TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2000/08/0166

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Veröffentlicht am 13.08.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1151;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R GmbH in W, vertreten durch Foglar-Deinhardstein & Brandstätter KEG, Rechtsanwälte in 1015 Wien, Plankengasse 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen vom 25. August 2000, Zl. 125.980/1-7/2000, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Adalbert V in B, 2. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1201 Wien, 4. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, Weihburggasse 30, 1011 Wien,

5. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht folgender, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegender Sachverhalt außer Streit:

Der Erstmitbeteiligte (nach der Aktenlage: Staatsangehöriger der Slowakei) war vom 11. Dezember 1990 bis August 1991 als Lagerarbeiter bei der Beschwerdeführerin beschäftigt. Für die nachfolgende Zeit wurde keine Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt. Die Beschwerdeführerin schloss mit dem Erstmitbeteiligten die mit 2. September 1991 datierte und als Werkvertrag bezeichnete Vereinbarung, in der es u. a. wörtlich heißt:

"1.

Aufgabe des Konsulenten ist es Vorschläge zu erstellen, welche zu einer Beschleunigung des Abfertigungsprozesses der vom Besteller beigestellten ausländischen LKW's osteuropäischer Provenienz führen. In diesem Zusammenhang erforderliche Übersetzungs- und Dolmetscherdienste für die Chauffeure und für Vertretungspersonal sind vom Konsulenten zu erbringen.

2.

Die Tätigkeit des Konsulenten ist mit Abfahrbereitschaft der LKW's und ordnungsgemäßer Übernahme der Waren und Dokumente beendet, d.h. nach gemeinsamer ordnungsgemäßer Überprüfung derselben durch Fahrpersonal und Konsulenten.

3.

Der Werklohn beträgt öS 2.200,-- (...) pro Fahrzeug ... Monatlich wird ein Aconto an Konsulent ausgezahlt ...

4.

     Der Konsulent hat die Tätigkeit persönlich oder durch von ihm

beauftragte Dienstnehmer am Standort des Betriebes ... durchzuführen.

     5.

     Der Konsulent hat seine Tätigkeit je nach Anfall der

Fahrzeuge und Notwendigkeit auszuführen. Er ist nicht an fixe

Dienstzeiten gebunden, hat jedoch ... privat im Bedarfsfalle ...

erreichbar zu sein ...

...

8.

Etwaige Betriebsmittel wie Büromaterial, Wörterbücher, Telefon etc. werden im Normalumfang durch den Besteller, im Sonderfall durch den Konsulenten in Abstimmung beigestellt."

Der Erstmitbeteiligte legte für seine Tätigkeiten dem Beschwerdeführer Rechnungen, in denen der Zeitraum, das Datum der Rechnungslegung und die Anzahl der abgefertigten LKW's enthalten sind.

Am 26. September 1996 wurde der Betrieb der Beschwerdeführerin durch das Arbeitsinspektorat überprüft. Die Kontrollorgane trafen den Erstmitbeteiligten gemeinsam mit zwei weiteren ausländischen Staatsangehörigen im Pausenraum an. Während der Amtshandlung kamen zwei Lastkraftwagen zur Laderampe. Der anwesende Lagerleiter der Beschwerdeführerin Herbert W. teilte den im Pausenraum anwesenden drei Personen mit, welche Arbeiten sie zu verrichten hätten. Diese drei Personen, darunter der Erstmitbeteiligte, begannen mit dem Entladen der Lastkraftwagen. Dieser Vorgang wurde durch die Kontrollorgane des Arbeitsinspektorates fotografiert.

Die Arbeitszeit des Erstmitbeteiligten dauerte von 07.30 Uhr bis 16.30 Uhr einschließlich einer Stunde Mittagspause. Dem Erstmitbeteiligten wurden durch den Lagerleiter Herbert W. Anweisungen erteilt, dieser kontrollierte auch die ordnungsgemäße Erfüllung der angeordneten Tätigkeiten.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 4. August 1998 aus, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Beschäftigung als Lagerarbeiter bei der Beschwerdeführerin auch in der Zeit vom 1. September 1991 bis 30. September 1996 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei; auf Grund seiner Tätigkeit sei der Erstmitbeteiligte in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. September 1996 nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 ASVG auf Grund der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen und auch nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 ASVG auf Grund einer regelmäßigen dienstnehmerähnlichen Tätigkeit für einen Auftraggeber unterlegen.

