TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/3 2002/03/0070

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KDV 1967 §58 Abs1 Z2 lita;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §134 Abs3a idF 1998/I/146;
VStG §24;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des RH in M, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal-Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 15. Jänner 2002, Zl. UVS-7/11582/4-2002, betreffend Übertretung der KDV 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 27. Juni 2001 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 23. Oktober 2000 um 10.27 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten LKW mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Anhänger "(10 km/h-Tafel)" auf der B 168, im Gemeindegebiet von Uttendorf auf Höhe Straßenkilometer 18,75 in Fahrtrichtung Mittersill gelenkt und dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit für nicht zum Verkehr zugelassene Anhänger von 10 km/h um 67 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 58 Abs. 1 lit. 2a KDV 1967 iVm § 134 Abs. 3 lit. a KFG 1967 begangen. Er wurde deshalb gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1970 mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden) bestraft.

1.2. Der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Herr R. ... hat, wie am 23.10.2000, um 10.27 Uhr, auf der B 168, im Gemeindegebiet von Uttendorf, auf Höhe Strkm 18,75 in Fahrtrichtung Mittersill festgestellt wurde, beim vorhergehenden Lenken des LKW mit dem Kennzeichen ... mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Anhänger (10 km/h-Tafel) die dabei erlaubte Höchstgeschwindigkeit für nicht zum Verkehr zugelassene Anhänger von 10 km/h um 67 km/h überschritten.

Der Beschuldigte hat hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 58 Abs 1 lit 2a Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung iVm § 134 Abs 1 und § 134 Abs 3a Kraftfahrgesetz begangen und wird hiefür über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden) verhängt."

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und belastet ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/03/0211).

2.2. Eine derartige unzulässige Auswechslung der Tat hat die belangte Behörde im Beschwerdefall vorgenommen. Dem Beschwerdeführer wurde von der Erstbehörde innerhalb der Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG in der "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 20. November 2000 lediglich Folgendes vorgehalten:

"Es wird Ihnen Folgendes zur Last gelegt:

Angaben zur Tat:

Tatzeit:

23.10.2000 - 10.27

Ort:

Uttendorf, Litzldorferkreuzung

 

B 168, Richtung Mittersill

Fahrzeug:

LKW mit 10km Anhänger - ZE-80UH

Begangene Tat und dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift:

Sie haben als Lenker beim Ziehen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Anhängers die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h überschritten.

Gefahrene Geschwindigkeit: 77 km/h.

     Übertretung gemäß

§ 58 (1) 2a Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung"

     Gemäß § 134 Abs. 3 a KFG 1967 idF BGBl. I Nr. 146/1998 können

zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit auch Aufzeichnungen der Schaublätter des Fahrtschreibers oder Kontrollgerätes herangezogen werden. Dabei gilt der Ort der Aushändigung des im Fahrtschreiber oder im Kontrollgerät eingelegten Schaublattes gemäß § 102 Abs. 1 dritter Satz, vierter Halbsatz leg. cit. als Ort der Begehung der Übertretung, wenn a) die Übertretung mit dem Fahrtschreiber oder mit dem Kontrollgerät festgestellt wurde und b) aus dem Schaublatt ersichtlich ist, dass sie nicht früher als zwei Stunden vor seiner Aushändigung begangen wurde; wurden in dieser Zeit mehrere derartige Übertretungen begangen, so sind sie als eine Übertretung zu ahnden. Im Beschwerdefall war der Ort der Ort der Aushändigung des im Fahrtschreiber oder im Kontrollgerät eingelegten Schaublattes unstrittig die schon genannte "Litzldorferkreuzung". In der wiedergegebenen "Aufforderung zur Rechtfertigung" wurde diese Kreuzung - allerdings ohne Bezugnahme auf § 134 Abs. 3 a KFG 1967 - als Tatort vorgeworfen, ebenso auch - wie die Wiedergabe unter 1.1. zeigt - im erstinstanzlichen Straferkenntnis. Mit dem im angefochtenen Bescheid geänderten Spruch wurde aber dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, vor der genannten Zeit und vor dem genannten Ort mit dem besagten Anhänger die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 67 km/h überschritten zu haben. Bei dieser Änderung kann von einer zulässigen Berichtigung eines - von einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung umfassten - Tatbestandsmerkmales nicht die Rede sein (vgl. nochmals das schon genannte hg. Erkenntnis Zl. 98/03/0211). Vielmehr handelt es sich dabei um eine unzulässige Auswechslung wesentlicher Teile des Sachverhaltes nach Ablauf der Verjährungsfrist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, Zl. 99/03/0006). Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

2.3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 3. September 2003

Schlagworte

Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002030070.X00

Im RIS seit

05.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten