TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/26 2000/09/0163

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Veröffentlicht am 26.06.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VStG §51e;
VStG §51f Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lechner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. Dezember 1999, Zl. 1-0773/97/K 3, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit; Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, sohin hinsichtlich der Abweisung der Berufung gegen die Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Dezember 1999 wurde der Beschwerdeführer - in Abwesenheit von der am 22. Juni 1999 durchgeführten mündlichen Verhandlung - der Begehung zweier Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber seines näher bezeichneten Unternehmens am 13. Juni 1997 (um 8.30 Uhr) an einem näher bezeichneten Tatort zwei (im erstinstanzlichen Straferkenntnis namentlich bezeichnete) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina ohne die erforderlichen arbeitsmarktbehördlichen Genehmigungen beschäftigt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 72 Stunden) und Kosten für das erstinstanzliche Verfahren von insgesamt S 3.000,-- sowie für das Berufungsverfahren von insgesamt S 6.000,-- verhängt.

Hingegen wurde der Beschwerdeführer - in Stattgebung seiner Berufung gegen den Punkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - vom Vorwurf, er habe einen weiteren Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina (B M) unerlaubt beschäftigt, mit der Begründung freigesprochen, die belangte Behörde könne das Vorliegen einer Flüchtlingseigenschaft dieses Ausländers "nicht mit letzter Sicherheit ausschließen".

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - soweit diese zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde erheblich ist - aus, der Beschuldigte sei zu der durchgeführten mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden. Der Beschwerdeführer und sein Vertreter seien zu dieser Verhandlung (Anmerkung: gemeint ist die letzte mündliche Verhandlung am 22. Juni 1999) "ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen"; eine entsprechende ärztliche Bestätigung über seine allfällige Verhandlungsunfähigkeit habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Gegen diesen Bescheid - im Umfang der Abweisung seiner Berufung - erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 455/00-4, ab und trat sie entsprechend dem nachträglich gestellten Antrag gemäß § 87 Abs. 3 VerfGG und Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer hat seine an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde mit Schriftsatz vom 16. November 2000 ergänzt. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid - im Umfang der Abweisung seiner Berufung - in folgenden Rechten verletzt: "nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen wegen Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG bestraft zu werden; richtige und vollständige Sachverhaltsfeststellung; Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens; persönliche Teilnahme am und persönliche Anhörung im Strafverfahren sowie ordnungsgemäße Bescheidbegründung und Schutz vor inhumaner Behandlung". Er beantragt, eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durchzuführen (und bei dieser seine Anhörung nachzuholen) und den angefochtenen Bescheid - erkennbar im Umfang seiner Anfechtung - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (§ 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden.

Das Vorliegen eines der im § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtsfertigungsgrund vor, kann in Bezug auf die behördliche Ladung nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden. Das Vorliegen des geltend gemachten Rechtfertigungsgrundes ist von der Behörde von Amts wegen zu erforschen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0194, und vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und er hat unter anderem seine persönliche Ladung als Beschuldigter begehrt. Darin kann im Ergebnis ein Beweisantrag auf Durchführung der Parteienvernehmung des Beschwerdeführers zum Beweis seines Vorbringens bzw. der Widerlegung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen gesehen werden; die belangte Behörde hat den genannten Berufungsschriftsatz ebenfalls in diesem Sinne verstanden und den Beschwerdeführer wiederholt (zu Verhandlungsterminen, die später abberaumt bzw. verlegt wurden) unter anderem zuletzt zu der für 22. Juni 1999 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen.

Mit Vertagungsantrag vom 27. April 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe einen schweren Sportunfall (in Brasilien) erlitten und er sei derzeit an den Rollstuhl gefesselt; er befinde sich in ständiger Rehabilitationsbehandlung. Eine akute Entzündung der Harnwege sei dringend behandlungsbedürftig und mit erheblichen Schmerzen verbunden.

Die belangte Behörde gab der ("auf unbestimmte Zeit") begehrten Verschiebung der Verhandlung mit Schreiben vom 28. April 1999 statt und sie forderte den Beschwerdeführer darin gleichzeitig auf, eine ärztliche Bestätigung zu übermitteln, aus der sich zu ergeben hätte, "ob sie derzeit verhandlungsfähig sind und wie lange dieser Zustand voraussichtlich noch andauern wird".

