habe. In Kamerun gebe es derzeit für die Bevölkerung kein politisches Risiko, es gebe keine politischen Häftlinge. Die einzige Ausnahme bildeten fünf bis sechs Personen, die im Zusammenhang mit den schweren Unruhen bei Bamenda wegen der Angriffe auf militärische Einrichtungen im März 1997 verhaftet worden seien und sich noch immer in Haft befänden. Alle übrigen der damals verhafteten Personen seien wieder freigelassen worden. Die Verantwortlichen für diese Unruhen könnten nicht mit Sicherheit identifiziert werden, doch gebe die Regierung "Anglophonen und Separatisten" im Nordwesten die Schuld. Ansonsten käme es vereinzelt zu übereilten Verhaftungen, doch lasse die Polizei die angehaltenen Personen zumeist nach zwei bis drei Tagen wieder frei. Bei der Identitätskarte des Beschwerdeführers handle es sich um ein nachgeahmtes Formular. Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde zu den Feststellungen zur Situation in Kamerun auf einen Bericht der belgischen Botschaft in Yaounde vom 12. März 1999, dem größere Beweiskraft zukomme als Berichten von Privaten. Daher seien die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig. In der Folge setzte sich das Bundesasylamt im Detail mit Angaben des Beschwerdeführers auseinander und zog den Schluss, dass "in Summe gesehen ... daher die hier zitierten Divergenzen einmal mehr dazu geeignet (seien), Ihrem Vorbringen insgesamt die Glaubwürdigkeit zu entziehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war." In rechtlicher Hinsicht lag für das Bundesasylamt schon wegen der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers kein Asylgrund und keine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er dem vom Bundesasylamt herangezogenen Bericht der belgischen Botschaft Berichte etwa von Amnesty International oder des US-Department of State entgegenhielt, nach denen (frei übersetzt) zusammengefasst im Jahre 1998 bzw. 1999 Kritiker der Regierung bzw. Mitglieder von Oppositionsparteien inhaftiert worden seien und ohne Prozess auf unbestimmte Zeit gefangengehalten würden. Diese Berichte - so der Beschwerdeführer in seiner Berufung weiter - widerlegten die Ansicht des Bundesasylamtes, in Kamerun gebe es keine politischen Gefangenen. Zu der vom Bundesasylamt als Nachahmung gewerteten Identitätskarte bekräftigte der Beschwerdeführer, dass er sie am 14. November 1992 bei der Polizeistation in Kumba erhalten habe. Möglicherweise sei kein Originalformular vorhanden gewesen und man habe ihm eine Nachahmung eines Originalformulares gegeben. Die Nummer der Identitätskarte sei jedoch auch in dem von ihm vorgelegten Kautionsantrag angeführt worden. In der Folge setzte sich der Beschwerdeführer mit den beweiswürdigenden Argumenten des Bundesasylamtes im Detail auseinander und führte schließlich zur Begründung seines Bedarfes nach Abschiebungsschutz an, es drohe ihm in Kamerun unter Umständen die Todesstrafe.

Mit Schriftsätzen vom 6. Dezember 1999 und vom 11. April 2001 ergänzte der Beschwerdeführer seine Berufung und legte weitere Urkunden vor.

Bei der von der belangten Behörde am 20. Oktober 2000 durchgeführten Berufungsverhandlung legte der Beschwerdeführer das Original eines Doppelblattes der Zeitung "The Herald" vom 21./22. Mai 1997 vor mit dem Hinweis, dass er darin namentlich genannt sei. In dem Zeitungsausschnitt (bei dem es sich um das Original des vom Beschwerdeführer schon am 25. Mai 1999 vorgelegten Artikels handelt) heißt es in Bezug auf die Wahlen vom 17. Mai 1997 unter Anderem, dass die während der Wahlen passiv gebliebenen Ordnungskräfte einen Vorstoß auf die SDF-Hochburgen von Hausa Quarters und Fiango durchführten, wo Berichten zufolge namentlich genannte Personen verhaftet und nach Buea gebracht worden seien. Bei den Verhafteten sei auch eine Person namens "NTa" gewesen. Der Verhandlungsleiter merkte dazu an, dass der Name "NTa" aufscheine, der Beschwerdeführer hingegen "NTam" heiße. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass es sich dabei um einen Schreib- bzw. Druckfehler handeln könne, außerdem klinge der Name im Landesdialekt mit und ohne "m" gleich. Nach einer Einvernahme zu seinen Fluchtgründen erklärte sich der Beschwerdeführer einverstanden, die Echtheit der von ihm vorgelegten Dokumente überprüfen zu lassen.

