TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/9 2002/01/0232

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2003
beobachten
merken

Index

41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §67 Abs1 idF 1999/I/146;
SPG 1991 §96 Abs3 idF 1999/I/146;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des B in R, vertreten durch Dr. Gernot Helm, Rechtsanwalt in 9560 Feldkirchen, Kirchgasse 8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 29. April 2002, Zl. SP21-ALL-135/1-2002, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Ladung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Duldung einer erkennungsdienstlichen Behandlung, die "gem. § 67 Absatz 1 SPG in Verbindung § 96 Absatz 3 SPG auch die Abnahme eines Mundhöhlenabstriches oder die Durchführung anderer geeigneter Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischer Information (umfasst(." Zur Durchsetzung der festgestellten Mitwirkungsverpflichtung könne die Vorführung des Beschwerdeführers erfolgen oder unmittelbare Zwangsgewalt angewandt werden; der Beschwerdeführer habe sich daher bis zu einem näher genannten Zeitpunkt zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung beim Gendarmerieposten R. einzufinden.

Nach der Begründung sei der belangten Behörde vom Gendarmerieposten R. folgender zusammengefasster Sachverhalt mitgeteilt worden: "(Der Beschwerdeführer( scheint im Strafregister mit drei Verurteilungen wg. §§ 159, 146, 147 StGB auf. Weiters sind im kriminalpolizeilichen Aktenindex 6 Eintragungen (5x Betrug, 1x Vollstreckungsvereitelung) gespeichert." Im Hinblick auf die erwähnten Straftaten - so die belangte Behörde weiter - sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Begehung gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen würde, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichten. Der Beschwerdeführer sei am 25. März 2002 unter Hinweis auf die maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 77 Abs. 1 SPG formlos aufgefordert worden, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zum Zwecke der Ermittlung seiner genetischen Information zu unterziehen. Die erkennungsdienstliche Behandlung habe der Beschwerdeführer verweigert. Nach Wiedergabe des § 65 Abs. 1 SPG führte die belangte Behörde zum Abschluss der Bescheidbegründung wörtlich aus: "Auf Grund der obigen Ausführungen und auf Grund der Tatsache, dass in diesem Fall eine erkennungsdienstliche Behandlung vorgesehen ist, war somit spruchgemäß zu entscheiden."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde verpflichtete den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs.1 SPG zur Mitwirkung an der Ermittlung seiner DNA.

Zu den Voraussetzungen für die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG und im Besonderen für die Durchführung von Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischen Informationen gemäß § 67 Abs. 1 SPG ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG etwa auf das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098, in dem auch die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage dargestellt ist.

Aus dieser Rechtsprechung ist hervorzuheben, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG, die sich gegenüber der in § 65 Abs. 1 SPG geregelten als lex specialis erweist, an zwei Voraussetzungen anknüpft: Einerseits muss der Betroffene im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, andererseits muss im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden können, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung nur auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung lassen die Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht erkennen, ob die genannten Voraussetzungen, insbesondere jene zur Gewinnung genetischer Informationen, gegeben sind. Allein der Hinweis auf "drei Verurteilungen" und "sechs Eintragungen" können eine solche Beurteilung nicht tragen. Weder ist der - im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 96 Abs. 3 SPG interessierende - Zeitpunkt bekannt (festgestellt), zu dem der Beschwerdeführer die ihm im Bericht des Gendarmeriepostens R. vorgeworfenen strafbaren Handlungen gesetzt haben soll noch kann allein aus der Anzahl von Straftaten auf das Vorliegen der von der belangten Behörde angenommenen Voraussetzungen geschlossen werden.

Indem die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 65 Abs. 1 und 67 Abs. 1 SPG schon auf Grund des von ihr angenommenen Sachverhaltes bejahte, hat sie die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 9. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010232.X00

Im RIS seit

08.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten