TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/9 2002/01/0026

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Veröffentlicht am 09.09.2003
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;
StbG 1985 §10 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/V, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. November 2001, Zl. 2-11.E/156-99/18, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und die drei gemeinsamen Kinder "gemäß §§ 10 Abs. 1, 10a, 11, 16, 17, 18 in Verbindung mit § 39" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab. Der am 8. Juni 1965 geborene Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, sei erstmals am 23. Mai 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, weshalb er das Erfordernis der zehnjährigen Wohnsitzdauer nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfülle. Das Arbeitsmarktservice Steiermark habe sich gegen eine Einbürgerung ausgesprochen, weil "aus arbeitsmarktpolitischer Sicht" kein Grund für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege und die Qualifikation des Beschwerdeführers als Kolporteur am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht werde; dem österreichischen Arbeitsmarkt stünden inländische und ausländische "Fachkräfte" für diese Tätigkeit arbeitslos zur Verfügung und erhielten Leistungen aus öffentlichen Mitteln. Aus der vorgelegten Versicherungszeitenbestätigung gehe hervor, dass der Beschwerdeführer vom 23. Juli 1998 bis 1. Juli 1999, vom 2. Oktober 1999 bis 7. Oktober 1999 und vom Jänner 2001 bis Oktober 2001 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse versichert und die übrige Zeit - trotz Anmeldung im Bundesgebiet seit 1990 - lediglich selbstversichert gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass er erst seit acht Monaten einer geregelten Beschäftigung nachgehe und davor "nur einen Werkvertrag über eine Abonnentenzustellung" habe vorweisen können, sei zu erkennen, dass eine berufliche Integration noch nicht in ausreichendem Maße gegeben sei. Überdies habe auch noch bei der letzten persönlichen Vorsprache der Ehegattin des Beschwerdeführers am 18. September 2001 festgestellt werden müssen, dass ihre Deutschkenntnisse äußerst mangelhaft seien und dass eine Verständigung kaum möglich sei. "Aus dem familiären Umfeld" sei somit zu ersehen, dass auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse der Ehegattin auch die persönliche Integration noch nicht abgeschlossen sei. Der Verleihungsantrag - und mit ihm zufolge § 18 StbG der Antrag auf Erstreckung der Verleihung - sei somit abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse der §§ 10 Abs. 1 und 10a StbG erfülle, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG jedoch nicht zu seinen Gunsten üben könne. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Beschwerdeführer sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht nicht ausreichend im Bundesgebiet integriert sei.

Indem die belangte Behörde auf die persönliche und berufliche Integration des Beschwerdeführers abstellte, ist sie den jedenfalls seit der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998 das StbG prägenden Ordnungsvorstellungen grundsätzlich gerecht geworden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2002/01/0002). Ihre Beurteilung der konkreten Integration des Beschwerdeführers ist allerdings im vorliegenden Fall nicht mängelfrei erfolgt. Was zunächst die berufliche Komponente anlangt, so gesteht die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausdrücklich zu, dass der Beschwerdeführer von 1990 bis 2001 als Kolporteur beschäftigt gewesen sei. Dass diese Beschäftigung "lediglich" auf Werkvertragsbasis erfolgte, ist im gegebenen Zusammenhang ohne Relevanz, weil - wie im schon erwähnten Erkenntnis vom 3. Dezember 2002 bereits festgehalten - dem StbG keine Präferenz für eine bestimmte Form der Erwerbstätigkeit entnehmbar ist. Eine mangelnde Verankerung am inländischen Arbeitsmarkt kann daher nicht erkannt werden. Angesichts der Feststellung, dass der Beschwerdeführer außerhalb der Zeiten unselbständiger Erwerbstätigkeit selbstversichert gewesen sei, kann darüber hinaus nicht davon gesprochen werden, dass sich der Beschwerdeführer "im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungen nicht am Allgemeinwohl beteiligt" habe; dieser in der behördlichen Gegenschrift erhobene Vorwurf ist nicht nachvollziehbar.

Die persönliche Integration des Beschwerdeführers erachtete die belangte Behörde im Hinblick darauf als noch nicht abgeschlossen, dass seine Ehegattin nur über mangelnde Deutschkenntnisse verfüge. Auch diese (eingeschränkte) Betrachtungsweise ist verfehlt. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann nämlich allein daraus, dass es einem Familienmitglied an entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache fehlt, ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles nicht darauf geschlossen werden, dass beim Einbürgerungswerber persönlich keine ausreichende Integration gegeben wäre (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0502). Im vorliegenden Fall wäre etwa als integrationsbegründend zu berücksichtigen gewesen, dass mit dem Beschwerdeführer auch seine Familie in Österreich wohnt und dass seine drei minderjährigen Kinder bereits in Österreich geboren worden sind (zu diesem Gesichtspunkt siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0357).

Insgesamt zeigt sich somit, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung von unzutreffenden Überlegungen ausgegangen ist, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 9. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010026.X00

Im RIS seit

13.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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