In der Begründung führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, sie habe nach Übermittlung der Unterlagen des Arbeitsinspektorates Erhebungen eingeleitet. Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe angegeben, dass der Erstmitbeteiligte vom 11. Dezember 1990 bis 31. August 1991 als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen sei. Er sei abgemeldet worden, weil man keine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe. Der Erstmitbeteiligte habe jedoch weiter für die beschwerdeführende Gesellschaft arbeiten wollen, weshalb man einen Werkvertrag abgeschlossen habe. Der Erstmitbeteiligte habe slowakische Fahrzeuge betreut und als Dolmetscher fungiert. Ab und zu habe er auch bei Be- oder Entladungen mitgeholfen, was aber nicht seine eigentliche Aufgabe gewesen sei. Der Erstmitbeteiligte erhalte pro betreutem Fahrzeug einen Betrag von S 2.200,--. Dass dem Erstmitbeteiligten von Herbert W. Anweisungen erteilt worden seien und dieser die Tätigkeit kontrolliert habe, sei ihm unbekannt.

Der am 5. Jänner 1998 einvernommene Herbert W. habe ausgesagt, er sei als Lagerarbeiter am Firmengelände der Beschwerdeführerin beschäftigt. Der Erstmitbeteiligte sei ihm bekannt, man habe sich seiner Sprachkenntnisse bedient, weil in der Hauptsache Frächter "aus dem Ostblock" für die Gesellschaft arbeiten würden.

Die übrigen Angaben des Herbert W. bei dieser Einvernahme stünden völlig konträr zu seinen Angaben gegenüber den Erhebungsorganen des Arbeitsinspektorates.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, der Erstmitbeteiligte sei vom 11. Dezember 1990 bis 31. August 1991 als Lagerarbeiter für die Beschwerdeführerin tätig gewesen. Nachdem keine weitere Arbeitsbewilligung zu erlangen gewesen sei, sei der Erstmitbeteiligte als Dienstnehmer abgemeldet worden. Mit ihm sei dann am 2. September 1991 ein Werkvertrag abgeschlossen worden. Dieser Werkvertrag regle zwar offensichtlich veränderte Arbeitsbedingungen, tatsächlich seien gar keine Veränderungen eingetreten. Der Erstmitbeteiligte sei auch nach der von der beschwerdeführenden Gesellschaft unberechtigt durchgeführten Abmeldung weiterhin in einem Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt worden. Herbert W. habe gegenüber den Erhebungsorganen des Arbeitsinspektorates angegeben, dass er dem Erstmitbeteiligten Anweisungen erteilt habe, dessen Arbeitszeit kontrolliert und darauf geachtet habe, dass der Erstmitbeteiligte die Arbeit ordentlich ausführe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Herbert W. bei der Befragung durch die Kasse das Gegenteil ausgesagt habe. Allerdings sei der zuerst abgelegten Aussage, die zweifelsohne ohne irgend einen Druck getätigt worden sei, mehr Glauben zu schenken. Die Aussagen des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft seien wenig aussagekräftig. Es komme klar zu Tage, dass der Erstmitbeteiligte auch nach dem 31. August 1991 unter den gleichen Arbeitsbedingungen tätig geworden sei und der Werkvertrag nur deswegen abgeschlossen worden sei, weil eine Arbeitsbewilligung nicht mehr erteilt worden sei. Für den Eintritt und Bestand - im konkreten Fall den Weiterbestand - der Pflichtversicherung sei die Erteilung einer Arbeitsbewilligung völlig bedeutungslos. Aus dem Erhebungsbericht des Arbeitsinspektorates gehe hervor, dass der Erstmitbeteiligte keinesfalls unter werkvertragsähnlichen Bedingungen gearbeitet habe. So sei der Erstmitbeteiligte noch während der Prüfung durch das Arbeitsinspektorat angewiesen worden, zu arbeiten und habe er dieser Anweisung Folge geleistet. Zusammenfassend sei sohin festzustellen, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten auch nach dem 31. August 1991 bis 30. September 1996 die Merkmale der unselbständigen Ausübung der Beschäftigung gegenüber den Merkmalen der Selbständigkeit deutlich überwogen. Von der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, damit verbunden der Versicherungspflicht ab 1. Juli 1996 bis 30. September 1996, könne daher keine Rede sein. Die regelmäßige dienstnehmerähnliche Tätigkeit sei daher gar nicht mehr zu prüfen gewesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Einspruch. Darin führte sie aus, es sei für allfällige Tätigkeiten des Erstmitbeteiligten ein "echter" Werkvertrag am 2. September 1991 abgeschlossen worden. Die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten habe die Betreuung von slowakischen, tschechischen, ukrainischen bzw. ungarischen Fahrzeugen umfasst. Hiebei seien von ihm zum Einen die Verladung bzw. die bereits verladenen Waren auf Verkehrssicherheit und Transportsicherheit überprüft und zum Anderen die damit verbundenen Übersetzungen "für die Frachtführer und Fahrer aus dem Ostblock getätigt" worden. Seine Tätigkeit habe auch Übersetzungs- und Dolmetscherdienste im Rahmen der Zollabfertigung umfasst. Weiters habe er den Fahrern die ihnen übergebenen Dokumente erklärt bzw. diesen in ihrer Landessprache Instruktionen gegeben, um einen sicheren Transport abzuwickeln. Die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten sei mit der Abfahrbereitschaft der diversen LKW und der ordnungsgemäßen Übernahme der Waren und Dokumente beendet gewesen. Er sei keinesfalls verpflichtet gewesen, in irgendeiner Form Lagerarbeiten sowie Be- und Entladetätigkeiten durchzuführen. Sollten diese übernommen worden sein, so sei dies vollkommen freiwillig im eigenen Ermessen des Erstmitbeteiligten geschehen, um die Abfahrt der LKW zu beschleunigen. Aus einer solchen bloßen Hilfsbereitschaft des Erstmitbeteiligten könne keine Dienstnehmereigenschaft abgeleitet werden.

Der Erstmitbeteiligte sei an keine fixen Arbeitszeiten gebunden gewesen. Es sei ihm ausdrücklich freigestellt gewesen, ob er Aufträge der beschwerdeführenden Gesellschaft übernehme und ob er diesfalls diese persönlich oder durch Dritte durchführe. Es habe somit eine generelle Vertretungsbefugnis bzw. die Möglichkeit der Zuziehung einer Hilfskraft ohne weitere Verständigung des Vertragspartners bestanden. Der Erstmitbeteiligte habe davon auch nachweislich Gebrauch gemacht. Eine persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG liege daher nicht vor.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch dem Landeshauptmann von Wien vor. Im Begleitschreiben vom 12. November 1998 führte sie zum Vorbringen im Einspruch aus, nach den Ermittlungen des Arbeitsinspektorates und ihren eigenen Ermittlungen sei der Erstmitbeteiligte auch nach der Abmeldung von der Pflichtversicherung per 31. August 1991 für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig geworden. Das Arbeitsinspektorat habe den Erstmitbeteiligten arbeitend angetroffen. Der bei der Amtshandlung des Arbeitsinspektorates anwesende Lagerangestellte Herbert W. habe eine Beschäftigung des Erstmitbeteiligten als Lagerarbeiter bestätigt. Der Erstmitbeteiligte habe demnach regelmäßig für die Beschwerdeführerin gearbeitet, sodass der Schluss zu ziehen sei, dass er keine Werkleistungen erbracht habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der mit 31. August 1991 als Lagerarbeiter beschäftigte Erstmitbeteiligte nach diesem Zeitpunkt eine qualitativ weitaus höher stehende Tätigkeit im Speditionsgeschäft ausgeübt habe.

