TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/10 99/18/0031

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Veröffentlicht am 10.09.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §91 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1975, vertreten durch Dr. Peter Getreuer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. November 1998, Zl. SD 785/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltesverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. November 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 21. April 1997 von Nigeria kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Sein daraufhin gestellter Asylantrag sei erstinstanzlich negativ beschieden worden. Das Berufungsverfahren sei derzeit offen. Nach der Aktenlage sei dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufenthaltsberechtigung bisher nicht erteilt worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. Juli 1998 sei der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Der Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer an verschiedene Personen gewerbsmäßig Kokain verkauft habe bzw. Heroin und Kokainkugeln an eine andere Person zu überlassen versucht habe. Durch diese Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Am 27. Juli 1998 habe der Beschwerdeführer bei einer Vernehmung angegeben, dass er über keine Barmittel verfüge. Es sei daher von der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser habe zwar im Schriftsatz vom 22. September 1998 behauptet, dass er eine legale Tätigkeit als Werbemittelverteiler ausübe, wodurch sein Unterhalt vollkommen gesichert sei, und die Nachreichung einer Einkommensbestätigung angekündigt. Diese sei jedoch der belangten Behörde bisher nicht zugekommen. Auch sonst bleibe der Beschwerdeführer jeglichen Nachweis dafür schuldig, dass ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes die erforderlichen Mittel zur Verfügung stünden. Der Hinweis auf das Bundesbetreuungsgesetz gehe ins Leere, denn der Beschwerdeführer behaupte nicht einmal, tatsächlich in Bundesbetreuung zu stehen. Es sei sohin auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt.

Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie seine Mittellosigkeit beeinträchtigten die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt erweise. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt worden sei und seine Mittellosigkeit die bei Suchtgiftdelikten an sich gegebene Wiederholungsgefahr erheblich verstärke.

Auf Grund des lediglich eineinhalbjährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine Rede sein.

Es lägen keine Gründe vor, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. In Anbetracht des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung der Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer trägt vor, die belangte Behörde bzw. die erstinstanzliche Behörde (Bundespolizeidirektion Wien) seien für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes örtlich nicht zuständig. Er sei als Flüchtling in Traiskirchen untergebracht. Es wäre daher die Bezirkshauptmannschaft Baden als Fremdenpolizeibehörde erster Instanz und die Sicherheitsdirektion für Niederösterreich in zweiter Instanz zur Entscheidung über das Aufenthaltsverbot berufen gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer ab 5. August 1998 - sohin vor Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes - mit Hauptwohnsitz in 1190 Wien, Budinskygasse 4/1/15, angemeldet war. An diese Adresse ist ihm am 11. September 1998 der erstinstanzliche Bescheid zugestellt worden. Er hat die Sendung persönlich übernommen. Gemäß § 91 Abs. 1 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, sofern nicht anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland. Gegen die örtliche Zuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Bundespolizeidirektion Wien sowie gegen die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde bestehen daher keine Bedenken.

2. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hat nach den unbestrittenen Feststellungen im Strafurteil Suchtgifte anderen überlassen, indem er am 13. Juli 1997 gemeinsam mit dem jugendlichen Robinson M. als Mittäter den abgesondert verfolgten Herman M. und Walter S. sowie anderen unbekannten Personen gewerbsmäßig jeweils geringe Mengen Kokain verkaufte. Er hat weiters gewerbsmäßig Suchtgift, und zwar durch den beabsichtigten Verkauf von Heroin- und Kokainkugeln an den abgesondert verfolgten Nebojsa A., zu überlassen versucht. Er hat dadurch das Vergehen nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 SMG bzw. das versuchte Vergehen nach § 15 StGB, § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG begangen. Der Beschwerdeführer hat die Verkaufshandlungen in der Absicht vorgenommen, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stellt in Anbetracht der dargestellten Straftaten eine Gefährdung des besonders großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dar. Die Ansicht der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, ist daher unbedenklich. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch Mittellosigkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG vorgelegen hat.

3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes zustehe, sodass ein allfälliges Aufenthaltsverbot gegen ihn nicht durchsetzbar erscheine. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Fremde nach § 21 Abs. 1 und 2 AsylG zwar vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, nicht jedoch vor der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG geschützt ist.

4. Mit Blick auf den zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides doch ca. eineinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland hätte die belangte Behörde zwar einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben nicht verneinen dürfen. Dadurch wurde der Beschwerdeführer allerdings nicht in subjektiven Rechten verletzt, überwiegt doch das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere an der Verhinderung der besonders sozialschädlichen Suchtgiftkriminalität, die wenig ausgeprägte Integration des Beschwerdeführers im Inland beträchtlich.

5. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

6. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180031.X00

Im RIS seit

09.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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