TE Vwgh Beschluss 2003/7/3 99/20/0114

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Veröffentlicht am 03.07.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;

Norm

B-VG Art130 Abs1 lita;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StVG §122;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Peter Hallas, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Brühler Straße 75/C/5, gegen die Bescheide des Präsidenten des Landesgerichtes Linz 1. vom 27. Jänner 1998, Zl. Jv 2665-16a/97 (Zl. 99/20/0114), und 2. vom 23. Jänner 1998, Zl. Jv 2948-16a/97 (Zl. 99/20/0115), betreffend Angelegenheiten des Strafvollzuges, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den zu

1. genannten Bescheid richtet, hinsichtlich der Notwendigkeit der Antragstellung für Gespräche mit dem Seelsorger und der behaupteten verzögerten Bescheiderlassung durch den Anstaltsleiter zurückgewiesen und im Übrigen als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren insoweit eingestellt.

Soweit sich die Beschwerde gegen den zu 2. genannten Bescheid richtet, wird sie hinsichtlich der behaupteten verzögerten Bescheiderlassung durch den Anstaltsleiter zurückgewiesen und im Übrigen als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.816,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Der Beschwerdeführer befand sich in den Jahren 1996 bis 1998 in der Justizanstalt Linz zunächst in Untersuchungshaft bzw. während eines bestimmten Zeitraumes in "Zwischenstrafhaft" und ab seiner Verurteilung durch das Landesgericht Linz mit Urteil vom 13. Jänner 1998 in Strafhaft. Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde vom Präsidenten des Landesgerichtes Linz (der belangten Behörde) über vom Beschwerdeführer gegen mehrere Bescheide des Leiters der Justizanstalt Linz erhobene Administrativbeschwerden abgesprochen. Diesen wurde von der belangten Behörde in den im Folgenden erwähnten (noch verfahrensrelevanten) Punkten "nicht Folge gegeben" (Bescheid vom 27. Jänner 1998) bzw. "keine Folge gegeben" (Bescheid vom 23. Jänner 1998). Dazu im Einzelnen:

Mit dem zur Zl. 99/20/0114 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 1998 wurde über die "38. Beschwerde" des Beschwerdeführers vom 14. August 1997 gegen Bescheide des Anstaltsleiters vom 22. Juli 1997 und 29. Juli 1997 sowie zwei Bescheide vom 1. August 1997 abgesprochen, die sich auf die Ablehnung eines Ansuchens um Annahme und Aushändigung eines Solar-Batterieladegerätes durch den Beschwerdeführer, die Untersagung der Ausschmückung des Haftraumes durch den Beschwerdeführer nach dessen Vorstellungen, die Zurückweisung einer an den Anstaltsleiter gerichteten Beschwerde betreffend die Ausfolgung mehrerer dem Beschwerdeführer wegen "andauernder Ordnungswidrigkeiten" entzogener Gegenstände und die Notwendigkeit der gesonderten Antragstellung für jedes Gespräch mit dem Seelsorger bezogen hatten.

Mit dem zur Zl. 99/20/0115 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Jänner 1998 wurde der Beschwerde gegen einen Bescheid des Anstaltsleiters vom 1. September 1997 keine Folge gegeben, mit dem eine Beschwerde wegen der Demontage von Bildern und Postern, die an Holz- und Fliesenwänden des Haftraumes des Beschwerdeführers angebracht gewesen waren, abgewiesen worden war.

Im Zuge beider, mit den angefochtenen Bescheiden abgeschlossener Administrativbeschwerdeverfahren beanstandete der Beschwerdeführer auch die gänzliche Ausnützung des Zeitraumes von sechs Monaten für die Erlassung von Bescheiden über die erhobenen Administrativbeschwerden, wodurch der Leiter der Justizanstalt Linz das Verwaltungsverfahren verschleppt habe.

Zu weiteren Vorkommnissen, die vom Beschwerdeführer zunächst ebenfalls mit Administrativbeschwerden bekämpft wurden und über die mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde abgesprochen wurde, enthalten die Beschwerdepunkte wie auch die Beschwerdegründe der zu den Zlen 99/20/0114 und 0115 protokollierten Beschwerden keine Ausführungen.

