TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/7 2000/16/0573

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Veröffentlicht am 07.08.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E02202000;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art226 litc;
31992R2913 ZK 1992 Art243;
31992R2913 ZK 1992 Art244;
31992R2913 ZK 1992 Art245;
BAO §212a;
BAO §216;
EURallg;
ZollRDG 1994 §2 Abs1;
ZollRDG 1994 §77 Abs5;
ZollRDG 1994 §85a idF 1998/I/013;
ZollRDG 1994 §85b idF 1998/I/013;
ZollRDG 1994 §85c idF 1998/I/013;
ZollRDG 1994 §85d idF 1998/I/013;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/16/0574

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Dr. Roman Bacher, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1, gegen die Bescheide des Berufungssenates VI der Region Linz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit dem Sitz in Klagenfurt vom 7. Juni 2000, Zlen. ZRV 74/1-L6/99 (betreffend einen Abrechnungsbescheid in einer Zollsache) und ZRV 75/1-L6/99 (betreffend Aussetzung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 763,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus dem (hier nicht gegenständlichen) Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 2. März 1999, GZ ZRV 35/1-L6/98, ergibt sich, dass für den Beschwerdeführer am 31. März 1993 139.625 kg Bienenhonig zur aktiven Veredelung abgefertigt wurden. Mit Bescheid vom 29. Juli 1996 machte das Hauptzollamt Innsbruck für diesen Bienenhonig die Zollschuldentstehung im Sinne des Art. 204 Abs. 1 lit. a ZK geltend, weil der Beschwerdeführer seiner Pflicht, den im aktiven Veredelungsverkehr befindlichen Bienenhonig tschechischen bzw. slowakischen Ursprungs einer zollrechtlichen Bestimmung zuzuführen, nicht nachgekommen ist. Mit dem zitierten Bescheid der Berufungsbehörde war eine Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Innsbruck in dieser Sache als unbegründet abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid und zwei weitere Bescheide der belangten Behörde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben; mit Beschluss vom 14. Oktober 1999 wurde das verwaltungsgerichtliche Verfahren darüber eingestellt.

Hier gegenständlich ist zunächst das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 1996 an das Hauptzollamt Innsbruck. Darin brachte er vor, dass die Rückstandsaufgliederung mit Stichtag 1. Oktober insofern falsch sei, als die laut dem Bescheid vom 29. Juli 1996 kraft Gesetzes vorgeschriebene Zollschuld nicht stimme. Wie in all seinen Berufungen dargelegt, sei deshalb die bedingte Zollschuld nicht unbedingt geworden, da seine Berufung noch unerledigt aushafte und die "Zahlungsfälligkeit bis zur Erledigung noch zusätzlich unterbrochen" sei. Er beantragte in diesem Schreiben die Ausstellung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO.

Diesem Antrag kam das Hauptzollamt Innsbruck mit Bescheid vom 4. Februar 1997 nach; es stellte fest, dass mit 4. Februar 1997 auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von S 755.229,-- bestünde, die durch die Einbringung einer Berufung nicht erloschen sei. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die eingebrachte Berufung nichts an der Zahlungsverpflichtung ändere, weil sie keinen Tilgungstatbestand bilde.

Auf Grund einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers hob das Hauptzollamt Innsbruck mit Berufungsvorentscheidung vom 24. März 1999 den Bescheid vom 4. Februar 1997 auf und wies zugleich den Antrag vom 15. Dezember 1996 als unzulässig zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, mit einem Abrechnungsbescheid (nach § 216 BAO) sei über umstrittene abgabenbehördliche Gebarungsakte, nicht aber über die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu entscheiden. Die vom Beschwerdeführer hier vorgetragenen Einwände könnten nicht in einem Verfahren zur Erlassung eines Abrechnungsbescheides geltend gemacht werden. Dem Antrag vom 15. Dezember 1996 habe die gesetzliche Grundlage gefehlt, weshalb er als unzulässig zurückzuweisen war.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid, GZ ZRV 74/1-L6/99 wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab, änderte den Spruch der angefochtenen Berufungsvorentscheidung jedoch dahingehend, dass sie wie folgt zu lauten hatte:

"Der Berufung vom 14. März 1997 wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid vom 4. Februar 1997, Zl. 22804/96, wird aufgehoben."

