TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/15 2003/10/0059

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Veröffentlicht am 15.09.2003
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;

Norm

SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
SHV Richtsätze Wr 1973 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 5/5, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Dezember 2002, Zl. MA 15-II-H 60/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte am 13. September 2002 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialreferat, einen Antrag auf Übernahme der Stromkosten für September 2002 in Höhe von EUR 37,20.

Mit Bescheid vom 20. September 2002 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Beschwerdeführers unter Berufung auf das Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 11/1973 (WSHG), ab.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die erste Instanz behaupte lediglich, dass Stromkosten vom Richtsatz gedeckt seien. Mangels einer "euromäßigen Auflistung" sei dies keiner Verifizierung zugänglich. Der begehrte Aufwand sei seiner Auffassung nach durch den herangezogenen Richtsatz nicht gedeckt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung decke der herangezogene Richtsatz die geltend gemachten Stromkosten, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so bemessen sei, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung, sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. § 13 Abs. 6 WSHG, der den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf an Lebensunterhalt zum Inhalt habe, sei daher nicht anzuwenden. Da die Richtsätze Pauschalbeträge darstellten und der Gesetzgeber eine Aufschlüsselung nach Teilleistungen nicht vorgenommen habe, sei es der belangten Behörde verwehrt, eine solche vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Der gegenständliche Beschwerdefall entspricht in Ansehung des maßgebenden Sachverhaltes und der entscheidenden Rechtsfrage jenem Fall, der dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/10/0022 zu Grunde lag. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat aus den dort dargelegten Erwägungen, auf die im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter anderem die Auffassung, dass Stromkosten im Rahmen des im § 13 Abs. 3 WSHG aufgezählten Bedarfes mit umfasst sind. Eine Richtsatzüberschreitung käme nach § 13 Abs. 4 WSHG nur in Betracht, wenn auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht beim Hilfe Suchenden eine Situation besteht, die sich von der im Allgemeinen bei Hilfe Suchenden bestehenden Bedarfslage deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten (Strom-)Bedarf begründet.

Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer benötige Strom nicht nur zur Beleuchtung und allenfalls Kochfeuerung, sondern auch zum Betrieb zahlreicher elektrischer Geräte, werden die Voraussetzungen für eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 leg. cit. nicht ausreichend dargetan.

2. Die Beschwerde vertritt ferner die Auffassung , auch ein Aufwand, der vom Wesen her bereits im Richtsatz enthalten sein solle, könne "ein vom Richtsatz nicht gedeckter Bedarf" im Sinne des § 13 Abs. 6 WSHG sein. Diese Bestimmung zähle demonstrativ auf, welcher Bedarf nicht vom Richtsatz gedeckt sei; daneben seien aber auch für jeden anderen Aufwand, "den der Richtsatz de facto nicht abdeckt", zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu gewähren.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde nicht im Recht.

Nach § 12 WSHG umfasst der Lebensunterhalt insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben im angemessenen Ausmaß.

§ 13 WSHG lautet auszugsweise:

"(1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) ...

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. ...

(5) ...

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf für einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

..."

Gemäß  4 Abs. 1 der Richtsatzverordnung ist bei Dauersozialhilfebeziehern, die das 65. Lebensjahr bei Männern, das 60. Lebensjahr bei Frauen überschritten haben oder für mindestens ein halbes Jahr erwerbsunfähig sind, der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abzudecken.

Nach § 4 Abs. 3 der Richtsatzverordnung sind durch den Zuschlag insbesondere der Heizbedarfs der durchschnittliche Mietbedarf und anderer individueller Sonderbedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes gedeckt und es sind hiefür - abgesehen von Ausnahmefällen - keine weiteren Geld- oder Sachleistungen zu gewähren.

Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind gemäß § 13 Abs. 1 WSHG unter Anwendung von Richtsätzen zu bemessen. Die Höhe der Richtsätze ist gemäß § 13 Abs. 3 WSHG so festzusetzen, dass der monatliche Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege und Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß der Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben gedeckt ist.

Aus der Gegenüberstellung von § 12 und § 13 Abs. 3 und 6 leg. cit. ergibt sich, dass durch die Richtsätze - sowie durch deren allfällige Überschreitung nach § 13 Abs. 4 - weder Unterkunft, Bekleidung (soweit es nicht deren Instandsetzung betrifft), Hausrat und Beheizung noch die in § 12  WSHG nicht ausdrücklich genannten, dem Lebensunterhalt zuzurechnenden Bedürfnisse erfasst sind.

Um den Lebensunterhalt im Sinne des § 12 WSHG in vollem Umfang zu sichern, trifft § 13 Abs. 6 WSHG daher die Regelung, dass der "nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung" durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken ist, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Die Wortfolge "der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere ..." in § 13 Abs. 6 dient also dazu, nicht nur "Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung", sondern auch die im Wege der demonstrativen Aufzählung in § 12 zum Teil des Lebensunterhaltes erklärten "anderen persönlichen Bedürfnisse" zu erfassen. Weder der Systematik des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Regelung der Sozialhilfe, Beilagen Nr. 17/72) ist ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 13 Abs. 6 darüber hinaus beabsichtigt hätte, zur Deckung der im § 13 Abs. 3 genannten Bedürfnisse neben der Überschreitung des Richtsatzes (§ 13 Abs. 4)

die Erbringung weiterer Geld- und Sachleistungen zu ermöglichen. Dies gilt auch für den pauschalierten Zuschlag gemäß § 13 Abs. 6 sowie für ausnahmsweise gewährte weitere Geld- und Sachleistungen gemäß § 4 Abs. 3 der Sozialhilfeverordnung. Auch derartige Leistungen können ausschließlich zur Deckung von im § 13 Abs. 3 WSHG nicht erwähnten Bedürfnissen gewährt werden. Über den Richtsatz hinaus gehende Leistungen zur Deckung des Bedarfes an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege und Wäschereinigung sowie des Aufwandes für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben im angemessenen Ausmaß sind somit ausschließlich gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. zu erbringen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0050).

Da beim Beschwerdeführer der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes (seit Februar 2002) gemäß § 4 Abs. 1 der Richtsatzverordnung durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt wird, sind - abgesehen von Ausnahmefällen - gemäß § 4 Abs. 3 der Richtsatzverordnung keine weiteren Geld- oder Sachleistungen (im Sinne des § 13 Abs. 6 WSHG) zu gewähren. Anhaltspunkte dafür, dass beim Beschwerdeführer ein Ausnahmefall gegeben wäre, werden weder dargetan, noch sind solche ersichtlich (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/10/0022).

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Wien, am 15. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003100059.X00

Im RIS seit

20.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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