Herbert W. habe bei seiner Einvernahme durch die Kasse seine Angaben, die er gegenüber den Organen des Arbeitsinspektorates gemacht hatte, erheblich abgeschwächt. Allerdings sei den zuerst - eindeutig ohne irgendwelchen Druck - getätigten Aussagen weitaus mehr Glauben zu schenken.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Einspruch ab und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung schloss sich die Einspruchsbehörde der Auffassung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an. Ergänzend wurde ausgeführt, eine generelle Vertretungsbefugnis könne aus Punkt 4. des "Konsulentenvertrages" nicht abgeleitet werden. Der im Sinne dieses Vertragspunktes namhaft gemachte Peter V. sei nicht an Stelle, sondern gleichzeitig mit dem Erstmitbeteiligten für die Beschwerdeführerin tätig geworden. Die Heranziehung des Peter V. sei der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Schreiben vom 14. Juli 1992 gemeldet worden. Daraus ergäben sich keine Umstände, die zum Ausschluss eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG führen würden.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Berufung. Darin führte sie aus, bei der zwischen ihr und dem Erstmitbeteiligten geschlossenen, als Werkvertrag bezeichneten Vereinbarung, handle es sich um einen Rahmenvertrag für allfällige Tätigkeiten des Erstmitbeteiligten für sie. Nach Punkt 4. dieses Vertrages sei es dem Erstmitbeteiligten ausdrücklich freigestellt, ob er die Aufträge, die er von der beschwerdeführenden Gesellschaft übernehme, persönlich oder durch Dritte von ihm direkt Beauftragte durchführe. Die Berechtigung, eine übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen, indiziere unabhängig davon, ob von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch gemacht werde, dass eine persönliche Arbeitspflicht fehle. Wenn, wie im Beschwerdefall, eine generelle Vertretungsmöglichkeit vorliege, könne von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr gesprochen werden.

Für das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses sei entscheidend, ob dem Beschäftigten in Bezug auf den Betrieb des Beschäftigungsgebers die wirtschaftliche Unabhängigkeit in einem Ausmaß mangle, dass von einem selbständigen Unternehmer nicht mehr gesprochen werden könne. Da es dem Erstmitbeteiligten freigestanden sei, zu entscheiden, ob er einen Auftrag annehme, könne von einem Mangel an wirtschaftlicher Selbständigkeit nicht gesprochen werden.

Verfehlt sei die Annahme der Bindung an fixe Dienstzeiten, weil der Erstmitbeteiligte während der Öffnungszeiten des Betriebes der beschwerdeführenden Gesellschaft tätig geworden sei. Aus dem Umstand, dass der Erstmitbeteiligte die beschwerdeführende Gesellschaft davon informiert habe, dass er eine dritte Person zur Durchführung der übernommenen Tätigkeiten beiziehe, könne nicht geschlossen werden, dass keine generelle Vertretungsmöglichkeit vorliege. Einem guten Gesprächsklima bzw. gegenseitigem Informieren zwischen Vertragspartnern, das weit über vertragliche Verpflichtungen hinausgehe, könne wohl nicht eine zum Nachteil gereichende Bedeutung beigemessen werden. Sie müsse schon deshalb wissen, wer die Tätigkeiten durchführe, weil sich nur berechtigte Personen auf dem Betriebsgelände aufhalten dürften.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten den - eingangs wiedergegebenen - unstrittigen Sachverhalt fest.

Dieser Sachverhalt ergebe sich - so die belangte Behörde weiter - aus den Versicherungs- und Verwaltungsakten, insbesondere der Aussage des Herbert W. vom 26. September 1996 sowie aus den im Zuge der Überprüfung durch die Beamten des Arbeitsinspektorates am 26. September 1996 getätigten Beobachtungen. Der Aussage des Lagerleiters Herbert W. vom 26. September 1996 sei erhöhte Bedeutung beizumessen. Da diese Aussage unmittelbar im Zuge der Überprüfung der beschwerdeführenden Gesellschaft durch das Arbeitsinspektorat erfolgt sei, komme dieser "erhöhte Authentizität" zu. Auf Grund dieser Aussage sei es als erwiesen anzunehmen, dass der Erstmitbeteiligte im fraglichen Zeitraum als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen sei, fixe Arbeitszeiten einzuhalten gehabt habe und der Weisungs- und Kontrollbefugnis des den Dienstgeber vertretenden Lagerleiters Herbert W. unterlegen sei. Der Erstmitbeteiligte sei somit in persönlicher Abhängigkeit beschäftigt worden.

Die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Herbert W. am 5. Jänner 1998 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ergebe sich nicht nur aus der großen zeitlichen Distanz zum Geschehen, sondern auch daraus, dass sich Herbert W. in beinahe allen wesentlichen Punkten widerspreche. Im Übrigen würden sich die Angaben des Herbert W. am 26. September 1996 mit den Beobachtungen der Kontrollorgane des Arbeitsinspektorates decken.

Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe angegeben, dass der Erstmitbeteiligte vom 11. Dezember 1990 bis August 1991 als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen und nur deshalb von der Sozialversicherung abgemeldet worden sei, weil keine weitere Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gewährt worden sei. Da der Erstmitbeteiligte für das Unternehmen weiterhin habe tätig bleiben wollen, sei der gegenständliche Werkvertrag abgeschlossen worden. Aus dieser Aussage, dem zeitlichen Konnex zwischen Abmeldung als Lagerarbeiter und Abschluss des Werkvertrages sei ersichtlich, dass das bereits bestehende Dienstverhältnis weitergeführt werden sollte. Der Werkvertrag bilde somit nicht die tatsächlichen Verhältnisse ab. Ein zwischen den Beteiligten abgeschlossener Vertrag habe zwar zunächst die Vermutung der Richtigkeit für sich. Der Vertrag sei jedoch nicht dafür maßgebend, ob das darauf beruhende Beschäftigungsverhältnis in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit vor sich gehe. Es sei vielmehr zu prüfen, ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Tätigkeit die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwogen hätten.

Der alleinige Sinn des mit 2. Dezember 1991 datierten Werkvertrages sei darin gelegen gewesen, die Weiterbeschäftigung des Erstmitbeteiligten zu gewährleisten. Wenn aber der Abschluss eines Dienstvertrages mangels der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht mehr in Frage gekommen ist, so könne dem Kriterium der Möglichkeit der Stellvertretung nach Punkt 4. der Vereinbarung bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes keine wesentliche Bedeutung zukommen. Auch der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe bei seiner Aussage vom 6. Oktober 1997 lediglich bestätigt, dass der Erstmitbeteiligte gelegentlich Hilfe von seinem Sohn Peter V. erhalten habe, was ihm als Geschäftsführer auch angezeigt worden sei.

Die Berufungsbehörde gehe daher davon aus, dass der in Rede stehende Werkvertrag keinesfalls den wahren wirtschaftlichen Sachverhalt wiedergebe, sondern einzig zum Zwecke der Umgehung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der vorliegenden Form geschlossen worden sei.

Ein Werkvertrag liege vor bei Erfüllung einer individualisierten und bereits im Vertrag konkretisierten Leistung. Der Werkvertrag ende daher durch die Erbringung der bereits bei seinem Abschluss feststehenden Leistung. Der vorliegende "Werkvertrag" sei hinsichtlich des umschriebenen Aufgabenbereiches des Erstmitbeteiligten widersprüchlich. Nach Punkt 1 des Vertrages habe der Erstmitbeteiligte "Vorschläge zu erstellen", welche zu einer Beschleunigung des Abfertigungsprozesses der vom Besteller beigestellten ausländischen LKW osteuropäischer Provenienz führten. Punkt 2 der Vereinbarung halte dem gegenüber fest, dass "die Tätigkeit des Konsulenten mit Abfahrbereitschaft der LKW und ordnungsgemäßer Übernahme der Waren und Dokumente beendet" ist. Es entspreche keinesfalls der Lebenserfahrung, über Jahre hinweg einen Konsulenten damit zu beschäftigen, für die sich ständig wiederholende Abfertigung von LKW bloß Vorschläge zu erstellen, welche zu einer Beschleunigung des Abfertigungsprozesses führten. Wenn aber der Erstmitbeteiligte, wie aus den Aussagen des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft und des Lagerleiters Herbert W. hervorgehe, mit der Betreuung der LKW in der Form beschäftigt gewesen sei, dass er die Ladungen kontrolliert, Telefonate geführt, als Dolmetscher für die ausländischen Fahrer fungiert und die gesamte Abwicklung verfolgt bzw. zeitweise bei der Be- und Entladung der LKW mitgeholfen habe, dann könne nicht mehr vom Vorliegen eines Werkvertrages gesprochen werden. Diese vom Erstmitbeteiligten zu erbringenden Leistungen seien in der Vereinbarung vom 2. September 1991 keinesfalls bereits ausreichend konkretisiert worden. Der Erstmitbeteiligte habe demnach Dienstleistungen zu erbringen gehabt.

In der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machenden Beschwerde hält die beschwerdeführende Gesellschaft ihren - oben dargestellten - im Berufungsverfahren vorgetragenen Standpunkt aufrecht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgeschlossen ist, noch nach § 7 eine Teilversicherung begründet.