Der Beschwerdeführer legte daraufhin mit Schriftsatz vom 10. Mai 1999 einen "Kurzbericht der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt über die von ihm bei einem Paragleiterabsturz in Südamerika erlittenen schwersten Verletzungen" vor. Er brachte weiters vor, er sei derzeit an den Rollstuhl gefesselt und er befinde sich nach wie vor in ständiger Rehabilitation; akut habe sich eine dringend behandlungsbedürftige Entzündung der Harnwege eingestellt, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sei. Eine Prognose über die voraussichtliche Dauer dieses Zustandes sei derzeit unmöglich.

Die belangte Behörde ordnete daraufhin eine mündliche Verhandlung für 22. Juni 1999 an, zu der sie den Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid geladen hat.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Verlegung dieser mündlichen Verhandlung "auf unbestimmte Zeit", wobei er darin sein bereits erstattetes Vorbringen wiederholte und darauf hinwies, dass ihm auf Grund der akuten Verdauungsprobleme eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 1999 nicht möglich sei.

Die belangte Behörde teilte dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers (mit einem Telefax am 22. Juni 1999) mit, dass die ausgeschriebene Verhandlung stattfinde; die belangte Behörde führte diese Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durch.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde nicht ermittelt bzw. nicht festgestellt, ob bzw. in welchem zeitlichen Ausmaß der behauptete (und bescheinigte) Gesundheitszustand den Beschwerdeführer daran hindert, zu seiner Parteienvernehmung vor der belangten Behörde zu erscheinen, bzw. ob seine Vernehmung allenfalls an seinem Wohn- oder Aufenthaltsort von der belangten Behörde vorgenommen werden könnte. Die im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers gegebene Begründung ist inhaltsleer und nicht konkret. Nach dieser Begründung bleibt unbeantwortet, warum die Entschuldigung als "nicht ausreichend" beurteilt wurde. Dass der Beschwerdeführer "keine entsprechende ärztliche Bestätigung über eine allfällige Verhandlungsunfähigkeit" vorlegte bzw., dass er unter Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Prognosestellung eines solche nicht vorlegen konnte, bedeutet nicht, dass die belangte Behörde allein deshalb von der Erforschung des geltend gemachten Rechtfertigungsgrundes von Amts wegen Abstand nehmen durfte. Es sind dem angefochtenen Bescheid keine auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren (etwa amtsärztliche Untersuchung und Beurteilung) gestützte Feststellungen entnehmbar, dass der Beschwerdeführer tatsächlich gesundheitlich fähig war, zu der anberaumten Verhandlung vor der belangten Behörde zu erscheinen und seine Aussage als Partei dort abzulegen. Die belangte Behörde hat in ihrem Schreiben vom 28. April 1999 - mit dem sie dem Vertagungsantrag stattgegeben hat - selbst Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebracht und sie hat zunächst die Mitwirkung des Beschwerdeführers zur Feststellung seines (gesundheitlichen) Zustandes angesprochen. Da diese Mitwirkung zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat, hätte die belangte Behörde eine Klärung der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers von Amts wegen herbeiführen müssen.

Davon ausgehend bleibt unbeantwortet, ob der geltend gemachte Rechtfertigungsgrund vorgelegen ist oder nicht, bzw. ob die belangte Behörde berechtigt war, die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers im Sinn des § 51f Abs. 2 VStG durchzuführen.

Die belangte Behörde wird demnach hinreichende Feststellungen über die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers - auch unter Einbeziehung der Erwägung, dass der Beschwerdeführer allenfalls lediglich vor der belangten Behörde nicht erscheinen kann, seine Vernehmung aber von der belangten Behörde an einem anderen Ort vorgenommen werden kann - zu treffen haben.

Dem Verfahrensmangel der Nichtdurchführung der Parteienvernehmung des Beschwerdeführers kann Entscheidungsrelevanz nicht abgesprochen werden, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid doch nicht hinreichend festgestellt, warum den beiden Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, deren Beschäftigung angelastet wurde - anders als bei B M - im Tatzeitpunkt keine Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist. Auf "entsprechende Verwaltungsakte der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn" - diese Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof (gemeinsam mit den Verwaltungsstrafakten) allerdings nicht vorgelegt und deren Inhalt ist somit nicht nachvollziehbar - kann die belangte Behörde sich in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil derartige Verwaltungsakte in der mündlichen Verhandlung nicht verlesen wurden und daher in der Verhandlung nicht vorgekommen sind (vgl. § 51i VStG).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Juni 2003

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Verhältnis zu anderen Materien Normen VStG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000090163.X00

Im RIS seit

04.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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