TE Vfgh Erkenntnis 2000/6/14 B2074/98

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Veröffentlicht am 14.06.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
ASVG §343 Abs2 Z4
ASVG §344
ASVG §345a

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die fehlende Zuständigkeit der Landesschiedskommission zur Entscheidung über Streitigkeiten aus dem Erlöschen eines Einzelvertrages; Rechtsschutzmöglichkeit durch die Zuständigkeit der Paritätischen Schiedskommission gegeben; keine Bedenken gegen das gesetzliche Erlöschen eines Einzelvertrages infolge rechtskräftiger Verurteilungen des Vertragsarztes im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung eines rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Er hat mit der Wiener Gebietskrankenkasse am 19.2.1980 einen Einzelvertrag abgeschlossen. Da der Beschwerdeführer am 29.1.1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien des Vergehens der Sachbeschädigung, der Fälschung eines Beweismittels und des schweren Betruges für schuldig erkannt worden war, teilte ihm die Wiener Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 21.7.1997 folgendes mit: "Auf Grund ihrer mit 18. November 1996 rechtskräftigen Verurteilung ist Ihr Vertrag gemäß §343 Abs2 Z. 4 ASVG mit selbigem Datum erloschen."

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. In der Folge habe er daher bei der Landesschiedskommission beantragt, das "von der Wiener Gebietskrankenkasse ausgesprochene Erlöschen des Einzelvertrages aufzuheben". Die Landesschiedskommission habe den Antrag wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Bundesschiedskommission sei seiner Berufung der Erfolg versagt worden, da die Landesschiedskommission ihre Zuständigkeit nach Ansicht der Bundesschiedskommission zu Recht verneint habe. Die Landesschiedskommission sei nämlich u.a. nur für Streitigkeiten über die Beendigung eines Einzelvertrages im Falle des Ausspruches einer Kündigung zuständig; Schreiben, in denen sich der Träger der Krankenversicherung auf das Erlöschen gem. §343 Abs2 Z4 ASVG berufe, seien nicht als Kündigungsschreiben zu werten.

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß §345a Abs2 ASVG aufgrund der Beschränkung der Zuständigkeit auf die Auflösung eines Einzelvertrages durch Kündigung unter "Ausschluß der Zuständigkeit in Fragen der sofortigen Auflösung des Vertrages", u.a. wegen der mangelnden Kontrolle über den "Ausspruch der sofortigen Auflösung" sachlich nicht gerechtfertigt und eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter und des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit sei. Im übrigen hielten die Voraussetzungen, die zum Erlöschen des Einzelvertrages führten, "einer Überprüfung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und der Gleichwertigkeit der strafbaren Handlungen nicht" stand, da die Verurteilung wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung mit einer Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe gleichgesetzt werde. Dies sei unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes eine unzulässige Differenzierung und verletze ihn im Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit.

3.1. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

3.2. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat als mitbeteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Dazu bringt die Wiener Gebietskrankenkasse folgendes vor:

"Der Beschwerdeführer war Vertragsarzt der beteiligten Partei. Unmittelbar nach Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers informierte die Wiener Gebietskrankenkasse diesen der Vollständigkeit halber schriftlich vom Erlöschen des Vertrages.

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich dabei entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht um eine Willensäußerung der beteiligten Partei gehandelt hat, sondern daß die Rechtsfolgen - nämlich die Auflösung des Vertrages gemäß §343 Abs2 Z. 4 ASVG automatisch mit Verwirklichung des gesetzlich genannten Sachverhaltes eintreten. Eine Einflußnahme der Einzelvertragsparteien (des Krankenversicherungsträgers bzw. des betroffenen Vertragsarztes) ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Im Unterschied zur Kündigung eines Einzelvertrages ist auch keine Möglichkeit vorgesehen, den Instanzenweg zu beschreiten.

Auf Grund der vom Gesetzgeber normierten Zuständigkeit von Landesschiedskommission und Bundesschiedskommission war eine Befassung beider Schiedsinstanzen mit der Angelegenheit des Beschwerdeführers ausgeschlossen, so daß in letzter Konsequenz der vom Beschwerdeführer bekämpfte Bescheid der Bundesschiedskommission vom 26. August 1998 erlassen werden mußte. Da die Bundesschiedskommission auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung ihre Zuständigkeit abgelehnt und damit die Sachentscheidung verweigert hat, liegt die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf einen gesetzlichen Richter nicht vor. Ebenso wenig wurde das Recht auf ein gerichtliches Verfahren in Zivil- und Strafsachen verletzt.

Wesentliche Voraussetzung für den Eintritt von Folgen für das privatrechtliche Verhältnis zwischen Krankenversicherungsträger und Beschwerdeführer (Erlöschen des Einzelvertrages) ist das gerade Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung, in diesem Fall der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers.

Die als verfassungswidrig bekämpfte Gesetzesbestimmung des §343 Abs2 Z. 4 ASVG dient im weitesten Sinne dem Schutz der vom Allgemeinen Sozialversicherungssystem erfaßten Personen. Die beteiligte Partei hat auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen dafür Sorge zu tragen, daß die ihr gegenüber anspruchsberechtigten Personen ausreichende medizinische Versorgung erhalten, wobei dies im wesentlichen in Form von Sachleistungen erfolgen soll. Aus diesem Grund schließt die beteiligte Partei Einzelverträge mit freiberuflich niedergelassenen Ärzten zum Zwecke der medizinischen Versorgung ihrer Versicherten ab, wie im konkreten Fall auch mit dem Beschwerdeführer.

Der Gesetzgeber bestimmt ausdrücklich, daß die Verwendung der der beteiligten Partei zur Verfügung stehenden Mittel (Beitragsleistungen der Versicherten) unter Wahrung ökonomischer Grundsätze zu erfolgen hat - die Krankenbehandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht übersteigen.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die vom Beschwerdeführer bekämpfte Bestimmung des §343 Abs2 Z. 4 ASVG über die Auflösung eines Einzelvertrages im Falle jener rechtskräftigen Verurteilung von Vertragsärzten zu sehen. Es ist dabei wesentlich, darauf hinzuweisen, daß nicht jede rechtskräftige Verurteilung zu einer Auflösung des Vertrages führt, sondern daß nur bestimmte besonders gravierende Fälle diese automatische Rechtsfolge bedingen - im konkreten Fall die rechtskräftige Verurteilung wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung. Es ist dabei unerheblich, ob sich dieser Bereicherungsvorsatz im konkreten Fall gegen den Vertragspartner - also die beteiligte Partei - gerichtet hat. Wesentlich ist ausschließlich der Bereicherungsvorsatz und die gerichtliche Strafbarkeit desselben, da der Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, daß ein Vertragsarzt, der einen solchen Sachverhalt verwirklicht, auch seine Sorgfaltspflicht als Vertragspartner gegenüber dem Versicherungsträger als Verwalter der Gelder der Versicherten nicht ernst genug nimmt. Die Bestimmung hat also im wesentlichen präventiven Charakter, der jedoch durch den auf die allgemeinen öffentlichen Interessen gerichteten Schutzzweck der Norm ausreichend gerechtfertigt ist und keinesfalls den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit rechtfertigt.

Was die angebliche Einschränkung der Erwerbsfreiheit durch die bekämpfte Gesetzesbestimmung anbelangt, ist festzustellen, daß der Beschwerdeführer kein Recht auf Abschluß eines Einzelvertrages gegenüber der beteiligten Partei hat - weder auf Grund einer einfach gesetzlichen Bestimmung, noch auf Grund einer Verfassungsbestimmung. Desgleichen verliert der Beschwerdeführer lediglich seinen Einzelvertrag, nicht jedoch das Recht der Berufsausübung als solcher, so daß er auch im Rahmen des Österreichischen Sozialversicherungssystemes nach wie vor Versicherte der beteiligten Partei behandeln kann, wenn auch auf Grund der für die Behandlung durch Wahlärzte geltenden Bestimmungen (§131 ASVG)."

4. §343 ASVG lautet auszugsweise:

"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und

Auflösung des Vertragsverhältnisses

§343. (1) Die Auswahl der Vertragsärzte und der Abschluß der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer.

...

(2) Das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der Krankenversicherung erlischt ohne Kündigung im Falle:

1. der Auflösung des Trägers der Krankenversicherung;

2. des Wirksamwerdens gesetzlicher Vorschriften, durch die die Tätigkeit des Trägers der Krankenversicherung entweder eine örtliche oder eine sachliche Einschränkung erfährt, in deren Folge die Tätigkeit als Vertragsarzt nicht mehr in Frage kommt;

3. des Todes des Vertragsarztes, wobei die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Honoraransprüche des Arztes auf die Erben übergehen;

4. der rechtskräftigen Verurteilung des Vertragsarztes

a)

wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe oder

b)

wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung;

              5.              einer im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes wegen groben Verschuldens strafgerichtlichen rechtskräftigen Verurteilung;

              6.              eines wiederholten rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils, in welchem ein Verschulden des Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit festgestellt wird.

(3) Der Träger der Krankenversicherung ist zur Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Vertragsarzt verpflichtet, wenn der Arzt die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes verliert oder wenn ihm diese Berechtigung von Anfang an fehlte oder wenn einvernehmlich mit der zuständigen Ärztekammer festgestellt wird, daß die Voraussetzungen, die zur Bestellung des Vertragsarztes erforderlich sind, von Anfang an nicht gegeben waren.

(4) Das Vertragsverhältnis kann unbeschadet der Bestimmungen der Abs2 und 3 von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Kündigt der Träger der Krankenversicherung, so hat er dies schriftlich zu begründen. Der gekündigte Arzt kann innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei der Landesschiedskommission mit Einspruch anfechten. Die Landesschiedskommission hat innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Einspruches über diesen zu entscheiden. Der Einspruch hat bis zum Tag der Entscheidung der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung. Die Landesschiedskommission kann die Kündigung für unwirksam erklären, wenn sie für den Arzt eine soziale Härte bedeutet und nicht eine so beharrliche oder eine so schwerwiegende Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag vorliegt, daß die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für den Träger der Krankenversicherung nicht zumutbar ist. Eine vom gekündigten Arzt eingebrachte Berufung an die Bundesschiedskommission hat ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung."

Die §§344 bis 346 ASVG lauten auszugsweise folgendermaßen:

"Paritätische Schiedskommission

§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in

jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

(...)

(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.

(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.

Landesberufungskommission

§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. (...)

(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:

1. zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und

2. zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß §344 Abs3.

(...)

Landesschiedskommission

§345a. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesschiedskommission zu errichten. ...

(2) Die Landesschiedskommission ist zuständig:

1. zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages und

2. zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß §343 Abs4.

(3) Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden.

Bundesschiedskommission

§346. (1) Zur Entscheidung über Berufungen, die gemäß §345a Abs3 erhoben werden, ist eine Bundesschiedskommission zu errichten.

..."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde folgendes erwogen:

4.1. Soferne der Beschwerdeführer gegen §345a ASVG verfassungsrechtliche Bedenken wegen des vermeintlichen Ausschlusses eines Rechtsschutzes im Falle des Erlöschen des Einzelvertrages darlegt, geht er von falschen Prämissen aus:

4.1.1. Die Landesschiedskommission und in weiterer Folge die Bundesschiedskommission sind nur in den im ASVG taxativ aufgezählten Fällen zur Entscheidung zuständig, worunter v.a. die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gem. §343 Abs4 ASVG fällt (§§345a, 346 ASVG).