II. Die über den Beschwerdeführer mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13. Jänner 1998 verhängte dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe verbüßte dieser zunächst in der Justizanstalt Linz und ab dem 15. April 1998 in der Justizanstalt Stein. Nach einer neuerlichen Änderung des Vollzugsortes (Verlegung in die Justizanstalt Favoriten/Außenstelle Münchendorf) wurde der Beschwerdeführer am 24. März 2000 aus der Strafhaft entlassen. Am 26. Mai 2000 wurde er wegen einer anderen Straftat neuerlich verhaftet und in der Folge vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, welche er bis 26. November 2000 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt verbüßte. Mittlerweile wurde der Beschwerdeführer auch aus dieser Strafhaft entlassen.

Aufgrund der mittlerweiligen Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft richtete der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 9. Dezember 2002 an den Beschwerdeführer die Anfrage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen er sich durch die angefochtenen Bescheide noch in Rechten verletzt fühle.

Der Beschwerdeführer hat in Beantwortung dieser Anfrage - ohne auf die einzelnen Beschwerdepunkte einzugehen - ausgeführt, dass die Rechtsverletzungen durch die verstrichene Zeit nicht bedeutungslos oder gegenstandslos geworden seien. Der Beschwerdeführer habe auch nach der Entlassung aus der Strafhaft ein rechtliches Interesse daran, dass die Rechtsverletzungen festgestellt und die angefochtenen Bescheide behoben würden. Die materielle "Absprache" über die Beschwerde sei schon aus Gründen der General- und Spezialprävention geboten. Abgesehen davon, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer wieder in Strafhaft gerate.

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Zur Zurückweisung

1.1. Der Anstaltsleiter hat in seinem Bescheid vom 1. August 1997 (u.a. auf die dagegen erhobene Beschwerde bezieht sich der angefochtene Bescheid vom 27. Jänner 1998) in Bezug auf die vom Beschwerdeführer beanstandete Notwendigkeit der Antragstellung für Gespräche mit dem Seelsorger wörtlich ausgeführt, zu diesem Vorbringen werde "festgestellt, dass ein Anlass zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten gemäß §§ 122 und 14 Abs. 2 StVG nicht gefunden werden konnte". Auch die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich klargestellt, dass sie zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten keine Veranlassung sehe, sodass in Bezug auf den betreffenden Teil der angefochtenen Erledigung kein Wille der Behörde erkennbar ist, in einer förmlichen Weise über individuelle (subjektive) Rechtsverhältnisse abzusprechen. Da von einem Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur dann die Rede sein kann, wenn in einer bestimmten Angelegenheit der obrigkeitlichen Verwaltung der objektiv erkennbare Wille der Behörde darauf gerichtet ist, in einer förmlichen Weise über individuelle (subjektive) Rechtsverhältnisse abzusprechen, sei es, dass ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung festgestellt wird, sei es, dass es mit solcher Wirkung gestaltet wird (vgl. den hg. Beschluss vom 26. April 1991, Zl. 90/18/0206, sowie allgemein zu den Elementen des Bescheidbegriffes das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zlen. 2001/08/0046, 0047 mwN), kann im Hinblick auf diesen Bescheidbegriff iVm der Bestimmung des § 122 StVG die Erledigung der belangten Behörde insoweit, als sie darin nur zum Ausdruck brachte, dass hinsichtlich der erforderlichen Antragstellung für Gespräche mit dem Seelsorger kein "Anlass zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten ... gefunden" worden sei, nicht als bescheidförmiger Abspruch über die betreffende Beschwerde betrachtet werden. Dem entsprechend bezieht sich der Spruch des angefochtenen Bescheids, wonach den Beschwerden gegen die im Einzelnen angeführten Bescheide des Anstaltsleiters bescheidmäßig "nicht Folge gegeben" werde, ausschließlich auf jenen Teil der erstinstanzlichen Bescheide, denen Bescheidcharakter zukam. Da die Erledigung der belangten Behörde, soweit darin auf Gespräche mit dem Seelsorger Bezug genommen wurde, daher nicht als Bescheid anzusehen ist, war die Beschwerde insofern zurückzuweisen (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 10. September 1998, Zl. 97/20/0811).