Die belangte Behörde stellte die Rechtsnatur eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO dar, woraus sich ergebe, dass Gründe, die gegen die Abgabenfestsetzung selbst erhoben werden, nicht in diesem Verfahren geltend gemacht werden könnten. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, welche kassentechnischen Buchungsvorgänge im Einzelnen umstritten seien. Ein solcher Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides entbehre daher der gesetzlichen Grundlage und wäre als unzulässig zurückzuweisen, weil § 216 BAO nicht dazu diene, die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu prüfen. Allerdings hätte das Hauptzollamt nicht gleichzeitig den Antrag vom 15. Dezember 1996 als unzulässig zurückweisen dürfen, weil es damit als Berufungsbehörde zugleich über einen Antrag entschieden hätte, zu dem noch kein erstinstanzlicher Bescheid ergangen sei. Mit Aufhebung des Abrechnungsbescheides sei der Antrag vom 15. Dezember 1996 wieder offen, dieser Antrag bedürfe einer erstinstanzlichen Erledigung, gegen die der volle Rechtszug zustehe.

Mit der oben genannten Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung vom 24. März 1996 verband der Beschwerdeführer auch den Antrag auf Aussetzung der Entrichtung eines gesetzwidrig festgesetzten Betrages von nunmehr S 723.568,-- , bis die Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof vorliege.

Diesen Antrag wies das Hauptzollamt Innsbruck mit Bescheid vom 27. April 1999 in Anwendung des Art. 244 Abs. 2 ZK iVm § 212a BAO ab. Die Aussetzung von streitverfangenen Abgaben setze voraus, dass eine Berufung noch anhängig sei. Die am Abgabenkonto bestehende Abgabenschuld resultiere aus einer Abgabenfestsetzung des Hauptzollamtes Innsbruck vom 29. Juli 1996, das in dieser Abgabensache durchgeführte Rechtsbehelfsverfahren sei mit Berufungsentscheidung vom 2. März 1999 abgeschlossen worden, sodass keine Berufung mehr anhängig sei, von deren Ausgang die Höhe der streitverfangenen Abgabe abhänge. Auch im Verfahren nach § 216 BAO werde nicht über die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung abgesprochen. Für den Fall einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bietet § 212a BAO keine Handhabe für die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe, weil diese Gesetzesnorm lediglich im abgabenbehördlichen Verfahren anwendbar sei.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Hauptzollamt Innsbruck erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an die belangte Behörde, in welcher er auch Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend machte.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid, GZ ZRV 75/1-E6/99, wies die belangte Behörde auch diese Beschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung ihrer Zuständigkeit verwies sie insbesondere auf die Abs. 5 und 6 des § 85d ZollR-DG. Mit Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskommission der Region Linz vom 30. Jänner 1998 sei dem Berufungssenat VI der Region Linz mit Sitz in Klagenfurt die Zuständigkeit für die Entscheidung über Beschwerden in allen Zollangelegenheiten mit den Anfangsbuchstaben K-Z der Namen der Beschwerdeführer aus der Region Innsbruck übertragen worden. Daraus ergebe sich die örtliche und sachliche Zuständigkeit.

