TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2002/11/0058

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Veröffentlicht am 13.08.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs4 Z4;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §128 Abs2;
StGB §131;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in 4910 Ried, Eiselsbergstraße 1a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. November 2001, Zl. VerkR-394.366/1-2001-Kof/He, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 2, 4 und 5 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A und B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab Haftentlassung, entzogen. In der Begründung wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 1. Oktober 1998 (u.a.) wegen des Vergehens des schweren Diebstahles in der Begehungsform der Beitragstäterschaft nach den §§ 12 dritte Alternative, 127 und 128 Abs. 1 Z. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe am 12./13. Jänner 1998 in Innsbruck als Aufpasser fungiert, als Computer samt Zubehör und andere Handelswaren im Wert von ca. S 568.000,-- gestohlen worden seien. Der Beschwerdeführer sei Anfang November 1997 anlässlich einer Haftentlassung nicht mehr in die Strafvollzugsanstalt zurückgekehrt, sondern in Innsbruck geblieben, wo er keiner Beschäftigung nachgegangen sei und über kein Einkommen verfügt habe. Das gegenständliche Vergehen habe er in dieser Zeit begangen. Seine Strafregisterauskunft weise drei Eintragungen auf, denen Delikte gegen fremdes Vermögen zu Grunde lägen. Er habe bereits das Übel des Freiheitsentzuges verspürt. Für die Fahrt zum Tatort und den Abtransport des Diebsgutes sei ein Pkw verwendet worden. Der Beschwerdeführer sei nicht Lenker, sondern Beifahrer gewesen. An die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde gebunden. Das Vergehen des schweren Diebstahls in der Form der Beitragstäterschaft sei zwar in der beispielsweisen Aufzählung des § 7 Abs. 4 FSG nicht enthalten, doch könnten auch andere als die aufgezählten strafbaren Handlungen, die den aufgezählten an Unrechtsgehalt und Bedeutung gleich kämen, ebenfalls zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden führen. Bei der Begehung des schweren Diebstahles sei ein Pkw verwendet worden. Seit der Tat seien zwar beinahe vier Jahre verstrichen, doch befinde sich der Beschwerdeführer seither ununterbrochen in Haft, weshalb das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit der Tat ohne Bedeutung sei. Da Haftzeiten in die Entziehungszeiten nicht einzurechnen seien, habe die Erstbehörde mit Recht den Beginn der Entziehungsdauer mit dem Tag der Haftentlassung festgesetzt. Der Beschwerdeführer sei hinsichtlich der Begehung von Vermögensdelikten als Wiederholungstäter anzusehen, den bereits erfolgte Verurteilungen nicht davon abgehalten hätten, neuerlich ein derartiges Vergehen zu begehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001) maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. ...

...

(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.

...

(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

4. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...

..."

Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, dass die in § 7 Abs. 4 FSG enthaltene Aufzählung nur demonstrativen Charakter hat und demnach auch in der Aufzählung nicht enthaltene strafbare Handlungen, die den aufgezählten an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gleich kommen, ebenfalls zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden führen können (siehe dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 29. April 2003, Zl. 2002/11/0161, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Beachtung dieses Grundsatzes und unter Bedachtnahme darauf, dass von den Diebstählen nur der räuberische Diebstahl gemäß § 131 StGB in § 7 Abs. 4 Z. 4 FSG genannt ist, die Auffassung vertreten, dass auch andere besonders gelagerte Diebstähle, insbesondere wiederholte Einbruchsdiebstähle, dem in § 7 Abs. 4 Z. 4 FSG genannten räuberischen Diebstahl an Unrechtsgehalt und Bedeutung gleich gehalten werden und daher eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 2 FSG darstellen können. In den Fällen, in denen der Verwaltungsgerichtshof im zeitlichen Geltungsbereich des FSG zu beurteilen hatte, ob Diebstähle, die nicht nach § 131 StGB qualifiziert sind, eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 2 FSG darstellen, und diese Frage bejaht hat, handelte es sich durchwegs um Diebstähle, die als Verbrechen qualifiziert waren, in den meisten Fällen handelte es sich um wiederholte Einbruchsdiebstähle (siehe dazu insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0355, vom 11. April 2000, Zl. 99/11/0328, vom 23. Mai 2000, Zl. 98/11/0300, vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0132, vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0038, und vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0019). Das vom Beschwerdeführer am 12. bzw. 13. Jänner 1998 begangene Diebstahlsdelikt ist nicht als Verbrechen qualifiziert. Das Gericht hielt einen Vorsatz des Beschwerdeführers in Bezug auf den (strafsatzerhöhenden) Wert gemäß § 128 Abs. 2 StGB nicht für erwiesen. Ein Vergehen des (schweren) Diebstahles ist an Unrechtsgehalt und Bedeutung den in § 7 Abs. 4 Z. 4 FSG genannten strafbaren Handlungen - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer auch andere strafbare Handlungen begangen hat, die nicht in § 7 Abs. 4 FSG genannt sind und von der belangten Behörde auch nicht als bestimmte Tatsache herangezogen wurden - nicht gleichwertig. Es liegt demnach keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG vor, im Rahmen deren Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG die Vorstrafen des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit eine Rolle hätten spielen können.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. August 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110058.X00

Im RIS seit

10.09.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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