In der am 21. Mai 2001 fortgesetzten Berufungsverhandlung hielt der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer unter Anderem vor, dass sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Botschaftsbericht unter Anderem ergebe, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegte Zeitung echt sei, allerdings werde darauf hingewiesen, dass in dieser Zeitung der Name "NTa" und nicht "NTam" aufscheine. Diesem Vorhalt entgegnete der Beschwerdeführer, dass er in der Republik Kamerun der Einzige sei, der diesen Namen trage. Der Vertreter des Beschwerdeführers beantragte die Einholung einer Auskunft darüber, ob "Ta" bzw. "Tam" ein häufiger oder seltener oder gar kein Familienname in Kamerun, insbesondere in Kumba sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 7 AsylG" ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun gemäß § 8 AsylG zulässig sei. In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen und Teile der Angaben des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren wieder und kam zu dem Ergebnis, dass die vom Beschwerdeführer "im Rahmen des durchgeführten Verfahrens relevierten Umstände bzw. Ereignisse ... nicht als Sachverhalt festgestellt werden (konnten), da den gesamten Aussagen des (Beschwerdeführers) die Glaubwürdigkeit zu versagen war". Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ergebe sich aus einer Vielzahl von Umständen, die in ihrer Gesamtheit betrachtet lediglich den Schluss zuließen, dass die von ihm behauptete individuelle Bedrohungssituation nicht mit der Wirklichkeit übereinstimme. In der Folge setzte sich die belangte Behörde mit einzelnen Beweismitteln, insbesondere mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden auseinander und führte zu dem von ihr als echt erachteten Ausschnitt aus der Zeitung "The Herald" aus, dass auch dieser nicht geeignet sei, eine Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen,

"da auf dieser Zeitung lediglich der Name 'NTa', nicht hingegen der Name des (Beschwerdeführers) 'NTam' aufscheint. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hiebei lediglich um einen Druckfehler handelt, zumal die vorgelegte Zeitung echt ist, doch ergibt sich andererseits auch nicht zwingend, dass es sich hiebei lediglich um einen Druckfehler und nicht um eine völlig andere Person als den Asylwerber handelt. Dass es sich hiebei tatsächlich um eine andere Person als den Asylwerber handelt, erscheint nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch wahrscheinlicher, da Druckfehler objektiv betrachtet seltener vorkommen als richtige Schreibweisen".

Zusammenfassend hielt die belangte Behörde fest, dass bei einer Abwägung aller für und gegen die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Geschichte sprechenden Gründe jene Argumente, die gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers sprächen, bei weitem überwögen, zumal für den Beschwerdeführer lediglich der Umstand spräche, dass es im Zuge der Wahlen im Jahre 1997 in Kamerun tatsächlich zu Übergriffen auf Angehörige der Opposition gekommen sei. Die belangte Behörde gelange somit zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer "sich auf die damaligen Umstände berufend eine entsprechende - jedoch was die behauptete individuelle Bedrohung betrifft nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmende - Rahmengeschichte bloß zurechtgelegt hat." In rechtlicher Hinsicht verneinte die belangte Behörde schon wegen der nicht feststellbaren Fluchtgründe eine Verfolgungsgefahr bzw. eine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung mit der Echtheit und dem Inhalt einer Reihe von vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten auseinandergesetzt und ist - teils weil sie deren Echtheit anzweifelte, teils wegen fehlender Glaubwürdigkeit den Inhalt betreffend - zu dem Schluss gekommen, die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe entsprächen nicht der Wahrheit.

Dieser Schlussfolgerung steht jedoch der vorgelegte Ausschnitt aus der Zeitung "The Herald" insofern entgegen, als die belangte Behörde von seiner Echtheit ausgeht und auch keine Zweifel an seiner inhaltlichen Richtigkeit äußerte. Wollte man die Identität der darin genannten Person "NTa" mit dem Beschwerdeführer bejahen, würden somit die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund durch den Zeitungsausschnitt zumindest teilweise bestätigt werden.

Die belangte Behörde schloss zwar bei der Namensschreibung einen Druckfehler nicht aus, verneinte jedoch die Identität des Beschwerdeführers mit der im Artikel genannten Person mit dem Argument, eine falsche Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers erscheine nach der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlicher, weil Druckfehler "objektiv betrachtet seltener vorkommen als richtige Schreibweisen". Dabei handelt es sich um keine nachvollziehbare Begründung für die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung: Als Erklärung für eine andere Schreibweise des Namens kommen nämlich nicht nur Druckfehler in Frage, sondern etwa auch - was von der belangten Behörde nicht in Betracht gezogen wurde - Übermittlungs- oder Schreibfehler; zudem wurde übersehen, dass sich im Beschwerdefall die wohl höhere Wahrscheinlichkeit einer richtigen Schreibweise nicht unbedingt auf die Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers bezieht, weil es - folgt man seinen Angaben - im Hinblick auf die gleiche Phonetik auf das "m" in seinem Namen nicht ankommt. Die sich ausschließlich auf "objektive Wahrscheinlichkeiten" des Vorkommens von Druckfehlern berufende Beweiswürdigung ist demnach unschlüssig.

Außerdem geht die belangte Behörde mit keinem Wort auf die Behauptung des Beschwerdeführers ein, er sei in Kamerun der Einzige mit diesem Namen und auf das eben erwähnte Vorbringen, in der Landessprache käme es - zumindest phonetisch - auf das "m" in Tam nicht an.

Erweist sich aber die Beweiswürdigung in Anbetracht einer Urkunde als unschlüssig, durch die die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe für seine Flucht - zumindest teilweise - bestätigt würden, lässt sich der von der belangten Behörde insgesamt ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Schluss, der Beschwerdeführer habe sich eine ihn nicht betreffende Rahmengeschichte zurechtgelegt, nicht ziehen.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 24. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010247.X00

Im RIS seit

11.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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