TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/8 2001/04/0095

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Veröffentlicht am 08.08.2003
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Index

95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;

Norm

IngG 1990 §4 Abs1 Z1 litb;
IngGDV 1991/244 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Reinhard Schöll, Rechtsanwalt in 1200 Wien, Wallensteinplatz 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 21. März 2001, Zl. 91.508/25170- III/7/01, betreffend Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461, nicht stattgegeben.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es auszugsweise:

"...

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. September 1997, Zahl 97/04/0118, feststellte, muss die erforderliche Berufspraxis überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand haben, die jenen Lehrinhalten entsprechen, die das Spezifikum (Fachrichtung) jener höheren technischen Lehranstalt darstellen, die vom Antragsteller mit Ablegung der Reifeprüfung absolviert wurde.

Eine Praxis im Sinne des Ingenieurgesetzes kann demnach nur eine solche berufliche Betätigung sein, die auf die durch die Absolvierung der jeweiligen Fachrichtung erworbenen Kenntnisse abstellt.

Aus der Stundentafel Ihres Reifeprüfungszeugnisses ist erkennbar, dass neben den allgemein-bildenden Fächern der Schwerpunkt der Ausbildung in den Gegenständen Mechanik, Fertigungstechnik und Maschinenelemente, Maschinen- und Fördertechnik, Gebäudetechnik, Elektrotechnik und Elektronik, Mess- , Steuerungs- und Regelungstechnik, Konstruktionsübungen und Darstellende Geometrie sowie Betriebstechnik gelegen war.

Die geltend gemachte Berufspraxis bei der JM & Comp. AG hat jedoch nicht überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand, die das oben angeführte Spezifikum des Fachgebietes Wirtschaftsingenieurwesen darstellen, sondern überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand, die höhere technische Kenntnisse voraussetzt, wie sie durch die HTL für Lebensmitteltechnologie bis zur Reifeprüfung vermittelt werden.

Die Lebensmitteltechnologie vermittelt die für die Lebensmittelwirtschaft wesentlichen anwendungsbezogenen Fertigkeiten und Kenntnisse der einschlägigen Rohstoffe, Verfahren, Produkte sowie Qualitäts- und Produktionsmanagements und Marketing. Darüber hinaus liefert sie vertiefte Kenntnisse der branchenspezifischen Grundsätze für Planung und Ausführung in der Biologie, Ernährungslehre und Lebensmittelerzeugung bis hin zu Führungsaufgaben in der Entwicklung, Forschung, Produktion von derartigen Produkten.

Ein Anhaltspunkt dafür, dass ein Fachspezifikum Ihrer Ausbildung auch in diesen Bereichen gewesen wäre, ist aus der Stundentafel nicht erkennbar.

Die von Ihnen geltend gemachte Berufspraxis als Mitarbeiterin der Produktentwicklung und Qualitätskontrolle bei der JM & Comp. AG, wie die Überprüfung von labormäßigen Tests, Erstellung von Analysen, qualitative Kontrolle der Rohstoffe der laufenden Lebensmittel-Produktion, die betriebswirtschaftliche Überwachung sowie die im Rahmen des Marketings durchzuführende Organisation von Verkostungen (intern und extern) hat nicht überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand, die das oben aufgezeigte Spezifikum des Fachgebietes Wirtschaftsingenieurwesen darstellen.

Da somit die Voraussetzungen für die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung 'Ingenieur' hinsichtlich der Berufspraxis in der JM & Comp. AG nicht gegeben sind, war Ihr Antrag abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461, ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die

a) die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b) eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.

Nach § 2 der zum Ingenieurgesetz 1990 ergangenen Durchführungsverordnung BGBl. Nr. 244/1991 ist eine berufliche Tätigkeit anzurechnen, wenn sie erlaubt und selbständig oder in einem Dienstverhältnis ausgeübt wurde und in überwiegendem Maße höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes voraussetzt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, die von ihr geltend gemachte Berufspraxis habe nicht überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand gehabt, die das Spezifikum des von ihr absolvierten Fachgebietes Wirtschaftsingenieurwesen darstelle, sondern überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand gehabt habe, die höhere Fachkenntnisse voraussetze, wie sie durch die höhere technische Lehranstalt für Lebensmitteltechnologie vermittelt werde.

Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass eine Berufspraxis, die nicht überwiegend Tätigkeiten zum Gegenstand hat, die jenen Lehrinhalten entsprechen, die das Spezifikum jener höheren technischen oder höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt darstellen, die vom Antragsteller mit Ablegung der Reifeprüfung absolviert wurde, nicht als höherwertige Tätigkeiten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 angesehen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0118). Dies schließt aber nicht in jedem Falls aus, dass eine Tätigkeiten, die typischerweise Fachkenntnisse auf einem Fachgebiet (hier: Lebensmitteltechnologie) voraussetzt, nicht auch eine solche ist, die höhere Fachkenntnisse in einem anderen Fachgebiet (hier: Wirtschaftsingenieur) voraussetzt.

Insofern ist es - und ist die Beschwerdeführerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen, auch in einer Firma zur Herstellung diverser Lebensmittelprodukte könnten "wirtschaftsingenieurmäßige" Tätigkeiten erbracht werden, im Recht - nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen des hier in Frage stehenden Betriebes tatsächlich Tätigkeiten verrichtet werden, die derartige höhere Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Wirtschaftsingenieurwesens erfordern. Es wäre allerdings Sache der Beschwerdeführerin gewesen, konkret darzustellen, dass und aus welchen Gründen dies im vorliegenden Fall zutrifft. Ohne Zutun des Antragstellers kann die Behörde entsprechende Feststellungen über die von ihm tatsächlich ausgeübte Berufspraxis nämlich nicht treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2001/04/0172).

Hinsichtlich der Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin, ist darauf zu verweisen, dass Verfahrensfehler nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG sind, d.h., wenn die Behörde bei ihrer Vermeidung zu einem im Ergebnis anders lautenden Bescheid gelangt wäre, wobei es Sache des Beschwerdeführers ist, die Wesentlichkeit behaupteter Verfahrensmängel darzutun. Dieser Anforderung ist die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Die diesbezüglichen (und umfangreichen) Darlegungen in der Beschwerde sind allgemeiner Natur, ohne in konkretisierter Form (wenn auch nur behauptetermaßen) darzutun, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich Tätigkeiten verrichtet habe, die höhere Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Wirtschaftsingenieurwesens erfordert habe.

Hinzuweisen ist noch, dass es bei der Beurteilung der Lehrinhalte, die das Spezifikum (Fachwissen) jener höheren technischen oder höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt darstellen, die vom Antragsteller mit Ablegung der Reifeprüfung absolviert wurde, nur auf den aus den Rechtsvorschriften ergebenden abstrakten Katalog an Pflichtgegenständen ankommt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 1991, Zl. 90/12/0248, und die dort zitierte Vorjudikatur), und nicht auf eine davon abweichende (tatsächliche) Art der Lehrveranstaltungen. Insofern vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden, wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, ein Vergleich der Stundenbilder des gegenständlichen Diplomprüfungszeugnisses, dem noch das Stundenbild aus dem Jahr 1993 zu Grunde liege, mit dem Stundenbild derselben Richtung des Kollegs Wirtschaftsingenieurwesen des Jahres 2000 zeige, dass sich in wenigen Jahren die Ausbildung in Richtung Betriebsmanagement, Qualitätsmanagement und auch Marketing entwickelt habe, es daher völlig lebensfremd wäre, anzunehmen, dass das Kolleg während der Ausbildungszeiten der Beschwerdeführerin im Zeitraum 1994 bis 1997 nicht diesen Sektor schon längst in der Unterrichtspraxis einbezogen hätte.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 8. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040095.X00

Im RIS seit

15.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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