Nach § 4 Abs. 2 ASVG (in der bis 31. Dezember 1997 gültigen Fassung vor Änderung durch das ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997) ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der selbständigen Ausübung dieser Erwerbstätigkeit überwiegen.

Entsprechend dem § 1 Abs. 1 lit. a AlVG sind für den Fall der Arbeitslosigkeit Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, versichert (arbeitslosenversichert), soweit sie in der Krankenversicherung auf Grund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert oder selbstversichert (§ 19a ASVG) und nicht nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen versicherungsfrei sind. Die Arbeitslosenversicherungspflicht knüpft an ein Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG an.

Die Beantwortung der Frage, ob bei Erfüllung einer persönlich übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Beschäftigung (z.B. auf Grund eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer, im Regelfall auch vorliegender Umstände, wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch an sich nicht unterscheidungskräftige Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. etwa aus der ständigen Rechtsprechung das Erkenntnis vom 16. Mai 2001, 96/08/0200).

Im Beschwerdefall bildet eine als Werkvertrag bezeichnete schriftliche Vereinbarung die Grundlage der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten bei der beschwerdeführenden Gesellschaft. Für die Beurteilung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, kommt dem Vertrag zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. es ist davon auszugehen, dass er den wahren Sachverhalt widerspiegelt. Soweit ein Vertrag von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht (d.h. soweit es sich nicht um einen Scheinvertrag handelt), ist er als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung (an Hand der in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien) in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt. Weicht die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung vom Vertrag ab, ist nicht primär der Vertrag maßgebend, sondern sind die wahren Verhältnisse entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. hiezu aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, 98/08/0262).

Die belangte Behörde ist dem gegenüber davon ausgegangen, dass der genannte Vertrag keinesfalls den wahren wirtschaftlichen Sachverhalt wiedergibt, sondern einzig zum Zweck der Umgehung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes geschlossen worden sei. Demzufolge ist die belangte Behörde zu den Feststellungen gelangt, dass der Erstmitbeteiligte an die täglichen Arbeitszeiten gebunden gewesen sei, ihm vom Lagerleiter Weisungen erteilt worden seien und deren Einhaltung durch den Lagerhalter kontrolliert worden sei. Ferner ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die vom Erstmitbeteiligten zu verrichtenden - im Einzelnen dargestellten - Tätigkeiten in der Vereinbarung vom 2. September 1991 keinesfalls ausreichend konkretisiert gewesen seien. Diesen Feststellungen tritt die Beschwerdeführerin mit keinem Wort entgegen. Wenn die belangte Behörde ausgehend von diesen tatsächlichen Gegebenheiten zur Annahme gelangt ist, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit zumindest überwogen haben, kann ihr nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Die Ausführungen in der Beschwerde, das vom Erstmitbeteiligten zu verrichtende Werk sei in der Abfertigung oder Übernahme eines Fahrzeuge gelegen gewesen, verkennt - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - dass es beim Werkvertrag auf das Ergebnis der Arbeitsleistung ankommt, das ein Werk, sohin eine geschlossene Einheit, darstellen muss, welches bereits im Vertrag konkretisiert wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1980, Slg. Nr. 10.140/A = Arb. 9876, und vom 5. Juni 2002, 2001/08/0107). In der Beschwerde wird die Aufgabe des Erstmitbeteiligten dahingehend umschrieben, dass er die reibungslose Abfertigung oder Übernahme eines Fahrzeuges "durchzuführen bzw. zu gewähren" hatte. Worin ein vom Erstmitbeteiligten zu erbringendes "Werk" bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich nach dem Inhalt der Tätigkeit vielmehr um geradezu typische Dienstleistungen.

Auch die Beschwerdeausführungen, die typischen Merkmale wirtschaftlicher Unselbständigkeit lägen nicht vor, gehen nicht von den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Bescheides aus. Im Übrigen ist die beschwerdeführende Gesellschaft darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Arbeitnehmers ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet. Dass der Erstmitbeteiligte über die bei Durchführung der ihm aufgetragenen Arbeit verwendeten Betriebsmittel selbst verfügt hätte, wird nicht einmal in dem wiederholt bezeichneten Werkvertrag behauptet.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. August 2003

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000080166.X00

Im RIS seit

12.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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