TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/9 2002/01/0389

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Veröffentlicht am 09.09.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §60;
SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §67 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. Franz Gölles, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 20. März 2002, Zl. II - 224/2002, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde wie folgt ab:

"Da Sie der Aufforderung, sich der erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, nicht nachgekommen sind, wird Ihnen die hiezu nach § 65 Abs. 1 und 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) in Verbindung mit § 96 Abs. 3 SPG bestehende Verpflichtung gemäß § 77 Abs. 2 SPG auferlegt. Die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung ergibt sich aus Ihrer Verurteilung gem. § 75 StGB durch das Landesgericht für Strafsachen Klagenfurt. Es war daher gem. § 77 Abs. 3 SPG i.V.m.

§ 39 und § 56 AVG kein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die erkennungsdienstliche Behandlung, der Sie sich zu unterziehen haben, umfasst gemäß § 67 Abs. 1 SPG in Verbindung

m. § 96 Abs. 3 SPG auch die Abnahme eines Mundhöhlenabstriches oder die Durchführung anderer geeigneter Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischer Information.

Zur Durchsetzung Ihrer festgestellten Mitwirkungspflicht kann gemäß § 77 Abs. 4 SPG Ihre Vorführung erfolgen und gemäß § 78 SPG unmittelbare Zwangsgewalt angewandt werden."

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Strafhaft, seine Mitwirkung an seiner erkennungsdienstlichen Behandlung in Form einer DNA-Untersuchung anhand eines Mundhöhlenabstriches verweigert. Der Beschwerdeführer sei "u.a." mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Mai 1987 wegen des Verbrechens nach §§ 75, 127 Abs. 1, 128 Abs. 4 und 129 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren rechtskräftig verurteilt worden, wobei die Verurteilung noch nicht getilgt sei. Im Hinblick auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers als verurteilter Rückfallstäter könne erwartet werden, dass er im Falle der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen werde, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Informationen ermöglichten. In der Folge gab die belangte Behörde einschlägige Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes wieder und führt abschließend aus: "Da Ihre Mitwirkungspflicht somit feststand, war spruchgemäß zu entscheiden."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid, zu dessen Erlassung sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht unzuständig war, begründend davon aus, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Mordes (§ 75 StGB) die Vornahme der in Frage stehenden erkennungsdienstlichen Behandlung zulässig mache, weshalb auch kein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen gewesen sei.

Zu den Voraussetzungen für die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG und im Besonderen für die Durchführung von Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischen Informationen gemäß § 67 Abs. 1 SPG ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG etwa auf das Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098, in dem auch die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage dargestellt ist.

Aus dieser Rechtsprechung ist hervorzuheben, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG, die sich gegenüber der in § 65 Abs. 1 SPG geregelten als lex specialis erweist, an zwei Voraussetzungen anknüpft: Einerseits muss der Betroffene im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, andererseits muss im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden können, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung nur auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung reicht für die Beurteilung, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, die von der belangten Behörde getroffene Feststellung über die Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahre 1987 nicht aus. Dazu von der belangten Behörde in der Gegenschrift nachgetragene Ergänzungen des Sachverhaltes sind als Neuerungen nicht zu berücksichtigen. Trotz der Schwere der Tat kann insbesondere im Hinblick auf den seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraum ohne Kenntnisse über die näheren Umstände dieser Tat und über die Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht gesagt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit er in Hinkunft gefährliche Angriffe begehen werde (§ 65 Abs. 1 SPG) bzw. fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die nach § 67 Abs. 1 SPG abzugebende Prognose. Der Hinweis der belangten Behörde auf die "Persönlichkeit (des Beschwerdeführers) als verurteilter Rückfallstäter" - für einen Rückfall finden sich im Übrigen im dargestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte - kann solche Feststellungen nicht ersetzen; der von der belangten Behörde allein daraus gezogene Schluss, der Beschwerdeführer werde im Falle der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden, ist nicht nachvollziehbar.

Indem die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 65 Abs. 1 und 67 Abs. 1 SPG allein auf Grund der Feststellung der Verurteilung des Beschwerdeführers bejahte, hat sie die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das die Umsatzsteuer betreffende Kostenbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz nicht zusteht.

Wien, am 9. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010389.X00

Im RIS seit

14.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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