Es bestehe keine gesetzliche Grundlage dafür, die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, dass entgegen § 77 Abs. 4 bis 6 ZollR-DG nicht in der Sache selbst über die Berechtigung der Zollschuld entschieden worden oder zumindest entgegen dieser Bestimmung nicht die Rückstandsaufgliederung vom 1. Oktober 1996 aufgehoben worden und dass entgegen der Bestimmung des § 244 ZK die Einhebung nicht ausgesetzt worden sei. Er macht weiters geltend, dass eine unzuständige Behörde entschieden habe, eine unrichtige Rechtslage angewendet und dass "grundsätzlich nicht gesetzmäßig entschieden" worden sei. Er begehrt die Aufhebung der Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die beiden Verwaltungsakten vor und erstattete bezüglich eines jeden angefochtenen Bescheides eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ohne nähere Ausführung macht der Beschwerdeführer "vorsorglich" die örtliche und sachliche Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend. Dem ist Folgendes zu erwidern:

Die Zuständigkeit der Berufungssenate ist in § 85d ZollR-DG, hier in Anbetracht des Zeitpunktes der Erlassung der angefochtenen Bescheide in der Fassung des BG BGBl. I Nr. 13/1998, geregelt. Dessen Absätze 1 und 5 lauten auszugsweise:

"§ 85d. (1) Zwecks Bildung der Berufungssenate wird das Anwendungsgebiet in drei Regionen unterteilt:

1. die Region Wien umfasst den Bereich der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland,

2. die Region Linz umfasst die Bereiche der Finanzlandesdirektionen für Oberösterreich, Steiermark und Kärnten,

3. die Region Innsbruck umfasst die Bereiche der Finanzlandesdirektionen für Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Bei den Finanzlandesdirektionen für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien, für Oberösterreich in Linz und für Tirol in Innsbruck ist für die zugehörige Region je eine Berufungskommission zu bilden.

(5) Der Vorsitzende der Berufungskommission hat aus den Mitgliedern der Berufungskommission die für die Behandlung der Beschwerden jeweils erforderliche Anzahl von Berufungssenaten zu bilden, wobei die Berufungssenate der Region Wien für die Behandlung der Beschwerden aus der Region Linz, die Berufungssenate der Region Linz für die Behandlung der Beschwerden aus der Region Innsbruck und die Berufungssenate der Region Innsbruck für die Behandlung der Beschwerden aus der Region Wien örtlich zuständig sind. ...."

Somit sind die Berufungssenate der Region Linz für die Behandlung der Beschwerden aus der Region Innsbruck zuständig. Die Region Innsbruck umfasst unter anderem den Bereich der Finanzlandesdirektion für Tirol, somit auch das Hauptzollamt Innsbruck. Ein Berufungssenat der Region Linz war daher für die Behandlung einer Beschwerde gegen eine Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Innsbruck zuständig.

Der Beschwerdeführer bestreitet einerseits die "Zulässigkeit der Anwendung der Rechtslage nach dem Zollkodex und Zollrechtsdurchführungsgesetz auf einen Sachverhalt wie gegenständlich aus dem Jahr 1992" (gemeint wohl: 1993), rügt aber andererseits, dass allein § 216 BAO und nicht auch § 77 Abs. 4 bis 6 ZollR-DG angewendet worden seien.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass der Beschwerdeführer weder in den beiden Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde irgendwelche Behauptung bezüglich eines Sachverhaltes vor Österreichs Beitritt zur Europäischen Union aufgestellt hat. Nur aus dem in den Akten befindlichen, eingangs zitierten Berufungsbescheid lässt sich entnehmen, dass zwar die Abfertigung zur aktiven Veredelung am 31. März 1993 erfolgte, die letzte Verlängerung für die Rückbringung jedoch bis 31. Dezember 1995 gelautet habe, weshalb mit Bescheid vom 26. Juli 1996 die Zollschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 lit. a ZK geltend gemacht worden sei. Die belangte Behörde verwies in jenem Berufungsbescheid auf Regelungen im Beitrittsvertrag über den aktiven Veredelungsverkehr, wonach im Fall der Anmeldung vor dem Beitritt, der Beendigung nach dem Beitritt solche Veredelungsverkehre nach den Gemeinschaftsvorschriften zu beenden seien.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer keine entsprechenden Sachverhaltsangaben gemacht hat, spielt diese Frage hier schon deshalb keine Rolle, weil seine verfahrenseinleitenden Anträge vom 15. Dezember 1996 bzw. vom 10. April 1999 stammten.