Hingegen ist die Paritätische Schiedskommission und im Instanzenzug die Landesberufungskommission zur "Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen" zuständig (§§344, 345 ASVG). Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 15178/1998 klargestellt hat, ist §344 ASVG weit auszulegen: In die Zuständigkeit der Schiedskommission fallen demnach sowohl Streitigkeiten unmittelbar aus dem Einzelvertrag, als auch jene über das gültige Bestehen oder Nichtbestehen eines Einzelvertrages einschließlich seiner Nachwirkungen. Zu den erstgenannten Streitigkeiten zählen insbesondere jene über Honorareinbehalte, Forderungsaufrechnungen, Schuldeinlösungen nach §1422 ABGB u.ä. (vgl. auch Sourada, SoSi 1990, 18 ff. (20)).

4.1.2. Was nun Streitigkeiten, die aus dem Erlöschen eines Einzelvertrages resultieren betrifft, so stellen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 48. ASVG-Novelle folgendes klar (1098 BlgNR 17. GP, 17):

"Die paritätische Schiedskommission soll auch für Streitigkeiten, die nicht konkret aus einem Einzelvertrag entstehen, sondern mit einem solchen Vertrag in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen, zuständig sein: Dies insbesondere für Schadenersatzstreitigkeiten oder für das Verfahren über ein Vertragserlöschen. Ähnliches sieht §50 Abs1 Z1 ASGG für die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte vor."

Auch der OGH geht bei "Streitigkeiten darüber, ob ein gültig abgeschlossener Einzelvertrag weiterbesteht oder ... erloschen ist", von der Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission aus (OGH 31.1.1990, Ob 140/89 in SoSi Nr. 5/1990, 271).

4.1.3. Da dem Beschwerdeführer somit eine Rechtsschutzmöglichkeit eingeräumt ist, gehen seine Bedenken hinsichtlich §345a ASVG ins Leere; die Landes- bzw. Bundesschiedskommission haben ihre Zuständigkeit vielmehr zu Recht verneint.

4.2. Die Bedenken des Beschwerdeführers, daß §343 Abs2 Z4 lita und b ASVG deswegen unsachlich sei und gegen das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verstoße, weil darin die Verurteilung wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung mit einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe gleichgesetzt werde, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu teilen.

4.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß der Gesetzgeber gemäß Art6 StGG ermächtigt ist, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Voraussetzungen verboten ist, sofern die gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, diese adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist (vgl. etwa VfSlg. 11276/1987, 12098/1989, 12379/1990, 12677/1991, 14611/1996). Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung (bloß) beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Erwerbsausübungsfreiheit zu prüfen und müssen demnach durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Die Ausübungsregeln müssen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein. Es steht dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (vgl. etwa VfSlg. 11558/1987, 11853/1988, 12379/1990, 12481/1990, 14259/1995). Um eine bloße Erwerbsausübungsbeschränkung handelt es sich im vorliegenden Fall, wie die Beschwerde zutreffend selbst erkennt.

4.2.2. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß für eine Vertragsbeziehung, wie sie der Einzelvertrag darstellt, ein hohes Maß an Vertrauen erforderlich ist, wird doch durch die Verrechnung von ärztlichen Leistungen indirekt im eigenen wirtschaftlichen Interesse über beträchtliche Mittel der Versichertengemeinschaft disponiert; eine wirksame Kontrolle dieser Abrechnung durch die Sozialversicherungsträger ist notorisch nämlich nicht in jedem Einzelfall, sondern nur stichprobenartig möglich. Wenn daher der Gesetzgeber jede gerichtlich strafbare Handlung, die vorsätzlich und in der Absicht, sich zu bereichern, begangen worden ist, als so gravierend angesehen hat, daß das aufgrund der dargelegten Umstände unbedingt erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit des Arztes in finanziellen Dingen damit nicht mehr als gegeben angenommen werden kann, so hat er damit den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

4.2.3. Es begegnet daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber den Sozialversicherungsträgern in einem solchen Fall keinen Spielraum zur Aufrechterhaltung des Einzelvertrages eingeräumt, sondern dessen Erlöschen zwingend angeordnet hat.

5. Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden,

6. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gem. §19 Abs4 VerfGG 1953 gefaßt werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Erwerbsausübungsfreiheit, Sozialversicherung, Ärzte, Verfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B2074.1998

Dokumentnummer

JFT_09999386_98B02074_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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