1.2. Soweit sich der Beschwerdeführer in seinen an die belangte Behörde gerichteten Beschwerden jeweils auch dagegen wandte, dass der Anstaltsleiter die Erledigung seiner Rechtsmittel bewusst verzögert habe, hat die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten keine Veranlassung sehe, zumal die vom Beschwerdeführer bekämpften erstinstanzlichen Entscheidungen innerhalb durchaus unterschiedlicher Erledigungszeiträume ergangen seien, was nicht auf eine bewusste Verschleppung durch den Anstaltsleiter hindeute. Der Spruch der angefochtenen Bescheide, wonach den Beschwerden gegen die im Einzelnen angeführten Bescheide des Anstaltsleiters "nicht Folge gegeben" bzw. "keine Folge gegeben" werde, bezieht sich ausschließlich auf die dort genannten erstinstanzlichen Bescheide, nicht jedoch auf die demnach ausschließlich in deren Begründung erwähnten Beschwerden gegen die verzögerte Erlassung dieser Bescheide.

Im Hinblick auf den oben erwähnten Bescheidbegriff iVm der Bestimmung des § 122 StVG können die Erledigungen der belangten Behörde insoweit, als sie darin nur zum Ausdruck brachte, dass hinsichtlich der verspäteten Bescheiderlassung kein Grund "für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten gefunden" worden sei, nicht als bescheidförmiger Abspruch über die betreffenden Beschwerden betrachtet werden. Mangels eines geeigneten Anfechtungsobjektes war die Beschwerde daher, soweit sie sich gegen die in den angefochtenen Bescheiden enthaltene Mitteilung der belangten Behörde richtete, dass kein Anlass zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten bestehe, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne auch die den Beschwerdeführer betreffende hg. Entscheidung vom 10. September 1998, Zl. 97/20/0811, sowie Drexler, Strafvollzugsgesetz (2003) Rz 4 zu § 122 mwN).

2. Zur Gegenstandslosigkeit

Dem Beschwerdeführer war während seiner Haft in der Justizanstalt Linz die Annahme eines für ihn abgegebenen Solar-Batterieladegerätes sowie die Ausschmückung seines Haftraumes mit Bildern entsprechend seinen Vorstellungen untersagt worden. Die angebrachten Bilder wurden durch Justizwachebeamte entfernt. Weiters waren dem Beschwerdeführer durch den Anstaltsleiter verschiedene Bedarfsgegenstände gemäß § 24 Abs. 4 StVG entzogen worden.

Der Beschwerdeführer befindet sich nicht mehr in Strafhaft. Der oben zu Punkt II. wiedergegebenen Äußerung des Beschwerdeführers ist hinsichtlich der Entgegennahme bzw. Verwendung der betreffenden Bedarfsgegenstände und der Ausschmückung des Haftraumes ein über den in der Äußerung angenommenen Fall, dass an ihm erneut eine Freiheitsstrafe vollzogen werden sollte, hinausgehendes Interesse an einer Klärung der durch die Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage nicht zu entnehmen. Da dem Beschwerdeführer insoweit durch die angefochtenen Bescheide keine über die Haftentlassung hinaus bedeutsamen Rechtsnachteile entstanden sind, ist ein ungeachtet seiner Haftentlassung fortbestehendes konkretes rechtliches Interesse an einer Entscheidung über die Beschwerde nicht erkennbar. Die Beschwerde war daher hinsichtlich der oben genannten Vorkommnisse in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0093).

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 58 Abs. 2 iVm §§ 50 und 52 Abs. 1 VwGG sowie auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die Beschwerde wäre in Bezug auf beide angefochtenen Bescheide jedenfalls hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Ausschmückung des Haftraumes im Hinblick auf Begründungsmängel in den angefochtenen Bescheiden erfolgreich gewesen.

Wien, am 3. Juli 2003

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Justizwesen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und Rechtsbelehrungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999200114.X00

Im RIS seit

30.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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