Gemäß § 120 Abs. 1 ZollR-DG trat dieses Bundesgesetz gleichzeitig mit dem Vertrag über den Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union in Kraft; nach § 1 lit. a BAO findet die BAO in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit Anwendung, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist. Dem Beschwerdeführer ist daher Recht zu geben, dass sein auf § 216 BAO gestützter Antrag primär nach den Abs. 4 bis 6 des § 77 ZollR-DG zu beurteilen war. Diese Absätze lauten:

"4) Dem Zollschuldner ist der Gesamtrückstand an Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, an Nebenansprüchen sowie an sonstigen Abgaben und dessen Zusammensetzung von der Zollstelle, die für die Einhebung zuständig ist, zum 1. Oktober eines jeden Jahres mitzuteilen (Rückstandsaufgliederung).

(5) Besteht zwischen dem Zollschuldner und der Zollstelle eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Höhe des Rückstandes oder in Bezug auf dessen Zusammensetzung, so kann der Zollschuldner innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Rückstandsaufgliederung einen Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO beantragen.

(6) Wird ein Antrag auf Abrechnungsbescheid gemäß Abs. 5 nicht gestellt, so gilt die Rückstandsaufgliederung sowohl der Höhe als auch der Zusammensetzung nach als unbestritten (Rückstands-Saldoanerkenntnis)."

Der in § 77 Abs. 5 ZollR-DG genannte § 216 BAO lautet:

"§ 216. Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid)."

Im vorliegenden Fall wurde, wie sich zwar nicht aus den vorgelegten Verwaltungsakten, wohl aber aus der Gegenschrift ergibt, dem Beschwerdeführer eine Rückstandsaufgliederung im Sinne des § 77 Abs. 4 ZollR-DG zum 1. Oktober 1996 übermittelt. Inwieweit einer solchen Mitteilung Bescheidcharakter zukommt, wie der Beschwerdeführer meint, ist hier nicht zu erörtern, weil allein der über den Antrag nach Abs. 5 dieser Bestimmung ergangene Bescheid hier gegenständlich ist. (Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, dass die Mitteilung nach § 221 ZK, der gemäß ausdrücklicher Anordnung im § 74 Abs. 1 ZollR-DG Bescheidcharakter zukommt, mit der auf keiner Bestimmung des ZK beruhenden Mitteilung nach § 77 Abs. 4 ZollR-DG nichts zu tun hat.)

Im Sinne der Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 12. November 1997, Zl. 96/16/0285, auf dessen ausführliche Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO auch hier nicht vorliegen und deshalb ein darauf gerichteter Antrag zurückzuweisen sei. Dem Beschwerdeführer kann nicht darin gefolgt werden, wenn er meint, im Gegensatz zu § 216 BAO erlaube § 77 Abs. 5 ZollR-DG auch die materiell-rechtliche Überprüfung einer Abgabenfestsetzung anlässlich der Erlassung eines derartigen Abrechnungsbescheides. Dagegen spricht schon der ausdrückliche Verweis darauf, dass es sich auch beim Bescheid nach § 77 Abs. 5 ZollR-DG um einen Bescheid nach § 216 BAO handelt. Zur Beurteilung der Abgabenfestsetzung selbst dient allein das Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 243 ZK, innerstaatlich geregelt durch die §§ 85a bis 85d ZollR-DG. Es kann dem Gesetzgeber keineswegs unterstellt werden, dass er mit § 77 Abs. 5 ZollR-DG parallel dazu ein weiters Rechtsbehelfsverfahren eröffnen wollte, etwa zum Zweck, dass wenn in einem Verfahren bezüglich der Abgabenfestsetzung selbst Fristen versäumt werden, diese Fragen anlässlich eines Abrechnungsbescheides neuerlich aufgerollt werden können. Vielmehr ist die Höhe des Rückstandes oder dessen Zusammensetzung ausschließlich anhand der Kriterien des § 216 BAO zu beurteilen, allenfalls unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Zollverfahrens, etwa im Zusammenhang mit einer Sammelabrechnung im Sinne des § 226 lit. c ZK.

Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die gesetzlichen Voraussetzungen der Erlassung eines Abrechnungsbescheides in seinem Antrag nicht behauptet hat, sondern ausschließlich die Abgabenfestsetzung bekämpfen wollte, hat die belangte Behörde den von der Finanzbehörde erster Instanz erlassenen Abrechnungsbescheid zu Recht aufgehoben.

Hinsichtlich des anlässlich eines Rechtsmittels gegen den Abrechnungsbescheid gestellten Aussetzungsantrages ist primär auf Art. 244 ZK, subsidiär (§ 1 lit. a BAO) auf § 212a BAO zu verweisen. Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:

"Artikel 244

Durch die Einlegung des Rechtsbehelfs wird die Vollziehung

der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt.

Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

Bewirkt die angefochtene Entscheidung die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, so wird die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Diese Sicherheitsleistung braucht jedoch nicht gefordert werden, wenn eine derartige Forderung aufgrund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte.

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Berufung (Abs. 1) gestellt werden. Sie sind zurückzuweisen, wenn sie nicht die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Berufungen gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Berufungen betreffende Vorlageanträge (§ 276 Abs. 2) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer über die Berufung (Abs. 1) ergehenden

a)

Berufungsvorentscheidung oder

b)

Berufungsentscheidung oder

c)

anderen das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

..."

Ein Abrechnungsbescheid, wie er hier am 4. Februar 1997 ergangen und in der Folge aufgehoben worden ist, ist ein Feststellungsbescheid, der nicht auf die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen gerichtet ist (siehe die Nachweise bei Ritz aaO, Rz 9 und 11). Es erhebt sich daher die Frage, ob ein Abrechnungsbescheid überhaupt einer Vollziehung im Sinne des Art. 244 Abs. 1 ZK zugänglich ist bzw. geeignet ist, die Einhebung einer Abgabe im Sinne des § 212a Abs. 1 BAO herbeizuführen. Diese Frage kann aber aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. September 1999, Zl. 98/17/0227, ausgeführt hat, die nationalen Vorschriften im Verfahren über die Aussetzung nach § 244 ZK anzuwenden sind, soweit dem nicht gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Da eine spezielle nationale Regelung über das Verfahren bei der Aussetzung im ZollR-DG nicht normiert wurde, gelten nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften der BAO; da die Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK im Wesentlichen der nationalen Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO entspricht, sind in Vollziehung des Art. 244 ZK die nationalen Bestimmungen, also § 212a BAO anzuwenden.

Die Beendigung der Wirkung einer Aussetzung ist im § 212a Abs. 5 BAO geregelt; nach ständiger Rechtsprechung besteht keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden wegen einer bei den Höchstgerichten anhängigen Beschwerde über den Zeitpunkt der abschließenden Berufungserledigung hinaus auszudehnen (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 96/14/0157). Dazu dient allein die aufschiebende Wirkung nach § 30 VwGG bzw. § 85 VfGG.

Für die hier begehrte Aussetzung "bis die Entscheidung auch durch den Verwaltungsgerichtshof vorliegt" fehlte somit eine gesetzliche Grundlage. Darüber hinaus wurde am selben Tag, an dem der die Aussetzung betreffende angefochtene Bescheid erlassen wurde, auch die Berufung, auf die sich der Aussetzungsantrag bezog, erledigt, sodass gemäß § 212a Abs. 5 BAO der Ablauf der Aussetzung hätte verfügt werden müssen.

Die Beschwerde erweist sich daher hinsichtlich beider angefochtener Bescheide als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 52 Abs 1 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, die gemäß § 3 Abs. 2 auch in anhängigen Verfahren Anwendung findet.

Wien, am 7. August 2003

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht vorläufige Aussetzung der Vollziehung provisorischer Rechtsschutz EURallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000160573.X00

Im RIS seit

05.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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